DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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er Streit schwelt seit Mo- naten. Seit dem Inkraft- treten des Gesundheits- Reformgesetzes zu Beginn die- ses Jahres ist zwischen dem Bun- desarbeitsministerium und der Kassenärztlichen Bundesver- einigung (KBV) die Frage strit- tig, ob die Versicherten auch bei Heilmitteln, die in der Arztpra- xis abgegeben werden, zehn Pro- zent zuzahlen müssen. Bonn sagt ja, die KBV ebenso entschieden nein. Jetzt müssen die Sozialge- richte entscheiden.Zur Vorgeschichte: Der Pa- ragraph 34 Sozialgesetzbuch V verlangt von Versicherten eine Selbstbeteiligung von zehn Pro- zent an den Kosten der Heil- mittel. In der Bonner Lesart heißt das: Zuzahlung in jedem Fall — auch wenn der Arzt im Rahmen seiner ärztlichen Be- handlung Massagen, Inhalatio- nen oder Krankengymnastik ver- abreicht. Denn es komme nur
Heilmittel-Zuzahlung
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Die KBV zieht nun vor Gericht
auf den Inhalt der Leistung an, nicht aber auf die Person des
„Heilmittelerbringers".
Die KBV sieht dies ganz an- ders. Was der Arzt auf der Grundlage der Gebührenord- nungen für ärztliche Leistungen abrechnet, ist kein Heilmittel, sondern ärztliche Behandlung.
Und für ärztliche Behandlung gibt es keine Selbstbeteiligung.
Eine Auffassung, die grundsätz- liche Positionen der Arzteschaft widerspiegelt.
Einigkeit in der strittigen Frage konnte auch in einem Ge- spräch zwischen dem Bundesar- beitsminister und der Kassen-
ärztlichen Bundesvereinigung nicht erzielt werden. Die Folge:
Das Ministerium schickte der KBV eine Aufsichtsanordnung ins Haus, wonach den Kassen- ärztlichen Vereinigungen bis Mitte April mitzuteilen sei, „daß Heilmittel auch dann der Zuzah- lungspflicht unterliegen, wenn sie im Rahmen der ärztlichen Behandlung in der Praxis des Kassenarztes angewendet wer- den".
Wenn die Kassenärztliche Bundesvereinigung dieser Auf- forderung nicht nachkomme, heißt es in der Aufsichtsanord- nung weiter, drohe ein Zwangs- geld in Höhe von 2000 Mark.
Die KBV will dies auf kei- nen Fall widerspruchslos hin- nehmen. Weil grundsätzliche Positionen der Arzteschaft be- rührt sind, wird sie vor dem So- zialgericht klagen — wenn nötig über drei Instanzen bis zum Bundessozialgericht. JM
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ie Ärzte haben die Medi- zin nicht alleine gepach- tet." So zitiert eine Ta- geszeitung eine Bemerkung ei- nes Richters der 2 Kammer für Handelssachen zu Bonn, mit der er die Ärztekammer Nordrhein in einem Rechtsstreit gegen eine Diplom-Psychologin aus dem Bonner Raum einstweilen ab- blitzen ließ. Die Psychologin darf sich also weiterhin „psycho- logische Medizinerin" und/oder„klinische Psychologin" nennen und damit gegenüber ihrer
„Klientel" werbend firmieren.
Der Auslöser, der die Ärzte- kammer zu einer Unterlassungs- klage gegenüber der Psychologin bei der Firmierung „medizi- nisch" und „klinisch" vor der zu- ständigen Wirtschaftskammer veranlaßte, ist mehrfach pikant . Die beklagte Diplom-Psycholo- gin, ihres Zeichens Vorstands- mitglied einer „Kassenpsycholo- gischen Vereinigung", Bonn, hatte mit ihrer erfundenen Titu- latur offenbar testen wollen, wie weit sich überhaupt ein nicht medizinisch qualifizierter Be- rufsstand in einem rechtlichen
Ärzte/Psychologen
Ein fauler Kompromiß
Vakuum vorwagen kann. Zu- mindest solange es noch kein spezielles Berufsgesetz für Psy- chologen gibt, das deren Zustän- digkeit gegenüber Arzten und anderen akademischen Heilbe- rufen klar abgrenzt und die Be- rufsbezeichnung gesetzlich fest- schreibt. Andererseits, und das darf man unterstellen, sollte der geschützte Titel „Diplom-Psy- chologin" mit wohlklingenden Zusatzattributen in einer die Klientel irreführenden und täu- schenden Weise „aufgewertet"
und „verziert" werden — ganz nach der Devise: Wenn die Psy- chologen aus guten Gründen schon nicht zu den „Kassentöp- fen" (siehe Kassenpsychologi- sche Vereinigung) zugelassen werden, dann könnte man es ja einstweilen mit einer selbst er-
fundenen Berufsbezeichnung versuchen . . .
Der jetzt ergangene Rich- terspruch kann auch nicht damit salviert werden, daß sich die Psy- chologin verpflichtet, die von der Ärztekammer gerügten Zu- satztitulaturen künftig nur in Klammern zu setzen, und zwar nach dem zulässigen Titel „Di- plom-Psychologin". Dies ist eine unmögliche Wischi-waschi-Lö- sung. Eine Irreführung wird nicht dadurch beseitigt, indem eine selbst angeeignete Zusatz- berufsbezeichnung toleriert wird. Dies haben auch die Bon- ner Handelsrichter so gesehen:
Weil man sich offenbar nicht zu- ständig oder reichlich überfor- dert fühlt, hat man erstmal die Klage der Ärztekammer abge- wiesen — in der Hoffnung, daß eine höhere Instanz Tacheles re- det, Klarheit schafft. Hier kön- nen keine faulen Kompromisse toleriert werden. Und bis zu ei- nem Psychologen-Gesetz ist es noch weit (auf den Rechtsstreit wird die Redaktion erneut ein- gehen, sobald das Urteil vor- liegt). HC
Dt. Ärztebl. 86, Heft 15, 13. April 1989 (1) A-993