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Archiv "Zerebral metastasiertes Schilddrüsenkarzinom" (13.12.2013)

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KASUISTIK

Zerebral metastasiertes Schilddrüsenkarzinom

Komplette Remission nach Radioiodtherapie

Alexis Vrachimis, Kurt Werner Schmid, Heribert Jürgens, Otmar Schober, Matthias Weckesser, Burkhard Riemann

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Hirnmetastasen treten bei etwa 0,9 % aller differenzierten Schild- drüsenkarzinome auf. In diesen Fällen beträgt das mediane Überleben Erwach- sener weniger als ein Jahr. Die Radioiodtherapie wird nur selten angewandt, weil ihr Nutzen nicht belegt ist. Bei Kindern ist die Situation möglicherweise anders.

Falldarstellung: Bei einer 15-jährigen Patientin wurde 2005 im Rahmen einer Thyreoidektomie in ektopem Schilddrüsengewebe eine oxyphile Variante eines papillären Schilddrüsenkarzinoms nachgewiesen. Anschließend erfolgte eine orale hochdosierte Radioiodtherapie. Der posttherapeutische 131Iod-Ganzkör- per-Scan zeigte multiple Metastasen in Skelett, Lungen und Weichgeweben ne- ben einer physiologischen Anreicherung im Schilddrüsenrestgewebe. Zwei Hirnmetastasen wurden in der Magnetresonanztomographie diagnostiziert.

Verlauf: Im Anschluss an die initiale Therapie wurde eine altersadaptierte, hochdosierte Radioiodtherapie bis zu einer Gesamtaktivität von 35 GBq durch- geführt. Es wurde eine komplette Remission sämtlicher Metastasen in Gehirn, Skelett, Lungen und Weichgeweben erzielt. Im CT des Thorax zeigten sich sta- bile Residuen. Die Thyreoglobulin-Werte gingen während der Nachsorge über 7,5 Jahre kontinuierlich auf < 2 ng/mL zurück. Bei der letzten Kontrolle im Mai 2013 war die Patientin beschwerdefrei. Potenzielle Spätreaktionen der hochdo- sierten Radioiodtherapie, insbesondere Leukämie beziehungsweise Sekundär- malignome traten nicht auf. Die Fertilität der Patientin blieb erhalten, sie hat nach Abschluss der Therapie zwei gesunde Kinder entbunden.

Schlussfolgerung: Das selten auftretende Krankheitsbild eines multifokalen Schilddrüsenkarzinoms konnte durch die alleinige Radioiodtherapie erfolgreich therapiert werden. Die Fallvignette zeigt, dass Therapiemodalitäten im Einzel- fall erfolgreich sein können, obwohl sie bei den meisten Patienten in gleicher Situation nicht oder schlecht wirksam sind.

►Zitierweise

Vrachimis A, Schmid KW, Jürgens H, Schober O, Weckesser M, Riemann B:

Cerebral metastases from thyroid carcinoma—complete remission following radioiodine treatment. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(50): 861–66.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0861

D

as differenzierte Schilddrüsenkarzinom, das die follikulären und papillären Karzinome umfasst, ist der häufigste endokrine Tumor. Es zeigt trotz eines gro- ßen Anteils lymphogener und hämatogener Metastasen sehr günstige Behandlungsergebnisse und eine exzellente Prognose mit 10-Jahres-Überlebensraten über 90 % (1–6). Darüber hinaus konnten hochwertige klinische Studien das Überleben der Hochrisikopatienten mit diffe- renzierten Schilddrüsenkarzinomen signifikant verbes- sern (7). Diese Karzinome zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Regel auf die Schilddrüse beschränkt blei- ben und nur wenige Patienten Fernmetastasen aufweisen.

Die prognostisch günstigste Fernmetastasierung findet man in der Lunge, gefolgt von Metastasen der Knochen (8). Patienten über 45 Jahre mit Fernmetastasen haben nachweislich ein schlechteres Überleben als die Normal- bevölkerung (9).

Hirnmetastasen sind weiterhin eine sehr seltene Kom- plikation, die bei 0,15–1,3 % der Schilddrüsenkarzinome auftritt (10–12). Man findet sie häufiger in den Hemi- sphären und sehr selten im Kleinhirn (13, 14) und in der Hypophyse (15, 16). Diese Metastasen sind in der Regel asymptomatisch, und nur wenige Patienten haben Sym - ptome wie Kopfschmerzen, Sehstörungen oder Schwä- chen der Augenmuskulatur. Die intrakraniale Metasta - sierung ist mit einer schlechten Prognose und einem Überleben nach Diagnose von weniger als einem Jahr verbunden (11, 17, 18).

Nach den aktuellen internationalen Leitlinien (ATA 2009) ist bei Patienten mit Hirnmetastasen die komplette Tumorresektion das Verfahren der ersten Wahl (19). Soll- te diese Therapieoption nicht bestehen, können die Optio- nen einer Radiotherapie, einer Radioiodtherapie (im Falle einer ausreichenden Iodavidität) oder einer Chemothera- pie beziehungsweise biologischen Therapie mit Tyrosin- Kinase-Inhibitoren im Rahmen klinischer Studien disku- tiert werden. Die Radioiodtherapie wird nicht häufig für die Behandlung von Hirnmetastasen eingesetzt, weil es nur wenige Hinweise auf ihren Nutzen gibt.

Für die vorliegende Arbeit wurde eine PubMed-Re- cherche nach Artikeln mit den Stichworten „differentia- ted thyroid cancer“, „radioiodine“ und „brain metastases“

oder „brain metastasis“ durchgeführt. Es wurden nur kli- nische Studien und Fallberichte aus dem Publikations- zeitraum 1977 bis 2012 ausgewertet, bei denen auch Ra- dioiod zur Behandlung der Hirnmetastasen eingesetzt wurde. Darüber hinaus wurden Patienten mit Kalotten-

Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Münster, Deutschland:

Dr. med. Vrachimis, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Schober, Prof. Dr. med. Weckesser, Prof. Dr. med. Riemann Institut für Pathologie und Neuropathologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland:

Prof. Dr. med. Schmid

Klinik für Klinik für Kinder- und Jugendmedizin – Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Universitätsklinikum Münster: Prof. Dr. med. Jürgens

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oder Kopfhautmetastasen mit Kontakt zum Gehirn sowie Patienten mit nichtdifferenziertem Schilddrüsenkarzinom von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Die Tabelle fasst die Literaturübersicht zusammen.

Falldarstellung

Im Oktober 2005 stellte sich ein 15-jähriges Mädchen kaukasischer Abstammung mit seit 2 Wochen bestehen- der akuter Dyspnoe und linksthorakalen Schmerzen vor.

Im Röntgen-Thorax zeigte sich eine große retrosternale Raumforderung mit einem Mediastinalshift nach rechts.

Die CT-gesteuerte Biopsie konnte nicht zwischen einem Thymom und einem Thymuskarzinom differenzieren. In der anschließenden kombinierten Positronen-Emissions- Tomographie/Computertomographie (PET/CT) mit

18F-Fluoro-Deoxyglukose (FDG) und Magentresonanz- tomographie (MRT) des Kopfes und der Wirbelsäule wurden bifrontale Hirnmetastasen (4–5 mm), Läsionen in zwei Brustwirbelkörpern, eine suspekte submentale Raumforderung mit intensiver FDG-Anreicherung sowie

multiple Lungenmetastasen diagnostiziert. Aufgrund der ungewöhnlichen Metastasierung erfolgten eine zweite Biopsie des mediastinalen Tumors und eine solitäre pul- monale Metastasektomie. Die Diagnose des Thymoms wurde bestätigt, aber unerwarteterweise wurde eine Lun- genmetastase eines papillären Schilddrüsenkarzinoms (solide Variante) nachgewiesen (Abbildung 1). Laut ihrer Eigenanamnese war die Patientin am Tag ihrer Geburt wegen einer kongenitalen Struma thyreoidektomiert (Histologie: follikuläres Adenom) und 2002 wegen einer Rezidivstruma linksseitig hemithyreoidektomiert worden (benigne Histologie).

Die Schilddrüsen-Szintigraphie ergab ektopes Schild- drüsengewebe im Ductus thyreoglossus, das mit der FDG anreichernden submentalen Raumforderung in der PET/

CT korrelierte. Sowohl das ektope Schilddrüsengewebe als auch das Thymom waren wegen lokaler Beschwerden (WHO B1) im Jahr 2005 reseziert worden. Im ektopen Schilddrüsengewebe zeigte sich eine oxyphile Variante eines papillären Schilddrüsenkarzinoms. Weiterhin bestä-

N, Anzahl der Patienten; S, solitär; M, multipel; n.u., nicht untersucht; RAI, Radioiod; OP, Operation; RTX, Radiotherapie; RC, (Gamma-Knife) Radiochirurgie; CTX, Chemotherapie 2012 (30)

Miranda; 2010 (26) Walczyk; 2010 (31)

Erem; 2004 (32) McWilliams;

2003 (33)

Cha; 2000 (34) Misaki; 2000 (35)

Chiu; 1997 (11)

Samuel; 1997 (18)

Biswal; 1994 (17)

Miyamoto; 1991 (36)

Andrews; 1987 (37) Krishnamurthy;

1977 (24)

1 1

1 4

1 9

(+ 8 post 24 mortem)

15

5

2

1 2

RAI + OP + RTX + RC RAI + RTX

OP + RTX + RAI 2 OP + RAI 1 OP + RTX + RAI

1 OP + RC + RAI OP + RAI + RTX + RC

4 RAI + RTX 2 RAI + RC 2 OP + RAI 1 OP + RAI + RTX

7 OP 13 RTX

6 CTX 3 RAI 3 RAI in Kombination mit OP,

RTX und/oder CTX 2 RTX + RAI

1 RTX 1 OP + RTX + RAI

1 OP + RAI RAI

OP + RTX + RAI RAI

M n.u.

S S

S 5 S 4 M

11 S 12 M

6 S 9 M

S

n.u.

S n.u.

10 2

n.u.

1,5

> 3 0,8

1

< 0,5

2 starben 4 Monate und 7 Jahre nach Diagnose; 3 leben 12–23 Monate

nach der Behandlung n.u.

2,75 2

gering differenziertes Schilddrüsenkarzinom

keine signifikante intrakranielle RAI-Speicherung

nur 3/18 Patienten mit RAI-Speicherung

keine RAI-Speicherung und kein Ansprechen auf die Behandlung

zerebellum

(3)

tigte die Referenzpathologie follikuläre und solide Vari- anten eines papillären Schilddrüsenkarzinoms in dem im Jahr 2002 resezierten Schilddrüsengewebe (Abbildung 2). Da die Gewebeproben, die 1990 entnommen worden waren, nicht mehr aufbewahrt waren, konnte ein konge- nitales papilläres Schilddrüsenkarzinom nicht ausge- schlossen werden. Daraufhin erfolgte eine orale, alters- adaptierte hochdosierte Radioiodtherapie (50 MBq/

kg Körpergewicht [KG]) (20). Die posttherapeutische

131Iod-Ganzkörper-Szintigraphie inklusive der Kombina- tion aus Einzelphotonen-Emissionscomputertomogra- phie/Computertomographie (SPECT-CT) (vom Kopf bis zum Becken) zeigte multifokale Metastasen des Skeletts einschließlich des Schädels, der Lungen und des Weich- gewebes sowie eine physiologische Anreicherung im Schilddrüsenrestgewebe. Darüber hinaus korrelierten bi- fokale intrazerebrale Radioiod-Anreicherungen mit Hirn- metastasen in der MRT (Abbildung 3 a, b).

Nach den internationalen Leitlinien sollten vor einer Radioiodtherapie zerebraler Metastasen eine perkutane Bestrahlung und eine Glukokortikoid-Therapie diskutiert werden, um eine mögliche TSH-induzierte und inflam- matorische Schwellung der Metastasen zu verhindern.

Aufgrund der geringen Größe der Tumoren und des Al- ters der Patientin wurde zunächst auf eine Radiotherapie verzichtet und die Radioiodtherapie unter Cortison- Schutz durchgeführt. Das Vorgehen wurde interdiszipli- när abgestimmt und anschließend das schriftliche Einver- ständnis von den Eltern der Patientin eingeholt.

Nach einer Serie altersadaptierter hochdosierter Radio- iodtherapien (100 MBq/kg KG) bis zu einer Gesamtakti- vität von 35 GBq konnte eine komplette Remission sämt- licher Metastasen des Gehirns, Skeletts, der Lungen und Weichgewebe erreicht werden (Abbildung 3 c, d). Die Patientin zeigte keine Frühreaktionen auf die Behandlung wie zum Beispiel eine lokale schmerzhafte Schwellung der Schilddrüse, des Tumors beziehungsweise der Metas- tasen, passagere Gastritis, passagere Knochenmarkverän- derungen mit Thrombo- und Leukopenie oder radiogene Sialadenitis. Neurologische Komplikationen konnten ebenfalls zu keinem Zeitpunkt beobachtet werden. Wäh- rend einer Nachsorge über 7,5 Jahre zeigte die CT des Thorax konstante residuelle Vernarbungen (maximal 4 mm) ohne Korrelat in der 131Iod-Ganzkörper-Szintigra- phie und FDG-PET. Die Thyreoglobulin-Werte gingen kontinuierlich auf < 2 ng/mL zurück.

Beim letzten Follow-up im Mai 2013 war die Patientin unter der TSH-suppressiven Therapie mit L-Thyroxin be- schwerdefrei. Die pulmonalen Veränderungen in der Niedrigdosis-Thorax-CT waren konstant (maximal 4 mm) und die Patientin zeigte weiterhin keinen morphologi- schen Hinweis auf zerebrale oder irgendeine andere Fern- metastasierungen. Außerdem hatte sie nach Abschluss der Therapie zwei gesunde Kinder entbunden. Potenzielle Spätreaktionen der wiederholten hochdosierten Radio- iodtherapie (Xerostomie, Geschmacksveränderungen, Sicca-Syndrom, permanente Knochenmarkdepression, Lungenfibrose, Leukämie und Sekundärmalignome) konnten in regelmäßigen klinischen und laborchemischen Kontrollen sowie mittels Lungenfunktionsuntersuchun- gen ausgeschlossen werden.

Nach einer aktuellen Metaanalyse (n = 16 502) ist bei Patienten, die eine Radioiodtherapie wegen eines Schild- drüsenkarzinoms erhielten, das relative Risiko für ein Zweitmalignom leicht erhöht. Dies ist auf die gering er- höhte Rate an Leukämien zurückzuführen (21).

Diskussion

Hirnmetastasen stellen eine seltene Komplikation des dif- ferenzierten Schilddrüsenkarzinoms dar, die lediglich bei ungefähr 0,9 % der Patienten zu Lebzeiten entdeckt wer- den. Das mediane Überleben nach Diagnose der Hirnme- tastasen beträgt typischerweise weniger als 1 Jahr (11, 18, 22). Der Nachweis von Hirnmetastasen ist ein negativer prognostischer Faktor, daher muss die Behandlung für den individuellen Patienten maßgeschneidert sein. Opera- tion, Radiotherapie, Radioiodtherapie und Chemothera- pie sind in der Literatur beschriebene Behandlungsoptio- nen. Die operative Resektion und externe Radiotherapie sind traditionell die Hauptstützen der Behandlung. Nach den aktuellen Leitlinien der American Thyroid Associa - tion für Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzi- nom sollte unabhängig von der Iodavidität der Patienten eine komplette operative Resektion von Hirnmetastasen erwogen werden, da diese mit einem signifikant besseren Überleben assoziiert ist. Die Radiochirurgie kann einge- setzt werden, um die Strahlenexposition des umgebenden Hirngewebes zu begrenzen. Eine Ganzhirn- und Rücken- marksbestrahlung kann im Falle multipler Metastasen in Betracht gezogen werden (19).

Es gibt bislang nur wenige Daten, die die Effektivität der Radioiodtherapie nachweisen konnten. Einige Metas-

Abbildung 1: Histologie der Lungenmetastase des papillären Schilddrüsenkarzinoms (solide und mikrofollikuläre Variante; H&E) (a). Makroskopie (H&E) (b) und Im- munhistochemie des Präparates mit deutlicher Expression des spezifischen Tumormarkers Thyreoglobulin (c). H&E, Hämatoxylin-Eosin-Färbung

a b c

(4)

tasen, insbesondere Hirnmetastasen, zeigen eine fehlende Differenzierung, die zu einer unzureichenden Radioiod- Anreicherung in den Metastasen führt und eine Radioiod- therapie unmöglich macht (23). Sofern Patienten aller- dings ein erhöhtes Operationsrisiko aufweisen oder eine Operation aufgrund der multifokalen Erkrankung nicht möglich ist, scheint die Radioiodtherapie kleiner zerebra- ler Metastasen wie oben beschrieben eine attraktive Al- ternative als Einzeltherapie zu sein. Gegebenenfalls kann sie auch in Kombination mit anderen Therapien einge- setzt werden.

Die fünf größten Studien mit Patienten mit Hirnmetas- tasen werden im Folgenden etwas ausführlicher bespro- chen. Chiu et al. (11) berichteten über 24 prämortale und 8 postmortale Fälle von Hirnmetastasen des differenzier- ten Schilddrüsenkarzinoms. Das mediane Überleben be- trug 12,4 Monate, sobald die Hirnmetastasen diagnosti- ziert wurden. Die krankheitsspezifische Mortalitätsrate lag bei 67 %. Patienten, die einer chirurgischen Exzision unterzogen wurden, wiesen ein medianes krankheitsspe- zifisches Überleben von 22 Monaten auf, verglichen mit 3,6 Monaten bei Patienten, die nicht operiert wurden (p < 0,01). Im Gegensatz dazu schienen weder die externe Radiotherapie des Gehirns noch die Chemotherapie einen Einfluss auf das krankheitsspezifische Überleben zu ha- ben. Eine Radioiod-Anreicherung wurde selten beobach- tet. Sie zeigte sich lediglich bei 3 von 18 Patienten, die zu ihrem Nachweis eine Ganzkörper-Szintigraphie erhielten.

Zwei von drei Patienten entwickelten neurologische Komplikationen nach der Radioiodtherapie. Bei dem Pa- tienten ohne neurologische Komplikationen wurde vor der Radioiodtherapie eine singuläre Metastase chirur- gisch entfernt. Insgesamt zeigten circa 9 % Patienten mit Hirnmetastasen eines differenzierten Schilddrüsenkarzi- noms ein krankheitsspezifisches Überleben > 36 Monate.

Allerdings werden in der Studie keine Angaben darüber gemacht, inwieweit sich diese Patienten von den früher verstorbenen Patienten unterschieden.

Samuel und Kollegen publizierten eine Serie von 15 Patienten mit Hirnmetastasen des gut differenzierten Schilddrüsenkarzinoms (18). Mit Ausnahme von drei Fällen mit unifokalen Hirnmetastasen hatten alle anderen

ausgedehnte weitere Metastasen in verschiedenen Kom- binationen. Nur zwei Patienten wiesen eine Radioiod-An- reicherung in den Hirnmetastasen auf. Allerdings wurden drei weitere Patienten mit Radioiod behandelt, da sie an anderen Stellen Iod-speichernde Metastasen aufwiesen.

Bei einem von ihnen erfolgte eine zusätzliche Chemothe- rapie, wohingegen zwei Patienten operiert wurden, von denen einer eine adjuvante externe Radiotherapie erhielt.

Zwei Patienten starben innerhalb von 2 Monaten nach Auftreten der Hirnmetastasen. Ein Patient lebte auch noch 18 Monate nach der chirurgischen Exzision der Hirnmetastase.

1977 stellten Krishnamurthy et al. eine prospektive Studie zur Radioiodtherapie bei 54 Patienten mit Schild- drüsenkarzinom vor (24). Zwei Patienten mit Kleinhirn- metastasen wurden mit 6 beziehungsweise 14 GBq Ra- dioiod behandelt, ohne dass eine komplette Ablation er- reicht wurde. Beide Patienten starben letztlich am Schild- drüsenkarzinom innerhalb von 2 Jahren nach der initialen Diagnose.

In der neuesten Studie wurde erstmalig die therapeuti- sche Wirkung von Tyrosin-Kinase-Inhibitoren bei einem Patienten mit Hirnmetastasen eines follikulären Schild- drüsenkarzinoms untersucht (25). Shen et al. berichteten über eine 56-jährige Patientin, die eine Thyreoidektomie und eine Radioiodtherapie aufgrund von Lungenmetasta- sen erhielt. Sie entwickelte eine rechtsseitige Hemiplegie sowie weitere Symptome als Folge einer 5 cm großen Lä- sion im linken Parietallappen. Eine Radiochirurgie mit ei- ner Gesamtdosis von 28 Gy war erfolglos. Hingegen ver- besserten sich die Symptome und Krankheitszeichen dra- matisch und kontinuierlich nach Beginn einer Behand- lung mit Sorafenib. Ein partielles Therapieansprechen der Hirnmetastase konnte über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr mittels bildgebender Verfahren dokumentiert werden. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine zielgerichtete Therapie wie mit Sorafenib eine wirksame alternative Therapiestrategie zur Behandlung einer pro- gredienten Hirnmetastasierung des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms sein könnte, wenn Operation, ex- terne Strahlentherapie und Radioiodtherapie nicht geeig- net sind oder ein schlechtes Ergebnis erzielen.

Abbildung 2: Histologie des papillären Schilddrüsenkarzinoms (follikuläre [a] und herdförmig solide Variante [b]; H&E).

H&E, Hämatoxylin-Eosin-Färbung

a b

(5)

Jahren nach einer alleinigen Serie hochdosierter Radio- iodtherapien. Zusammenfassend betrachtet könnte eine alleinige hochdosierte Radioiodtherapie bei kleinen Hinrmetastasen erwogen werden, wenn eine Operation kontraindiziert ist und auf eine Bestrahlung verzichtet werden soll, um die Nebenwirkungen auf das sich entwi- ckelnde Gehirn von Kindern und Jugendlichen zu mini- mieren (27).

Resümee

Das Schilddrüsenkarzinom ist ein seltener Primärtumor bei Kindern und Jugendlichen. Die Behandlungsergeb- nisse sind trotz eines beträchtlichen Anteils lymphoge- ner und hämatogener Metastasen günstig (28, 29). Die vorliegende Arbeit zeigt, dass es immer wieder Tumor- patienten gibt, bei denen Therapiemodalitäten, die bei den meisten Patienten in gleicher Situation nicht oder schlecht wirksam sind, doch im Einzelfall erfolgreich sein können.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 4. 1. 2013, revidierte Fassung angenommen: 11. 7. 2013

Das mit Abstand längste Überleben eines Patienten mit Hirnmetastasen wurde von Miranda et al. publiziert (26).

Sie beschrieben einen 69-jährigen Patienten, der sich mit progredientem Schwindel, Kopfschmerzen und Erbre- chen bei multiplen Hirnmetastasen eines papillären Schilddrüsenkarzinoms vorstellte. Der Patient erhielt über einen Zeitraum von 10 Jahren eine Gesamtaktivität von 44 GBq Radioiod. Außerdem wurde der Patient einer partiellen chirurgischen Resektion der Hirnmetastasen unterzogen und erhielt eine Ganzhirn-Bestrahlung mit 44 Gy, gefolgt von zwei Gamma-Knife Bestrahlungen (je- weils 15 Gy). Zum Publikationsdatum waren die bioche- mischen Tests im unauffälligen Bereich und der Patient war weiterhin asymptomatisch. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein kombiniertes Vorgehen mit chirur- gischer Exzision, Radioiodtherapie, Ganzhirn-Bestrah- lung und Gamma-Knife-Behandlung erfolgreich war, um Hirnmetastasen des differenzierten Schilddrüsenkarzi- noms zu behandeln.

Der hier vorgestellte seltene Fall einer jungen Patien- tin, die an einem differenzierten Schilddrüsenkarzinom mit multifokalen zerebralen und extrazerebralen Metasta- sen mit erhaltener Iodavidität erkrankt war, zeigt ein ex- zellentes Ergebnis über einen Nachsorgezeitraum von 7,5

Abbildung 3: Die erste posttherapeutische 131Iod-Ganzkörper-Szintigraphie zeigt multifokale Metastasen des Skeletts einschließlich des Schädels, der Lungen, der Weichgewebe und des Gehirns neben einer physiologischen Anreicherung im Schilddrüsenrestgewebe (a). Darüber hinaus erkennt man bifrontale Hirnmetastasen in der Magnetresonanztomographie (MRT) (b). (Abdruck mit Dank an das Institut für Klinische Radiologie, Universitätsklinikum Münster.) Nach wiederholten Radioiodthe- rapien (Gesamtherddosis 35 GBq) konnte eine komplette Remission aller Metastasen des Gehirns, Skeletts und Weichgewebes erzielt werden (c/d).

a c

b

d

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Anschrift für die Verfasser Dr. med. Alexis Vrachimis Universitätsklinikum Münster Klinik für Nuklearmedizin Albert-Schweitzer-Campus 1; Geb. A1 48149 Münster

vrachal@uni-muenster.de

Zitierweise

Vrachimis A, Schmid KW, Jürgens H, Schober O, Weckesser M, Riemann B:

Cerebral metastases from thyroid carcinoma—complete remission following radioiodine treatment. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(50): 861–66.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0861

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The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

Referenzen

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