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Archiv "Hernienchirurgie: Postoperative Schmerzen im Fokus" (17.04.2009)

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A752 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 16⏐⏐17. April 2009

M E D I Z I N R E P O R T

N

ach einer Hernienoperation leiden aktuellen Studien zu- folge rund elf Prozent der Patienten unter Leistenschmerzen, die nicht selten chronifizieren: Grund für die Chirurgen, bei der Bewertung der Operationsmethoden nicht mehr ausschließlich auf die jeweilige Re- zidivrate, sondern auch auf die Inzi- denz postoperativer Leistenschmer- zen zu achten. So ist Dr. med. Wolf- gang Reinpold (Wilhelmsburger Klinikum Groß-Sand in Hamburg) dem Problem der Häufigkeit von Schmerzen nach der chirurgischen Therapie von Hernien in einer eige-

nen Untersuchung nachgegangen.

Zwischen Mai 2000 und April 2002 wurden an seiner Klinik in einer prospektiven Zwei-Phasen-Studie 879 Hernienoperationen bei 839 Pa- tienten dokumentiert. Dabei stellte sich heraus, dass sechs Monate nach der Operation 16,4 Prozent der Pati- enten unter Schmerzen litten. Fünf Jahre nach dem Eingriff sei diese Rate mit 16,8 Prozent nahezu un- verändert hoch gewesen, berichtete Reinpold bei den 3. Berliner Herni- entagen.

Im Laufe der Studie beobachtete Reinpold, dass eine Neurolyse des N. ilioinguinales im Rahmen einer

Lichtenstein-Operation, insbesonde- re in Kombination mit einem schwer- gewichtigen Netz, postoperativ häu- fig zu Schmerzen führt. „Offenbar reizt das Netz den freiliegenden Nerv. Man sollte also nach Möglich- keit auf eine Präparation des N.

ilioinguinales verzichten“, empfahl Reinpold. Wenn sich eine Freile- gung des Nervens aus operations- technischen Gründen nicht vermei- den lasse, sei es besser, ihn zu rese- zieren; dies reduziere das Risiko chronischer Leistenschmerzen.

Doch operative Eingriffe in der Leistenregion sind nicht die einzi-

gen möglichen Ursachen für Leis- tenschmerzen. Auch orthopädische Probleme könnten zu Schmerzen in der Leistenregion führen, wie der Organisator des Kongresses, Dr.

med. Ralph Lorenz (Berlin), berich- tete. Er empfiehlt seinen Kollegen eine gründliche und differenzierte Anamnese: „Fragen Sie den Patien- ten, wo, wie und wann er Schmer- zen hat. Gab es Traumata, auf die sich die Schmerzen zurückführen lassen könnten? Trat der Schmerz akut oder schleichend auf? Strahlen die Schmerzen eher in den Unter- bauch oder eher Richtung Ober- schenkel aus?“

„Eine gründliche klinische Unter- suchung der Leiste, der Beine, des Beckens, der Genitalorgane und des Rückens ist die Basis, bildgebende Verfahren wie CT und MRT helfen lediglich bei der Differenzierung“, meinte der niedergelassene Chirurg.

In der Therapie setzt er zunächst auf einen konservativen Ansatz mit Anal- getika und Antiphlogistika, lokaler Schmerztherapie, Krankengymnastik und – falls notwendig – der Korrektur von Fußfehlstellungen.

Ein operativer Eingriff kommt für Lorenz erst in letzter Instanz infrage:

„Die Indikation zur Operation wird

häufig zu früh gestellt. Stattdessen sollten wir lieber den Leistenschmerz als eigenständiges Krankheitsbild be- greifen und uns auf die ärztliche Kunst der Befragung und der klini- schen Untersuchung besinnen.“

Außer den Chirurgen befassen sich auch Hersteller von Medizin- produkten mit dem Leistenschmerz und forschen nach Möglichkei- ten, diesen zu vermeiden: Weniger postoperative Schmerzen verspricht man sich unter anderem von scho- nenden Fixierungsmethoden für Netze. Gänzlich verzichten könne man auf eine mechanische Fixie- rung nicht, wie Dr. med. Andreas

HERNIENCHIRURGIE

Postoperative Schmerzen im Fokus

Interventionstechniken und Operationsmaterialien werden optimiert, um chronische Schmerzen zu vermeiden. Zur Therapie der Frau gibt es große Wissenslücken.

Foto:Superbild

Offene Hernien- operation:Naht- material und Me- tallklammern zur Fixierung eines Netzes, das über die Bruchlücke gespannt wird, können Schmer- zen auslösen.

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 16⏐⏐17. April 2009 A753

M E D I Z I N R E P O R T

Höferlin (Katholisches Klinikum Mainz) erläuterte: „Man könnte ja meinen, dass der intraabdominelle Druck, die Gewebeeinsprossung in das Netz und die Überlappung des Materials für ausreichend Halt sor- gen. Doch das ist falsch.“

Der Druck im Bauchraum sei va- riabel, und fetthaltige Verschiebe- schichten verhinderten eine voll- ständige Einsprossung. Zudem ma- che die Narbenschrumpfung bei Netzimplantation die anfängliche Überlappung wieder zunichte. „Wir implantieren das Netz in ein dyna- misches System, seine Position bei der Operation ist also nicht statisch.

Ohne Fixierung ist die spätere Lage des Netzes nicht vorhersehbar“, sagte Höferlin.

Als Alternative zu klassischem Nahtmaterial oder Metallklammern, die als häufige Schmerzauslöser etwas in Verruf geraten sind, gibt es für die laparoskopische Hernienchir- urgie mittlerweile auch teilresorbier- bare Tacks. Auch Fibrinkleber könne in der Hernienchirurgie gute Dienste leisten, wie Prof. Dr. med. Ferdinand Köckerling (Vivantes-Klinikum Ber- lin-Spandau) nach biomechanischen Tests mit einer speziellen „Stempel- durchdrückmaschine“ berichtete: In der Narbenhernienchirurgie, wo das Netz direkt am Peritoneum fixiert werden muss, sei der Einsatz von Fibrinkleber zwar problematisch – doch bei Indikationen wie primären Leisten- und Hiatushernien böte die Klebung durchaus ausreichend Halt.

Netz sollte ausreichend die Bruchlücke überlappen

Unabhängig von der Fixierungsme- thode sollte der Chirurg auf eine aus- reichende Überlappung des Netzes über die Bruchlücke achten: Herni- enrezidive entstünden nicht durch Defekte im Material selbst, sondern durch Ausreißen an den Fixations- punkten, erinnerte Dr. Christian Hol- linsky (Wiener Kaiserin-Elisabeth- Spital): „Deshalb greift die Faustre- gel, grundsätzlich mit fünf Zentime- tern Überlappung zu arbeiten, zu kurz. Sicherer sei eine individuell angepasste Überlappung des Net- zes: „Je größer die Bruchlücke, des- to mehr Überlappung sollte man einkalkulieren.“

Aus Hollinskys biomechanischer Forschung ergeben sich auch Ansätze für die Entwicklung neuer Implantat- materialien. Auf die Linea alba wirkt in einer Zugmaschine horizontal eine Kraft von 10,0 Newton, vertikal hin- gegen von nur 4,9 Newton. Diese Erkenntnis spricht Hollinsky zufolge dafür, dass der Faserverlauf des Net- zes dem der Muskulatur entsprechen und horizontal doppelt so viel Stütz- kraft bieten sollte wie vertikal.

HEAD-Score eignet sich zur Ermittlung des Rezidivrisikos

Ziel der Forschung sei, das Wissen um die Entstehung von Leistenherni- en und deren Behandlungsmethoden zu verbessern. „Wirklich gesichert“

seien nicht viele Erkenntnisse, mein- te Prof. Dr. med. Volker Schumpelick (Universitätsklinikum Aachen): „Die Evidenz, die wir als Monstranz vor uns hertragen, bietet letztlich auch keine große Sicherheit.“ Von einem universalen Goldstandard ist man in den Augen des Aachener Hernien- spezialisten deshalb weit entfernt.

Ähnlich argumentierte auch sein Kollege Dr. med. Frank P. Müller (Gelsenkirchener Marienhospital):

„Kaum eine Diagnose bietet so vie- le verschiedene Lösungsmöglich- keiten wie die Leistenhernie.“ Und da es keinen Standardpatienten ge- be, sei auch die Suche nach einem Standardverfahren müßig. Die Re- ferenten plädierten daher fast aus- nahmslos für ein patientenadaptier- tes Vorgehen („tailored approach“) in der Hernienchirurgie.

Ein erprobtes Instrument zur Er- mittlung des individuellen Rezidiv- risikos des Patienten und damit der geeigneten Operationsmethode ist der HEAD-Score (Hernia of the Adult Disease Score), den Prof. Dr.

med. Christian Peiper (Evangeli- sches Krankenhaus Hamm) dem Plenum präsentierte. Mit einem spe- ziellen Punktesystem bewerte der Chirurg präoperativ einschlägige Parameter wie Alter und Geschlecht, Größe der Bruchlücke, Body-Mass- Index, Familienanamnese und Ni- kotinstatus. „Bei einem HEAD- Score unter 15 Punkten empfiehlt sich ein Nahtverfahren, bei mehr als 15 Punkten ein Netzimplantat“, fass- te Peiper zusammen.

Zur Entscheidungsfindung in der Medizin tragen im Allgemeinen auch Leitlinien maßgeblich bei. Im Herbst 2009 will nun auch die Eu- ropäische Herniengesellschaft erst- mals wissenschaftliche Empfeh- lungen für die Leistenhernienchir- urgie publizieren, wie Dr. med.

René Fortelny (Wiener Wilhelm- spital) mitteilte. Als mit Evidenz- grad 1a gesichert gelten Fortelny zufolge unter anderem diese Er- kenntnisse:

> Netztechniken haben seltener Rezidive zur Folge als Nahttechniken.

> Die Rezidivrate nach endos- kopischen Verfahren unterscheidet sich nicht von der nach offenen Netzverfahren.

> Nach minimalinvasiven Ver- fahren kommt es im Vergleich zur Lichtenstein-Operation seltener zu Wundinfektionen, Hämatomen, chronischem Leistenschmerz und Taubheitsgefühl in der Leiste. Au- ßerdem können die Patienten ra- scher wieder ihren normalen Akti- vitäten nachgehen.

> Im Vergleich zur Lichtenstein- Operation beanspruchen die endos- kopischen Verfahren eine längere Operationszeit und führen zu einer höheren Inzidenz von Seromen eben- so wie zu höheren direkten Kosten.

Für den erfahrenen Chirurgen sind diese Erkenntnisse kaum über- raschend. Und auch wer sich von den Leitlinien Empfehlungen für den Einzelfall erhofft, wird ent- täuscht. Mangels aussagekräftiger Studien auf diesem Gebiet enthalten die künftigen Leitlinien zum Bei- spiel keinerlei Hinweise darauf, un- ter welchen Umständen und mit welcher Methode Hernien bei der Frau operiert werden sollten.

In der spärlichen Literatur sei von einer Inzidenzrate von etwa sieben Prozent die Rede, der Alters- gipfel für Hernien bei der Frau liege bei 50 bis 60 Jahren, berichtete Dr.

med. Ulla Huhn (Berliner Park-Kli- nik Weißensee): „Bekannt ist ledig- lich, dass bei Frauen Hernienopera- tionen häufiger in Notfallsituatio- nen, etwa im Zusammenhang mit einer Darmresektion, durchgeführt werden, daher ist die Mortalitätsrate auch höher als bei Männern.“ I Antje Soleimanian

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