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Archiv "Arzneimittel-Zuzahlung: Die Koalition marschiert weiter in die Sackgasse" (26.09.1991)

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Die Koalition marschiert weiter in die Sackgasse

Für Medikamente ohne Festbetrag sollen ab 1992 Zuzahlungen bis zu 10 DM geleistet werden

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AKTUELLE POLITIK

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ange hat Bundesgesund- heitsministerin Gerda Has- selfeldt (CSU) über einen Ausweg aus der unliebsamen Frage der Zuzahlung bei Arzneimit- teln gebrütet. Herausgekommen ist dabei ein Kompromiß, der niemand so recht befriedigt. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP will die mit Be- ginn des kommenden Jahres einset- zende Selbstbeteiligung bei Arznei- mitteln ohne Festbetrag bei 15 Pro- zent des Abgabepreises belassen, je- doch die Höchstgrenze auf 10 statt 15 Mark limitieren.

Mit dem Beschluß der Regie- rungsparteien ist aus politischer Sicht ein vorläufiger Schlußstrich un- ter eine Diskussion gezogen, die vor allem in den letzten Wochen hohe Wellen schlug. Auslöser und Zank- apfel ist der Paragraph 31 des Ge- sundheits-Reformgesetzes, der eine Zuzahlung der Versicherten für alle Medikamente vorschreibt, die bis zum 1. Januar 1992 noch keinem Festbetrag unterliegen. Als diese Be- stimmung ins Gesetz kam, ging der damals zuständige Bundesarbeitsmi- nister Norbert Blüm (CDU) davon aus, daß mindestens 80 Prozent des gesamten GKV-Arzneimittelmarktes bis dahin mit Festbeträgen versehen sein können. Selbst erhebliche Zwei- fel von Fachleuten an der optimisti- schen Prognose konnten den Bun- desarbeitsminister nicht beirren. Al- len Bedenken zum Trotz blieb Blüm dabei: Eine Zuzahlung werde es nur für einen Restanteil von Arzneimit- teln ohne Festbetrag geben, und dies sei durchaus akzeptabel.

Allerdings: Bezogen auf den Arzneimittelumsatz der gesetzlichen Krankenkassen beträgt der Festbe- tragsmarkt bislang erst knapp 30 Prozent. Der kalkulierte „Restpo- sten" ist tatsächlich also der Löwen- anteil, und das birgt einigen Spreng- stoff für die nahe Zukunft. Der Vor- sitzende der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung, Dr. Ulrich Oesing- mann, sieht „erhebliche Auswirkun- gen auf die Therapiefreiheit des Arz- tes", wenn es im nächsten Jahr zu ei-

Arzneimittel-Zuzahlung

nem gespaltenen Arzneimittelmarkt kommt Festbetrags-Medikamente sind zuzahlungsfrei, bei allen ande- ren müssen die Versicherten zum Teil sehr tief in die Tasche greifen.

Die KBV hätte lieber eine maßvolle Selbstbeteiligung für alle Arzneimit- tel gesehen — oder alternativ dazu ei- ne Aufschiebung der Zuzahlungsre- gelung um einige Jahre. Auf diese Weise hätte der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen zumindest Zeit gewonnen, um weitere Festbe- tragsgruppen zu bilden.

Auch die Kassenverbände plä- dierten zuletzt für eine zeitliche Ver- schiebung, während der Bundesver- band der pharmazeutischen Indu- strie das Modell einer nach Indika- tionen gestaffelten Selbstbeteiligung zur Diskussion stellte. Für Gerda Hasselfeldt kam all dies nicht in Fra- ge. Der Grund: Arzneimittel mit Festbeträgen, für Norbert Blüm das

„Herzstück" seiner gesamten Re- form, sollten auf jeden Fall zuzah- lungsfrei bleiben. Gerda Hasselfeldt fühlt sich da im Wort, was sie gegen- über der Öffentlichkeit wie auch bei Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition immer wieder betonte.

Den jetzt präsentierten Kom- promiß der Koalition wertete die Bundesgesundheitsministerin als Entlastung der Versicherten. Zu- gleich werde durch die Zuzahlungs- regelung verstärkter Druck auf die Bildung neuer Festbeträge ausgeübt.

Kritiker sehen dies jedoch ganz an- ders. So nannten die Pharmazeuti- sche Industrie und die Spitzenver- bände der Apotheker den Koaliti- onsbeschluß in einer gemeinsamen Erklärung „unsozial und unausgewo- gen". Patienten mit chronischen und seltenen Krankheiten, die auf zuzah-

lungspflichtige Arzneimittel ange- wiesen seien, müßten künftig erheb- liche Mehrbelastungen tragen. Über- dies werde der Pharmafortschritt be- hindert: Neue Präparate, die für den Patienten einen therapeutischen Fortschritt bedeuten, unterliegen keinem Festbetrag und würden des- halb für den Patienten mit einer ho- hen Zuzahlung belegt.

Mit noch schärferen Worten reagierte die SPD auf den Beschluß der Koalition. Die „Politik des Ab- kassierens" werde fortgesetzt, mo- nierten die Sozialdemokraten. Zu- gleich kündigte die SPD einen Ge- setzentwurf an, mit dem die noch geltende Regelung für drei weitere Jahre verlängert werden soll.

Wie die Versicherten auf höhere Zuzahlungen reagieren werden, ver- suchte die Medizinisch-Pharmazeu- tische Studiengesellschaft (MPS) in einer repräsentativen Umfrage her- auszufinden. Das Ergebnis kann nicht überraschen: Rund 75 Prozent der Befragten lehnten hohe Zuzah- lungen ab. Welche Konsequenzen das für die Arzneiverordnung in der Praxis haben kann, ist unschwer zu prophezeien. Der KBV-Vorsitzende Ulrich Oesingmann sieht für die Kas- senärzte die Gefahr, „daß sie bei der Verordnung von Arzneimitteln nicht mehr ausschließlich nach medizini- schen Gesichtspunkten vorgehen können". Die Diskussionen in den Arztpraxen über angezeigte und fi- nanziell für den Patienten tragbare Verordnungen scheinen program- miert. Josef Maus

I Erst 30 Prozent mit Festbetrag

I Scharfe Kritik von der SPD-Fraktion

Dt. Ärztebl. 88, Heft 39, 26. September 1991 (17) A-3189

Referenzen

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