264 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 144. April 2008
M E D I Z I N
Unterscheidung zwischen Tumor oder Entzündung
In dem oben genannten Artikel stellt sich einmal mehr die Frage nach der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Diagnostik und Therapie von Patienten, wenn die klinische Fragestellung unterschiedlich bewertet wird und die diagnostischen Möglichkeiten der anderen Dis- ziplin nicht bekannt sind.
Mit der virtuellen Koloskopie, einer relativ neuen Un- tersuchungsmethode auf dem Gebiet der bildgebenden Verfahren, kann sehr wohl zu vielen Fragen in der Dia- gnostik und möglichen Therapie der akuten Divertikuli- tis Stellung genommen werden, ohne den Patienten zu- sätzlich zu gefährden. Ohne orales beziehungsweise ent- erales Kontrastmittel und mit deutlich geringerer Strah- lenbelastung kann der Dickdarm dreidimensional darge- stellt und gleichzeitig von intraluminal betrachtet wer-
den. Die erforderliche orthograde Darmreinigung stellt gleichzeitig die erste therapeutische Maßnahme der Er- krankung dar. Als hochstandardisiertes Untersuchungs- verfahren mit druck- und volumenkontrollierter Insuffla- tion von CO2 ermöglicht die virtuelle Koloskopie eine genaue Lokalisation der betroffenen Darmabschnitte und die Unterscheidung zwischen Tumor oder Entzün- dung. Außerdem behindert sie keine eventuell erforderli- che minimal-invasive Operation durch geblähte Darm- schlingen. Die Informationen aus der normalen Compu- tertomografie werden gleichzeitig mitgeliefert.
Auch wenn dieses Untersuchungsverfahren noch nicht weit verbreitet ist, sollte es doch als Option für die Zukunft genannt werden. DOI: 10.3238/arztebl.2008.0264
Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Bernd Lünstedt Chirurgisches Institut Berlin Ludolfingerweg 37 13465 Berlin
E-Mail: info@chirurgische-beratung.de
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Die Autoren des Beitrags haben auf ein Schlusswort verzichtet.
zu dem Beitrag
Bildgebende Diagnostik der Sigmadivertikulitis
von Dr. med. Werner Piroth, Prof. Dr. med. Patrick Haage, Dr. med. Dipl.-Phys. Christian Hohl, Prof. Dr. med. Rolf W. Günther, in Heft 49/2007
DISKUSSION
REFERIERT
Antipsychotika bei Aggression von Patienten mit Intelligenzminderung wirkungslos?
Zur Behandlung aggressiven Verhaltens bei Patienten mit geringer Intelli- genz erwiesen sich in einer britisch-australischen Studie hochpotente Antipsychotika einer Placebogabe als nicht überlegen. Die Forscher hat- ten in eine randomisierte Studie 86 in ihrer Intelligenz geminderte bis geistig behinderte, nicht psychotische Patienten aufgenommen, deren aggressives Verhalten nach Auffassung ihrer Ärzte einer Behandlung be- durfte. Dabei war die Intelligenzminderung mit einem IQ von < 75 defi- niert, und als aggressives Verhalten galt das Auftreten zweier aggressiver Episoden innerhalb einer Woche, gemessen mittels der Aggressivitäts- Skala MOAS. Die Patienten erhielten für eine halbes Jahr täglich Risperi- don (bis 2 mg), Haloperidol (bis 5 mg) oder Placebo. Zusätzlich war die Gabe von Lorazepam (bis 2 mg pro Tag) gestattet. Die Studie war doppel- blind in Bezug auf Patienten und Untersucher.
Vier Wochen nach Behandlungsbeginn waren die Aggressivitätswerte auf der MOAS in allen drei Gruppen deutlich zurückgegangen: um 79 %
unter Placebo, um 58 % unter Risperidon und um 65 % unter Haloperidol (p = 0,06). Auch in Bezug auf Nebenfragestellungen wie etwa die Verbesserung der gesamten klinischen Situation der Studienteilnehmer (CGI-Skala) oder die Lebensqualität ergaben sich keine Differenzen – auch nicht nach 12 und 26 Wochen.
In Bezug auf UAW fanden die Forscher ebenfalls keine Unterschiede.
Dies könnte ein Hinweis auf zu geringe Dosen der Antispychotika sein.
Allerdings schöpften Patienten und Ärzte in dieser Studie die möglichen Dosierungen nicht aus. Die mittlere Haloperidol-Dosis lag bei knapp 3 mg pro Tag.
Die Ergebnisse befinden sich im Widerspruch zu zwei anderen kontrollierten Studien, aber im Einklang mit einer Cochrane-Analyse.
Obwohl die Forscher vier Jahre lang an zehn Zentren rekrutierten, konnten sie nicht so viele Patienten behandeln, wie sie sich ursprüng- lich vorgenommen hatten: Die Fallzahl der Untersuchung könnte da- her zu gering gewesen sein. Die Autoren empfehlen dennoch, auf den routinemäßigen Einsatz von Antipsychotika bei dieser Indikation zu
verzichten. bae
Tyrer P, Oliver-Africano PC, Ahmed Z et al.: Risperidone, haloperidol, and placebo in the treatment of aggressive challenging behaviour in patients with intellectual disability:
a randomized controlled trial. Lancet 2008; 371: 57–63.