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Halbzeit – Eiszeit?

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Bayerisches Är zteblatt 12/2011

699 Leitartikel

Autor

Dr. Max Kaplan, Präsident der BLÄK Die parlamentarischen Winterferien und

damit Weihnachten und der Jahreswech- sel stehen vor der Türe. Aber vielleicht hat der politische Winter der schwarz-gelben Regierungskoalition schon längst begon- nen? Selten war bei einer Regierung zur Halbzeit bereits die Eiszeit angebrochen und selten wurden inhaltliche Differen- zen so öffentlich ausgetragen. Verschul- dung europäischer Staaten, Eurokrise, Finanzmarktkrise, Konjunkturkrise in den Vereinigten Staaten, Weltwirtschaft und Globalisierung tragen sicher nicht zur Ver- trauensmehrung in die Akteure und in die Politikfähigkeit unserer Regierenden bei.

Gegenmittel, Rezepte, Lösungen sind we- der mit Lupe noch mit Fernglas auszuma- chen. Die Ursachen werden nicht wirklich angegangen, man beschäftigt sich inten- siv mit der Behandlung von Symptomen, womit wir schon bei der Gesundheitspoli- tik angekommen wären.

Versprechungen

Nach originellen, sinnvollen und rich- tungsweisenden Ideen sucht man in der Sozial- und Gesundheitspolitik dieser Bundesregierung vergeblich. Da können auch die vollmundigen Ankündigungen des ehemaligen Gesundheitsministers und heutigen Wirtschaftsministers bzw.

FDP-Parteichefs Dr. Philipp Rösler we- nig weiterhelfen. Dass sein Nachfolger Daniel Bahr die Versprechungen einlöst, wage ich zu bezweifeln, wenn auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit dem Versorgungsstrukturgesetz (GKV- VStG) eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht hat, die den Ärztemangel im ländlichen Raum eindämmen und eine Re-Regionalisierung in der Bedarfspla- nung einführen soll. Hier kann die Koali- tion punkten. Null Punkte gibt es jedoch beim Thema GOÄ-Novelle, bei der wohl eine gewaltige Ladehemmung im BMG vorzuliegen scheint, aber noch besteht Hoffnung. Bei der ambulanten spezial- ärztlichen Versorgung (ASV) will man sich vertagen und ein Einzelgesetz auf den Weg bringen und die Tarifauseinander- setzungen der Ärztinnen und Ärzte in den Unikliniken sprechen für sich, obschon ein Streik in letzter Minute abgewendet wer- den konnte. Hausarztverträge (HzV) gibt es weder flächendeckend noch in ausrei-

chender Honorarhöhe und die Regelleis- tungsvolumina (RLV) sind nach wie vor ein unhaltbarer Zustand für den Großteil der niedergelassenen Fachärztinnen und -ärzte. Bei der Novelle des Transplantati- onsgesetzes hat man sich schwer getan, eine Mehrheit zu finden, ebenso mit dem Umbau der Pflegeversicherung. Erklärte Rösler noch das Jahr 2011 zum „Jahr der Pflege“, so mutierte diese Reform unter seinem Nachfolger Bahr zum Reförmchen.

Das Bundeskabinett hat Mitte November den Eckpunkten für die Weiterentwick- lung der Pflegeversicherung zugestimmt.

Nach diesen soll der Beitragssatz zum 1. Januar 2013 um 0,1 Beitragssatzpunkte angehoben werden. Die soziale Pflegever- sicherung könne – so die Regierung – mit Mehreinnahmen von rund 1,1 Milliarden Euro rechnen. Auf eine Rücklagenfinan- zierung wird verzichtet. Mit dem Ziel, die freiwillige private zusätzliche Vorsorge zu fördern, soll die Pflegeversicherung ab 2013 steuerlich gefördert werden. Die Arbeiten zum neuen Pflegebedürftigkeits- begriff sollen noch in dieser Wahlperiode abgeschlossen werden und ein Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbe- griffs einen Auftrag erhalten. Wenn man bedenkt, dass die Ausgaben der Pflege- versicherung in den vergangenen zehn Jahren um zirka fünf Milliarden Euro auf 20,4 Milliarden Euro gestiegen sind, dürf- te deren Finanzierung längstens für zwei Jahre gesichert sein.

Wirtschaftliche Anreize

Den im Titel des Koalitionsvertrages

„Wachstum – Bildung – Zusammenhalt“

erhobenen Anspruch, bei einem Wirt- schaftsaufschwung mehr für die Zukunfts- perspektiven der jungen Generation und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu tun, löste das Regierungsbündnis jeden- falls nicht ein. Vielmehr beeinflussen wirt- schaftliche Anreize unser ärztliches Tun in immer größerem Umfang. In der ambulan- ten Praxis sorgt die Budgetierung dafür, dass der Patient, der einmal pro Quartal in die Praxis kommt, der Idealfall ist. In der Klinik ist die „Cash-Cow“ die Kombination aus hoher Fallschwere und kurzer Liege- zeit – dank DRG.

Zahlen und Profilierung

Zwei Trends fallen mir auf, deren Sog seit ei- nigen Jahren auch in der ärztlichen Selbst- verwaltung und in der Berufspolitik Einzug gehalten hat und immer mehr Energie bindet: Zahlen und Profilierung. Etwas Tri- vialeres als das Zählbare hat unsere kom- plexe Welt wohl nicht (mehr) zu bieten? Wir halten Zahlen für Fakten, wir messen statt zu verstehen. Mitgliederzahlen, Kerndaten, Kenndaten, Bilanzen und Excel-Tabellen dominieren Vorstandssitzungen, Delegier- tenversammlungen, Symposien und Kon- gresse. Börsenkurse bestimmen die Welt- befindlichkeit, die Finanzwirtschaft fiebert imaginären Ziffern nach, deren Sinn kaum noch einer versteht. Der Profilierungsdrang (und eine riesige Branche) will uns besser, jünger und leistungsfähiger erscheinen lassen als wir sind. Nur der glänzenden Schokoladenseite gilt unser voller Einsatz.

Ein Erlebnis hat erst wirklich stattgefunden, wenn Bilder und Podcasts online stehen und die ersten Blogs und Chats eintrudeln.

Die urbane, virtuelle Umgebung bläht sich auf, eigenes Erleben und die soziale Um- welt geraten an den Rand. Skurril wird das Ganze, wenn sich diese beiden Phänome- ne verbünden, wenn ein Eingriff, ein Pro- jekt, eine Idee oder ein Gesetz primär zum Medienereignis verkommt und mit eigenar- tig konstruierten Zahlenwerken aufwartet.

Besinnen wir uns wieder auf humanis- tische Werte und Ideale und gehen mit Empathie und Philanthropie ins neue Jahr – stellen wir uns selbstbewusst den Her- ausforderungen – ich freue mich darauf.

Zum Jahresausklang wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein frohes Weihnachts- fest und für das Neue Jahr alles Gute.

Halbzeit – Eiszeit?

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