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Erkrankungen der Schilddrüse

1.1 Schilddrüse

1.1.2 Erkrankungen der Schilddrüse

Die Schilddrüsenfunktion ist sehr anfällig für Störungen. Erkrankungen der Schilddrüse gehören zu den häufigsten endokrinen Erkrankungen (Hörmann, 2001; Klinke & Silbernagl, 2003) und ihr Auftreten steht in starkem Zusammenhang mit erhöhter Morbidität und Mortalität (Boelaert & Franklyn, 2005), weshalb eine rasche Behandlung äußerst wichtig ist.

Die wichtigsten Fehlfunktionen der Schilddrüse sind die Hyperthyreose (Überfunktion), die Hypothyreose (Unterfunktion), Struma (Vergrößerung der Schilddrüse), endokrine Orbitopathie (Augenerkrankung) und Thyreoiditis (Entzündung), wobei dies Symptome von Schilddrüsenerkrankungen sind und nicht die Erkrankung an sich (Hörmann, 2001). Eine normale, gesunde Schilddrüsenfunktion wird als euthyreot bezeichnet.

1.1.2.1 Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)

Eine Hyperthyreose ist gekennzeichnet durch erhöhte Werte der freien Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 und einen, durch den negativen Feedback-Mechanismus, herabgesetzten TSH-Wert. Ist nur der TSH-Wert zu niedrig und die Schilddrüsenhormonwerte fT3 und fT4 liegen im Normbereich, dann spricht man von einer latenten Hyperthyreose (Hörmann, 2001; Klinke

& Silbernagl, 2003, Silbernagl & Lang, 2005).

Da Schilddrüsenhormone unter anderem den Eiweiß-, Zucker- und Fettstoffwechsel und das kardiovaskuläre System aktivieren, führt eine Überfunktion der Schilddrüse zu einer verstärkten Wirkung auf diese Körperfunktionen (Hörmann, 2001; Klinke & Silbernagl, 2003, Silbernagl & Lang, 2005).

Die häufigsten Ursachen der Hyperthyreose sind organspezifische Autoimmunerkrankungen, zumeist Morbus Basedow, oder eine funktionelle Autonomie der Schilddrüse. Beim Morbus Basedow wird die Schilddrüsenfunktion nicht mehr durch die, durch den negativen Feedback-Mechanismus kontrollierbare, Hypophyse reguliert, sondern wird unkontrolliert durch ein autoaggressives Immunsystem stimuliert. Im Gegensatz zu dieser exogenen Stimulation beim Morbus Basedow entsteht die Hyperthyreose durch eine Autonomie der Schilddrüse durch endogene überaktive Schilddrüsengewebeanteile. Die überaktiven Teile der Schilddrüse sind ebenfalls der hypophysären Regulation entzogen und funktionieren autonom. Die Prävalenz des Morbus Basedow wird auf 0.1 – 2% der Gesamtbevölkerung geschätzt, wobei Frauen fünf Mal häufiger betroffen sind als Männer.

Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, jedoch in den meisten Fällen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Die Hyperthyreose aufgrund einer Autonomie der Schilddrüse tritt in Deutschland häufiger auf als der Morbus Basedow. Die Autonomie hängt stark von der

Iodversorgung ab und die Prävalenz nimmt mit dem Lebensalter und vor allem ab dem 40.

Lebensjahr zu (Hörmann, 2001).

Weitere Ursachen der Hyperthyreose können schilddrüsenhormonproduzierende Tumore, Entzündungen der Schilddrüse (Thyreoiditis), gesteigerte Ausschüttung von TSH oder zu hohe medikamentöse Zufuhr von Schilddrüsenhormonen sein (Hörmann, 2001;

Silbernagl & Lang, 2005).

Die Auslösung einer Basedow-Hyperthyreose durch psychische Faktoren wie gravierende, stresserzeugende Erlebnisse wie Verluste wird seit langem vermutet (Bram, 1927; nach Cremaschi, 2000). Ham (1951) berichtet von einer großen Anzahl an Beobachtungen von der Hyperthyreose vorhergehenden emotionalen Traumen, die Erkrankung wird in solchen Fällen auch „Schock-Basedow“ genannt. Auch Jadresic (1990) beschreibt emotionale Konflikte als Risikofaktoren für die Entstehung des Morbus Basedow.

Weiters wurden bestimmte Persönlichkeitseigenschaften wie Neurotizismus als Risikofaktoren für die Entstehung einer Hyperthyreose angesehen (Fukao et al., 2003; Ham et al, 1951; Jadresic, 1990). In neuerer Zeit werden diese für hyperthyreote PatientInnen typischen Persönlichkeitseigenschaften jedoch meist eher als Folge der Hyperthyreose gesehen (Wallace et al., 1980). Ein eindeutiger kausaler Zusammenhang konnte allerdings noch nicht geklärt werden.

Körperliche Auswirkungen

Durch den erhöhten fT3- und fT4- Spiegel ist bei der Hyperthyreose der Ruheenergieumsatz gesteigert und kann bis auf das Doppelte ansteigen (Birbaumer & Schmidt, 1991; Klinke &

Silbernagl, 2003). Das führt zu einem Anstieg der Körpertemperatur mit einhergehender Wärmeintoleranz. Das Herz wird stärker stimuliert, es kommt zu Tachykardie und einem erhöhten systolischen Blutdruck, was die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen begünstigt. Die Darmmuskulatur wird verstärkt stimuliert und kann in der Folge zu Gewichtsabnahme und teilweise auch zu Durchfällen, Übelkeit und Erbrechen führen.

Weiters ist die neuromuskuläre Aktivität gesteigert, was sich durch Zittern, Muskelschwäche und auch durch Schlaflosigkeit äußern kann (Boelaert und Franklyn, 2005, Hörmann, 2001, Klinke & Silbernagl, 2003; Röckel et al., 1987).

Schlote et al. (1992) konnten bereits bei latent hyperthyreoten ArbeiterInnen ein höheres Aktivierungslevel, häufigeres Herzklopfen, höheren systolischen Blutdruck und kürzeren Schlaf im Vergleich zu euthyreoten ArbeiterInnen feststellen.

Trotz ausgeprägter Symptomatik neigen hyperthyreote PatientInnen jedoch zur Dissimilation und suchen dadurch häufig erst nach längerer Krankheitsdauer einen Arzt auf.

(Hörmann, 2001)

Psychische Auswirkungen

Es besteht ein starker Zusammenhang zwischen Hormonstörungen und dem Auftreten von psychischen Veränderungen, wodurch sich auch der Begriff „Endokrines Psychosyndrom“

geprägt hat. Dieser Zusammenhang ist schon lange bekannt und auch umfassend in der medizinischen Fachliteratur beschrieben, es gibt jedoch nur relativ wenige experimentelle Studien, die objektive Daten über diese Zusammenhänge liefern (Hofmann, 1999; Hörmann, 2001).

Schilddrüsenerkrankungen haben fast immer psychische Begleiterscheinungen, die jedoch in der Regel nicht das Ausmaß psychiatrischer Erkrankungen erreichen. Es zeigt sich jedoch beispielsweise eine erhöhte Inzidenz an Schilddrüsenerkrankungen bei depressiven PatientInnen und umgekehrt auch eine erhöhte Inzidenz an verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen bei SchilddrüsenpatientInnen (Hofmann & Schrotter, 1999). Bei starken Ausprägungen der psychischen Begleiterscheinungen kommt es teilweise zu psychiatrischen Fehldiagnosen. Es ist also wichtig und auch üblich, bei psychiatrischen Symptomen Screening-Untersuchungen der Schilddrüsenhormonwerte zu machen, um Schilddrüsenerkrankungen als Ursachen der Symptome ausschließen zu können (Hörmann, 2001; Jadresic, 1990).

Die Symptome der Hyperthyreose ähneln oft jenen einer manischen Erkrankung. Die PatientInnen sind sehr aufgewühlt, hyperaktiv und schlafen wenig (Jadresic, 1990).

Depressivität, Melancholie und Lethargie werden eher als atypische Symptome beschrieben, die vor allem bei älteren PatientInnen auftreten (Hörmann, 2001). Jadresic (1990) beschreibt jedoch eine Studie von Kathol et al. (1986), in der ein Drittel der hyperthyreoten PatientInnen nach DSM III als depressiv eingestuft werden konnte. Auch Röckel et al., (1987) und Wallace et al. (1980) berichten von erhöhten Depressivitätswerten bei hyperthyreoten PatientInnen.

Auch erhöhte Ängstlichkeit ist ein typisches Symptom der Hyperthyreose (Röckel et al., 1987; Wallace et al., 1980). Es können Angststörungen wie Panikstörungen, Agoraphobie und auch generalisierte Angststörungen auftreten (Hofmann & Schrotter, 1999; Jadresic, 1990).

Weiters werden hysterische Zustände, paranoides Verhalten, emotionale Labilität, innere Unruhe, Gereiztheit, Nervosität, Schlafstörungen, überhastete Sprechweise, motorische

Überaktivität und sympathische Übererregbarkeit beschrieben (Hörmann, 2001; Jadresic, 1990; Röckel et al., 1987; Wallace et al., 1980)

Kognitive Beeinträchtigungen wie Konzentrationsstörungen, Sprunghaftigkeit der Gedanken und Gedächtnisprobleme gehen mit einer Überfunktion der Schilddrüse einher (Hörmann, 2001, Jadresic, 1990; Wallace et al., 1980). Die kognitiven Veränderungen konnten durch unspezifische Änderungen im EEG bestätigt werden (Jadresic, 1990). Olsen (1972; nach Wallace et al., 1980) berichtet von EEG-Veränderungen, die in positivem Zusammenhang mit der Stärke der Schilddrüsenüberfunktion standen. Wallace et al. (1980) beschreibt mehrere Studien, die Ähnlichkeiten von hyperthyreoten PatientInnen mit PatientInnen mit Gehirnschäden fanden.

Latent hyperthyreote PatientInnen zeigen größtenteils dieselben psychischen und somatischen Veränderungen wie manifest hyperthyreote PatientInnen. Röckel et al. (1987) konnten beispielsweise bei latent hyperthyreoten PatientInnen Symptome wie Ängstlichkeit, allgemeines Unwohlsein, emotionale Erregbarkeit, Deprimiertheit, fehlende Vitalität und Aktivität feststellen.

Ob diese psychischen Symptome durch die Therapie der Hyperthyreose vollkommen verschwinden ist noch nicht geklärt. Wallace et al. (1980) konnten ein halbes bis ein Jahr nach der Radioiodherapie bei ursprünglich hyperthyreoten Patientinnen keinen Unterschied zu euthyreoten Patientinnen mehr feststellen. Fukao et al. (2003) untersuchten PatientInnen mit Morbus Basedow, die seit zwei bis fünf Jahren aufgrund medikamentöser Therapie einen euthyreoten Hormonstatus aufwiesen, und konnten gegenüber einer gesunden Kontrollgruppe signifikant höhere Werte in den Skalen Hypochondrie, Depression, Paranoia und Psychasthenie des MMPI feststellen.

Larisch et al. (2004) konnten in ihrer Studie jedoch anhand des General Health Questionnaire keinen Unterschied im Befinden von latent oder manifest hyperthyreoten PatinetInnen und euthyreoten PatientInnen feststellen.