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Zusammenhang objektiver und subjektiver Daten

4. Diskussion

4.1.5 Zusammenhang objektiver und subjektiver Daten

Ein Zusammenhang der polysomnographischen Daten mit der Bewertung des Schlafes der entsprechenden Nacht erscheint logisch, ist aber oft nicht gegeben. Subjektiv und objektiv erhobene Daten klaffen oft weit auseinander und es zeigt sich wiederholt, dass von PatientInnen selbst beschriebene Symptome nicht mit den physiologisch beobachtbaren Symptomen übereinstimmen (Hoehn-Saric & McLeod, 2000). Während die anhand der Fragebögen erfasste aktuelle und die habituelle Schlafqualität hoch miteinander korrelieren, zeigt sich praktisch kein Zusammenhang der polysomnographischen Schlafdaten mit den Fragebogendaten. Der IND-Schlaferholungswert und die Subskalen des IND korrelieren mit keiner der objektiven Schlafvariablen. Der PSQI-Gesamtwert steht ebenfalls in keinem Zusammenhang mit den polysomnographischen Schlafdaten und einzig die Subskala Tagesmüdigkeit korreliert mit der physiologisch gemessenen Schlafeffizienz.

Zusammenfassend zeigte sich, dass hyperthyreote Patientinnen objektiv physiologisch gemessen länger und tiefer schliefen als die euthyreoten Patientinnen und trotzdem das Gefühl hatten (in der Nacht in der Klinik und auch in den anderen untersuchten Nächten) zu wenig geschlafen zu haben, weshalb sie ihren Schlaf subjektiv als schlechter bewerteten als die euthyreote Vergleichsgruppe. Ein Schlafmediziner kann polysomnographisch feststellen, dass der Schlaf einwandfrei der Norm entspricht, doch wenn der Patient jeden Morgen aufwacht und das Gefühl hat, schlecht geschlafen zu haben und vollkommen gerädert zu sein, dann beeinflusst das das Befinden, egal wie gut die objektiven Daten sind. Die deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) definiert im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) eine Leitlinie für die Diagnostik und Therapie von „Nicht erholsamem Schlaf“. Es wird nicht mehr zwischen Insomnie und Hypersomnie unterschieden, sondern allein auf das Empfinden des Schlafes als nicht erholsam geachtet. Nicht erholsamer Schlaf wird in erster Linie psychologisch definiert durch das subjektive Empfinden der PatientInnen. Laut ICSD

(International Classification of Sleep Disorders) ist Insomnie definiert als die “Beschwerde ungenügenden Schlafes oder sich nicht erholt zu fühlen nach der üblichen Schlafzeit”, wobei auch hier nicht definiert wird, wie viel Schlaf quantitativ notwendig ist. Der Schlaf zählt dann als krankhaft, wenn er dementsprechende Konsequenzen aufweist (Grote, 2009).

4. 2 Weitere Fragestellungen

Die Ergebnisse der Fragebögen zur Erstellung eines psychologischen Profils der getesteten Patientinnen entsprechen in Summe absolut nicht den Erwartungen. Zu erwarten wäre aufgrund der allgemeinen Lehrmeinung (Hörmann, 2001) und auch konkreter wissenschaftlicher Untersuchungen (Röckel, 1987; Wallace, 1980) ein schlechterer Allgemeinzustand der hyperthyreoten gegenüber den euthyreoten Patientinnen. Es zeigten sich jedoch größtenteils keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Die wenigen feststellbaren Unterschiede gehen entgegen der erwarteten Richtung.

Stressverarbeitungsfragebogen (SVF-120)

Hyperthyreote und euthyreote Patientinnen unterscheiden sich nicht in ihren negativen und positiven Stressverarbeitungsstrategien. Offensichtlich gehen sie mit Stress auf dieselbe Art und Weise um. Bei der Betrachtung der Subskalen zeigt sich nur ein Unterschied in der Skala

„Vermeidung“. Hyperthyreote Patientinnen weisen diese negative Stressverarbeitungsstrategie häufiger auf. Bereits Ham (1951) berichtete, dass hyperthyreote Patientinnen nicht mit offenen Konflikten umgehen können und zu Vermeidung tendieren.

Psychologischer Risikoscore (RISCO)

Hyperthyreote und euthyreote Patientinnen unterscheiden sich nicht in ihrem Psychologischen Risikoscore. Auch in den Subskalen des RISCO zeigt sich kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen.

Trierer Inventar zum Chronischen Stress (TICS)

Hyperthyreote Patientinnen berichten geringeres chronisches Stresserleben als euthyreote Patientinnen. Die Unterschiede zeigen sich in der allgemeinen Screeningskala zum chronischen Stress und auch in den Subskalen Soziale Überlastung, Soziale Spannungen

Erwartungen. Die frühen Forschungen über Schilddrüsenerkrankungen konzentrierten sich auf eine stressbedingte Entstehung der Hyperthyreose. Bram (1927, nach Cremaschi, 2000) beschrieb das Auftreten traumatischer, stressauslösender Ereignisse vor der Entwicklung der Hyperthyreose und auch Ham (1951) unterstützte diese Theorie. Die Mittelwerte in den einzelnen Subskalen liegen jedoch alle innerhalb der Normbereiche, einzig in der Screeningskala (SSCS) liegt der Mittelwert der euthyreoten Patientinnen über dem Durchschnitt (T = 63).

NEO-Fünf-Faktoren-Modell (NEO-FFI)

Die Persönlichkeitseigenschaften Extraversion, Neurotizismus, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit des NEO-Fünf-Faktoren-Modells von Borkenau & Ostendorf (1993) sind bei der hyperthyreoten Patientinnengruppe gleich stark ausgeprägt wie bei der euthyreoten Patientinnengruppe. In Vorgängerstudien wurden höhere Neurotizismuswerte festgestellt (Jadresic, 1990). Ham (1951) berichtet beispielsweise von der Unfähigkeit von hyperthyreoten PatientInnen mit Feindseligkeiten umzugehen, was zu der Annahme einer höheren Verträglichkeit führt, da diese unter anderem auch Harmoniebedürfnis ausdrückt.

Andererseits wird auch von erhöhter Gereiztheit bei hyperthyreoten Patientinnen berichtet (Hörmann, 2001), was wiederum für eine geringere Verträglichkeit sprechen würde. In diesem Fall, könnten sich die beiden Aspekte ausgleichen. Aufgrund der höheren Grundaktivierung könnte man Veränderungen der Extraversion oder auch der Offenheit erwarten.

Die Ursache für die fehlenden Unterschiede könnte eventuell in der Vergleichsgruppe liegen. Die Mittelwerte der Gesamtstichprobe in den Skalen Neurotizismus (T = 67.1), Offenheit (T = 67.4) und Verträglichkeit (T = 62.3) liegen leicht über dem Normbereich (Körner et al., 2008). Der fehlende Unterschied zwischen den beiden Gruppen bedeutet also nicht zwingend, dass die hyperthyreoten Patientinnen in diesen Skalen durchschnittliche Werte aufweisen, sondern eventuell dass auch die Vergleichsgruppe auffällige Werte aufweist. Die Patientinnen der Kontrollgruppe weisen einen euthyreoten Hormonstatus auf, leiden jedoch prinzipiell auch an Erkrankungen der Schilddrüse. Unter Umständen sind in der Kontrollgruppe Patientinnen, die beispielsweise nur durch medikamentöse Behandlung einen normalen Schilddrüsenhormonwert erreichen und zuvor ebenfalls hyperthyreot waren. Im NEO-FFI werden generelle Persönlichkeitseigenschaften abgefragt. Neurotizismus, Verträglichkeit und Offenheit sind also möglicherweise prädisponierende Persönlichkeitseigenschaften die die Entstehung einer Hyperthyreose begünstigen, wie es

beispielsweise von Ham (1951) oder auch Fukao et al. (2003) angenommen wird. Um dies zu überprüfen, müsste eine weitere Kontrollgruppe von Patientinnen ohne Schilddrüsenerkrankungen hinzugezogen werden (siehe Diskussion der Methode).

Um bestimmte Persönlichkeitsfaktoren definitiv als Ursache, Mitauslöser oder prädisponierenden Faktor für die Entstehung der Hyperthyreose bezeichnen zu können, müssten jedoch definitiv prospektive Studien durchgeführt werden. Die Ausprägung der als Auslöser vermuteten Persönlichkeitseigenschaften müssten bei einer sehr großen Stichprobe gesunder ProbandInnen erfasst werden und die Schilddrüsenfunktion diese ProbandInnen über einen langen Zeitraum beobachtet werden. Erst wenn sich in einer derartigen Studie ein Zusammenhang zwischen den Ausprägungen der bei gesunden ProbandInnen untersuchten Persönlichkeitseigenschaften und der Inzidenz von Hyperthyreosen feststellen lässt, können diese Faktoren als prädisponierende Faktoren bezeichnet werden.

Hospital Anxiety and Depression Scale - Deutsche Version (HADS-D)

Euthyreote und hyperthyreote Patientinnen unterscheiden sich weder vor noch nach der Therapie hinsichtlich der Ausprägung ihrer Ängstlichkeit. Auch bezüglich der Ausprägung ihrer Depressivität unterscheiden die beiden Gruppen sich nicht.

Befindlichkeitsskala Kategorien und Eigenschaften (BSKE (EWL))

Der Schilddrüsenhormonstatus zu Beginn der Behandlung hat zu keinem Zeitpunkt einen Einfluss auf das positive oder negative Befinden oder eine der Subskalen. Es lässt sich keine signifikante Veränderung des Befindens im Verlauf feststellen und es zeigt sich auch keine Wechselwirkung der beiden Faktoren.

Mehrdimensionale körperliche Symptomliste (MKSL-24)

In den Skalen Körperliche Erregung cholinerg, körperliche Entspannung, Schmerzen und Übelkeit/Erbrechen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen hyperthyreoten und euthyreoten Patientinnen und auch kein signifikanter Unterschied im Verlauf. Die Wechselwirkungen sind nicht signifikant. Die Werte in der Subskala körperliche Erregung adrenerg steigen im Verlauf der Therapie an. Die Auswirkungen einer Hyperthyreose auf das kardiovaskuläre-, metabolische- und Nervensystem ähneln jenen einer erhöhten adrenergen Aktivität oder eines Überschusses an Katecholaminen (Jadresic, 1990). Es besteht jedoch kein Unterschied zwischen hyperthyreoten und euthyreoten Patientinnen und der Anstieg der Werte in der Subskala körperliche Erregung adrenerg im Verlauf der Therapie ist ein

dem Ergebnis jedoch nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden. Es zeigt sich auch in dieser Subskala keine Wechselwirkung.