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Archiv "Wissenschaftliches Fehlverhalten: Der lange Weg zur Antwort" (19.09.2003)

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K

napp dreieinhalb Jahre nach der Veröffentlichung hat eine Gruppe von Forschern der Universitäten Göttingen, Tübingen und der Berliner Charité jetzt eine viel beachtete Publi- kation in der renommierten Zeitschrift Nature Medicine (2000; 6: 332) zurück- gezogen. Die Arbeit hatte international große Aufmerksamkeit ausgelöst. Eine Gruppe um den Urologen Dr. Alexan- der Kugler, der die Universität Göttin- gen in der Zwischenzeit verlassen hat, schilderte darin die Herstellung und Er- probung eines Impfstoffs gegen Nieren- zellkarzinome.

Die aus Tumorzellen und dendriti- schen Zellen gewonnene Vakzine soll angeblich bei vier von 17 behandelten Patienten zu einer „völligen Rückbil- dung aller Metastasen“ geführt haben.

Kommentatoren hatten das Mittel, an dessen Erprobung 14 weitere Autoren der Universitäten Göttingen, Tübingen und der Berliner Charité beteiligt wa- ren, bereits in eine Reihe mit den Imp- fungen gegen Pocken und Polio gestellt.

An zwei Göttinger Kliniken begann vor drei Jahren daraufhin ein Massen- versuch, in dem 400 Patienten mit der Vakzine behandelt wurden.

Allerdings war bereits im November letzten Jahres ein Göttinger Ombuds- gremium zu dem Urteil gekommen, dass Fachwelt und Krebspatienten Op- fer von Unregelmäßigkeiten geworden waren. Das Gremium fand in der Publi- kation eine solche Fülle von schwerwie-

genden Fehlern, dass es dem Erstautor der Arbeit „wissenschaftliches Fehlver- halten“ bescheinigte (DÄ, Heft 47/

2002). Für die übrigen 14 Koautoren hat das Gremium jedoch kein „wissen- schaftliches Fehlverhalten – gemessen am Kriterium der groben Fahrlässigkeit – festgestellt“.

Der Bericht des Gremiums ist auch in der Redaktion von „Nature Medicine“

aufmerksam gelesen worden. Während einige der Autoren zuerst der Ansicht waren, dass man

die Fehler der Arbeit durch eine „Kor- rektur“ gerade rücken könnte, zog man bei Nature Medicine aus der „großen Zahl der Fehler in den veröffentlichten Daten“ die Konsequenz, dass „ein Rückzug notwendig war“, schreibt die Redaktion in einem Kommentar (2003;

9: 1093). Alleine die Tatsache, dass es für die Versuche an den Patienten entgegen der Behauptung der Autoren kein Ethikvotum gegeben habe, mache das Papier „inakzeptabel“.

Kompromiss-Formel

Die Redaktion bemängelt, dass es

„mehrere Monate“ gedauert habe, um alle Autoren von der Notwendigkeit des Rückzugs zu überzeugen, und „wei- tere Monate, bis alle Autoren und Re- dakteure eine Kompromiss-Formel ge-

funden hatten, wie der Rückzug kom- mentiert werden sollte“. Schließlich einigte man sich auf die Zeile: „Ein- stimmig wünschen die Autoren, diese Arbeit zurückzuziehen, wegen einer Reihe unkorrekter Aussagen und der fehlerhafter Präsentation der Primär- daten, Ergebnisse und Schlussfolge- rung“ (2003, 9: 1221).

Mit dem Rückzug der vielfach zitier- ten Arbeit gerät ein Pfeiler für den in den letzten Jahren aufgekommenen Optimismus ins Wanken, dass Im- muntherapien gegen Krebs vor dem Durchbruch stünden. „Dieses Papier sollte nicht länger als ein Beleg zitiert werden“, empfiehlt Nature Medicine.

Unterdessen hat eine Kommission der Universität München nach knapp 18 Monaten einen Wissenschaftler vom Verdacht auf wissenschaftliches Fehl- verhalten entlastet. Im Februar 2002 waren am Klinikum Innenstadt Zweifel laut geworden, dass eine im New Eng- land Journal of Medicine publizierte Studie xxxxxxxxxxxxxx möglicherweise nie stattgefunden habe. „Dieser Ver- dacht ließ sich in allen Punkten entkräf- ten“, sagt Matthias Westerhausen, der Vorsitzende der Kommission, die zu- letzt den Fall untersucht hat: Es bestehe

„kein Zweifel, dass die Studie wie ver- öffentlicht stattgefunden“ habe.

Das Papier beschreibt ein Experi- ment an 160 Patienten mit akutem Nie- renversagen, die in den Jahren 1993 bis 1998 auf zwei Intensivstationen des Kli- nikums Innenstadt gelegen haben. Laut Artikel erhielt eine zufällig ausgewähl- te Hälfte von Patienten täglich eine Dialyse, die andere nur jeden zweiten Tag. Das Ergebnis: Bei täglicher Blut- wäsche lag die Zahl der Toten bei 28 statt bei 46 Prozent.

Die Publikation hatte insbesondere bei den Leitern der beiden Intensivsta- tionen im Klinikum Innenstadt Ver- wunderung ausgelöst: Sie hatten von dem über fast sechs Jahre laufenden Projekt an ihren Patienten angeblich nichts mitbekommen. Die Zweifel in P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3819. September 2003 AA2419

Wissenschaftliches Fehlverhalten

Der lange Weg zur Antwort

Die Überprüfung von zwei in die Kritik geratenen Unter- suchungen führt in einem Fall zum Rückzug der Publikation, im anderen Fall zur Entlastung des Studienleiters.

Medizinreport

Aussschnitt aus der diesjährigen September-Ausgabe von Nature Medicine, Seite 1221

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der Klinik führten dazu, dass insgesamt drei Kommissionen versuchten, die Stu- die zu überprüfen, zuletzt die „Kommis- sion für Forschung und wissenschaft- lichen Nachwuchs“ der Universität München unter Vorsitz des Chemikers Prof. Matthias Westerhausen.

Westerhausen versteht heute nicht, warum die Kontroverse überhaupt so eskalieren konnte: „Wir haben uns Un-

terlagen zeigen lassen, die belegen, dass die Studie stattgefunden hat und den ethischen Richtlinien der Universität gefolgt ist.“ Dazu gehörten unter ande- rem die von den 160 Patienten oder ihren Angehörigen unterschriebenen Einverständniserklärungen.

Mit der Entlastung des Autors beant- wortet die Kommission, der kein Medi- ziner angehörte, jedoch nicht alle Fra-

gen. Das Gremium hat nicht mit den Leitern der Intensivstationen gespro- chen; somit bleibt ungeklärt, wie es möglich war, dass das Personal dort nichts von der Studie wusste. Wester- hausen sah dazu keinen Anlass: „Die vom Autor vorgelegten Unterlagen er- schienen uns so eindeutig, dass wir kei- ne weiteren Schritte für notwendig ge- halten haben.“ Klaus Koch P O L I T I K

A

A2420 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3819. September 2003

D

ie häufigste Form der Leukämie bei Erwachsenen ist die chronisch-lym- phatische Leukämie vom B-Zell- Typ, die B-CLL. Sie zeigt sich klinisch sehr unterschiedlich. Hinweise auf den Verlauf der Erkrankung und die Progno- se des Patienten gibt „das genetische Make-up“ der Tumorzellen. Mit einer neuen DNA-Chip-Technologie, die Mo- lekulargenetiker am Deutschen Krebs- forschungszentrum (DKFZ) in Heidel- berg zusammen mit Hämatoonkologen an der Heidelberger Universitätsklinik entwickelt haben, ist es möglich gewor- den, aggressivere Formen von solchen, die sich langsamer entwickeln, bereits bei der Diagnose zu unterscheiden.

Somit kann die Behandlungsstrate- gie ohne Zeitverlust an die Aggressi- vität der Erkrankung angepasst wer- den. Prof. Peter Lichter, der Leiter der Abteilung Molekulare Genetik am DKFZ, hat die neuartige Nachweisme- thode bei einem Besuch der Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, Prof. Dr.

Dagmar Schipanski, vorgestellt.

Leukämien weisen, wie andere bös- artige Tumoren auch, typische Verände- rungen ihres Genoms auf. Bei der Chro- mosomenanalyse zeigt sich, dass entwe- der Bruchstücke verloren gegangen

oder vervielfältigt worden sind. Lichter hat zusammen mit dem Hämatoonkolo- gen Prof. Hartmut Döhner von der Uni- versität Ulm herausgefunden, dass bei der chronisch lymphatischen B-Zell- Leukämie DNA-Verluste in den Chro- mosomen 11 und 17 mit einem ungün- stigeren Verlauf der Erkrankung assozi- iert sind.

Hohe Aussagekraft

Diese Erkenntnisse haben bereits Ein- gang in die Klinik gefunden. So wird in neuen Behandlungsstudien unter ande- rem auch anhand dieser Chromoso- mendefekte entschieden, ob eine stär- kere Chemotherapie beziehungsweise eine zusätzliche Stammzelltransplanta- tion notwendig ist. Die bisherigen mole- kulardiagnostischen Testverfahren wa- ren äußerst zeitaufwendig und tech- nisch anspruchsvoll.

Die Arbeitsgruppe um Lichter hat ei- ne schnellere Nachweismethode ent- wickelt. Damit kann bei Leukämiepati- enten bereits zum Zeitpunkt der Dia- gnosestellung das individuelle Muster der DNA-Veränderungen bestimmt und darauf basierend eine maßge-

schneiderte Therapie für die Patienten entwickelt werden. Mit der „Compara- tive Genomic Hybridization“ (der Ma- trix-CGH) – einer Form der verglei- chenden genomischen Hybridisierung – sind solche Analysen nun erstmals auch in großem Maßstab möglich. Diese DNA-Chip-Methode ist in der Lage, in einem einzigen Testdurchgang gleich- zeitig alle Veränderungen im Genom ei- ner Tumorzelle zu identifizieren. Nach Aussage von Lichter besteht der mit Dr.

Carsten Schwänen entwickelte Test aus 650 DNA-Fragmenten und ist damit ef- fizient genug, um ihn für die klinische Routinediagnostik einzusetzen.

Die Methode: Kleine Glasplättchen werden von einem Präzisionsroboter mit einem geordneten Raster von charakte- risierten DNA-Fragmenten gesunder Zellen bedruckt (Matrix). Anschließend wird die DNA aus Tumorzellen, die mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert wor- den sind, als Sonde auf die Matrix aufge- bracht. Die Fluoreszenzsignale zeigen an, wo sich die markierten Sondenmo- leküle aus den Tumorzellen an ihre Ge- genstücke auf den Glasplättchen der Kontrollzellen anlagern. Jene DNA-Ab- schnitte, die im Genom der Tumorzellen zu wenig beziehungsweise überexpri- miert sind, leuchten schwächer bezie- hungsweise stärker auf. Diese Signale werden mit denen einer andersfarbigen DNA aus den Kontrollzellen verglichen.

Der B-CLL-Chip hat nach Angaben von Lichter eine hohe diagnostische Aussagekraft. Er ist zu 99 Prozent sensi- tiv und spezifisch und somit für die kli- nische Routinediagnostik geeignet. In klinischen Studien wird er bereits ver- wendet. Wie der Molekulargenetiker angekündigt hat, soll das Testverfahren auch für andere Tumorarten modifiziert

werden. Andreas Wahl

B-Zell-Leukämie

Individuelle Genmuster routinemäßig erkennen

DNA-Chip identifiziert in einem Testdurchgang alle Ver-

änderungen im Genom einer Tumorzelle, sodass aggressive

Leukämieformen frühzeitig aufgespürt werden.

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