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5. ESG und Determinanten von Unternehmenskontroversen

5.9. Hypothesen

Insider, sich stärker mit langfristigen werterhöhenden Zielen auseinanderzusetzen und nachhaltige Unternehmensentwicklung zu fördern.146

auf das Unternehmen einwirken und folglich Fremdkapitalkosten erhöhen. Im Rahmen der in dieser Arbeit präsentierten Studien findet die Überinvestmenttheorie vermehrte Bestätigung, wonach erhöhte ESG-Performance die von Banken angebotenen Kreditbedingungen verschlechtert und es für Unternehmen in weiterer Folge unattraktiver wird, Fremdkapital aufzunehmen, wodurch der Verschuldungsgrad sinkt.151 Verringern Unternehmen in weiterer Folge ihre CSR-Investitionen, um ungünstigen Kreditbedingungen entgegenzuwirken, liegt auch eine höhere Wahrscheinlichkeit von ESG-Kontroversen nahe, wodurch sich hinsichtlich des Zusammenhangs von Verschuldungsgrad und kontroversem Unternehmensverhalten folgende Hypothesen ableiten lässt:

H1: Unternehmen mit einem höheren Verschuldungsgrad weisen eine höhere Anzahl an Kontroversen auf als weniger verschuldete Unternehmen.

Auf Basis der in dieser Arbeit dargestellten Studien hinsichtlich der Wirkungsbeziehung der Rentabilität und der ESG-Performance von Unternehmen lassen sich sowohl positive, neutrale, aber auch negative Zusammenhänge erkennen. Nichtsdestotrotz zeigt die eindeutige Mehrzahl der Studien einen positiven Zusammenhang zwischen den ESG-Aktivitäten von Unternehmen und deren Rentabilität. Argumentiert wird in diesem Bereich vor allem damit, dass es internen Anspruchsgruppen wie Mitarbeitern im Falle eines nachhaltigen Unternehmensumfeldes leichter fällt, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren und dies somit Produktivität und Motivation steigert. Gleichzeitig wirkt die mit hoher ESG-Performance einhergehende gesteigerte Unternehmensreputation positiv auf die Kaufentscheidung von externen Anspruchsgruppen wie Konsumenten ein, welche in Folge eine Präferenz für Produkte von nachhaltig agierenden Unternehmen entwickeln. Hinsichtlich des Firmenwertes können mehrheitlich negative Auswirkungen von kontroversem Unternehmensverhalten auf diesen festgestellt werden. Gründe dafür sind vor allem der Vertrauensverlust, den Investoren durch Unternehmenskontroversen erfahren, und die darauffolgenden negativen Reaktionen des Kapitalmarktes. Potentielle Strafzahlungen und eine sinkende finanzielle Performance aufgrund fehlender Kaufbereitschaft der Konsumenten, resultierend aus den Reputationsschäden, wirken weiter negativ auf das Unternehmen ein.152 Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten:

H2: Unternehmen mit einer geringeren Rentabilität weisen eine höhere Anzahl an Kontroversen auf als rentablere Unternehmen.

151 Vgl. Kapitel 5.2.

152 Vgl. Kapitel 5.3.; Margolis/Elfenbein/Walsh, 2007, 18f.

Im Rahmen des Unternehmenswachstums zeigt sich auf Basis der in dieser Arbeit präsentierten Studien ein ganzheitlich positiver Zusammenhang zwischen der ESG-Performance von Unternehmen und dem Wachstum. Dies resultiert primär aus dem vermittelten sozialen und umwelttechnischen Mehrwert, welchen interne und externe Stakeholder den Produkten und Dienstleistungen, aufgrund des unternehmerischen ESG-Engagements, zuschreiben. Folglich steigt nicht nur die Produktivität der Mitarbeiter, sondern auch das Interesse von Konsumenten und Investoren am Unternehmen, was wiederum die Herausbildung von kompetitiven Wettbewerbsvorteilen, aber auch eine ansteigende finanzielle Performance begünstigt.153 Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten:

H3: Wachstumsschwache Unternehmen weisen eine höhere Anzahl an Kontroversen auf als wachstumsstärkere Unternehmen.

Die Argumente der dargestellten Arbeiten hinsichtlich der Unternehmensgröße implizieren eine höhere ESG-Performance für größere Unternehmen. Dies liegt vor allem daran, dass kleinere Unternehmen am Beginn ihres Entwicklungsprozesses den Fokus nicht direkt in großem Ausmaß auf ESG-Aktivitäten legen können, da in den meisten Fällen besonders die finanziellen Ressourcen knapp sind. Im fortgeschrittenen Entwicklungsprozess, welcher oft mit internationalen und umfassenden Unternehmensoperationen einhergeht, steigt der Druck der Stakeholder nach verantwortungsvoller und nachhaltiger Unternehmensführung. Gleichzeitig nehmen die Überwachsungsmechanismen zu und die Ausarbeitung einer ausgeklügelten ESG-Strategie, mit welcher die ESG-Erwartungen der Stakeholder erfüllt werden können, wird unumgänglich, da auch die damit einhergehende Unternehmensreputation auf die Entwicklung des Unternehmens einwirkt.154 Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten:

H4: Kleine Unternehmen weisen eine höhere Anzahl an Unternehmenskontroversen auf als größere Unternehmen.

Obwohl in der Literatur oft argumentiert wird, dass dem Halten von hohen liquiden Beständen weniger Wert zugemessen wird, da dadurch Prinzipal-Agenten-Konflikte gefördert werden, gilt dieses Argument bei Unternehmen mit höherer CSR-Performance nicht. Bei verantwortungsvollen Unternehmen werden höheren liquiden Beständen sogar Konfliktlösungspotentiale zugeschrieben, da Manager durch das Setzen von ESG-Maßnahmen vermitteln, nicht nur ihre eigenen Interessen

153 Vgl. Kapitel 5.4.

154 Vgl. Kapitel 5.5.

zu verfolgen, sondern auch im Sinne der Shareholder zu handeln und eine effiziente Ressourcenallokation vorzunehmen. Da auch der positive Zusammenhang zwischen ESG-Performance und der Liquidität von Unternehmen in den präsentierten Studien bestätigt wird, lässt sich für kontroverses Unternehmensverhalten folgende Hypothese ableiten:155

H5: Liquiditätsschwache Unternehmen weisen eine höhere Anzahl an Unternehmenskontroversen auf als liquiditätsstarke Unternehmen.

Die Ergebnisse der präsentierten Studien hinsichtlich des Zusammenhanges von gestreuten Eigentümerstrukturen und der CSR-Performance von Unternehmen implizieren einen positiven Einfluss von höherem Free-Float Anteil. Primärer Grund dafür sind die geringeren Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten der Shareholder über die Manager, aufgrund der gestreuten Anteilsbesitze. Dadurch ergeben sich mehr potentielle Prinzipal-Agenten-Konflikte, welche jedoch durch Manager minimiert werden können, indem sie ein hohes Maß an ESG-Engagement zeigen und den Shareholdern in weiterer Folge durch entsprechende Berichterstattung vermitteln, dass sie dennoch in deren bestem Interesse handeln.156 Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten:

H6: Unternehmen mit geringerem Free-Float weisen eine höhere Anzahl an Kontroversen auf als Unternehmen mit einem höheren Anteil an Streubesitz.

Da es generell in staatlichem Interesse ist, soziale Standards und Umweltstandards im eigenen Land hoch zu halten, wird davon ausgegangen, dass diese Werte auch in die Unternehmensoperationen von Unternehmen, welche sich in großem Ausmaß in staatlichem Besitz befinden, verankert werden und die ESG-Performance somit dementsprechend hoch sein wird. Darüber hinaus kann dieser positive Zusammenhang auch in der Mehrzahl der in dieser Arbeit präsentierten Studien nachgewiesen werden, wodurch sich folgende Hypothese ableiten lässt:157

H7: Unternehmen mit geringem staatlichen Anteilsbesitz weisen eine höhere Anzahl an Kontroversen auf als Unternehmen mit höherem staatlichen Anteilsbesitz.

Institutioneller Anteilsbesitz wird auf Basis der in dieser Arbeit verarbeiteten Studien mehrheitlich positiv mit der CSR-Performance von Unternehmen assoziiert. Diese positive Wirkungsbeziehung herrscht jedoch nur so lange vor, bis das optimale Level an CSR-Engagement erreicht ist und

155 Vgl. Kapitel 5.6.

156 Vgl. Kapitel 5.7.

157 Vgl. Kapitel 5.7.

weitere Investitionen in diesen Bereich als Ressourcenverschwendung erachtet werden würden und somit keine weiteren positiven Effekte auf die finanzielle Performance vorhanden wären.158 Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten:

H8: Unternehmen mit geringem institutionellen Anteilsbesitz weisen eine höhere Anzahl an Kontroversen auf als Unternehmen mit höherem institutionellen Anteilsbesitz.

Da besonders bei Familienunternehmen das unternehmerische Verhalten direkt in Verbindung mit dem Namen der Familie gebracht wird, streben diese besonders danach, den Ruf des Unternehmens und in weiterer Folge den der Familie zu wahren. Damit einher geht nicht nur eine erhöhte ESG-Performance dieser Unternehmen, sondern auch ein besonderes Streben danach, reputationsschädigende Unternehmensaktivitäten zu vermeiden.159 Dadurch lässt sich folgende Hypothese ableiten:

H9: Familienunternehmen weisen eine geringere Anzahl an Kontroversen auf als Unternehmen, welche sich nicht in Familienbesitz befinden.

Die in dieser Arbeit verfassten Inhalte bezüglich des Zusammenhanges des Unternehmensrisikos mit ESG-Kontroversen und der unternehmerischen ESG-Performance zeigen einheitliche Ergebnisse. Demnach weisen Unternehmen mit einem geringen Unternehmensrisiko eine höhere ESG-Performance auf, während Unternehmen mit einem hohen Unternehmensrisiko in eine erhöhte Anzahl von Unternehmenskontroversen verwickelt sind. Ein hohes Maß an unverantwortlichem Unternehmensverhalten vermittelt dabei eine unsichere Unternehmenszukunft hinsichtlich potentieller Strafzahlungen oder sinkender Cashflows, während eine hohe ESG-Performance stabilisierend auf diese Variablen einwirkt und das zukünftige Unternehmensrisiko somit sinkt.160 Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten:

H10: Risikoreichere Unternehmen weisen eine höhere Anzahl an Unternehmenskontroversen auf als Unternehmen mit geringerem Unternehmensrisiko.

Neben dem besonderen empirischen Fokus auf ESG-Kontroversen von Unternehmen wird in dieser Arbeit parallel dazu auch die ESG-Performance von Unternehmen beleuchtet und untersucht.

Verantwortliches und unverantwortliches Unternehmensverhalten können jedoch nicht immer

158 Vgl. Kapitel 5.7.

159 Vgl. Kapitel 5.7.

160 Vgl. Kapitel 4.; 5.8.

getrennt voneinander betrachtet werden, denn viele Unternehmen kennzeichnen sich nicht nur durch positives oder negatives ESG-Verhalten allein aus, sondern können trotz dem Vorhandensein von ESG-Kontroversen in vielen anderen Bereichen sehr verantwortungsvoll agieren.

Nichtsdestotrotz bildet sich das gesamte CSR-Bild eines Unternehmens auf Basis seiner positiven und negativen Aktivitäten heraus. Stakeholder vertrauen dabei bei der Einordnung der ESG-Tätigkeit von Unternehmen auf ihre subjektiven Wahrnehmungen und Interpretationen des bisherigen Unternehmensverhaltens, wobei der negative Effekt von ESG-Kontroversen auf das wahrgenommene CSR-Verhalten stärker ist als der positive Effekt von guten ESG-News. Ein Grund dafür ist, dass Menschen stärkere affektive und kognitive Reaktionen auf negative Informationen zeigen, als dies bei positiven der Fall ist. ESG-Kontroversen verringern somit bei Konsumenten die Bereitschaft, für ein Produkt zu zahlen stärker, als positive ESG-News diese Bereitschaft erhöhen würden.161

Eine Voraussetzung für ein positives CSR-Image eines Unternehmens ist somit zum einen Schlechtes zu vermeiden, aber gleichzeitig auch Gutes zu tun. Negatives ESG-Verhalten zu vermeiden reicht jedoch allein nicht aus, da dies von Stakeholdern als selbstverständlich angesehen und deshalb auch erwartet wird. Nur mit positivem ESG-Verhalten kann ein Unternehmen in Folge die sozialen Erwartungen übertreffen und ein positives Image als verantwortlicher Marktteilnehmer aufbauen. Zwei positive Projekte gleichen nicht automatisch die schlechten Auswirkungen einer ESG-Kontroverse aus und folglich führt die beste CSR-Strategie zu keiner positiven Reputation, wenn unverantwortliches Verhalten nicht vermieden werden kann. Schlechtes zu vermeiden ist somit eine zentrale Voraussetzung, um von positivem ESG-Verhalten langfristig profitieren zu können.162 Nichtsdestotrotz wird in der Literatur oft hinterfragt ob Unternehmen primär in positives CSR-Engagement involviert sind, um aus eigener Überzeugung heraus nachhaltige proaktive Beiträge zu leisten oder nur, um die negativen Auswirkungen von ESG-Kontroversen zu kompensieren und die Reputation des Unternehmens zu wahren. Kotchen und Moon (2011) zeigen in diesem Zusammenhang auf, dass Unternehmen, welche mehr Schaden anrichten, gleichzeitig auch in mehr positive ESG-Maßnahmen involviert sind.163 Dies würde den Ansatz bestärken, dass Unternehmen CSR bzw. ESG als proaktives Risikomanagementtool gegenüber Reputationsschäden verwenden, welche durch kontroverses Verhalten entstehen. Eine weitere Überlegung wäre, dass Unternehmen zur Vermeidung von Reputationsschäden dementsprechende Handlungen im Bereich des Greenwashing tätigen. Greenwashing wird dabei als Tätigkeit verstanden, bei der Unternehmen in ihren CSR-Publikationen ein besonderes Engagement

161 Vgl. Lin-Hi/Müller, 2013, 1933.

162 Vgl. Lin-Hi/Müller, 2013, 1934.

163 Vgl. Kotchen/Moon, 2011, 3.

hinsichtlich umweltpolitischer und sozialer Belange vortäuschen, um das Unternehmen in der Öffentlichkeit relativ einfach und zu geringen Kosten als nachhaltigen Marktteilnehmer zu platzieren.164 Im Gegensatz dazu gibt es jedoch auch Unternehmen, welche aus anderen Gesichtspunkten nachhaltig agieren. Diese wollen positive Beiträge zur Gesellschaft und Umwelt leisten, aber auch gleichzeitig von dem dadurch generierten wirtschaftlichen Mehrwert, welcher durch das Image als verantwortungsvoller Marktteilnehmer erreicht wird, profitieren.165 Um zu analysieren, ob Unternehmen tatsächlich versteckte Intentionen bei der Durchführung ihrer ESG-Maßnahmen haben, wird in dieser Arbeit abschließend folgende Hypothese untersucht:

H11: Es gibt einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Ausmaß von kontroversem Unternehmensverhalten und dem ESG-Engagement von Unternehmen.

6. Empirische Untersuchung