• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Schilddrüsenkarzinome — Derzeitiger Stand der Diagnostik" (11.06.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Schilddrüsenkarzinome — Derzeitiger Stand der Diagnostik" (11.06.1986)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Schilddrüsenkarzinome —

Derzeitiger Stand der Diagnostik

Santo Ahuja und Helmut Ernst

Aus der Klinik für Radiologie, Nuklearmedizin

und Physikalische Therapie, Abteilung für Strahlentherapie (Leiter: Professor Dr. med.

Helmut Ernst)

am Klinikum Steglitz

der Freien Universität Berlin

D

ie jährliche Inzidenz der Schilddrüsenkarzinome liegt in der Bundesrepublik Deutsch- land bei nur etwa 0,003 Prozent.

Strumen kommen hingegen in der Bevölkerung in etwa 15 Prozent, Knotenstrumen in etwa 8 Prozent vor. In den meisten Fällen sind die knotigen Schilddrüsenverände- rungen benigne, es handelt sich um Kolloidknoten, Adenome oder Zysten. Maligne Veränderungen betreffen überwiegend Solitärkno- ten, seltener auch mehrknotige oder diffuse Strumen. Das Auffin- den der wenigen malignen Tumo- ren kann schwierig sein, ist jedoch durch neuere Verfahren erleich- tert worden. Bei den meisten Schilddrüsenkarzinomen — abge- sehen von den groß- und spindel- zelligen undifferenzierten Schild- drüsenkarzinomen, die meist in- nerhalb weniger Monate zum To- de führen — sind die Behandlungs- erfolge gut, wenn das Karzinom frühzeitig erkannt wird.

1 Anamnese

1.1 Alter und Geschlecht

Bei beiden Geschlechtern sind im Kindes- oder Jugendalter sowie jenseits des 60. Lebensjahres ent- stehende Schilddrüsenknoten häufiger bösartig als im mittleren Lebensalter auftretende Knoten.

Schilddrüsenknoten sind häufig, Schilddrüsenkarzinome hingegen selten. Die Differentialdiagnose des Knotens ist allerdings schwie- rig, insbesondere, wenn es sich um ein Karzinom im Frühstadium handelt. Neuere Untersuchungs- verfahren haben die Indikations- stellung zur Operation vermindert.

Bei Männern sind Schilddrüsen- knoten seltener als bei Frauen, je- doch sind sie häufiger maligne.

Dennoch sind Frauen dreimal mehr von einem Schilddrüsenkar- zinom betroffen als Männer.

1.2 Symptome

Das häufigste Symptom des Schilddrüsenkarzinoms sind Kno- ten im vorderen Halsbereich, gele- gentlich auch eine diffuse Halsum- fangszunahme, mitunter Dyspha- gie und/oder Dyspnoe. Insbeson- dere bei Kindern und Jugendli- chen können — noch bevor der Schilddrüsentumor selbst ent- deckt ist — Halslymphome und auch Fernmetastasen (Lungenme- tastasen) auffallen. Heiserkeit ist ebenfalls gelegentlich erstes Sym- ptom eines Schilddrüsenmali- gnoms. Das Horner Syndrom und vasovagale Synkopen sind selten.

Zu Stridor, Lymph- und Venen- stauung, Schmerzen und Ge- wichtsabnahme kommt es im all- gemeinen erst in fortgeschrittenen Stadien. Therapieresistente Durch- fälle können Hinweis auf ein — meist bereits fortgeschrittenes — medulläres Schilddrüsenkarzinom (C-Zell-Karzinom) sein. Bei Meta- stasen eines Adenokarzinoms un- bekannter Herkunft sollte immer auch an ein primäresSchilddrüsen- karzinom gedacht werden.

Alle Knoten — Solitärknoten, aber auch Knoten innerhalb einer mul- tinodösen Struma — die hart sind und ein Wachstum aufweisen, sind malignomverdächtig, insbe- sondere, wenn das Wachstum un- ter suppressiver Schilddrüsenhor- montherapie beobachtet wird.

Gleiches gilt für diffuse Strumen mit unregelmäßiger Oberfläche.

Differentialdiagnostisch muß be- dacht werden, daß es sich bei dif- fusen weichen Schilddrüsenver- größerungen im jugendlichen Al- ter in der Regel um gutartige Ado- leszentenstrumen handelt, daß ei- ne schmerzhafte Struma eher für eine Thyreoditis und ein schmerz- hafter Solitärknoten eher für eine Einblutung in ein gutartiges zysti- sches Adenom sprechen.

1.3 Strahlenanamnese

Eine im Säuglings- oder Kindesal- ter vorgenommene Röntgenbe- strahlung der Kopf-/Hals- oder oberen Thoraxregion, wie sie bis noch vor 30 Jahren zum Beispiel wegen Thymusvergrößerung, hy- pertrophierten Tonsillen, Naevi, Akne, entzündlichen Lymphkno- tenveränderungen usw. erfolgte, bedingt in ein Viertel bis ein Drittel der Fälle meist multimoduläre Schilddrüsenveränderungen. Mit einer Latenzzeit von sechs bis über 20 Jahren können sich auch Schilddrüsenkarzinome entwik- keln. Das statistische Risiko liegt 30- bis 100mal höher als bei der Normalbevölkerung. Meist entste- hen nach Röntgenbestrahlung pa- pilläre, gelegentlich auch follikulä- re, selten undifferenzierte Karzino- me. Seit einigen Jahren ist auch bekannt, daß sich nach Strahlen- therapie der Halsregion mit Tu- mordosen nach mehrjähriger La- tenzzeit Schilddrüsenkarzinome entwickeln können.

1.4 Familienanamnese

Eine familiäre Häufung findet sich bei 10 bis 25 Prozent der medullä- ren Schilddrüsenkarzinome. Der Erbgang ist hierbei autosomal do-

(2)

Zyste,

selten DD Lymphom kalter Knoten

echofrei:

glatt berandet, keine Binnenechos, nach- geschaltete Schall- verstärkung

Tabelle: Bildgebende Diagnostik des Schilddrüsenknotens Szintigraphie wahrscheinlichste

Verdachtsdiagnose Sonographie

echoarm:

— teilweise zystisch

— gegebenenfalls teilweise zystisch

kalter Knoten kalter Knoten heißer oder warmer Knoten

Adenom; Thyreoiditis;

Riedel-Struma; Karzinom Adenom; Karzinom autonomes Adenom ( 2/3

aller autonomen Adeno- me sind echoarm) echoreich:

gegebenenfalls mit zystischer Degenera- tion oder regressiven Verkalkungen

Adenom,

extrem selten Karzinom autonomes Adenom ( 1 /3 aller autonomen Adeno- me sind echogleich oder echoreich)

kalter Knoten heißer oder warmer Knoten minant. Diese familiäre Form des

medullären Schilddrüsenkarzi- noms kommt typischerweise im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) Typ II vor.

Wird in der Familienanamnese ein medulläres Schilddrüsenkarzinom angegeben, ein Phäochromo- zytom, Tod infolge einer hyperto- nen Krise, ein primärer Hyperpara- thyreoidismus oder Schleimhaut- neurinome, so sollte immer an die familiäre Form des medullären Schilddrüsenkarzinoms gedacht werden, insbesondere, wenn es sich um eine mehrknotige Struma handelt, da die familiären medullä- ren Schilddrüsenkarzinome oft- mals multizentrisch auftreten.

2. Klinische Untersuchung 2.1 Schilddrüsentastbefund Solitärknoten oder diffuse Stru- men, die palpatorisch fest oder derb erscheinen, sind verdächtig.

Eine mehrknotige Struma ist da- gegen meist Folge einer im Laufe von Jahren erfolgten regressiven Umwandlung der Schilddrüse. Sie tritt vorwiegend in Jodmangelge- bieten auf.

In Nicht-Endemiegebieten hinge- gen sind diese benignen knotigen Schilddrüsenveränderungen we- sentlich seltener. Das Risiko, daß sich hinter einem Knoten ein Mali- gnom verbirgt, ist hier um etwa das Fünffache höher als im En- demiegebiet. Solitäre Schilddrü- senknoten sind in unselektierten Obduktionsstatistiken in etwa 10 Prozent maligne. Dabei sind aller- dings auch die okkulten, in der Re- gel stummen Schilddrüsenkarzi- nome erfaßt, die etwa zehnmal häufiger sind als die klinisch be- reits auffälligen Tumoren.

Bemerkenswert ist, daß die Hälfte aller Schilddrüsenkarzinome nicht in uninodösen Strumen entstehen, sondern in mehrknotigen Kröpfen, auch wenn diese zunächst palpa- torisch als uninodulär erscheinen mögen.

2.2 Lympknotenschwellungen, Einflußstauung,

Rekurrensparese

Indolente Halslymphome können

— selbst bei palpatorisch unauffäl- liger Schilddrüse — ebenso wie ei- ne obere Einflußstauung oder Hei- serkeit Hinweis auf ein Schilddrü- senmalignom sein. Daher sollten Halslymphome bei unbekanntem Primärtumor immer Anlaß zur Schilddrüsendiagnostik (Szinti- graphie, Sonographie) sein.

3. Szintigraphie 3.1 Informationsinhalt des Szintigramms

Die Szintigraphie informiert über den Funktionszustand eines geta- steten Knotens. Die Beurteilung erfolgt anhand seiner Fähigkeit zur Aufnahme von Jodionen aus dem Blut. Für den Grad dieser Jodavidität, gemessen an der loka- len Radioaktivität zu einem be- stimmten Zeitpunkt nach Applika- tion des Radionuklids, werden die Temperaturbegriffe „heiß",

„warm" und „kalt" verwendet. Ein Knoten wird als warm bezeichnet,

wenn er pro Zeiteinheit mehr Jod- ionen und damit auch mehr Radio- aktivität aus dem Blut entnimmt als „normales" Schilddrüsenge- webe. Die Funktion dieses Kno- tens ist gesteigert (Ausnahme: no- duläre Hyperplasie). Entsprechen- des gilt umgekehrt für einen kal- ten, damit also funktionslosen oder funktionsarmen Knoten. Ist die Funktionslage so stark gestei- gert, daß ausschließlich im Kno- ten, nicht oder kaum dagegen in dessen Umgebung eine Radioakti-

vitätsanreicherung meßbar ist, so spricht man von einem szintigra- phisch heißen Knoten.

Das Schilddrüsenszintigramm gibt auch morphologische Informatio- nen. Nichttastbare Bezirke mit ver- änderter Funktion (Mehrknotig- keit) können nachgewiesen wer- den, desgleichen Formvarianten der Schilddrüse, retrosternale An- teile und Dystopien.

Auch die Differentialdiagnose, ob es sich um einen extrathyreoidal gelegenen Knoten handelt, kann mit Hilfe des Szintigramms gestellt werden (siehe hierzu die Tabelle).

(3)

Bis zu 35 Prozent der klinisch als solitär erscheinenden Schilddrü- senknoten erweisen sich szintigra- phisch als multipel, ein Prozent- satz, der sich bei Operation und histo-pathologischer Untersu- chung als noch höher erweist. Mit Nachweis der Mehrknotigkeit sinkt die Wahrscheinlichkeit der Malignität.

3.2 Szintigraphische Kriterien der Schilddrüsenkarzinome Typisch für ein Schilddrüsenkarzi- nom sind kalte Knoten. Umgekehrt ist ein kalter Knoten jedoch kei- neswegs karzinomspezifisch, denn meist handelt es sich um be- nigne Veränderungen — Kolloid- knoten, Adenome, Zysten, fokale Thyreoiditen. Nur in etwa drei bis fünf Prozent sind „kalte" Knoten maligne. Szintigraphisch „warme"

Knoten sind selten, „heiße" fast nie bösartig. Je intensiver also die Speicherung in einem Knoten ist, um so geringer ist die Wahr- scheinlichkeit der Malignität. Nur gut differenzierte follikuläre Karzi- nome können gelegentlich eine gewisse Radionuklidspeicherung aufweisen.

3.3 Spezielle

szintigraphische Techniken Hierzu gehören die Fluoreszens- zintigraphie und die positive Tu- morszintigraphie mit 201 Thallium- Chlorid. Beide Verfahren sind für die Routine bisher ohne wesent- liche Bedeutung.

4. Sonographie 4.1 Informationsinhalt des Sonogramms

Die Sonographie vermittelt an- hand des akustischen Reflexver- haltens eine morphologische Aus- sage über Form, Größe und Struk- tur der Schilddrüse sowie der Um- gebung. Im Vergleich zur Szinti- graphie ist das Auflösungsvermö- gen der Sonographie höher: es

können bereits Veränderungen ab ca. zwei Millimeter Durchmesser erkannt werden. Der Hauptwert der Sonographie besteht neben der Beurteilung des Echomusters vor allem in der Erkennung solitä- rer und multipler Knoten einer Schilddrüsenveränderung.

Die normale Schilddrüse erscheint sonographisch fein granuliert. Die Echos sind gleichmäßig verteilt und haben eine mittlere Dichte und mittlere Amplitudenhöhe. Pa- thologische Veränderungen in der Schilddrüse können sich echo- gleich, echofrei, echoarm oder echoreich darstellen. Mit dem Be- griff „echogleich" wird eine Ver- änderung bezeichnet, die die glei- che Echotextur aufweist wie die normale Schilddrüse, also solide ist. „Echofrei" bedeutet, daß keine internen strukturbedingten Echos bestehen, also flüssigkeitsgefüllt (Zyste).

Ist ein Befund „echoarm", so ist die solide Strutkur mikrofollikulär, zellreich und kolloidarm. Ist die Gewebestruktur „echoreich", so handelt es sich um einen soliden, makrofollikulären, zellarmen, kol- loidreichen Knoten (siehe hierzu die Tabelle).

4.2 Sonographische Kriterien der Schilddrüsenkarzinome Echoarme Knoten sind typisch für ein Schilddrüsenkarzinom, jedoch nicht spezifisch. Die stoffwechsel- aktiven autonomen Adenome sind meist ebenfalls echoarm, desglei- chen die inaktiven Adenome, die fokale Thyreoiditis und die Riedel- Struma. Zystische Veränderungen innerhalb echoarmer Knoten kön- nen bei Schilddrüsenkarzinomen angetroffen werden, häufiger je- doch bei (autonomen) Adenomen.

Sonographisch gibt es außer der Echoarmut kein sicheres Kriteri- um, das für Malignität eines Schilddrüsenknotens spricht. An- dererseits muß jeder echoarme Knoten bis zum Beweis des Ge- genteils als malignomverdächtig angesehen werden.

5. Computertomographie und Kernspintomographie 5.1 Informationsinhalt des Computertomogramms Computertomographisch wird ei- ne umschriebene Schilddrüsen- veränderung häufiger nachgewie- sen als szintigraphisch, etwa gleich häufig wie mit der Sonogra- phie. Eine Differenzierung zwi- schen benignen und malignen Knoten ist jedoch nicht möglich.

Computertomographisch werden Schilddrüsenmalignome erst bei organüberschreitendem Wachs- tum erkannt. Auch retrotracheale Strumaanteile und mediastinale Lymphome sind computertomo- graphisch gut darstellbar.

5.2 Indikation

zur Computertomographie Die Computertomographie gehört in der Schilddrüsenkarzinomdia- gnostik nicht zu den Erstuntersu- chungsverfahren. Nur bei ausge- dehnten Karzinomen mit Verdacht auf Infiltration von Kehlkopf, Tra- chea oder Manubrium sterni sowie zur genauen Festlegung retrotra- chealer Strumaanteile und zur Diagnose mediastinaler Lympho- me ist der Einsatz der Computer- tomographie berechtigt.

5.3 Informationsinhalt des Kernspintomogramms Bei Untersuchungen im Halsbe- reich ist die Kernspintomographie bei Benutzung von Oberflächen- spulen der Computertomographie überlegen. Auch im Mediastinum besteht eine Überlegenheit wegen des hohen Kontrastes zwischen Gewebe und Gefäßen.

Nach den bisher vorliegenden we- nigen Untersuchungsergebnissen gelingt bei der Kernspintomogra- phie jedoch ebensowenig wie bei den anderen bildgebenden Ver- fahren eine Differenzierung zwi- schen benignem und malignem Schilddrüsenknoten.

(4)

5.4 Indikation

zur Kernspintomographie

Im Rahmen der Primärdiagnostik des Schilddrüsenkarzinoms be- steht demnach bislang keine Indi- kation zur Kernspintomographie.

6. Tumormarker 6.1 Thyreoglobulin

Die Thyreoglobulin-Bestimmung im Serum ist zur posttherapeuti- schen Verlaufskontrolle differen- zierter, das heißt follikulärer und papillärer Schilddrüsenkarzinome äußerst wertvoll. Zur Bestimmung der Dignität einer knotigen Verän- derung in der Schilddrüse trägt sie jedoch kaum bei. Gleich hohe Thy-

reoglobulin-Serumspiegel werden bei differenzierten Schilddrüsen- karzinomen und verschiedenen benignen Schilddrüsenerkrankun- gen gefunden.

6.2 Calcitonin und CEA

Wenn klinisch oder auf Grund der Familienanamnese Verdacht auf ein medulläres Schilddrüsenkarzi- nom (C-Zell-Karzinom) besteht, ist die Calcitonin- und CEA-Bestim- mung im Serum präoperativ be- reits wertvoll. Die Calcitonin-Be- stimmung wird auch —gegebenen- falls im Rahmen des Pentagastrin- Stimulations-Testes — zum Famili- en-Screening bei Patienten mit medullärem Schilddrüsenkarzi- nom eingesetzt. Mit keinem ande- ren Verfahren kann die Diagnose eines medullären Schilddrüsen- karzinoms so frühzeitig gestellt werden wie mit der Calcitonin-Be- stimmung.

6.3 Indikation zur

Tumormarkerbestimmung Zur Beurteilung der Dignität eines Schilddrüsenknotens ist die Thy- reoglobulinbestimmung im Serum in der Regel nicht geeignet. Statt dessen sind Calcitonin- und CEA- Bestimmung im Serum bei Ver-

dacht auf medulläres Schilddrü- senkarzinom indiziert.

7. Punktion 7.1 Indikation

zur Feinnadelpunktion

Die Indikation zu diesem einfa- chen, schnellen und gefahrlosen morphologischen Untersuchungs- verfahren ist bei szintigraphisch

„kalten" und sonographisch „e- choarmen" oder klinisch suspekt erscheinenden Schilddrüsenkno- ten stets gegeben.

7.2 Informationsinhalt der zytologischen Diagnostik Die Zytologie soll nicht nur die Frage nach der Dignität des Kno- tens beantworten, sondern — dies ist in der Mehrzahl der Fälle mög- lich — eine Differenzierung des Tu- mortyps geben. Die häufigste, in der Regel keine diagnostischen Schwierigkeiten bereitende zyto- logische Diagnose ist der gutarti- ge Kolloid-Strumaknoten.

Eine Differentialdiagnose zwi- schen follikulärem Adenom und Karzinom ist zytologisch nicht möglich. Dieser Befund wird des- halb als „follikuläre Neoplasie"

bezeichnet. Er stellt eine Opera- tionsindikation dar, da nur die hi- stologische Aufarbeitung des Operationspräparates die endgül- tige Diagnose sichern kann: beim Karzinom liegt eine Gefäßinvasion vor, beim Adenom nicht. Gleiches gilt für die zytologische Diagnose eines Hürthle-Zell-Tumors (Onko- zytom), einer Sonderform der folli- kulären Adenome oder Karzino- me. Auch hier ist operative Klä- rung erforderlich. Die zytologi- sche Differentialdiagnose zwi- schen papillärem Adenom und Karzinom ist sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, so daß alle papil- lären Tumoren als Karzinome be- zeichnet werden, zumal auch zu- nächst als papilläre Adenome be- zeichnete Tumoren metastasieren können.

Medulläre Schilddrüsenkarzinome (C-Zelt-Karzinome) zeichnen sich durch ein sehr variables Zeltbild aus. Undifferenzierte riesenzellige Schilddrüsenkarzinome zeigen oft Nekrosen und Infiltrate von Ent- zündungszellen. Maligne Lympho- me — in der Regel Non-Hodgkin- Lymphome — stellen sich allge- mein mit charakteristischem zyto- logischem Erscheinungsbild dar.

Die zytologische Diagnose von Plattenepithelkarzinomen stellt keine Schwierigkeit dar, wohl aber die weitere Differentialdiagnose, ob es sich hierbei um einen orts- ständigen Tumor oder eine Meta- stase handelt. Die gleiche Schwie- rigkeit ergibt sich bei dem Befund

„hellzelliges Karzinom". Hierbei kann es sich um ein ortsständiges hellzelliges follikuläres Schilddrü- senkarzinom handeln oder um die Metastase eines Hypernephroms, des am häufigsten in die Schild- drüse metastasierenden Karzi- noms. Die Treffsicherheit der Me- thode liegt zwischen 70 bis 94 Pro- zent. Die Rate falschpositiver Be- funde ist sehr niedrig: sie liegt zwi- schen null bis zwei Prozent.

8. Gezielter Einsatz der beschriebenen diagnostischen Verfahren

Die vier Säulen der Schilddrüsen- karzinomdiagnostik sind Anamne- se und Tastbefund, Sonographie, Szintigraphie und Feinnadelpunk- tion. Alle anderen Methoden spie- len eine untergeordnete Rolle.

Ausnahmen bilden die familiären medullären Schilddrüsenkarzino- me, bei denen nur die Tumormar- kerbestimmung (Calcitonin) eine Früherkennung des Karzinoms er- laubt, eventuell noch in der Phase der Präkanzerose (C-Zell-Hyper- plasie).

Suspekt und weiter klärungsbe- dürftig ist jeder pathologische Schilddrüsentastbefund, insbe- sondere wenn es sich um eine vor dem 25. oder nach dem 60. Le- bensjahr neu auftretende Schild-

(5)

drüsenveränderung handelt, oder wenn in der Anamnese eine Be- strahlung der Kopf-/Hals-/oberen Thoraxregion im Kindesalter an- gegeben wird. Solitärknoten — vor allem wenn sie von harter Konsi- stenz sind, sind verdächtiger als eine multinodöse Struma im Jod- mangelgebiet. Knotige Schilddrü- senveränderungen sind bei Män- nern ungleich seltener als bei Frauen und relativ häufiger mali- gne. Auch bei indolenten Halslym- phomen sollte immer — selbst bei unauffälligem Schilddrüsen-Tast- befund — an die Möglichkeit eines Schilddrüsenkarzinoms gedacht werden. Das gleiche gilt für Meta- stasen eines Adenokarzinoms un- bekannter Herkunft.

Die Ansichten sind geteilt, ob zur weiteren Diagnostik Szintigraphie oder Sonographie an erster Stelle stehen sollte. Für den Einsatz der Sonographie an erster Stelle spricht die bessere Erkennbarkeit kleiner Knoten (ab zwei Millimeter Durchmesser), vor allem wenn sie nicht oberflächlich, sondern tief im Parenchym gelegen sind. Bei Vorliegen von Mehrknotigkeit sinkt die Wahrscheinlichkeit der Malignität. Eine Ausnahme stell- ten jedoch das familiäre medulläre Schilddrüsenkarzinom dar und ein Zustand nach Bestrahlung der Kopf-/Hals-/oberen Thoraxregion im Kindesalter.

Szintigraphisch werden Läsionen in der Regel erst ab einem Durch- messer von acht Millimetern er- kannt. Liegen sie tiefer im Schild- drüsenparenchym, so können sie infolge Überlagerung durch nor- males Schi lddrüsengewebe fälsch- licherweise als normalspeichernd gesehen werden. Vorwiegend hieraus erklärt sich die Tatsache, daß nach manchen Autoren nur 70 Prozent der differenzierten Schilddrüsenkarzinome im Szinti- gramm als „kalte" Knoten erschei- nen. Aus diesem Grund wird oft- mals empfohlen, szintigraphisch

„warme" Knoten wie „kalte" Kno- ten zu behandeln. Die Malignom- inzidenz in „heißen" Knoten sinkt auf nahezu Null.

Die Sonographie liefert eine aus- schließliche Aussage über die Morphologie der Schilddrüse und ihrer Umgebung. Die Szintigra- phie gibt Auskunft über Morpholo- gie und Stoffwechselaktivität der Knoten. Beide Verfahren erlauben

— insbesondere bei kombinierter Anwendung — eine Eingrenzung suspekter Schilddrüsenverände- rungen, jedoch nicht die Differen- zierung zwischen Benignität und Malignität. Szintigraphie und So- nographie sollten nebeneinander angewandt und nicht als konkur- rierende Untersuchungsverfahren angesehen werden, denn sie lie- fern gegenseitig Zusatzinformatio- nen. Ob sich die Thallium-Szinti- graphie zur Abklärung echoarmer, kalter Knoten durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Insbesondere bei Berücksichtigung der Verweil- dauer des Radionuklids im Knoten scheint die Methode eine gute Dif- ferenzierung zwischen benignen und malignen Knoten zu erlauben.

Jedoch liefert diese teure Untersu- chungsmethode im Gegensatz zur preiswerten und einfach durchzu- führenden Feinnadelpunktion (FNP) keine Aussage über den Tu- mortyp.

Die Feinnadelpunktion ist zur wei- teren Abklärung echoarmer, im Technetium- oder Jodszintigramm kalter Schilddrüsenknoten indi- ziert. Nur die FNP erlaubt mit rela- tiv hoher Treffsicherheit (70 bis 94 Prozent) eine Aussage über die Di- gnität der Schilddrüsenverände- rung. Zusätzlich kann die FNP in der Mehrzahl der Fälle eine Diffe- renzierung des Tumortyps geben.

Falschpositive Befunde sind oft- mals auf das Nichttreffen des Kno- tens oder auf die Aspiration nicht- repräsentativer Areale im Knoten zurückzuführen. Mit einer Reduk- tion dieser falschnegativen Befun- de ist bei häufigerer Anwendung der ultraschallgesteuerten Punk- tion zu rechnen.

Die letzte Entscheidung zur opera- tiven Klärung eines suspekten Schilddrüsenbefundes bleibt — auch bei negativer Zytologie — dem Kliniker vorbehalten. Folgen-

de Empfehlung scheint bei kli- nisch suspektem Befund vertret- bar zu sein: Ein klinisch verdächti- ger Knoten sollte trotz negativer Zytologie bei Patienten unter dem 25. und über dem 60. Lebensjahr operativ entfernt werden. Bei allen anderen Patienten sollten unter suppressiver Schilddrüsenhor- monmedikation engmaschige Kontrollen — auch FNP-Kontrollen

— vorgenommen werden. Das Risi- ko, bei dieser Verfahrensweise ein klinisch relevantes Schilddrüsen- karzinom zu übersehen, scheint gering zu sein.

(Herrn Professor Dr. med. Karl Oeff zum 65. Geburtstag gewid- met)

Literatu ra uswa h I

Christensen, S. B.; Bondeson, L.; Ericsson, U. B.; Lindholm, K.: Prediction of malignancy in the solitary thyroid nodule by physical ex- amination, thyroid scan, fine-needle biopsy and serum thyroglobulin, Acta Chir. Scand.

150 (1984) 433-439 — Droese, M.: Die Feinna- delpunktion der Schilddrüse: Technik und Aussagemöglichkeiten, Internist 24 (1983) 467-473— Hempelmann, L. H.; Hall, W. J.; Phil- lips, M.; Cooper, R. A.; Ames, W. R.: Neo- plasms in persons treated with X-rays in infan- cy: fourth survey in 20 years, J. Natl. Cancer Inst. 55 (1975) 519-530 — Leisner, B.; Kantleh- ner, R.: Die Darstellung der Schilddrüse mit Fluoreszenztechnik, Akt. Endokr. Stoffw. 4 (1983) 80-84 — Löwhagen, T.; Willems, J. S.;

Lundell, G.; Sundblad, R.; Granberg, P. 0.: As- piration biopsy cytology in diagnosis of thyroid cancer, World J. Surg. 5 (1981) 61-73 — Pfan- nenstiel, P.: Heutiger Stellenwert und Indika- tionen der Sonographie der Schilddrüse, Akt.

Endokr. Stoffw. 4 (1983) 142-150— Riccabona, G.: Epidemiologie der Struma maligna, Praxis 71 (1982) 523-525 — Taylor, S.; Al-Wattar, K.:

Thyroid cancer: surgical management, Recent Results Cancer Res. 73 (1980) 102-111 — Tenn- vall, J.; Palmer, J.; Cederquist, E.; Larsson, I.;

Björklund, A.; Ingemansson, S.; Akerman, M.:

Scintigraphic evaluation and dynamic studies with thallium-201 in thyroid lesions with sus- pected cancer, Eur. J. Nucl. Med. 6 (1981) 295-300 — Tenvall, J.; Cederquist, E.; Möller, T.; Naversten, Y.; Akerman, M.: Preoperative scintigraphy with correlation to cytology and histopathology in carcinoma of the thyroid, Ac- ta Radiol. Oncology 22 (1983) 183-191 Das ausführliche Literaturverzeichnis befindet sich im Sonderdruck, zu beziehen über die Verfasser.

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Santo Ahuja

Professor Dr. med. Helmut Ernst Abteilung für Strahlentherapie Universitätsklinikum Steglitz Hindenburgdamm 30 1000 Berlin 45

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auch für die intraoperative Schnell- schnittdiagnostik liegt die Treffer- quote bei 93 bis 97 Prozent, nur in et- wa 5 Prozent ist eine eindeutige Aus- sage nicht möglich, dann muß das

In einer weltweiten Statistik wurde 1993 eine tödlich verlaufende Abstoßungsreaktion nach Herz- transplantation im Kindesalter mit 18 Prozent angegeben (14). In unserem Kollektiv

nahme einer oder mehrerer kurati- ver Dosen von Sulfadoxin/Pyri- methamin beziehungsweise Me- floquin, um selbst einen Therapie- versuch vornehmen zu können, falls in der Nähe

 sich bewusst werden, dass die bisherigen Anstrengungen Afrika zu helfen bei Weitem noch nicht ausreichen,..  private Hilfsorganisationen und deren Anstrengungen Afrika zu

Die Schüler sollen Š die Mitgliedsstaaten der Eurozone kennen, Š verstehen, dass die Schuldenkrise der Mitgliedsstaaten Ursache für die Krise der EU ist, Š Karikaturen zur Krise der

Tumorgewebe wird im allgemeinen erst darstell- bar, wenn das normale Schilddrü- senparenchym durch die Thy- reoidektomie mitentfernt wurde und das verbliebene Gewebe durch

Die vier kommunalen Einrichtungen mit der niedrigsten Sektionsfrequenz (sechs Prozent oder weniger) liegen Gründe für eine klinische Sektion.. > Information, Schutz und

„Smart Meters“, die den Stromverbrauch in Abhängigkeit zur Stromerzeugung steuern können. Der DGB stellt fest, dass die bisherigen Bemühungen nicht ausreichend waren, um den