DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
D
ie Frühjahrsrunde der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen (KAG) am 15. März in Bonn hat eine Reihe konfliktträchti- ger Entscheidungen zu treffen.
Die Plenar-Runde der 60 Betei- ligten wird mit besonderer Spannung erwartet, weil bislang nicht abzusehen ist, ob tatsäch- lich für alle fünf Leistungsberei- che des Gesundheitswesens konkrete Jahresempfehlungen für die Vergütungen und struk- turellen Anpassungen gegeben werden, wie es das Gesetz ver- langt. Zudem steht die März- Runde der KAG unter einem besonderen Vorzeichen: Bun- desarbeitsminister Dr. Norbert Blüm fällt die unangenehme Aufgabe zu, einen aktuellen La- gebericht knapp zweieinhalb Monate nach Inkrafttreten des an allen Ecken und Enden hol- pernden „Gesundheits-Reform- gesetzes" zu geben. Umset- zungs- und Anlaufprobleme
Konzertierte Aktion
ammh
Vor schwierigen Entscheidungen
werden die Beteiligten ebenso aufs Tapet bringen wie die be- reits jetzt erkennbaren Mängel und Lücken des „Jahrhundert- werkes". Die Debatte wird auch eine Standortbestimmung der Konzertierten Aktion und der Selbstverwaltung der Kas- senärzte und Krankenkassen einschließen müssen. Eine Poli- tisierung der Konzertierten Ak- tion und des Sachverständigen- rates resultiert aus dem neuen
§ 140 Abs. 4 SGB V.
Im Tagesordnungskonvolut der KAG darf aber nicht die nüchterne Analyse der Daten des Jahreswirtschaftsberichtes — die Basis der Empfehlungen — leiden. Ebenso müssen die bis-
her ausgeklammerten und auch seitens des Arbeitsministeriums als dringlich bezeichneten Re- formschritte — GRG zweiter Akt
— erörtert werden: die Arztzahl- entwicklung, das Anwachsen der Zahl der Leistungserbrin- ger, die Organisationsreform der Krankenkassen und die Um- risse einer Pflege-Gesamtkon- zeption. Wenn auch der vom Bundesarbeitsministerium als besonders dringlich bezeichnete Komplex der „Bagatell-Heil- mittel" diskutiert und der Ex- pertendisput noch mit Fragen der Rechtsauslegung zum GRG überfrachtet wird, dann drohen die Verhandlungen über die Jahresempfehlungen in den Hintergrund zu rücken. Gewiß hat dies alles auch mit dem Grundsatz der Beitragssatzsta- bilität zu tun; in erster Linie geht es aber darum, für mög- lichst alle Bereiche faire und substantiierte verbindliche Ab- sprachen zu treffen! HC
N
ach einjähriger Vorar- beit der Regierung hat der britische Gesund- heitsminister Kenneth Clarke ein Weißbuch vorgelegt, das in den nächsten drei Jahren die„umfangreichste Reform des Staatlichen Gesundheitsdien- stes" seit seiner Gründung vor 41 Jahren verspricht. Es sollen mehr Freiheiten zur Zusammen- arbeit mit dem Privatsektor ge- schaffen werden; dem stehen aber auch mehr Budgetierung, mehr Kontrollen gegenüber.
So soll bis zu 320 Kranken- häusern gestattet werden, sich — wenn auch unter dem Dach des Staatlichen Gesundheitsdienstes
— als Körperschaften wirtschaft- lich zu verselbständigen; sie können freie Gehälter vereinba- ren und Leistungen ein- oder verkaufen (auch beim Privatsek- tor). Dadurch soll ein Anreiz für höhere Wirtschaftlichkeit ge- schaffen werden.
Ein wichtiger Partner dieser Krankenhäuser werden die rund 1000 größten allgemeinärzt- lichen Gruppenpraxen sein (mit
Großbritannien
Allheilmittel Budgetierung
mindestens 11 000 eingetrage- nen Patienten), die in Zukunft ein eigenes Jahresbudget erhal- ten, mit dem sie für ihre Patien- ten fachärztliche oder stationäre Leistungen „einkaufen" kön- nen (auch beim Privatsektor).
Wer das Budget unterschreitet, darf den Überschuß einkassie- ren; wer zuviel ausgibt, erhält im nächsten Jahr weniger.
Sämtliche 32 000 Allge- meinärzte erhalten ab 1991 fi- nanzielle Anreize für eine wirt- schaftliche Verordnungsweise — in Wirklichkeit ein jährliches Arzneimittel-Limit Wer darun- ter bleibt, darf (nach Absprache mit der zuständigen Verwal- tungs-Ebene) die Hälfte des Überschusses für sich behalten;
wer „zuviel" verordnete, wird
in noch festzulegender Weise fi- nanziell bestraft.
Nur ganz versteckt kündigt das Weißbuch Steuererleichte- rungen für die Prämien zu priva- ten Krankenversicherungen an, aber nur für über 60jährige. Das ist ein weiterer Hinweis darauf, daß am Grundprinzip des Staat- lichen Gesundheitsdienstes fest- gehalten werden soll. Ein Signal dafür gab es schon, als Mitte vergangenen Jahres das Ge- sundheitsministerium aus dem bisherigen Verband mit dem Ministerium für Soziale Sicher- heit herausgelöst und Kenneth Clarke anvertraut wurde, der bei den Konservativen als einge- fleischter Anhänger des Staat- lichen Gesundheitsdienstes gilt.
Offenbar ist der Dienst aus dem sonstigen Privatisierungskurs der Regierung Thatcher ausge- nommen, sondern er soll blei- ben, was er seit 41 Jahren ist:
ein öffentlicher Dienst, aus Steu- ergeldern finanziert. Nur: Er ko- stet eben inzwischen 26 Milliar- den Pfund im Jahr, fünfmal so viel wie vor 15 Jahren . . . gb
Dt. Ärztebl. 86, Heft 7, 16. Februar 1989 (1) A-349