A 554 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 11|
18. März 2011 Die Fusion von Stammzellen und Tumorzellenscheint maßgeblich den Verlauf von Krebser- krankungen zu beeinflussen, wie biowissen- schaftliche Untersuchungen an der Universität Witten/Herdecke zeigen. Tumorgewebe ähnelt chronisch entzündetem Gewebe, so dass Im- munzellen sowie blutbildende Stammzellen aus dem Knochenmark aktiviert werden. „Die Stammzellen werden angelockt, da sie eine Art Reparaturkolonne im Körper darstellen, die für die Neubildung von Gewebe zuständig ist. Da- bei stellt die Zellfusion eine Möglichkeit dar, wie Stammzellen zerstörtes Gewebe regene- rieren“, erklärt Prof. Dr. Thomas Dittmar.
Das Bedeutsame an der Beobachtung: Aus der Verbindung von Stammzellen und Tumor- zellen entstehen „Hybridzellen“, die im Ver- gleich zu den Elternzellen neue, veränderte Eigenschaften aufweisen – zum Beispiel resis-
tent gegen gängige Chemotherapeutika sind.
„Außerdem sprechen sie auf Stoffe an, die mit der Metastasierung von Brustkrebszellen in die Lymphknoten im Zusammenhang stehen“, be- richtet Dittmar in einer Presseerklärung.
Somit könnte die Fusion zwischen Stamm- zellen und Tumorzellen daher maßgeblich zum Verlauf der Krebserkrankung beitragen. Hy- bridzellen könnten stärker metastasieren, das heißt schneller und mehr Tochtergeschwülste bilden als normale Tumorzellen. Darüber hin - aus wären Hybridzellen durch die erhöhte Re- sistenz gegenüber Zytostatika in der Lage, die Chemotherapie zu überleben und nachfolgend die Bildung von Rezidiven zu verursachen.
„Es ist ebenfalls denkbar, dass der Prozess der Fusion zwischen Tumorzellen und Stamm- zellen gerade während der Krebstherapie zum Tragen kommt“, meint der Wittener Forscher.
Bedingt durch Chemotherapie oder Bestrah- lung sterben Tumorzellen ab, wodurch es zu einer verstärkten Entzündungsreaktion im Tumor- gewebe kommt. Diese Entzündung lockt ver- stärkt blutbildende Stammzellen an und erhöht damit möglicherweise die Anzahl von Zellfusio- nen zwischen Stammzellen und Tumorzellen.
„Letztlich stellen die Chemotherapie oder die Bestrahlung einen Selektionsprozess für Tumorzellen dar. Durch Fusion mit Stammzel- len oder anderen Zellen könnten entstehende Hybridzellen einen Überlebensvorteil besitzen, so dass sie die Krebsbehandlung überleben“, vermutet Dittmar. „Ein derartiger Ansatz könnte auch erklären, warum Rezidive mitunter un- empfindlicher gegenüber der ursprünglichen Chemotherapie/Bestrahlung geworden sind und sich bösartiger als der Ursprungstumor
verhalten.“ EB
WIE STAMMZELLEN KREBSERKRANKUNGEN BEEINFLUSSEN
Am Institut für Sportmedizin der Universität Freiburg sind ab den 90er Jahren bis mindestens 2006 nicht nur Sportler des Teams Tele- kom und T-Mobile systematisch ge- dopt worden. Es wird derzeit auch geprüft, ob es wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne von Plagia- tismus gegeben hat. Einem Mit- glied der Evaluierungskommission Sportmedizin – diese war vom Uni- versitätsklinikum ergänzend zu ei- ner Dopingkommission eingesetzt worden – waren „inhaltliche Über- schneidungen zwischen einer Habi- litation und einer Dissertation“ auf- gefallen, heißt es in einer Presse- mitteilung.
Beide Arbeiten waren Anfang der 80er Jahre entstanden. „Wir möchten keine Namen von Verfas- sern nennen, um Vorverurteilungen zu vermeiden“, sagte der Leiter der Universitätspressestelle, Ru- dolf-Werner Dreier, dem Deutschen Ärzteblatt. Er bestätigte aber, dass nach Bekanntwerden des Verdachts der Leiter der Abteilung Sportmedi- zin, Prof. Dr. med. Hans-Hermann Dickhuth, darum gebeten habe, oh- ne Bezüge beurlaubt zu werden, um WISSENSCHAFTLICHES FEHLVERHALTEN
Freiburger Sportmediziner unter Plagiatverdacht
einer Aufklärung nicht im Weg zu stehen. Dem Wunsch habe der Rek- tor entsprochen.
Mehrere Zeitungen und Magazi- ne hatten Dickhuth als Verfasser der Habilitationsschrift mit inhaltlichen Überlappungen zu einer Dissertati- on genannt. Dreier bestätigte nur, dass sich Dickhuth in der Zeit, aus der die Habilitation stammt, als As- sistent der Medizinischen Klinik in der Abteilung Sportmedizin bei Prof.
Dr. med. Joseph Keul habilitierte.
Inzwischen wurden noch bei einer weiteren Promotion inhaltliche Über -
lappungen gefunden. „Das Deka- nat, das mit diesen Vorprüfungen befasst ist, hat nun alle Beteiligten gebeten, sich bis zum 12. März schriftlich zu den Vorwürfen zu äu- ßern“, erläuterte Dreier. Zwei Tage später werde entschieden, ob weiter geprüft werde.
Die Universität Freiburg hat den aktuellen Verdacht selbst öffentlich gemacht. Sie hatte nach Dopingvor- würfen gegenüber mehreren Frei- burger Sportmedizinern im Mai 2007 eine Dopingkommission und im Juni 2007 eine Evaluierungs- kommission eingesetzt. Die Do- pingkommission hatte im Mai 2009 ihren Abschlussbericht vorgelegt (DÄ, Heft 21/2009). Keul, der die Abteilung Sportmedizin im Zeit- raum der jetzt unter Plagiatverdacht stehenden, wissenschaftlichen Ar- beiten geleitet hat, wurde keine ak- tive Beteiligung an Doping nachge- wiesen, aber eine verharmlosende und damit die Anwendung von Dopingmitteln fördernde Grundhal- tung bescheinigt. Bei Dickhuth gebe es keine Anhaltspunkte, dass er von Dopingpraktiken seiner Mit- arbeiter gewusst habe. nsi Institut für Sport-
medizin: Nach der Dopingaffäre von 2007 stehen nun Wissenschaftler im Verdacht, abge- schrieben zu haben.
Foto: dpa