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Unter Stress versteht man in der Alltagssprache gemeinhin spezielle, als belastend erlebte Auslösebedingungen, also äußere Reize, die zu einem Stressgefühl führen. In der psychologisch-medizinischen Literatur wird der Begriff Stress jedoch zur Bezeichnung der Reaktion verwendet. Die Auslöser werden Stressoren genannt (Schandry, 1998).

Die Europäische Norm ISO 10075 beschreibt das in der deutschsprachigen Arbeitswissenschaft übliche Ursache-Wirkungsmodell mit der Unterscheidung der Begriffe

"Belastung" (stress, load) und "Beanspruchung" (strain). Psychischer Belastung wird hier definiert als "die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn wirken" und psychische Beanspruchung als "die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien".

Janke (1974; nach Schandry, 1998) klassifiziert Stressoren in 5 Gruppen:

• äußere Stressoren (z.B. Lärm, sensorische Deprivation, Gefahrensituationen)

• Behinderung bei der Befriedigung von primären Bedürfnissen, wie Schlaf und Nahrungsaufnahme

Leistungsstressoren (z. B. Überforderung durch Zeitdruck, Unterforderung durch

• Soziale Stressoren (soziale Isolation, interpersonale Probleme)

• Konflikte (z.B. Entscheidungszwang, Ungewissheit über Erfolg oder Misserfolg von Bewältigungsversuchen)

Stress kann sich dramatisch sowohl auf die seelische wie auch auf die körperliche Gesundheit auswirken. Ob er das tatsächlich tut hängt zu einem großen Teil davon ab, wie man mit diesem Stress umgeht - sprich welche Stressverarbeitungsstrategien angewendet werden.

„Unter Stressverarbeitungsweisen werden diejenigen psychischen Vorgänge verstanden, die planmäßig und/oder unplanmäßig, bewusst und/oder unbewusst beim Auftreten von Stress in Gang gesetzt werden, um diesen Zustand zu vermindern und/oder zu beenden“ (Janke, Erdmann & Kallus, 1985, S. 7). Stress wird also nicht passiv ertragen, sondern mit verschiedenen Prozessen beantwortet, die verhindern sollen, dass ein Ungleichgewicht entsteht oder die das Gleichgewicht, die Homöostase, wieder herstellen. Diese Anpassungsmechanismen können biologisch-physiologischer Art sein (z.B. Erhöhung der Herzrate, Cortisolausschüttung; McEwen, 2006) oder psychischer Art. Die psychischen Anpassungsmechanismen werden als Stressbewältigungsstrategien, oder auf englisch als Coping, bezeichnet und können aktionaler Art (Handlungen) oder intrapsychischer Art (z.B.

Gedanken, Vorstellungen) sein. Diese Stressbewältigungsstrategien können positiver Natur sein und der Stressreduktion dienen, wie zum Beispiel positive Selbstinstruktion, oder auch negativer Art, und somit eher als „Stressvermehrungsmaßnahmen“ bezeichnet werden, wie zum Beispiel unnötige gedankliche Weiterbeschäftigung mit einem Problem.

Janke et al (1985) gehen davon aus, dass diese individuellen Stressverarbeitungsstrategien habituelle Persönlichkeitsmerkmale sind, die relativ unabhängig von der Art der Belastungssituation gleichermaßen verfolgt werden und auch relativ unabhängig von der Art der Belastungsreaktion auftreten. Sie postulieren also eine Zeit-, Situations- und Reaktionskonstanz der Stressverarbeitungsstrategien (Beutel & Brähler, 2004).

Stress ist nicht gleich Stress und jeder geht mit Stress anders um. Lerngeschichtliche und persönlichkeitsbedingte Faktoren spielen eine wesentliche Rolle bei der Stressverarbeitung. Eine Situation, die von einer Person als äußerst stressvoll erlebt wird kann von einer anderen Person sogar als angenehm empfunden werden.

1.3.1 Stressverarbeitung und Schlaf

Starkes Stressempfinden wird oft als Ursache von Schlafproblemen und Schlafmangel beschrieben (McEwen, 2006). Healey et al. (1981) berichten beispielsweise, dass PatientInnen in dem Jahr, in dem sie an Insomnie erkrankten, mehr stressvolle Lebensereignisse erlebten, als in den Jahren zuvor und auch mehr als gute Schläfer. Sie erlebten auch mehr unangenehme Ereignisse wie Verluste oder Krankheiten.

Vermehrter Stress steht in Zusammenhang mit gesteigertem kognitiven und somatischen Erregungsniveau. Ein gesteigertes Erregungsniveau erschwert das Einschlafen, reduziert die Schlafdauer, Schlafeffizienz und Schlafqualität (Morin et al., 2003, Silbernagl &

Lang, 2005). Die Vulnerabilität für Schlafstörungen wird aber nicht durch die Anzahl der Stresssituationen bestimmt, sondern durch die Bewertung der Stressoren und den subjektiven Kontrollverlust in Stresssituationen (Morin et al., 2003). Vor allem emotionsfokussiertes Coping steht in Zusammenhang mit Einschlafproblemen (Komada et al., 2001).

Voss & Harsh (1998) untersuchten den Einfluss von Coping auf Schlaf im Kontext der Informationsverarbeitung. StudentInnen sollten im Schlaflabor auf akustische Reize reagieren, das Einschlafen sollten sie jedoch nicht zugunsten der Reize unterdrücken.

Personen mit unangepassten Stressverarbeitungsstrategien bezüglich der Aufmerksamkeitszuwendung konzentrierten sich zu stark auf die dargebotenen Reize und somit konnte die Hälfte von ihnen im Schlaflabor nicht einschlafen. Die Probanden mit adäquaten Stressverarbeitungsstrategien konnten zum Großteil einschlafen.

Primäre Insomnie, eine der häufigsten Schlaferkrankungen, wird unter anderem von psychologischen Variablen wie Copingstrategien verursacht und aufrecht erhalten.

PatientInnen mit primärer Insomnie hielten signifikant öfter rigide an unangepassten Aufmerksamkeitszuwendungs- Strategien fest als gesunde ProbandInnen (Voss, 2006).

1.3.2 Stressverarbeitung und Schilddrüse

Bram berichtete schon 1927 in einer Review Studie, dass 85% von über 3000 hyperthyreoten Patientinnen in ihrer Vergangenheit traumatischem Stress ausgesetzt waren. An chronisch gestressten Mäusen konnten Veränderungen der Schilddrüsenfunktion festgestellt werden.

Konkret zeigte sich, dass chronischer Stress zu einer Reduktion des Schilddrüsenhormons T3 führt (Cremaschi et al., 2000). Generell wird emotionaler Stress mit der Entstehung von Hyperthyreose aufgrund von Morbus Basedow in Zusammenhang gebracht (Fukao et al.,

Prognose der Erkrankung verbessern, weshalb Fukao et al. (2003) aufgrund ihrer Ergebnisse vorschlagen, hyperthyreoten Patientinnen adäquate Stressverarbeitungsstrategien anzutrainieren.

Zu Beginn der psychiatrischen und psychologischen Beschäftigung mit der Hyperthyreose wurden psychologische Faktoren als prädisponierende Faktoren für die Erkrankung gesehen. Beschrieben wurden beispielsweise die Unfähigkeit Feindseligkeit auszudrücken und damit umzugehen und Abhängigkeitskonflikte, die durch Unterdrückung und Somatisierung verarbeitet wurden (Ham, 1951). Es handelt sich hierbei um zwei Arten von Stresssituationen und negative beziehungsweise unangepasste Stressverarbeitungsstrategien.

Ham schreibt 1951, dass die Hyperthyreose hauptsächlich in den westlichen Gesellschaften der kälteren nördlichen Hemisphäre auftritt. Bei Inuit und anderen mehr naturverbundenen Bevölkerungsgruppen tritt die Hyperthyreose laut Ham aufgrund ihrer akzeptierenden Philosophie äußerst selten auf. Auch beschreibt er, dass die Häufigkeit der Hyperthyreose zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch weit geringer war als zu seiner Zeit, was er als Hinweis auf den Einfluss der immer komplizierteren Gesellschaft auf die Entstehung der Hyperthyreose sieht.