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ESG (Environmental, Social und Governance) - Kontroversen börsenotierter Unternehmen in empirischer Betrachtung / eingereicht von Martin Oberbauer, BSc

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Academic year: 2021

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JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696 Eingereicht von Martin Oberbauer, BSc Angefertigt am Institut für betriebliche Finanzwirtschaft Beurteiler / Beurteilerin Assoz. Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Dick

Betreuung

Assoz. Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Dick

Monat Jahr März 2020

ESG (Environmental,

Social und

Governance)-Kontroversen

börsenotierter

Unternehmen in

empirischer Betrachtung

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Science

im Masterstudium

(2)

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Ort, Datum

Unterschrift

GENDERKLAUSEL

Um die Lesbarkeit dieser Masterarbeit zu verbessern, wurde bei personenbezogenen Formulierungen die männliche Form gewählt. Dadurch soll keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts ausgedrückt werden. Sowohl Frauen als auch Männer sollen sich im gleichen Ausmaß angesprochen fühlen.

(3)

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ... II Abkürzungsverzeichnis ... IV Abbildungsverzeichnis ... V Tabellenverzeichnis ... VI 1. Einführung ... 1 1.1. Problemstellung ... 1

1.2. Zielsetzung der Arbeit ... 2

1.3. Aufbau der Arbeit ... 3

2. Definitionen ... 4 2.1. CSR ... 4 2.2. ESG-(Kontroversen)... 6 2.2.1. Environmental ... 6 2.2.2. Social ... 7 2.2.3. Governance ... 8

2.2.4. Charakteristika von ESG-Kontroversen ... 9

2.2.5. Handlungen in Folge von ESG-Kontroversen ... 9

2.2.6. Vermeidung von ESG-Kontroversen ... 10

3. ESG-(Kontroversen) und finanzielle Performance ... 11

3.1. Allgemeines ... 11

3.2. Definition Firmenwert ... 12

3.3. Auswirkungen von ESG-(Kontroversen) auf die finanzielle Performance ... 12

3.4. Zwischenfazit ... 20

4. ESG-(Kontroversen) und Risiko ... 21

4.1. Allgemeines ... 21

4.2. Gesamtrisiko ... 22

4.2.1. Definition ... 22

4.2.2. Auswirkungen von ESG-(Kontroversen) auf das Gesamtrisiko ... 22

4.3. Idiosynkratisches Risiko ... 25

4.3.1. Definition ... 25

4.3.2. Auswirkungen von ESG-(Kontroversen) auf das idiosynkratische Risiko ... 25

4.4. Systematisches Risiko ... 26

4.4.1. Definition ... 26

4.4.2. Auswirkungen von ESG-(Kontroversen) auf das systematische Risiko ... 27

4.5. ESG als Risikoreduzierungsfaktor ... 28

(4)

5. ESG und Determinanten von Unternehmenskontroversen ... 32 5.1. Allgemeines ... 32 5.2. Verschuldung ... 32 5.3. Rentabilität ... 33 5.4. Unternehmenswachstum ... 36 5.5. Unternehmensgröße ... 38 5.6. Liquidität ... 39 5.7. Eigentümerstruktur ... 41 5.8. Risiko ... 44 5.9. Hypothesen ... 44 6. Empirische Untersuchung ... 50 6.1. Studiendesign ... 50 6.1.1. Überblick ... 50 6.1.2. Thomson Reuters ... 51 6.1.3. ESG-Score ... 52 6.1.4. ESG-Controversies-Score ... 53 6.2. Datensatz ... 54

6.2.1. Beschreibung des Datensatzes und deskriptive Statistiken ... 54

6.2.2. Branchenanalyse ... 59 6.2.3. Länderanalyse ... 61 6.3. Ergebnisse ... 63 6.3.1. Allgemeines ... 63 6.3.2. Verschuldung ... 63 6.3.3. Rentabilität... 66 6.3.4. Unternehmenswachstum ... 67 6.3.5. Unternehmensgröße ... 68 6.3.6. Liquidität ... 69 6.3.7. Eigentümerstruktur ... 70 6.3.8. Risiko ... 71

6.3.9. Zusammenhang von ESG-Kontroversen und ESG-Performance ... 73

6.3.10. Dimensionen von ESG ... 75

6.4. Diskussion der Ergebnisse ... 76

7. Praktische Implikationen ... 85

8. Fazit ... 86

Literaturverzeichnis ... 90

(5)

Abkürzungsverzeichnis Aufl. Auflage

bzw. beziehungsweise

CSP Corporate Social Performance CSR Corporate Social Responsibility EK Eigenkapital

et al. et alii etc. et cetera

ESG Environmental, Social und Governance f. folgende

ff. fortfolgende ROA Return on Assets ROE Return on Equity U.S. United States usw. und so weiter vgl. vergleiche

WKO Wirtschaftskammer Österreich z.B. zum Beispiel

(6)

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Pyramide der unternehmerischen Verantwortung ... 5 Abb. 2: ESG-Scores Methodik ... 52 Abb. 3: Bewertungsmethodik für den ESG-Score ... 53

(7)

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Entwicklung der Kontroversen und der Scores im Zeitverlauf ... 54

Tab. 2: Entwicklung der Unternehmenskontroversen im Zeitverlauf ... 56

Tab. 3: Entwicklung ausgewählter Kontroversenkategorien im Zeitverlauf ... 57

Tab. 4: Kontroversenentwicklung der Arten Anti Competition und Business Ethics ... 58

Tab. 5: Branchenanalyse ... 59

Tab. 6: Länderanalyse ... 61

Tab. 7: T-Tests – Verschuldungsgrad ... 63

Tab. 8: Chi-Quadrat-Test - Debt-to-Equity Ratio ... 65

Tab. 9: T-Tests – Rentabilität ... 66

Tab. 10: T-Tests – Unternehmenswachstum ... 67

Tab. 11: T-Test – Unternehmensgröße ... 68

Tab. 12: T-Tests – Liquidität ... 69

Tab. 13: T-Tests – Eigentümerstrukturen ... 71

Tab. 14: T-Tests – Risiko ... 72

Tab. 15: T-Tests - Zusammenhang von ESG-Performance und ESG-Kontroversen ... 73

(8)

1. Einführung

1.1. Problemstellung

Corporate Social Responsibility (CSR) ist ein unternehmerisches Konzept, welches seit Jahrzehnten existiert und sich im Zeitverlauf von einem rein theoretischen Konstrukt zu einem komplexen Managementtool weiterentwickelt hat. Dabei versuchen Unternehmen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nicht nur werterhöhend, im Sinne der Shareholder zu agieren, sondern gleichzeitig den Erwartungen ihrer Stakeholder gerecht zu werden und sozial verantwortungsvoll zu handeln. Diese Erwartungen umfassen jedoch nicht nur die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften, vielmehr geht es um freiwillige Investments in Bereiche wie das Humankapital, das Umweltmanagement oder generell den Aufbau und Ausbau der Beziehungen zu allen Stakeholdern des Unternehmens.1

Diese Investments sind natürlich mit Kosten verbunden und erfordern ausreichendes Know-How der Mitarbeiter, um CSR-Maßnahmen entsprechend zu gestalten, bieten für Unternehmen jedoch auch viele Vorteile. So haben sich im Laufe der Zeit unzählige Studien mit den Effekten von CSR auf die verschiedensten Bereiche von Unternehmen beschäftigt und sind mehrheitlich zur Erkenntnis gekommen, dass CSR durchaus zu positiven Langzeiteffekten führt. Ergebnisse dieser Studien sind vor allem positive Auswirkungen von CSR auf die finanzielle Performance, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, die Erhöhung der Unternehmensreputation oder den erleichterten Zugang zu qualifiziertem Personal.2

Trotz der positiven Entwicklungen in diesem Bereich und der ansteigenden freiwilligen Verpflichtung von Unternehmen, sozial verantwortungsvolle Maßnahmen in ihre Unternehmensphilosophie zu integrieren, gibt es auch Unternehmen, welche sich unverantwortlich verhalten und folglich durch ihre unternehmerischen Aktivitäten Schaden anrichten.3 Diese kontroversen Handlungen werden in die Bereiche Environmental, Social und Governance (ESG) eingeteilt und umfassen Kontroversen wie zum Beispiel (z.B.) Diskriminierungen am Arbeitsplatz, Verletzungen der Menschenrechte, Umweltverschmutzung, Betrug usw. Die dadurch entstehende negative mediale Berichterstattung erregt in Folge auch die Aufmerksamkeit von Investoren und lässt Zweifel an der zukünftigen positiven Entwicklung des Unternehmens aufkommen. Dies wirkt

1 Vgl. Popa/Salanta, 2014, 137ff.

2 Vgl. Popa/Salanta, 2014, 139; Oh/Bae/Kim, 2017, 643f. 3 Vgl. Lin-Hi/Müller, 2013, 1932.

(9)

sich negativ auf die Unternehmensreputation aus und birgt unter anderem ein Risiko für die finanzielle Performance eines Unternehmens.4

Vor allem Medienkonzerne, wie z.B. Thomson Reuters tragen maßgeblich zur Informationsversorgung von Entscheidungsträgern und zur Reduktion von Informationsasymmetrien bei, indem sie Unternehmen hinsichtlich ihrer ESG-Aktivitäten bewerten und auf deren Basis sogenannte ESG-Ratings erstellen.5 Diese Bewertungen messen sowohl die gesamte ESG-Performance eines Unternehmens in Form von ESG-Scores, aber auch explizit kontroverses Verhalten, was sich wiederum in sogenannten ESG-Controversies-Scores und einer quantitativen und qualitativen Beschreibung der Kontroversen widerspiegelt.6

In der herrschenden Literatur finden sich viele Studien, welche sich mit den Auswirkungen von positiven wie auch negativen CSR-Events auf die Unternehmensperformance beschäftigen. Jedoch gibt es im Verhältnis dazu sehr wenige Studien mit explizitem Fokus auf Unternehmenskontroversen.7 Die direkten Auswirkungen von ESG-Kontroversen auf die verschiedensten Performancedimensionen eines Unternehmens sind somit in geringem Ausmaße explizit untersucht worden, sondern größtenteils nur in Verbindung mit positiven CSR-Events in Form von Performancestudien. Somit gibt es bereits Evidenz dazu, welche Performanceeffekte ESG-Kontroversen haben, jedoch wurde die Frage, welche Unternehmensdeterminanten Einfluss auf die Entwicklung bzw. das Vorhandensein von ESG-Kontroversen haben, nur rudimentär untersucht.

1.2. Zielsetzung der Arbeit

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es unter anderem zu identifizieren, welche Unternehmensdeterminanten Einfluss auf die Entwicklung bzw. das Vorhandensein von Unternehmenskontroversen haben. Dabei soll außerdem beleuchtet werden, welche ESG-Kontroversen in der Praxis vorherrschend sind. Da Unternehmen jedoch meist nicht nur kontroverses Unternehmensverhalten an den Tag legen, sondern auch verantwortliche Unternehmensaktivitäten setzen, um die Erwartungen ihrer Stakeholder zu erfüllen, erfolgt damit einhergehend auch eine Analyse von verantwortlichem Unternehmensverhalten in Zusammenhang

4 Vgl. Aouadi/Marsat, 2018, 1027; Popa/Salanta, 2014, 141. 5 Vgl. Utz, 2017, 2.

6 Vgl. Refinitiv, 2019a, 6f. 7 Vgl. Lin-Hi/Müller, 2013, 1929.

(10)

mit der Ausprägung der Unternehmensdeterminanten. Somit soll nicht nur aufgezeigt werden, welche unternehmerischen Umstände ESG-Kontroversen begünstigen, sondern auch wie sich parallel dazu das ESG-Engagement von Unternehmen verhält. Wie in weiterer Folge noch ausführlich behandelt wird, wird in der Literatur oft ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß von ESG-Kontroversen und der Ausprägung der unternehmerischen ESG-Performance vermutet, weshalb zusätzlich noch versucht wird, neue Erkenntnisse hinsichtlich dieses Zusammenhanges zu generieren.

Daraus lassen sich folgende Forschungsfragen ableiten:

▪ Welche Unternehmensdeterminanten begünstigen das Vorhandensein von ESG-Kontroversen?

▪ In welche ESG-Kontroversen sind Unternehmen am häufigsten involviert?

▪ Welche Unternehmensdeterminanten begünstigen unternehmerisches ESG-Engagement? ▪ Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Ausmaß von ESG-Kontroversen und der

Ausprägung von unternehmerischer ESG-Performance?

1.3. Aufbau der Arbeit

Im folgenden Kapital Definitionen werden CSR und ESG bzw. ESG-Kontroversen definiert und von verwandten Begriffen terminologisch abgegrenzt, um in Folge die Wichtigkeit der Begrifflichkeiten für diese Arbeit zu erläutern. Kapital 3 und 4 beschäftigen sich primär mit den Auswirkungen von ESG-Kontroversen und ESG-Aktivitäten auf die finanzielle Performance und das Unternehmensrisiko und geben somit einen umfassenden Überblick über die bisherigen literarischen Erkenntnisse hinsichtlich der Performanceeffekte von ESG-Kontroversen, aber auch zum Teil von Engagement. In Kapitel 5. wird beleuchtet, in welchem Zusammenhang ESG-Aktivitäten mit den im Rahmen der empirischen Analyse untersuchten Unternehmensdeterminanten stehen. Im Kapitel 6. wird dargestellt, in welche Kontroversen Unternehmen in der Praxis am häufigsten verwickelt sind. Weiters wird aufbauend auf den theoretischen Erkenntnissen in Form einer empirischen Analyse untersucht, welche Unternehmensdeterminanten Einfluss auf das Ausmaß von Kontroversen bzw. das ESG-Engagement von Unternehmen haben und in welchem Zusammenhang ESG-Kontroversen und die ESG-Performance von Unternehmen stehen. Kapitel 7. beschäftigt sich mit praktischen Implikationen, während die Arbeit in Form eines Fazits mit dem Kapitel 8. abgeschlossen wird.

(11)

2. Definitionen 2.1. CSR

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, werden unter dem Konzept CSR die Bemühungen von Unternehmen verstanden, im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nicht nur Profitmaximierung anzustreben, sondern gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, welcher über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgeht.8 Während der jahrzehntelangen Entwicklung von CSR haben sich jedoch unzählige Definitionen herausgebildet und somit gibt es bis heute keine einheitlich akzeptierte Definition. Ein Grund dafür ist, dass CSR ein sehr weitläufiger Ausdruck ist und somit einen Oberbegriff für viele verwandte Konzepte, wie z.B. Corporate Citizienship, Unternehmensethik, unternehmerische Nachhaltigkeit, etc., darstellt. Darüber hinaus hat sich CSR im Zeitverlauf sehr stark verändert, wodurch viele Begriffsbestimmungen nicht mehr aktuell sind und obsolet geworden sind.9

Nichtsdestotrotz gibt es Definitionen, welche bis heute immer wieder zitiert werden und die Grundkonzeption von CSR sehr verständlich darlegen. Als Beispiel dafür kann der Autor Archie

B. Carroll genannt werden, welcher CSR beschreibt als „the economic, legal, ethical, and

discretionary expectations that society has of organizations at a given point in time”.10 Die ökonomische Komponente spiegelt dabei die Erwartungen wider, die Güter und Dienstleistungen eines Unternehmens gewinnbringend veräußern zu können. Darüber hinaus sollen sich Unternehmen bei ihren unternehmerischen Aktivitäten an die gesetzlichen Vorschriften halten und im Rahmen der ethischen Komponente jene Erwartungen der Gesellschaft erfüllen, welche über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehen. Im Jahre 1991 modifizierte Carroll sein Modell weiter und entwickelte die sogenannte „Pyramide von Corporate Social Responsibility“, bei der er die diskretionäre Komponente durch die philanthropische Komponente ersetzte. Diese philanthropische Verantwortung soll jedoch erst dann wahrgenommen werden, wenn die drei darunterliegenden Verantwortlichkeiten erfüllt worden sind.11 Die in der Pyramide behandelten Dimensionen werden anhand der nachfolgenden Grafik dargestellt:

8 Vgl. Kapitel 1.1.

9 Vgl. Lin-Hi/Müller, 2013, 1928; Popa/Salanta, 2014, 137. 10 Carroll, 1979, 500.

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Abb. 1: Pyramide der unternehmerischen Verantwortung Quelle: Wagner, 2016, 6.

Der Grundstein für das potentielle Vorhandensein von verantwortungsvoller Unternehmensführung bildet somit eine Unternehmensstrategie, welche auf Profitabilität und Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Die Ausführung dieser Strategie muss weiters im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehen und darf diese nicht missachten. Darüber hinaus muss das Unternehmen stakeholderorientiert handeln und im Rahmen der Geschäftstätigkeit die Interessen der Anspruchsgruppen wahren und diese fair behandeln, auch wenn dies oft ein Engagement verlangt, welches über gesetzliche Verpflichtungen hinausgeht. Sind diese drei von der Gesellschaft gewünschten Teilkomponenten erfüllt, kann das Unternehmen seiner philanthropischen Verantwortung nachkommen.12 Kritisch betrachtet kann dieses Modell dahingehend werden, da es „in kein Managementkonzept eingebaut ist bzw. etwa nicht explizit Umwelt- sowie soziale Aspekte integriert“.13 Nichtsdestotrotz stellt es das Konzept CSR sehr anschaulich dar und schafft ein allgemeines Verständnis für die zugrundeliegende Konzeption.14 Um die Grundidee dieses Modells zusammenzufassen, wird in dieser Arbeit auf die Definition der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) abgestellt, wonach CSR ein Konzept ist, „das Unternehmen die Grundlage liefert, um auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Interessensgruppen zu integrieren.“15

12 Vgl. Wagner, 2016, 6. 13 Wagner, 2016, 7. 14 Vgl. Wagner, 2016, 6. 15 WKO, 2015.

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2.2. ESG-(Kontroversen)

Der Begriff ESG steht für „Environmental, Social und Governance“ und ist eng mit CSR verwandt. Er wird jedoch vor allem in der Investmentbranche im Rahmen von nachhaltigen Investments verwendet, um zu beschreiben, inwieweit Unternehmen deren Nachhaltigkeitsverpflichtungen in den Dimensionen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung nachkommen. Auf Basis dieser Beurteilung wird in der Praxis nachfolgend entschieden, ob die entsprechenden Investmentvoraussetzungen erfüllt werden und das Unternehmen mit Kapital unterstützt wird. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Begriffen ESG und CSR ist, dass bei ESG die Dimension Governance explizit genannt wird.16 Trotz dieser expliziten Nennung der Governance-Komponente werden in dieser Arbeit die Begriffe CSR und ESG synonym verwendet, da beide Begriffe derselben Grundkonzeption unterliegen.

Obwohl in den letzten Jahren die Bemühungen von Unternehmen, deren Nachhaltigkeitsverpflichtungen nachzukommen, immer weiter gestiegen sind, gibt es dennoch Unternehmen, welche sich unverantwortlich verhalten. Somit werden im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Handlungen gesetzt, die nicht den Erwartungen der Gesellschaft oder der Investoren entsprechen und in Folge Schaden anrichten und als ESG-Kontroversen bezeichnet werden.17 Die folgenden Unterkapitel geben einen Überblick darüber, worum es in den einzelnen ESG-Dimensionen geht und welche Arten von Kontroversen sich dabei herausbilden können. Anschließend wird dargelegt, welche Charakteristiken Kontroversen aufweisen, wie Unternehmen beim Vorhandensein damit umgehen und welche präventiven Maßnahmen es gibt.

2.2.1. Environmental

Die Dimension Environmental beschäftigt sich mit der Umweltperformance eines Unternehmens und gibt Auskunft darüber, welche Maßnahmen ein Unternehmen setzt, um einen positiven Beitrag zur Umwelt zu leisten. Für Investoren ist in diesem Kontext relevant, inwiefern die Verantwortlichen des Unternehmens und vor allem das Supply Chain Management darauf achten, ressourcenschonend zu operieren. Bewertungsrelevant sind außerdem die Bemühungen des Unternehmens im Rahmen von Produktionsprozessen oder anderen Geschäftstätigkeiten, diverse Umweltemissionen zu verringern oder sonstige schädliche Auswirkungen auf die Umwelt zu

16 Vgl. Wagner, 2016, 6; Wiener Börse, 2019.

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verhindern. Hierbei bedarf es der Entwicklung innovativer Lösungen, welche zur Umsetzung der eben genannten Aspekte beitragen, und der anschließenden Integration in Unternehmensstrategien und -prozesse.18 Kontroverse Umweltaktivitäten manifestieren sich in einem konträren Verhalten von Unternehmen, bei dem dessen Aktivitäten einen negativen Umwelteinfluss auf Ressourcen oder Bevölkerung ausüben.19 Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist der Emissionsskandal der Firma Volkswagen im Jahr 2015. Während Volkswagen in diesem Jahr von der Ratingagentur RobecoSam noch als der nachhaltigste Automobilhersteller der Welt eingestuft wurde und folglich in den Dow Jones Sustainability Index aufgenommen wurde, erfolgte bereits wenige Tage später das Delisting. Grund dafür war Volkswagens Versuch, mittels manipulierter Abgaswerte die Vorschriften des U.S. Clean Air Act zu übergehen, was in Folge nicht nur zu massiven finanziellen Schäden führte, sondern auch extreme Reputationsschäden nach sich zog.20

2.2.2. Social

Die soziale Komponente von ESG umfasst die Fähigkeit des Unternehmens, die Mitarbeiterzufriedenheit zu wahren und einen Arbeitsplatz anzubieten, bei dem deren Gesundheit nicht in Gefahr ist. Im Sinne einer diversen Belegschaft sollte jeder die gleichen Chancen hinsichtlich Aus- und Weiterbildung haben und eine kulturelle Vielfalt vorherrschen. Dabei wird von Investoren vor allem beurteilt, ob Menschenrechte und Geschäftsethiken eingehalten werden. Weiters ist auch die Produktverantwortung Bestandteil der sozialen Komponente. Im Hinblick auf den Konsumentenschutz umfasst dies die Integration von Gesundheits- und Sicherheitsaspekten in die Produktentwicklung und einen Fokus auf Integrität und Datensicherheit.21 Kontroverse Aktivitäten im sozialen Bereich umfassen z. B. Verstöße gegen Geschäftsethiken oder kriminelle Handlungen wie Steuerhinterziehung. Werden Konsumenten bei der Nutzung von unternehmenseigenen Produkten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt, in ihrer Privatsphäre verletzt oder durch irreführendes Marketing zum Erwerb getrieben, ist dies genauso Bestandteil der sozialen Komponente wie die Verletzung von Menschenrechten oder Kinderarbeit. Die Diskriminierung von Mitarbeitern, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen oder zu geringe Entgeltzahlungen stellen außerdem soziale Kontroversen dar.22 Ein Beispiel für eine massive Verletzung der Produktverantwortung stellt der im Jahre 2008 aufgedeckte chinesische Milchskandal dar. Hierbei wurden von führenden chinesischen Lebensmittelproduzenten

18 Vgl. Refinitiv, 2019a, 16. 19 Vgl. Refinitiv, 2019a, 17. 20 Vgl. MSCI, 2019; Utz, 2017, 503. 21 Vgl. Refinitiv, 2019a, 16. 22 Vgl. Refinitiv, 2019a, 16.

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Milchprodukte und Säuglingsnahrung mit der stickstoffhaltigen Substanz Melamin vermischt, was zur Folge hatte, dass ca. 300.000 Säuglinge schwer erkrankten und sogar sechs an den Folgen des Lebensmittelkonsums starben. Dies stellte einen der größten Lebensmittelskandale weltweit dar und hatte erhebliche Verschärfungen von Lebensmittelsicherheitskontrollen und -vorschriften zur Folge.23 Besonders in der Kritik stand auch das Unternehmen Apple im Jahre 2010, als zum wiederholten Male Mitarbeiter des IPhone Produzenten Foxconn Selbstmord begingen. Als Gründe für die Selbstmordserie wurden schlechte Arbeitsbedingungen und Diskriminierungen der Mitarbeiter durch Sicherheitsverantwortliche vermutet.24

2.2.3. Governance

Bei der ESG-Dimension Governance wird „der Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens“ beleuchtet.25 Besonders interessant für Investoren ist in diesem Kontext, ob das Unternehmen die Effektivität dieses Ordnungsrahmens sicherstellt und diesen auch selbst befolgt. Neben Maßnahmen zum Schutz vor feindlichen Übernahmen ist von Bedeutung, wie das Unternehmen die Gleichberechtigung seiner Shareholder garantiert und inwieweit es fähig ist, die ESG-Dimensionen in alltägliche Entscheidungsprozesse zu integrieren und dies folglich an die Stakeholder zu kommunizieren.26 Kontroversen in diesem Bereich manifestieren sich z.B. in zu hohen Vergütungen für Vorstandsmitglieder, fragwürdigen Bilanzierungspraktiken oder einer intransparenten Kommunikation von Rechnungslegungsinformationen. Weitere potentielle Governance-Kontroversen können sich in Zusammenhang mit Insider Dealings, Aktienkursmanipulationen oder der Verletzung von Aktionärsrechten ergeben.27 Der US-Konzern Enron wurde bis zum Jahr 2001 als innovativer Energiekonzern angesehen, welcher sich der Öffentlichkeit als Wohltäter präsentierte, indem er Bildungseinrichtungen, Non-Profit Organisationen und Katastropheneinsätze großzügig unterstützte. Diese Fassade ging jedoch im Jahr 2001 im Rahmen des Enron-Skandals zu Bruch, als bekannt wurde, dass Enron in Insider Dealings involviert war, verbotene Bewertungsmethoden heranzog und Bilanzfälschungen vollzog, indem Unternehmensverluste bewusst falsch ausgewiesen wurden, um die Unternehmensreputation zu wahren.28

23 Vgl. Liang/Renneboog, 2017, 883. 24 Vgl. Handelsblatt, 2010. 25 Guserl/Pernsteiner, 2015, 44. 26 Vgl. Refinitiv, 2019a, 16. 27 Vgl. Refinitiv, 2019a, 17. 28 Vgl. Hosseini/Mahesh, 2016, 37458; Vgl. Lin-Hi/Müller, 2013, 1933.

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2.2.4. Charakteristika von ESG-Kontroversen

ESG-Kontroversen bezeichnen, wie bereits definiert, Handlungen von Unternehmen, welche zu einer Benachteiligung von Personengruppen führen oder diesen Personengruppen bzw. unserer Umwelt Schaden zufügen. Dabei ist es jedoch nicht notwendig, dass ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften vorliegt, sondern auch legale Aktivitäten können zu ESG-Kontroversen führen. In der Literatur haben sich zwei verschiedene Formen von unverantwortlichem Verhalten etabliert: Jene, welche vom Unternehmen beabsichtigt werden, und jene, welche unbeabsichtigt erfolgen. Beispiele für beabsichtigtes unverantwortliches Verhalten sind Bestechung, illegale Müllentsorgungen oder Steuerhinterziehung. Die Zielsetzung dieser Handlungen ist meist eine Steigerung des Unternehmensgewinnes, da durch Bestechung lukrativere Verträge ausgehandelt werden können oder durch illegale Müllentsorgungen Kosten gespart werden. Voraussetzung für diese positiven Effekte ist dabei die Verschleierung der kontroversen Handlungen. Unbeabsichtigte ESG-Kontroversen werden hingegen nicht vorsätzlich vom Unternehmen initiiert, sondern sind unerwartete Nebenprodukte von bestimmten Unternehmensaktivitäten. Beispiele dafür sind Explosionen von Atomkraftwerken, welche durch höhere Kräfte, wie Erdbeben hervorgerufen worden sind und massive Umweltschäden und Reputationsschäden zur Folge haben. Weiters können Unternehmen durch Kontroversen in ihrer Lieferkette, wie z.B. Kinderarbeit in Verruf gelangen, obwohl ihnen diese Missstände bei den Zuliefererbetrieben nicht bewusst waren. Generell können Unternehmen die Wahrscheinlichkeit, in ESG-Kontroversen involviert zu werden, niemals ausschließen, da diese vor allem mit steigender Unternehmenskomplexität größer wird. Nichtsdestotrotz bedeutet dies nicht, dass das Unternehmen dabei komplett unschuldig ist, da mögliche Schäden durch entsprechende Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen möglicherweise verhindert hätten werden können.29

2.2.5. Handlungen in Folge von ESG-Kontroversen

Li et al. (2018) beschäftigen sich mit den Handlungen von Unternehmen, welche diese in Folge

von ESG-Kontroversen setzen. Dabei unterteilen sie CSR-Maßnahmen in symbolische und wesentliche Maßnahmen. Symbolische CSR-Maßnahmen bezeichnen Aktivitäten, welche zwar den unternehmerischen Willen vermitteln, mehr Engagement zu zeigen, aber im Endeffekt zu keiner nennenswerten Veränderung des bisherigen ESG-Verhaltens führen. Wesentliche Maßnahmen hingegen bezeichnen Handlungen, welche im Einklang mit den Erwartungen der

(17)

Stakeholder stehen und nachhaltige Veränderungen der Unternehmensprozesse und -strategien hervorrufen.30

Auf Basis einer Untersuchungsgesamtheit von mehr als 2500 Firmen aus 39 Ländern wird evident, dass die Mehrheit der Unternehmen eher symbolische als wesentliche CSR-Maßnahmen in Folge von ESG-Kontroversen setzt. Gründe dafür sind vor allem die geringeren Kosten von symbolischen CSR-Maßnahmen und die bessere Implementierungsfähigkeit in kurzer Zeit, um die Reputation des Unternehmens und das Vertrauensverhältnis mit den Stakeholdern so schnell wie möglich wiederherstellen zu können. Zutreffend ist dies jedoch nur dann, wenn es sich um Kontroversen mit einem geringen oder moderaten Schadenslevel handelt. Bei Kontroversen, welche ein hohes Schadens- und Risikolevel bergen, wird versucht, die negativen Effekte mittels wesentlicher Maßnahmen zu entkräften. Stakeholder akzeptieren symbolische CSR-Maßnahmen eher, wenn diese aus Kulturen stammen, in denen ein hohes Vertrauenslevel vorherrscht. Weiters ist die Akzeptanz höher, wenn diese realisieren, dass die negativen Effekte einer Kontroverse mit geringem Schadenslevel ohnehin nur von kurzer Dauer sind und das Kosten-Nutzen-Verhältnis durch das Setzen einer teuren und zeitintensiven wesentlichen CSR-Maßnahme nicht ausgewogen wäre.31

2.2.6. Vermeidung von ESG-Kontroversen

In Anbetracht der unzähligen ESG-Kontroversen und der daraus resultierenden Schäden, welche Stakeholder und die Umwelt dadurch erfahren, wird immer mehr darüber diskutiert, wie ESG-Kontroversen nachhaltig vermieden werden können. Dabei stehen vor allem unternehmensinterne Kontrollmechanismen im Vordergrund, durch welche die Transparenz der Unternehmensoperationen sichergestellt werden soll und ein aktiver Dialog mit den Anspruchsgruppen des Unternehmens erfolgen soll. Unterstützt werden diese Mechanismen durch Systeme, mit denen Fehlentwicklungen bemerkt und dementsprechende Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden können. Demgegenüber stehen gesetzliche Vorschriften, welche striktere und formalere Kontrollmechanismen bezeichnen, mit denen Ungerechtigkeit, Korruption, Fahrlässigkeit und Inkompetenz verhindert werden sollen.32 Während ein besonderer Fokus auf die Weiterentwicklung dieser präventiven Mechanismen liegt, wird basierend auf der Arbeit von Sarre und Fiedler (2002) klar, dass ein alleiniger Fokus auf diese Mechanismen ESG-Kontroversen nicht

30 Vgl. Li et al., 2018, 5. 31 Vgl. Li et al., 2018, 20ff. 32 Vgl. Sarre/Fiedler, 2002, 4.

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nachhaltig verringern wird. Zusätzlich muss vor allem ein strategischer Fokus auf die Unternehmenskultur und die damit einhergehende Weiterentwicklung von informalen Einstellungen gegenüber verantwortlichem Verhalten liegen. Die Einrichtung von Gesetzen und administrativen Regeln, um unverantwortliches Verhalten zu kontrollieren, ist zwar eine Voraussetzung, jedoch ohne eine entsprechende Unternehmenskultur kein voll wirksames Instrument. Vielmehr muss in Übereinstimmung mit diesen Mechanismen im Unternehmen eine sogenannte „Culture of Compliance“33 entwickelt werden, bei der ein Bewusstsein für die Wahrscheinlichkeit von kontroversem Verhalten geschaffen wird und sich Mitarbeiter im Falle von ESG-Kontroversen für die Lösung des Problems und der Schadensminimierung verantwortlich fühlen, aber in Folge dessen auch dementsprechende Maßnahmen dafür setzen.34

3. ESG-(Kontroversen) und finanzielle Performance 3.1. Allgemeines

Mit der fortschreitenden Entwicklung von CSR in den letzten Jahrzehnten beschäftigen sich unzählige Studien damit, wie sich die Bereitschaft von Unternehmen, das Konzept CSR in ihre Unternehmensstrategie zu integrieren und dabei zu versuchen den ESG-Erwartungen gerecht zu werden, auf die finanzielle Performance auswirkt. Dabei werden zwar vor allem in der jüngeren Literatur mehrheitlich positive Langzeiteffekte festgestellt, nichtsdestotrotz gibt es auch Studien, welche negative oder insignifikante Auswirkungen von ESG-Effekten auf die finanzielle Performance feststellen.35 Die finanzielle Performance eines Unternehmens umfasst in den vorherrschenden Studien primär marktorientierte Kennzahlen, aber auch accountingorientierte Kennzahlen. Im Rahmen der marktorientierten Kennzahlen erfolgt mehrheitlich eine Untersuchung des Firmenwertes, während bei der Performanceuntersuchung im Rahmen accountingorientierter Kennzahlen auf die Kennzahl Return on Assets (ROA) abgestellt wird.36 Der Fokus der theoretischen Darlegungen liegt jedoch ebenso wie in der zugrundeliegenden Literatur auf dem Firmenwert und somit dient das folgende Kapitel dazu, die bisherigen literarischen Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen von positiven und negativen ESG-Events auf die finanzielle Performance von Unternehmen darzustellen, wobei der primäre Fokus auf dem Einfluss von negativen ESG-Events, also ESG-Kontroversen, liegt.

33 Sarre/Fiedler, 2002, 21. 34 Vgl. Sarre/Fiedler, 2002, 21f. 35 Vgl. Fatemi/Glaum/Kaiser, 2017, 46.

(19)

3.2. Definition Firmenwert

Der Firmenwert ist jene Performancekomponente, welche in der im Rahmen dieser Arbeit verarbeiteten Studien am häufigsten untersucht wird. Stellvertretend für den Firmenwert wird die Kennzahl Tobin’s Q verwendet. Diese Kennzahl zeigt das Verhältnis des Marktwertes eines Unternehmens zu seinem Buchwert und wird folgendermaßen berechnet:37

𝑇𝑜𝑏𝑖𝑛′𝑠 𝑄 = 𝐵𝑖𝑙𝑎𝑛𝑧𝑠𝑢𝑚𝑚𝑒 + 𝑀𝑎𝑟𝑘𝑡𝑤𝑒𝑟𝑡 𝐸𝐾 − 𝐵𝑢𝑐ℎ𝑤𝑒𝑟𝑡 𝐸𝐾 𝐵𝑖𝑙𝑎𝑛𝑧𝑠𝑢𝑚𝑚𝑒

Der Vorteil dieser Kennzahl manifestiert sich darin, dass Tobin’s Q eine zukunftsgerichtete Kennzahl ist und viele Nachteile von traditionellen Kennzahlen überwindet, da sie unter anderem einer geringen Manipulierbarkeit unterliegt. Ein Wert dieser Kennzahl kleiner als 1 impliziert einen unvorteilhaften Einsatz von Ressourcen und bedeutet, dass das Unternehmen am Aktienmarkt zu einem Wert gehandelt wird, welcher geringer als der Wert der unternehmenseigenen Vermögenswerte ist. Ein Wert größer als 1 weist auf eine Überbewertung des Unternehmens hin und somit auf einen Marktwert, der über dem eigentlichen Wert der Vermögenswerte liegt.38

3.3. Auswirkungen von ESG-(Kontroversen) auf die finanzielle Performance

Margolis, Elfenbein und Walsh (2009) versuchen in ihrer Meta-Studie die Frage zu beantworten,

ob die Bemühungen von Unternehmen, im Rahmen ihrer sozialen Performance die wirtschaftlichen, rechtlichen, ethischen und diskretionären Erwartungen der Stakeholder zu erfüllen, schlussendlich positiv auf die finanzielle Performance einwirken oder nicht.39 Die Autoren clustern die Studien anhand von neun Kategorien40 und analysieren die Auswirkungen der jeweiligen Komponente auf die finanzielle Performance. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen einen geringen aber durchaus positiven Effekt von hoher Corporate Social Performance (CSP) auf die finanzielle Performance von Unternehmen. Dies impliziert, dass ein Fokus darauf, den ESG-Erwartungen der Stakeholder gerecht zu werden, den Shareholder-Value nicht zerstört, sondern ihn erhöht. Nur bei der Komponente Unternehmenskontroversen kann ein negativer

37 Vgl. Wagner, 2016, 187. 38 Vgl. Aouadi/Marsat, 2018, 1031.

39 Vgl. Margolis/Elfenbein/Walsh, 2009, 7ff.

40 Spendenbeiträge, Unternehmensrichtlinien, Umweltperformance, Unternehmenskontroversen, Transparenz, soziale

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Einfluss auf die finanzielle Performance festgestellt werden. Dieser entsteht primär durch den Vertrauensverlust der Investoren und die negativen Reaktionen des Aktienmarktes, welche auf besorgniserregende Nachrichtenmeldungen folgen. Dabei interpretieren Intermediäre des Kapitalmarktes die Unternehmenskontroversen als Indikator für potentielle Strafzahlungen, fehlende zukünftige Kooperationsbereitschaft der Stakeholder und vor allem sinkende Umsätze, da die Reputationsschäden die Kaufbereitschaft der Konsumenten negativ beeinträchtigen können. Weiters implizieren Kontroversen fehlende Entscheidungskompetenzen unter den Topmanagern und bergen die mögliche Gefahr einer sinkenden Nachfrage für die Aktien des Unternehmens, wenn Investoren mit einer Präferenz für verantwortlich agierende Unternehmen die Investorenbasis verlassen.41

Die negativen Auswirkungen von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert werden auch von

Fatemi, Glaum und Kaiser (2017) untermauert. Diese untersuchen den Effekt von ESG-Aktivitäten

auf den Firmenwert und berücksichtigen dabei zusätzlich, inwieweit die Berichterstattungsbereitschaft von Unternehmen diese Beziehung beeinflusst.42 Es wird evident, dass ESG-Stärken den Firmenwert erhöhen, während ihn ESG-Kontroversen signifikant verringern. Der Effekt der Berichterstattungsbereitschaft auf den Firmenwert hängt dabei vom ESG-Verhalten des jeweiligen Unternehmens ab. Bei Unternehmen, welche die ESG-Erwartungen der Stakeholder erfüllen, verringert eine zu hohe Berichterstattungsbereitschaft die positiven Effekte auf den Firmenwert, die durch ESG-Stärken erzielt werden. Eine Erklärung für diese Wirkungsbeziehung ist, dass der Markt die erhöhte Offenlegungsbereitschaft als eine Überinvestition in ESG-Aktivitäten interpretiert und somit eine falsche Ressourcenallokation unterstellt. Ein konträrer Effekt lässt sich bei Unternehmen feststellen, welche ESG-Kontroversen aufweisen. Hierbei wirkt eine offene Kommunikation des Unternehmens positiv auf den Firmenwert, da die negativen Auswirkungen der ESG-Kontroversen dadurch verringert werden. Die Gründe dafür sind vielseitig, denn eine hohe Berichterstattungsbereitschaft kann Unternehmen in diesem Fall dabei helfen, ihr Verhalten vor den Investoren zu legitimieren, indem sie die Beweggründe ihres Handels oder ihre ESG-Richtlinien erklären. Dabei können Unternehmen die Investoren in weiterer Folge davon überzeugen, entsprechende Aktivitäten zu setzen, um das bisherige ESG-Verhalten zu ändern und Schwächen zu beseitigen.43

Bei der genaueren Untersuchung der einzelnen ESG-Dimensionen wird außerdem festgestellt, dass diese von Investoren unterschiedlich bewertet werden. Governance-Kontroversen haben demnach

41 Vgl. Margolis/Elfenbein/Walsh, 2009, 18f. 42 Vgl. Fatemi/Glaum/Kaiser, 2017, 45. 43 Vgl. Fatemi/Glaum/Kaiser, 2017, 55ff.

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größere negative Auswirkungen auf den Firmenwert als Kontroversen in den Bereichen Soziales oder Umwelt. Folglich reduzieren auch veröffentlichte Informationen zum Thema Governance die negativen Auswirkungen von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert stärker als Veröffentlichungen, welche die anderen ESG-Dimensionen betreffen. Die positivere Auswirkung der Berichterstattung zum Thema Governance wird damit erklärt, dass dieser Bereich durch Börsenaufsichtsbehörden reguliert wird und somit die Richtigkeit dieser Informationen leichter bestätigt werden kann. Informationen zu Umwelt- oder Sozialkontroversen basieren im Gegensatz dazu oftmals auf freiwilliger Natur und sind demnach undurchsichtiger und schwieriger zu verifizieren.44

Bird et al. (2007) examinieren die Auswirkungen von positiven und negativen CSR-Events auf den

Firmenwert unter Berücksichtigung des Shareholder-Stakeholder Konflikts, fokussieren sich dabei jedoch nicht nur auf eine gesamte Betrachtung, sondern erforschen die Effekte fünf einzelner ESG-Dimensionen45 auch separat.46 Die signifikantesten negativen Ergebnisse können dabei für die Dimensionen Diversität und Umweltverantwortung gefunden werden. Demnach werden Unternehmen in langfristiger Betrachtung vom Markt am meisten für Kontroversen in diesen Bereichen bestraft, während eine nachhaltige Pflege der Mitarbeiterbeziehungen besonders honoriert wird. Überraschenderweise können auch negative Effekte von überdurchschnittlichen Bemühungen im Bereich der Umweltverantwortung auf den Firmenwert festgestellt werden. Die negativen Auswirkungen, welche in diesem Bereich sowohl durch positives als auch negatives Verhalten generiert werden, können dadurch erklärt werden, dass zum einen von den Stakeholdern die Einhaltung von Mindeststandards erwartet wird und diese somit bei kontroversen Handlungen dementsprechend negativ darauf reagieren. Zum anderen werden Überinvestitionen in diesen Bereich von Shareholdern als Ressourcenverschwendung gesehen, was auch in Einklang mit den Ausführungen von Fatemi, Glaum und Kaiser (2017) steht, wonach überhöhte Offenlegungsbereitschaften eine Überinvestition implizieren, welche sich trotz positiver Absichten negativ auf den Firmenwert auswirken.47 Lioui und Sharma (2012) fokussieren sich in diesem Zusammenhang speziell auf die Einflüsse der Umweltperformance eines Unternehmens auf den Firmenwert und finden im Einklang mit Bird et al. (2007) sowohl negative Auswirkungen von Umweltkontroversen aber auch negative Auswirkungen von Bemühungen im Umweltbereich auf den Firmenwert. Als Grund dafür wird auch in dieser Studie genannt, dass Investoren umfassende Initiativen im Umweltbereich als zu kostenintensiv empfinden oder diese oft in Folge von

44 Vgl. Fatemi/Glaum/Kaiser, 2017, 58.

45 Stakeholder, Diversität, Mitarbeiterbeziehungen, Umweltverantwortung, Produktverantwortung. 46 Vgl. Bird et al., 2007, 193f.

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Kontroversen gesetzt werden müssen, um regulatorischen Standards zu entsprechen, was wiederum als Art Strafzahlung wahrgenommen wird.48 In einer gesamten Betrachtung von positiven und negativen Events zeigt sich eine grundsätzliche Notwendigkeit von positivem ESG-Engagement, um die Unternehmensreputation zu erhöhen und folglich positive Effekte auf den Firmenwert zu generieren, während es in langfristiger Betrachtung essentiell ist, zusätzlich dazu ESG-Kontroversen zu vermeiden.49

Hoorn (2017) untersucht in seiner Studie explizit die Auswirkungen negativer ESG-Events auf den

Shareholder-Value. Wie Bird et al. (2007) fokussiert er sich nicht nur auf die gesamten Auswirkungen von ESG-Events, sondern untersucht die negativen Effekte von denselben fünf ESG-Dimensionen auf den Firmenwert.50 In gesamter Betrachtung kann auch Hoorn (2017) negative Effekte von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert feststellen. Dies steht somit im Einklang mit der herrschenden Literatur und der Stakeholdertheorie, wonach ein Unternehmen von der Aufrechterhaltung einer guten Beziehung mit den Stakeholdern profitiert und eine fehlende Fähigkeit, die Erwartungen dieser zu erfüllen, den Shareholder-Value zerstört.51 Die Analyse der einzelnen ESG-Dimensionen ergibt besonders negative Auswirkungen von Kontroversen hinsichtlich der Produktqualität auf den Firmenwert. Dies impliziert, dass die Beziehung zwischen den Konsumenten und dem Unternehmen besonders wichtig ist und somit ein Vertrauensbruch durch schädliche oder unsichere Produkte die stärksten Konsequenzen nach sich zieht. Folgend darauf haben Kontroversen, welche die Bereiche Diversität oder Mitarbeiter betreffen, die schädlichsten Auswirkungen auf den Firmenwert, während bei Umweltkontroversen nur ein geringer negativer Effekt52 festgestellt werden kann. Die negative Wirkungsbeziehung zwischen ESG-Kontroversen und dem Firmenwert wird außerdem durch die mediale Berichterstattung verstärkt.53 Zusätzlich werden vom Autor die Charakteristiken der ESG-Kontroversen und die darauffolgenden Auswirkungen untersucht. Hierbei zeigen sich langfristig nur signifikant negative Auswirkungen von Kontroversen mit einem hohen Schadenslevel auf den Firmenwert, da diese oft eine große Gruppe von Personen oder weite Teile der Umwelt betreffen und somit in vielen Fällen einen großen finanziellen Aufwand für das Unternehmen nach sich ziehen. ESG-Kontroversen mit geringem Schadenslevel sind im Gegensatz dazu leichter zu bewältigen und haben oft keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf den Firmenwert, da die Investorenreaktionen darauf geringer sind.54

48 Vgl. Lioui/Sharma, 2012, 106ff. 49 Vgl. Bird et al., 2007, 201. 50 Vgl. Hoorn, 2017, 2f. 51 Vgl. Hoorn, 2017, 20.

52 Grund für diesen schwachen negativen Effekt ist die geringe Anzahl an Umweltkontroversen in der Untersuchung. 53 Vgl. Hoorn, 2017, 23ff.

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Capelle-Blancard und Petit (2017) gehen in ihrer Arbeit wiederum den Auswirkungen von

positiven, aber auch negativen ESG-Events auf den Firmenwert auf den Grund. Demnach wirken sich Kontroversen leicht negativ auf den Firmenwert aus, während positives ESG-Engagement von den Shareholdern nicht belohnt wird und somit zu keinem Anstieg des Firmenwertes führt. Investoren fokussieren sich bei der Beurteilung des ESG-Verhaltens von Unternehmen besonders auf ESG-News, welche von Medien publiziert werden. Im Gegensatz dazu haben ESG-Informationen, welche von Unternehmen selbst veröffentlicht werden, einen wesentlich geringeren Einfluss auf die Meinungsbildung der Investoren. Primärer Grund dafür ist der Glaubwürdigkeitsmangel, der mit unternehmenseigenen Veröffentlichungen einhergeht. Denn während Medien in den meisten Fällen objektiv über das ESG-Verhalten von Unternehmen berichten, werden Unternehmen selbst eher versuchen, ihr Verhalten zu beschönigen, um negative Auswirkungen auf die Unternehmensreputation zu verhindern oder diese sogar zu erhöhen.55 Im Gegensatz zu anderen Studien können in dieser keine unterschiedlichen Auswirkungen der verschiedenen ESG-Dimensionen auf den Firmenwert festgestellt werden. Demnach sind für Investoren Kontroversen hinsichtlich der Dimension Governance genauso relevant, wie es Kontroversen hinsichtlich der sozialen Komponente oder der Umweltkomponente sind. Nichtsdestotrotz scheinen die negativen Auswirkungen von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert geringer zu sein, wenn das Unternehmen in naher Vergangenheit positives ESG-Engagement gezeigt hat oder der Sektor, in welchem das Unternehmen operiert, für verantwortungsvolle Unternehmensaktivitäten bekannt ist. Im Gegensatz dazu werden die negativen Effekte wieder verstärkt, wenn die negativen ESG-News detaillierte und quantitative Informationen über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Kontroverse enthalten. Dieser Effekt tritt auch auf, wenn die kulturelle Distanz zwischen den Investoren und dem Unternehmen sehr gering ist, und somit sprechen Investoren den Kontroversen von heimischen Unternehmen mehr Gewicht zu.56

Price und Sun (2017) führen diese Untersuchungen weiter und analysieren ebenso die

Performanceeffekte von positiven und negativen ESG-Events. Dabei wird wie in der Mehrzahl der Studien ein negativer Einfluss von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert festgestellt, während positive ESG-Events diesen erhöhen. Die Wirkungsbeziehung zwischen ESG-Events und dem Firmenwert ist jedoch bei negativen Events stärker als bei positiven. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen von Lin-Hi und Müller (2013), welche bei der Analyse des Zusammenspiels von positiven und negativen Events ebenfalls feststellen, dass der negative Effekt von

ESG-55 Vgl. Capelle-Blancard/Petit, 2017, 554. 56 Vgl. Capelle-Blancard/Petit, 2017, 555ff.

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Kontroversen auf das wahrgenommene ESG-Verhalten von Unternehmen stärker ist als der positive Effekt von positiven ESG-News.57 In diesem Zusammenhang wird weiters evident, dass in Unternehmenszyklen, in denen wenige ESG-Kontroversen vorherrschen, der Firmenwert sehr stark von verantwortlichem Verhalten gesteuert wird. Im Gegensatz dazu verringert sich dieser positive Einfluss maßgeblich, wenn das Unternehmen gleichzeitig in viele ESG-Kontroversen verwickelt ist, da diese negativen Einflüsse die positiven Effekte von verantwortlichem Verhalten überdecken. Folglich haben Unternehmen, welche in eine Vielzahl von positiven und negativen ESG-Events verwickelt sind, einen geringeren Firmenwert als jene, welche ein geringes positives ESG-Verhalten aufweisen, aber dafür auch wenig unverantwortliches Verhalten an den Tag legen.58

Servaes und Tamayo (2013) beschäftigen sich in ihrer Studie mit den allgemeinen Auswirkungen

von CSR auf den Firmenwert von Unternehmen und fokussieren sich dabei speziell darauf, wie das Kundenbewusstsein von Unternehmen, gemessen an deren Werbeausgaben, die CSR-Firmenwert Korrelation beeinflusst. Diese Korrelation wird zwar nicht alleine durch den Konsumenten bestimmt, dennoch bildet der Kunde einen Ausgangspunkt dafür, da er durch sein Einkaufsverhalten letztlich auch auf die finanzielle Performance eines Unternehmens einwirkt und infolgedessen den Firmenwert beeinflusst.59 Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass besonders Unternehmen mit einer hohen Werbeintensität von ihrem CSR-Engagement profitieren, da bei diesen die CSR-Firmenwert Korrelation am positivsten ist. Grund dafür ist die hohe Interaktions- und Kommunikationsbereitschaft des Unternehmens mit seinen Kunden. Dies führt zu größerer Medienberichterstattung und Informationen bezüglich der CSR-Maßnahmen sind leichter zugänglich, werden schneller verarbeitet und steigern somit das Kundenbewusstsein für das CSR-Engagement des Unternehmens.60 Umgekehrt wirken sich jedoch auch ESG-Kontroversen umso negativer auf den Firmenwert aus, je mehr das Unternehmen in der Öffentlichkeit steht und mit seinen Kunden interagiert. Bei Unternehmen mit geringer Werbeintensität ist der Einfluss von CSR auf den Firmenwert entweder insignifikant oder negativ. Ein essentieller Einflussfaktor für den positiven Einfluss von öffentlicher Aufmerksamkeit auf die CSR-Firmenwert Relation ist die bisherige Reputation des Unternehmens. Dabei muss das kommunizierte CSR-Engagement des Unternehmens im Einklang mit der Unternehmensreputation stehen. Vermitteln Unternehmen, welche dem Thema CSR bisher unaufgeschlossen gegenüberstanden, plötzlich ein komplett konträres Bild, könnte dies Misstrauen bei den

57 Vgl. Lin-Hi/Müller, 2013, 1933; Price/Sun, 2017, 91. 58 Vgl. Price/Sun, 2017, 91ff.

59 Vgl. Servaes/Tamayo, 2013, 1045. 60 Vgl. Servaes/Tamayo, 2013, 1050ff.

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Stakeholdern erzeugen und als kontrovers eingestuft werden. Somit würde dies keinen positiven Effekt auf den Firmenwert haben, sondern in gewissen Fällen sogar wertzerstörend wirken. Wichtig hierbei ist somit, die Kundenwahrnehmung hinsichtlich des CSR-Engagements in einem langfristigen Prozess zu ändern, um nachhaltig positive Auswirkungen auf den Firmenwert zu erzielen.61

Aufbauend auf der Arbeit von Servaes und Tamayo (2013) untersuchen Aouadi und Marsat (2018) explizit die Auswirkungen von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert und finden positive Auswirkungen von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert bei sogenannten „high-attention firms“. Diese „high-attention firms“ kennzeichnen sich dadurch aus, dass sie größer sind, eine besonders gute Unternehmensperformance aufweisen, hoher Investorenaufmerksamkeit ausgesetzt sind und in Ländern operieren, in denen ein hohes Level an Pressefreiheit herrscht. „Low-attention firms“ weisen genau gegenteilige Merkmale auf und somit werden bei diesen Unternehmen ESG-Kontroversen mit negativen oder insignifikanten Auswirkungen auf den Firmenwert assoziiert.62 Für diese positive Wirkungsbeziehung bei „high-attention firms“ sind vor allem Corporate Social Performance (CSP) Scores63 verantwortlich, welche in Zusammenhang damit untersucht werden und einen indirekten Effekt auf den Firmenwert haben. ESG-Kontroversen erhöhen demnach den Firmenwert nicht direkt, sondern richten die Aufmerksamkeit der Investoren auf den CSP-Score, welcher nicht nur als eine Art Versicherung gegenüber ESG-Kontroversen wirkt, sondern es stark in der Öffentlichkeit stehenden Unternehmen auch ermöglicht, ESG-Kontroversen als nicht gewollte Möglichkeit zu nutzen, den Firmenwert zu erhöhen.64 Der Einfluss von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert scheint dabei besonders von Informationsasymmetrien und Informationsbeschaffungskosten beeinflusst zu werden. Denn größere Unternehmen weisen normalerweise eine höhere Berichtsbereitschaft auf und stehen am Kapitalmarkt mehr im Fokus von Intermediären. Dieser Fokus und vor allem die Informationen, welche durch CSP-Scores vermittelt werden, mildern Informationsasymmetrien und verringern Informationsbeschaffungskosten. Durch die erhöhte Überwachung des Kapitalmarktes und der Stakeholder, der „high-attention firms“ unterliegen, sind diese im Falle von ESG-Kontroversen aufgrund des erhöhten institutionellen Drucks gezwungen, ihr zukünftiges CSR-Verhalten und ihre Kommunikationsstrategien umgehend zu modifizieren. Das durch die ESG-Kontroversen verursachte schlechte Image führt somit in direkter Folge zu positiven CSR-Nachrichten, welche

61 Vgl. Servaes/Tamayo, 2013, 1057ff. 62 Vgl. Aouadi/Marsat, 2018, 1040ff.

63 CSP Scores werden von unabhängigen Unternehmen wie z.B. Thomson Reuters veröffentlicht und bemessen unter anderem die

ESG-Performance von Unternehmen anhand verschiedenster Kriterien. Zur genaueren Beschreibung wird auf Kapitel 6.1. verwiesen.

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sich durch die hohe Unternehmensvisibilität schnell verbreiten und eine Chance bieten, die Stimmung der Investoren erneut zu heben. Dieser Mechanismus erklärt zumindest teilweise den positiven Effekt von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert bei „high-attention firms“. Dass dieser Effekt bei „low-attention firms“ keine Wirkung zeigt, liegt an höheren Informationsasymmetrien und höheren Informationsbeschaffungskosten, da diese einer geringeren Aufmerksamkeit von Intermediären unterliegen.65

Die Reaktionen von Stakeholdern müssen jedoch nicht immer kongruent mit der Natur des jeweiligen ESG-Events sein. Dies zeigen Groening und Kanuri (2013) anhand ihrer Untersuchung, ob Stakeholder bzw. Investoren immer positiv auf positive ESG-Events bzw. negativ auf negative ESG-Events reagieren und welche Umstände diese Wirkungsbeziehung beeinflussen. Unter 1000 analysierten ESG-Events herrscht fast bei der Hälfte der Fälle keine Kongruenz vor, was bedeutet, dass ein positives ESG-Event zu negativen Investorenreaktionen und ein negatives ESG-Event zu positiven Investorenreaktionen führt. Als Erklärungsansatz dafür dient vor allem die Stakeholdertheorie, denn Unternehmen sollen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit die Erwartungen ihrer Stakeholder erfüllen, um eine nachhaltig gute finanzielle Performance zu erreichen. In vielen Fällen stehen jedoch die Erwartungen der Stakeholder nicht im Einklang mit jenen der Investoren. So kann ein positives ESG-Event, wie z.B. Spenden an eine gemeinnützige Organisation, von Stakeholdern begrüßt werden, während Investoren dies als falsche Ressourcenallokation sehen und dies in Folge negative Auswirkungen auf den Firmenwert hat. Umgekehrt mögen Stakeholder ein negatives ESG-Event, wie Umweltverschmutzung, sehr kritisch sehen, während Investoren diesen Sachverhalt tolerieren, da die daraus resultierenden finanziellen Folgen geringer sind als die Kosten für die Beseitigung des Missstandes.66

Die Investorenreaktionen auf die jeweiligen ESG-Events hängen primär von der bestehenden finanziellen Performance eines Unternehmens ab. Denn je besser die finanzielle Situation eines Unternehmens ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die positiven Effekte von positiven ESG-Events verringert werden, da die hohe finanzielle Performance ohnehin schon ein Indiz für höchste Stakeholderzufriedenheit ist. Investoren könnten die für das positive ESG-Event getätigten Ausgaben als Ressourcenverschwendung sehen und dies würde in Folge zu einem inkongruenten Ereignis und einer Reduktion des Firmenwertes führen. Positive ESG-Events sind somit vor allem für Unternehmen mit geringer finanzieller Performance von Vorteil, dieser positive Effekt schwindet jedoch mit steigender finanzieller Stärke. Gleichzeitig sind ESG-Kontroversen für

65 Vgl. Aouadi/Marsat, 2018, 1040ff. 66 Vgl. Groening/Kanuri, 2013, 1852.

(27)

Firmen mit geringer finanzieller Performance von größerem Nachteil, da die Unternehmenssituation eine fehlende Fähigkeit impliziert, die Erwartungen der Stakeholder zu erfüllen, und Investoren dies durch die Kontroversen auch nicht in Zukunft erwarten können. Im Gegensatz dazu werden die negativen Auswirkungen von ESG-Kontroversen auf den Firmenwert bei steigender finanzieller Performance verringert und die Wahrscheinlichkeit eines inkongruenten Ereignisses steigt. Grund dafür ist, dass ein Unternehmen mit hoher finanzieller Performance ohnehin schon Stakeholderzufriedenheit generiert hat und die negativen Auswirkungen von ESG-Kontroversen aufgrund der starken Vertrauensbasis geringer sind.67

3.4. Zwischenfazit

Auf Basis der analysierten Studien wird evident, dass ESG-Kontroversen mehrheitlich einen negativen Effekt auf den Firmenwert haben und diesen somit verringern. Primäre Gründe dafür sind vor allem der Vertrauensverlust der Investoren, die darauffolgenden negativen Reaktionen des Aktienmarktes und der Reputationsverlust des Unternehmens, welcher mit dem Bekanntwerden von kontroversem Verhalten einhergeht. Katalysatoren für die negativen Effekte von ESG-Kontroversen sind dabei die publizierten Beiträge von neutralen Berichterstattern, denn diesen schenken Investoren und Stakeholder mehr Vertrauen als jenen Informationen, welche von Unternehmen selbst veröffentlicht werden. Der Grund dafür liegt in der höheren Objektivität, welche Medienberichten zugeschrieben wird, während oft vermutet wird, dass Unternehmen versuchen ihr ESG-Verhalten zu beschönigen und deshalb subjektiver darüber berichten. Im Falle von ESG-Kontroversen sollte die Berichterstattungsbereitschaft dennoch transparent und ehrlich sein, da eine offene Kommunikation das Vertrauensverhältnis zu den Stakeholdern wieder stärkt und somit positiv auf den Shareholder-Value wirkt. Auch im Falle von positiven ESG-Events sollten Unternehmen diese an die Stakeholder kommunizieren, dabei aber auf eine moderate Berichterstattung achten, da die übermäßige Kommunikationsbereitschaft ansonsten als Versuch gedeutet wird, kontroverses Verhalten zu verschleiern.68

Eine Betrachtung der einzelnen ESG-Dimensionen hinsichtlich der Intensität der negativen Wirkung im Falle von Kontroversen ergibt zusammenfassend ein sehr eindeutiges Ergebnis. Demnach können ESG-Kontroversen in allen Bereichen stark negative Wirkungen auf den Firmenwert haben. Besonders die Dimension Umwelt wirkt auf Basis der Studien sehr negativ auf

67 Vgl. Groening/Kanuri, 2013, 1854. 68 Vgl. Kapitel 3.3.

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den Firmenwert, da Unternehmen zum einen für Kontroversen in diesem Bereich durch Vertrauensverluste und Strafzahlungen bestraft werden, aber auch besondere Bemühungen in Form von Überinvestitionen negativ wirken, da diese als Ressourcenverschwendung erachtet werden und oft nur die Einhaltung von Mindeststandards erwünscht ist. Kontroversen im sozialen Bereich, besonders hinsichtlich der Konsumenten, korrelieren ebenfalls stark negativ mit dem Firmenwert, da das Vertrauensverhältnis zwischen dem Unternehmen und den Kunden verletzt wird, was sich in Folge durch Umsatzrückgänge negativ auf die finanzielle Performance auswirkt. Ebenso haben unternehmerische Fehltritte im Bereich Corporate Governance negative Auswirkungen auf den Firmenwert. Durch die starken gesetzlichen Regulierungen in diesem Bereich wird ein Verstoß gegen geltende gesetzliche Vorschriften besonders kritisiert, während es in den Bereichen Umwelt und Soziales oft Schlupflöcher oder Handlungsspielräume gibt, welche von Unternehmen in Anspruch genommen werden.69

Bei positivem ESG-Engagement kann grundsätzlich von einer positiven Wirkung auf den Firmenwert ausgegangen werden, wobei dies nicht in allen Fällen zutrifft, da verantwortungsvolles Verhalten von Stakeholdern bereits erwartet wird und dies somit nicht immer speziell honoriert wird. Nichtsdestotrotz soll es das Ziel jedes Unternehmens sein, den ESG-Erwartungen seiner Stakeholder gerecht zu werden, da ohne das Vorhandensein von positiven ESG-Events keine Unternehmensreputation aufgebaut werden kann und ESG-Kontroversen umso schwerer wiegen. Generell wird evident, dass der Shareholder-Value zerstörende Effekt von ESG-Kontroversen größer ist als der Shareholder-Value erhöhende Effekt von positivem ESG-Verhalten.70

4. ESG-(Kontroversen) und Risiko 4.1. Allgemeines

Neben der Untersuchung von Performanceeffekten wird in vielen Studien vor allem der Zusammenhang von ESG-Kontroversen bzw. positiven ESG-Events und dem Unternehmensrisiko untersucht. Dies ist insofern essentiell, da diese Wirkungsbeziehung wichtige Implikationen für Manager und Investoren bietet, weil es in deren Interesse ist, Unsicherheiten hinsichtlich der unternehmerischen Zukunft so gering wie möglich zu halten und deshalb das Unternehmensrisiko größtmöglich zu verringern. Folglich ist es notwendig, Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie sich die Bemühungen von Unternehmen, den ESG-Erwartungen gerecht zu werden, auf die Variabilität

69 Vgl. Kapitel 3.3. 70 Vgl. Kapitel 3.3.

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der zukünftigen Unternehmensperformance auswirkt.71 In den vorherrschenden Studien wird bei der Analyse der Wirkungsbeziehung zwischen ESG-Events von Unternehmen und dem Risiko jedoch nicht nur auf das Gesamtrisiko abgestellt, sondern vielfach werden die Risikokomponenten idiosynkratisches Risiko und systematisches Risiko separat untersucht. Die folgenden Kapitel sollen demnach dazu dienen, die literarischen Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen von ESG-Kontroversen, aber auch positiven ESG-Events auf das Unternehmensrisiko darzulegen, während auch ein besonderer Fokus darauf gelegt wird, wie Unternehmen die Volatilität ihrer Unternehmensperformance durch risikoreduzierende Maßnahmen verringern können.

4.2. Gesamtrisiko

4.2.1. Definition

Unter dem Gesamtrisiko eines Unternehmens wird in der Literatur die Kombination von Marktrisiken und Rechnungslegungsrisiken verstanden. Dabei geht es primär darum, anhand welcher Kennzahlen das Risiko von Unternehmen gemessen wird. Marktrisiken werden in die Risikokomponenten systematisches Risiko und unsystematisches Risiko eingeteilt. Das unsystematische Risiko wird hierbei mit der Standardabweichung der Aktienrenditen gemessen, während beim systematischen Risiko auf den Betafaktor abgestellt wird. Bei der Messung von Rechnungslegungsrisiken ist die Ermittlung der Schwankungsbreite der Rentabilität eines Unternehmens das Ziel. Diese erfolgt häufig mit der Volatilität des Return on Assets (ROA), also der Gesamtkapitalrentabilität.72

4.2.2. Auswirkungen von ESG-(Kontroversen) auf das Gesamtrisiko

Orlitzky und Benjamin (2001) untersuchen in ihrer Metaanalyse die Auswirkungen der

ESG-Performance auf das Gesamtrisiko eines Unternehmens und auch auf die zugrundeliegenden Risikokomponenten, dem Rechnungslegungsrisiko und dem Marktrisiko. Demnach wird Evidenz dafür gefunden, dass das Gesamtrisiko eines Unternehmens umso niedriger ist, je höher die ESG-Performance eines Unternehmens ist. Firmen sollen demnach anstreben, den ESG-Erwartungen der Stakeholder gerecht zu werden, und diese Bemühungen an diese kommunizieren. Die positiven Effekte der ESG-Performance werden jedoch erst dann sichtbar, wenn Stakeholder von den ehrlichen Bemühungen des Unternehmens überzeugt sind. Evident können diese Bemühungen vor

71 Vgl. Oikonomou/Brooks/Pavelin, 2012, 484. 72 Vgl. Orlitzky/Benjamin, 2001, 379.

(30)

allem durch Berichterstattungen, Ratings, Verifizierungen durch Dritte oder ESG-Richtlinien von Unternehmen werden. Die Autoren finden dabei heraus, dass hohe ESG-Ratings das effektivste Instrument sind, um das Vertrauen der Stakeholder hinsichtlich der ESG-Bemühungen zu erlangen. Folglich haben positive ESG-Ratings den größten risikoreduzierenden Effekt und ESG-Kontroversen sollen vermieden werden, da diese einen negativen Einfluss auf ESG-Ratings haben und das Gesamtrisiko wieder erhöhen würden. Die geringere Wirksamkeit von Verifizierungen durch Dritte oder Werteverankerungen in ESG-Richtlinien kann dadurch erklärt werden, dass diese von der Öffentlichkeit weniger wahrgenommen werden, und von Unternehmen veröffentlichte ESG-Informationen werden von Stakeholdern oftmals als zu subjektiv erachtet, wodurch das Vertrauen in diese Berichterstattungen sinkt. Unternehmen mit guter ESG-Performance können demnach das Vertrauensverhältnis zu internen und externen Stakeholdern stärken, Sozialkapital aufbauen, Transaktionskosten verringern und die Unsicherheit der zukünftigen finanziellen Performance reduzieren.73

Bouslah, Kryzanowski und M’Zali (2013) analysieren in ihrer Arbeit ebenso die Auswirkungen von

positiven und negativen ESG-Events auf das Unternehmensrisiko und fokussieren sich dabei speziell auf die einzelnen ESG-Dimensionen. Hierbei wird evident, dass jene Unternehmen, welche Mitglied eines Aktienindexes sind, eine stärkere Wirkungsbeziehung zwischen dem Unternehmensrisiko und ESG-Stärken bzw. Schwächen aufweisen. Dies liegt vor allem an deren Unternehmensgröße und an deren höherer Visibilität für Medien und Finanzanalysten, da dadurch die Informationsasymmetrien im Vergleich zu Unternehmen, welche keinem Index angehören, geringer sind und ESG-Praktiken bzw. die Auswirkungen dieser transparenter sind.74 Bei der genaueren Betrachtung der Stärken und Kontroversen innerhalb der individuellen ESG-Dimensionen zeigen sich mehrheitlich risikoerhöhende Effekte von ESG-Kontroversen, während die Auswirkungen von ESG-Stärken auf das Unternehmensrisiko nicht pauschal beschrieben werden können, sondern von der individuellen ESG-Dimension abhängen. Demnach erhöhen besonders Kontroversen in den Bereichen Mitarbeiter, Diversität, Corporate Governance, Produktverantwortung und Menschenrechte das Unternehmensrisiko, während Kontroversen in den Bereichen Umwelt und Community keine signifikanten Einflüsse auf das Unternehmensrisiko zeigen. Positive ESG-Events in den Bereichen Corporate Governance und Diversität erhöhen das Unternehmensrisiko ebenso, während Umweltstärken dieses verringern und Stärken in den Bereichen Community, Mitarbeiter, Produktverantwortung keine signifikanten Auswirkungen auf das Unternehmensrisiko haben. Die unterschiedlichen Auswirkungen von ESG-Stärken auf das

73 Vgl. Orlitzky/Benjamin, 2001, 388ff.

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Unternehmensrisiko können dadurch erklärt werden, dass sich Marktteilnehmer wie Investoren und Analysten selbst nicht ganz im Klaren über den Wert von ESG-Stärken und deren Einfluss auf zukünftige Cashflows sind.75

Sassen, Hinze und Hardeck (2016) fokussieren sich auf alle drei Risikoarten und untersuchen

anhand der vom Medienkonzern Thomson Reuthers veröffentlichten ESG-Scores von europäischen Unternehmen, ob Engagement und somit die Vermeidung von ESG-Kontroversen für Unternehmen risikoreduzierend wirkt.76 Hinsichtlich des Gesamtrisikos beweisen die Autoren, dass eine höhere ESG-Performance von Unternehmen in Folge zu einem geringeren Gesamtrisiko führt und ESG-Kontroversen dieses im Umkehrschluss erhöhen. Hierbei führen vor allem ESG-Bemühungen im sozialen Bereich zu einer Verringerung des Gesamtrisikos. Aufgrund der hohen risikoreduzierenden Wirkung der sozialen Komponente wird diese genauer untersucht und der Social-Score in Stakeholdergruppen aufgesplittet: Kunden, Mitarbeiter und die Gesamtheit der Anspruchsgruppen des Unternehmens, welche sich aus Kunden und Mitarbeitern zusammensetzt. Dabei zeigen Bemühungen von Unternehmen hinsichtlich aller Anspruchsgruppen den größten gesamtrisikoreduzierenden Effekt, während ein starker Fokus auf Mitarbeiter das Gesamtrisiko am wenigsten beeinflusst. Dies kann damit erklärt werden, dass ein Mitarbeiterfokus die internen Anspruchsgruppen von Unternehmen betrifft, was folglich einen geringeren Einfluss auf Marktrisiken hat als dies Interaktionen mit externen Anspruchsgruppen haben, da diese Bemühungen oder Kontroversen nicht so stark im öffentlichen Fokus stehen wie jene, welche Kunden oder andere Stakeholder des Unternehmens betreffen. Die Aufrechterhaltung einer stabilen Kundenbeziehung hat einen stärkeren Einfluss auf Marktrisiken, weil eine direkte Verbindung zwischen der Kundenzufriedenheit und der finanziellen Performance eines Unternehmens besteht. Die Umweltperformance eines Unternehmens wirkt nur in Industrien mit einem besonderen Umweltfokus risikoreduzierend und führt in anderen Industrien zu keinen signifikanten Auswirkungen. Ebenso wird die Corporate Governance Komponente als nicht signifikant erachtet und hat somit keine Auswirkungen auf das Gesamtrisiko.77

75 Vgl. Bouslah/Kryzanowski/M’Zali, 2013, 1266ff. 76 Vgl. Sassen/Hinze/Hardeck, 2016, 869.

(32)

4.3. Idiosynkratisches Risiko

4.3.1. Definition

Das idiosynkratische Risiko wird auch als firmenspezifisches bzw. als unsystematisches Risiko bezeichnet. Es umfasst Schwankungen des Aktienkurses, welche durch unternehmensspezifische Faktoren, wie z.B. die Effizienz und Effektivität von Managemententscheidungen oder Unternehmensoperationen, entstehen. Das unsystematische Risiko kann im Gegensatz zum systematischen Risiko durch eine effiziente Anlagepolitik im Sinne der Risikostreuung und Portfoliodiversifizierung vermieden werden.78

4.3.2. Auswirkungen von ESG-(Kontroversen) auf das idiosynkratische Risiko

Mishra und Modi (2013) untersuchen die Auswirkungen von positiven und negativen ESG-Events

auf das firmenspezifische Risiko im amerikanischen Raum und zeigen, dass ESG-Kontroversen das idiosynkratische Risiko erhöhen, während positive ESG-Events dieses verringern. Durch dieses Ergebnis soll vor allem zur Debatte beigetragen werden, ob positives ESG-Engagement Shareholder-Value zerstörend ist oder nicht. Denn wie in einem späteren Kapitel noch genauer beleuchtet wird, können positive ESG-Maßnahmen als eine Art Versicherung gegenüber späteren risikoerhöhenden Effekten von ESG-Kontroversen wirken und das Unternehmensrisiko senken. Somit ist verantwortliches Unternehmensverhalten, auch wenn dieses auf Basis von einigen Studien nicht direkt zu einer besseren finanziellen Performance führt, dennoch Shareholder-Value erhöhend, da es den Einfluss von potentiellen Aktienmarktrisiken verringert. Gleichzeitig sollten Unternehmen jedoch ESG-Kontroversen vermeiden, da dadurch der Risikofaktor wieder erhöht wird und somit die positiven Einflüsse verringert werden.79 Orlitzky und Benjamin (2001) kommen in ihrer Metaanalyse zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach wird Evidenz dafür gefunden, dass verantwortliches Unternehmensverhalten negativ mit dem idiosynkratischen Risiko korreliert und es somit im Sinne des Unternehmens ist, den Erwartungen gerecht zu werden und ESG-Kontroversen zu vermeiden.80

Sassen, Hinze und Hardeck (2016) können ebenso risikoreduzierende Effekte von positivem

ESG-Verhalten von Unternehmen hinsichtlich des idiosynkratischen Risikos nachweisen. Dabei führen

78 Vgl. Guserl/Pernsteiner, 2015, 122; Price/Sun, 2017, 84. 79 Vgl. Mishra/Modi, 2013, 442f.

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