• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Herztransplantation bei Neugeborenen und Säuglingen: Derzeitiger Stand im Kontext der Erfahrungen am Kinderherzzentrum Gießen" (21.11.1997)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Herztransplantation bei Neugeborenen und Säuglingen: Derzeitiger Stand im Kontext der Erfahrungen am Kinderherzzentrum Gießen" (21.11.1997)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

N

ahezu 30 Jahre sind seit der ersten erfolgreichen Herz- transplantation (HTX) beim Menschen vergangen. Die Prognose der Herztransplantierten hat sich jedoch erst seit 1982 durch die Einführung von Cyclosporin A als Immunsuppressivum dramatisch ver- bessert. Bis Anfang 1996 wurden 34 326 Herztransplantationen regi- striert (12). Der Anteil von Trans- plantationen im Kindes- und Jugend- alter betrug etwa zehn Prozent. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate wurde bisher mit etwa 70 Prozent angegeben (18) und konnte inzwischen auf 76 Prozent angehoben werden.

Die erste erfolgreiche HTX bei ei- nem Neugeborenen wurde von Bailey und Mitarbeitern, Loma Linda, USA, im Jahr 1985 durchgeführt (3). Die zunehmende Transplantationserfah- rung dieser Arbeitsgruppe führte da- zu, daß von einer Fünf-Jahres-Über- lebensrate von 80 Prozent für Herz- transplantationen im Säuglingsalter und für Transplantationen in der Neo- natalzeit von sogar 84 Prozent berich- tet wurde (4). Für die überraschend guten Ergebnisse der HTX bei Neu- geborenen scheinen das noch in Ent- wicklung befindliche Immunsystem und die damit möglicherweise höhere Toleranz gegenüber dem fremden Organ wesentlich mitverantwortlich.

Die Leistungen von Bailey und Mitar- beitern waren Anlaß, auch an der Ju- stus-Liebig-Universität Gießen Mitte 1988 ein Programm „Herztransplan- tation im Kindesalter“ mit besonde- rem Schwerpunkt für das Neugebore- nen- und Säuglingsalter zu etablie- ren.

Die palliative Maßnahme einer Herztransplantation zur Behandlung einer terminalen Herzinsuffizienz im Neugeborenen- oder Säuglingsalter, ob als Folge einer erworbenen Herz- erkrankung oder einer angeborenen Herzfehlbildung, bedarf einer indivi- duellen Entscheidung. Mit den um- fassend zu informierenden Eltern sind der natürliche Krankheitsverlauf der Kinder gegenüber den Konse- quenzen einer HTX oder bei einigen Neugeborenen mit angeborenen Herzfehlern auch gegenüber alterna- tiven Palliativoperationen abzuwä- gen. Die Entscheidung zur Herztrans- plantation bei Neugeborenen oder Säuglingen wird durch die limitierte

Verfügbarkeit von Spenderherzen, den damit verbundenen Problemen der Wartezeit, durch die perioperati- ven Behandlungsmöglichkeiten, die Bedeutung der Langzeitbetreuung, aber auch von den zu erwartenden Fortschritten der Grundlagenfor- schung beeinflußt.

Indikation

Eine Indikation zur Herztrans- plantation besteht prinzipiell für jedes Kind mit einer Herzerkrankung, die auf eine maximale konservative The- rapie refraktär ist oder für die keine chirurgische Behandlung zur Verfü- gung steht, um ein qualitativ normales Leben zu ermöglichen. Während der letzten zehn Jahre stieg die Zahl von Kindern mit komplexen angeborenen Herzfehlern ständig an, die primär oder nach einer vorangegangenen Palliativoperation herztransplantiert wurden. Zu Beginn der Transplantati- onsära im Kindesalter waren Kar- diomyopathien in über 80 Prozent der Fälle die Indikation zur HTX. Im Jahr 1995 waren nach Mitteilungen der „International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT)“

Herzmuskelerkrankungen und ange- borene Herzfehler in nahezu gleichen Anteilen die zwei Hauptindikationen

Herztransplantation bei Neugeborenen und Säuglingen

Die orthotope Herztransplantation ist eine akzeptierte Thera- pie für Kinder und Erwachsene mit einer Herzerkrankung im Endstadium. Innerhalb der letzten Dekade wurde die Herz- transplantation als Palliation auch bei Neugeborenen und Säuglingen erfolgreich angewandt. Diese Altersgruppe stellt derzeit schon nahezu die Hälfte der zur Herztransplantation vorgesehenen Patienten im Kindesalter dar. In den wenigen Zentren mit umfangreicher Erfahrung ermöglichte eine ver-

besserte perioperative Behandlung eine höhere Fünf-Jahres- Überlebensrate als nach einer Herztransplantation bei älte- ren Kindern und Erwachsenen. Lange Wartezeiten sind jedoch weiterhin für eine hohe präoperative Sterblichkeit verant- wortlich. Die Entscheidung zur Transplantation im Säug- lingsalter wird somit wesentlich von der limitierten Spender- verfügbarkeit, der präoperativen Behandlung und den ver- besserten Ergebnissen chirurgischer Alternativen beeinflußt.

1 Abteilung Kinderkardiologie (Leiter: Prof. Dr.

med. Dietmar Schranz), Medizinisches Zentrum für Kinderheilkunde, Gießen,

2 Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie (Leiter: Prof.

Dr. med. Friedrich Wilhelm Hehrlein),

3 Klinik für Anästhesiologie (Leiter: Prof. Dr. med.

Gunter Hempelmann),

4 Institut für Pathologie (Leiter: Prof. Dr. med. An- dreas Schulz), Justus-Liebig-Universität, Gießen

Jürgen Bauer1 Friedhelm Dapper2 Johannes Kroll2 Christoph Knothe3 Rainer Maria Bohle4 Josef Thul1 Karl-Jürgen Hagel1 Barbara Stastny1 Joachim Will1 Ulrike Krämer1 Ina Michel-Behnke1 Dietmar Schranz1

Derzeitiger Stand im Kontext der

Erfahrungen am Kinderherzzentrum Gießen

(2)

für eine HTX im Kindesalter (11).

Die Zahl der im ersten Lebensjahr Herztransplantierten wuchs in den USA in einem Zeitraum von fünf Jah- ren von 39 Säuglingen 1988 auf 108 im Jahr 1993. Die Zahl der zur Herz- transplantation vorgesehenen Säug- linge stieg im gleichen Zeitraum von 72 auf 200 Patienten. Die steigende Zahl von Herzempfängern im Säug- lingsalter resultierte aus der Strategie einiger Zentren, die Herztransplanta- tion für Neugeborene mit hypoplasti- schem Linksherz als primäres Be- handlungsregime anzubieten. In ei- ner amerikanischen Multizenterstu- die mit 23 beteiligten Kliniken lag bei den zur Herztransplantation vorgese- henen Säuglingen unter einem halben Jahr bei 86 Prozent ein kongenitaler Herzfehler vor, davon hatten allein 59 Prozent der Patienten ein hypoplasti- sches Linksherz (18). Am Kinderherz- zentrum der Justus-Liebig-Universität Gießen wurden bis zum 31. Dezem- ber 1996 insgesamt 73 Säuglinge im Alter von weniger als einem Jahr mit der Frage nach einer Herztransplan-

tation evaluiert. Bei zwölf Patienten mit hypoplastischem Linksherz wur- de aus medizinischer und/oder sozia- ler Indikation gegen eine Herztrans- plantation und für eine palliative Operation nach dem Norwood-Ver- fahren (20, 21) entschieden. Bei sechs Kindern lehnten die Eltern nach aus- führlichen Aufklärungsgesprächen

eine Transplantation oder eine orga- nerhaltende Norwood-Operation ab.

Fünf Kinder wurden aus medizini- schen Gründen von der Warteliste zur Transplantation genommen. Weitere 14 Patienten verstarben während der Wartezeit auf ein Spenderherz. Insge- samt wurden von Juni 1988 bis Ende 1996 bei 36 Neugeborenen und Säug- lingen 37 Herztransplantationen durchgeführt (Grafik 1). Bei 26 Neu- geborenen lag ein hypoplastisches Linksherz vor, bei vier Patienten eine Endokardiofibroelastose, drei Kinder hatten eine Kardiomyopathie, drei weitere Kinder verschiedene komple- xe Herzfehler (Grafik 2).

Behandlung im Vorfeld

Aus den in Grafik 2zusammen- gefaßten Diagnosen, die in unserem Patientenkollektiv zu einer HTX führten, leitet sich für die meisten Kinder eine im Vergleich zu älteren Kindern oder Erwachsenen divergen- te Behandlungsstrategie im Vorfeld

ab. Patienten mit einer primären Myokarderkrankung bedürfen nach Ausschluß einer behandelbaren Grunderkrankung (zum Beispiel Car- nitinmangel) einer individuell ange- paßten medikamentösen Therapie.

Obgleich sich auch bei Säuglingen mit einer Kardiomyopathie eine Kom- binationstherapie mit Digitalis, ACE-

Inhibitoren und Diuretika bewährt hat, kann der Nutzen eines b-Blok- kers mit zusätzlich antiinflammatori- scher Komponente (23) nicht ohne weiteres von den Erfahrungen im Er- wachsenenalter auf das Säuglingsal- ter übertragen werden. Ziel einer Multizenterstudie müßte es sein, den möglichen Nutzen einer additiven b-Blockertherapie für Säuglinge mit Kardiomyopathie zu prüfen. Gleiches gilt für die chronische oder akute Anwendung von Wachstumshormo- nen (8, 31).

Werden intravenös infundierte Inotropika, meist eine Kombination von Katecholaminen und Phospho- diesterase-Inhibitoren, zur Aufrecht- erhaltung der Herzkreislauffunktio- nen notwendig oder bedarf es gar der Aufrechterhaltung des myokardialen Perfusionsdruckes mit zusätzlichen a-Mimetika, ist die Zeit bis zu einer HTX extrem limitiert und die Er- folgsrate der HTX deutlich reduziert (15). Neben der extrakorporalen Membranoxygenierung stehen zu- nehmend auch miniaturisierte ventri- kuläre Unterstützungssysteme zur Verfügung (19).

Ein Großteil der Neugeborenen und jungen Säuglinge, die auf eine HTX warten, haben jedoch keine Kar- diomyopathie, sondern eine Ductus- arteriosus-Botalli-abhängige Herzer- krankung. Daher ist die Behandlung mit einer Prostaglandin-E1-Dauerin- fusion zum postnatalen Offenhalten des Ductus arteriosus die wichtigste Primärmaßnahme. Zusätzlich ist bei offenem Ductus artiosus eine opti- male Balance von pulmonalem (Qp) und systemischem (Qs) Blutfluß zu gewährleisten.

In einer solchen Situation weist eine arterielle Sauerstoffsättigung zwischen 75 und 80 Prozent in der Re- gel auf ein ausgeglichenes Qp/Qs- Verhältnis hin. Hohe Sauerstoffsätti- gungen über 90 Prozent indizieren ei- ne Lungenüberflutung mit systemi- scher Minderperfusion. Die Folgen sind eine Laktatazidose mit konseku- tivem Multiorganversagen. Besteht eine prostaglandinrefraktäre Stenose im Ductus arteriosus, ist eine in- terventionelle Stentimplantation die Therapie der Wahl. Die von uns bis- her bei acht Neugeborenen mit hypo- plastischem Linksherz vorgenomme- 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996

Herztransplantationen

12 10 8 6 4 2 0

Gesamt HTX Verstorben Grafik 1

Neugeborene und Säuglinge mit Herztransplantation (HTX) im Zeitraum von 1988 bis 1996. (Rote Balken = Gesamtzahl/Jahr; blaue Balken = Anteil verstorbener Patienten)

(3)

ne Intervention wird jedoch mittler- weile auch wegen der Möglichkeit, in familiärer Umgebung auf eine Herz- transplantation zu warten, und auch als Faktor zur Kostenreduktion pro- pagiert (28).

Insgesamt hat derzeit die Warte- zeit einen nicht akzeptablen Einfluß auf die Gesamtüberlebensrate der für eine Herztransplantation vorgesehe- nen Patienten. Dies gilt insbesondere für Neugeborene und Säuglinge (15).

Von den bis Ende 1996 insgesamt 56 in Gießen zur Herztransplantation akzeptierten Neugeborenen und Säuglingen verstarben auf der Warte- liste 25 Prozent. Bei 36 Patienten wur- den 37 Herztransplantationen nach einer mittleren Wartezeit von 52 Ta- gen (maximal 280 Tage) vorgenom- men.

Schätzungen gehen davon aus, daß etwa 10 bis 20 Prozent der Kin- der mit angeborenen Herzfehlern während ihres Lebens von einer HTX profitieren könnten. Die palliativ operierten Patienten, die zunehmend einer HTX bedürfen, sind solche mit einer Vorhofumkehroperation bei Transposition der großen Gefäße oder mit einer Fontanoperation be- ziehungsweise einer totalen cavopul- monalen Konnektion mit einem ana- tomisch oder funktionell univentri- kulären Herzen (13).

Spender

Die häufigste Todesursache der Spender war ein Unfall. Peripartale Asphyxie, eine Hirnblutung, ein plötzlicher Kindstod, eine tödlich ver- laufene Meningitis, aber auch Kindes- mißhandlungen waren bei drei bis fünf Fällen die Todesursache. 46 Pro- zent der Spender wurden aus dem eu- ropäischen Ausland gemeldet.

Im Gegensatz zu Erwachsenen liegt bei Spendern im Säuglings- und jungen Kindesalter oftmals ein primä- res Ereignis vor, welches unmittelbar zum Hirntod führt. Amerikanische Studien weisen auf ein damit verbun- denes hohes Risiko einer assoziierten hypoxisch-ischämischen Schädigung der Spenderherzen hin (7). Erhöhte Blutspiegel von kardialem Troponin I beim Spender korrelierten in ho- hem Maße mit einem postoperativen

„graft“-Versagen (9). Wieweit beim Spender erfaßte Troponin-I-Spiegel die bisher klinischen und echokardio- graphischen Daten zur Beurteilung der Eignung eines Herzens zur mögli- chen Organspende stützen können,

muß noch in umfangreicheren Unter- suchungen evaluiert werden. Nach dem Hirntod kommt es oftmals trotz engagiertem Management mit Beat- mung, intravasalem Volumenersatz, Ausgleich von metabolischen Ent- gleisungen und pharmakologischer Unterstützung der Hämodynamik zu einer progredienten Funktionsein- schränkung möglicher Spenderorga- ne. Erst verbesserte Kenntnisse über die Pathophysiologie des Hirntodes, besonders die Auswirkungen des „au- tonomen oder adrenergen Sturms“, sowie der endokrinen Folgen und de- ren Einfluß auf die potentiellen Spen- derorgane dürften zur Prävention ei- ner nachfolgenden Organschädigung beitragen (22, 32).

Operative Technik und perioperative Behandlung

Die chirurgische Technik der HTX entsprach bei den Säuglingen mit Kardiomyopathie weitgehend der von Shumway und Mitarbeitern (29) und für die Neugeborenen mit hypo-

plastischem Linksherz der von Bailey und Kollegen modifizierten Methode (2). Die HTX bei hypoplastischem Linksherz ist technisch anspruchsvoll, da die Aorta des Empfängers mittels eines langen Aortensegments des Spenders bis über den Aortenisthmus erweitert werden muß (10) (Grafik 3). Am Kinderherz- zentrum Gießen erfolgt die immunsuppressive Be- handlung nach einem stan- dardisierten Protokoll.

Präoperativ erhalten die Patienten 5 mg/kg Ciclo- sporin A. und 1 mg/kg Azathioprin. Intraopera- tiv wird Prednisolon in ei- ner intravenösen Do- sis von 10 mg/kg appli- ziert. Postoperativ erfolgt primär eine intravenöse Dreifachkombination von Ciclosporin A (1 bis 2 mg/kg Kg/24 h), Aza- thioprin (1 mg/kg Kg/

24 h) und Prednisolon (3 mg/kg Kg/24 h). Nach we- nigen Tagen erfolgt die Umstellung auf eine orale Applikation mit einem Zielspiegel (monoklonaler Vollblutspiegel) für Ci- closporin von 250 ng/ml. Die Dosis von Azathioprin wird der Leukozytenzahl (3 000 bis 8 000/µl) angepaßt.

Prednisolon konnte bei allen Kindern bis Ende des dritten Monats nach HTX ausschleichend abgesetzt werden. Eine Zweifachtherapie mit Ciclosporin A und Azathioprin wurde als Langzeitbehandlung fortgeführt.

Bei Kindern, die innerhalb der ersten sechs Lebenswochen transplantiert wurden, besteht die Immunsuppressi- on ein Jahr nach HTX in einer Mono- therapie mit Ciclosporin A mit Tal- spiegeln um 100 ng/ml.

Kontraindikationen zur Herz- transplantation aus medizinisch-tech- nischen Gründen haben sich mit dem Erfahrungsgewinn deutlich reduziert.

Somit ist bei einem ausreichend ent- wickelten pulmonalen Gefäßbett oh- ne fixierte pulmonale Hypertension bei den meisten komplexen angebore- nen Herzfehlern eine orthotope Herz- transplantation möglich. Eine einheit- lich definierte Obergrenze eines pul- monalen Gefäßwiderstandes, der als Diagnosen

HLH

EFE

KMP

Andere 3

4

3

26 Grafik 2

Darstellung der Diagnosen bei 36 Patienten mit Transplantation in- nerhalb des ersten Lebensjahres. (HLH = hypoplastisches Linksherz, EFE = Endokardfibroelastose, KMP = Kardiomyopathie)

(4)

Kontraindikation für eine Herztrans- plantation im Säuglingsalter gilt, exi- stiert nicht. Herztransplantationen sind bei Kindern auch mit nur einseiti- ger Pulmonalarterie und gegenseitiger kollateralarterieller Lungenperfusion sowie bei Patienten mit totaler Lun- genvenenfehlmündung und nicht möglicher biventrikulärer Korrektur erfolgreich vorgenommen worden (25, 27). Ein hoher pulmonalarteriel- ler Gefäßwiderstand galt für eine or- thotope Herztransplantation deshalb als eine absolute Kontraindikation, da nach Transplantation ein normaler, dünnwandiger rechter Ventrikel auf eine hohe rechtsventrikuläre Nachlast nicht vorbereitet ist. Bei

dem Spenderherz ei- nes Neugeborenen oder jungen Säuglings sind jedoch aufgrund der noch trainierten rechten Herzkammer während der Fetalzeit andere pul- monalarterielle Gefäß- widerstände akzeptabel, als dies bei älteren Spen- derherzen der Fall ist.

Andererseits ist auch unter dem Gesichts- punkt des Lungen- gefäßwiderstandes ein Größenverhältnis von Spender zu Empfänger (S/E-Ratio) von größer als eins im Einzelfall bis

zu einem Verhältnis von drei bis vier für Empfänger mit pulmonalem Hochdruck besser als ein kleines Spenderherz mit einer S/E-Ratio von unter eins.

Die zur Verfügung stehenden medikamentösen und apparativen (right ventricular assist device) Mög- lichkeiten erlauben bei Patienten, die unter Inotropika und maximaler prä- operativer Vasodilatatortherapie (16) einen pulmonalen Gefäßwider- stand von < 6 Wood/E aufweisen, in jedem Fall eine Herztransplantation.

Kinder mit Werten von 6 bis 9 Wood/E unterliegen bei orthotoper HTX einem höheren Risiko. Patien- ten mit noch höheren Widerstands- werten sind zwar im Einzelfall auch schon erfolgreich orthotop transplan- tiert worden, als Alternative bieten sich aber auch eine heterotope Herz- transplantation oder eine Herz-Lun-

gentransplantation an. Letztere stellt derzeit im Säuglingsalter jedoch noch keine therapeutische Option dar.

Ergebnisse

Aufgrund einer sich exzellent entwickelnden chirurgischen Tech- nik, einer verbesserten myokardia- len Protektion sowie einer optimier- ten perioperativen Behandlung ist es in Gießen seit 1994 gelungen, die perioperative Überlebensrate auf nahezu 100 Prozent zu steigern (Gra- fiken 1 und 4). Bis 1993 bestand im Vergleich zu älteren Kindern oder

Erwachsenen infolge der periopera- tiven Sterblichkeit eine deutlich höhere Gesamtletalität herztrans- plantierter Säuglinge. Im Zeitraum 1988 bis einschließlich 1992 wurden elf Kinder unter einem Jahr trans- plantiert. Fünf Patienten verstarben.

Mit einer neuen Strategie zur Be- handlung der postoperativ persistie- renden pulmonalen Hypertension gelang es, die Überlebensrate nach Herztransplantation signifikant zu verbessern (5). Ein Kind von seit 1993 insgesamt 25 transplantierten Neugeborenen und Säuglingen ver- starb 400 Tage nach der Transplanta- tion im Rahmen einer Gastro- enteritis an einer Abstoßungsreakti- on. Überwiegend fanden jedoch Ab- stoßungsepisoden (22 von 31) inner- halb der ersten vier Wochen, im Mit- tel 12 Tage nach der HTX, statt. In drei Fällen wurde bioptisch eine hu-

morale Rejektion nachgewiesen, ein Kind verstarb an dieser Komplikati- on.

Insgesamt blieben 16 Kinder (44 Prozent) abstoßungsfrei. Ein weite- res Problem in der früh-postoperati- ven Phase waren vier symptomati- sche Zytomegalie-Infektionen, von denen ebenfalls eine tödlich ver- lief. Die mittlere Überlebenszeit der herztransplantierten Säuglinge be- trägt derzeit am Kinderherzzentrum Gießen etwas mehr als zwei Jahre mit einem Maximum von 8,5 Jahren. Die eigenen Daten sollten jedoch im Kontext der umfangreicheren Erfah- rungen von Loma Lina, USA, mit der weltweit größten HTX-Serie von Neugeborenen und Säuglingen mit einem hypoplastischen Linksherz (26) beurteilt werden. Im Zeitraum von November 1985 bis November 1995 wurden an dem dortigen Zen- trum 142 Patienten mit hypoplasti- schem Linksherz transplantiert. Die Überlebensrate ein Monat, ein Jahr, fünf Jahre beziehungsweise sieben Jahre nach HTX wurde mit 91 Pro- zent, 84 Prozent, 76 Prozent und 70 Prozent angegeben. Darüber hinaus berichtete Bailey selbst (persönliche Mitteilung), daß herztransplantierte Säuglinge, die fünf Jahre eine HTX überleben, mit einer Wahrscheinlich- keit von 92 Prozent auch zehn Jahre überleben werden.

Langzeitbetreuung

Die Notwendigkeit zur derzeit noch lebenslangen Immunsuppressi- on ist eines der entscheidenden Ar- gumente, das gegen eine Herztrans- plantation im Kindesalter angeführt wurde. Die tatsächliche Inzidenz der zellulären Abstoßung nach einer Herztransplantation im Säuglingsal- ter ist derzeit nicht bekannt. Analy- sen werden durch die relativ niedri- gen Transplantationszahlen und die Altersheterogenität erschwert (30).

Wiederum ergaben Untersuchungen aus dem Kollektiv von Loma Linda, USA, daß zwar eine derjenigen bei älteren Kindern und Erwachsenen in etwa entsprechende linearisierte Abstoßungsrate besteht, jedoch der Schweregrad der Abstoßungsreak- tionen bei herztransplantierten Neu- Hypoplastisches Linksherz

COA Ductus Grafik 3

Schema des hypoplastischen Linksherzens vor und nach Transplantation.

Grau unterlegt sind die Anteile des Spenderherzens.

(5)

geborenen und jungen Säuglingen wesentlich geringer ausgeprägt ist.

Der Prozentsatz tödlicher Ab- stoßungsreaktionen lag bei drei Pro- zent (6). In einer weltweiten Statistik wurde 1993 eine tödlich verlaufende Abstoßungsreaktion nach Herz- transplantation im Kindesalter mit 18 Prozent angegeben (14).

In unserem Kollektiv von Neu- geborenen und Säuglingen verstar- ben bisher zwei Patienten an einer Abstoßungsreaktion, was einem An- teil von fünf Prozent entspricht. Ins- gesamt war somit die Abstoßungsre- aktion nach dem früh-postoperativen Rechtsherzversagen die zweithäufig- ste Todesursache. Abstoßungen nach dem dritten Monat nach Transplan- tation traten nur in vier von 31 Fällen auf. Die Abstoßungsdiagnostik bei herztransplantierten Säuglingen fin- det in den meisten Zentren überwie- gend mit nichtinvasiven Methoden statt. Bei unseren Patienten wurde nur jede dritte Abstoßungsepisode durch eine Myokardbiopsie diagno- stiziert. Zur endgültigen Beurteilung des derzeitigen immunsuppressiven Therapieregimes bleiben die Lang- zeitergebnisse hinsichtlich einer la- tent chronischen Abstoßungsreakti- on mit Koronaropathie und die tatsächliche Inzidenz von malignen Erkrankungen abzuwarten (24).

Aufgrund der zunehmenden Zahl von Kliniken, die Transplantationen durchführen, bleibt die Erfahrung pro Zentrum begrenzt. So gab es bei- spielsweise in den vergangenen Jah- ren keine neuen verwertbaren Daten über die Anwendung neuer immun- suppressiver Behandlungsregime für Herztransplantationen im Säug- lingsalter. Ein Wechsel von Ciclospo- rin A zu neuen Immunsuppressiva, wie ihm die Arbeitsgruppe in Pitts- burgh mit Tacrolimus (FK 506) für die HTX im Kindesalter durchführte

und damit die Substanz jetzt zum ge- nerellen Gebrauch zur HTX bei älte- ren Kindern und Erwachsenen be- fähigte, ist aufgrund des Nebenwir- kungsprofils nicht ohne weiteres auf die HTX im Säuglingsalter zu über- tragen (1). Im Einzelfall könnte je- doch bei ciclosporinresistenter Ab- stoßung oder bei der Notwendigkeit zu einer längeren hochdosierten

Steroidtherapie eine Behandlungser- gänzung mit Tacrolimus bestehen.

Unser derzeitiges Ziel, frühzeitig auf eine Langzeittherapie mit Stero- iden zu verzichten und im Rahmen von Abstoßungsreaktionen nur kurz- fristige, hochdosierte Steroidtherapie zu verabreichen, hat sich nicht zuletzt auch im Hinblick auf die körperliche Entwicklung der herztransplantierten Kinder bewährt. Die somatische Ent- wicklung der transplantierten Säug- linge verlief bisher mit einer Ausnah- me perzentilengerecht.

Einen signifikanten Effekt der Herztransplantation im Neugebore- nen- und Säuglingsalter auf die Über- lebensrate von Kindern mit kongeni- talen Herzfehlern und erworbenen Herzerkrankungen wird es nur dann geben, wenn es zu einer deutlichen Erweiterung des Spenderpotentials kommt. Dazu bedarf es entweder ei- ner gesellschaftlichen Umorientie-

rung, oder aber die immunbiologische Grundlagenforschung führt zu sol- chen Fortschritten, daß eine spender- spezifische Transplantattoleranz ent- wickelt wird, die keine Immunsup- pression mehr benötigt oder die Xe- notransplantation zur Realität wer- den läßt.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-3178–3182 [Heft 47]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Dietmar Schranz Kinderherzzentrum,

Abteilung Kinderkardiologie der Justus-Liebig-Universität Feulgenstraße 12

35392 Gießen Wahrscheinlichkeit

HTX 1988 - 1992 (n = 11) HTX 1993 - 1996 (n = 25) HTX 1988 - 1996 (n = 36)

0 365 730 1 095 1 460 1 825 2 190 2 555 2 920 3 285 1,0

0,8 0,6

0,4 0,2

0,0

Überlebenszeit (Tage) Grafik 4

Darstellung der Überlebenswahrscheinlichkeit nach Herztransplantation im Säuglingsalter. Angegeben sind die Gesamtgruppe (n = 36) sowie die Zeiträume von 1988 bis 1992 und von 1993 bis 1996.

Berichtigung

In dem Artikel Ernährungsprävention in der Schwangerschaft, erschienen in Heft 38 vom 19. September 1997, ist in der Tabelle 1 eine falsche Men- genangabe veröffentlicht wurden. Die empfohlene Jodmenge beträgt 230 mg/Tag mit einem Zuschlag von 30 bis 50 mg. In der Tabelle wurden die Wer- te fälschlicherweise in Milligramm angegeben. DÄ/MWR

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Bei die- ser Reinigungsprozedur fiel jedoch auf, daß die serologische Spezifität mit einer Proteinfraktion assoziiert war, welche amphipathische Eigen- schaften aufwies, das

Daraus sollte nicht der Schluß gezogen wer- den, daß die zweidimensionale Echokardiographie bei erwachse- nen Patienten nicht ebenso sinnvoll angewendet werden

Tumorgewebe wird im allgemeinen erst darstell- bar, wenn das normale Schilddrü- senparenchym durch die Thy- reoidektomie mitentfernt wurde und das verbliebene Gewebe durch

Eine Beurteilung der Low-grade-Dysplasie durch ver- schiedene Pathologen ergab eine schlechte Übereinstimmung mit einem Kappa-Wert von &lt; 0,4, sodass die Auto- ren

So sind 54 Prozent aller Haushalte mit einer Kapitallebensversiche- rung ausgestattet, 39 Prozent haben eine Unfallversicherung für den privaten Bereich und zwölf Prozent eine

Diese Vereinigung verhandelt bereits darüber, ob sie neben der Notruf- nummer für den öffent- lichen Notarztdienst, die für lebensgefährdende Notfälle bestimmt ist, eine

Im frühen Kindesalter kann es schwierig sein, die einzel- nen Teilaspekte einer lnfusi- onstherap ie, den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend, miteinander in

Es hat sich bewährt, niedermolekulare Lö- sungen durch ein Millipore-Filter (Porengröße 0,22 z), das jeden Tag zu wechseln ist, zu infundieren. Hochmolekulare Lösungen können