• Keine Ergebnisse gefunden

Zusammenhänge zwischen schulischer Gewalt und anderen Faktoren

2.1 Befunde der Forschung zu Gewalt an Schulen

2.1.2 Zusammenhänge zwischen schulischer Gewalt und anderen Faktoren

In diesem Abschnitt wird auf Befunde zu oft untersuchten Einflussfaktoren abweichenden Verhaltens von Schülern eingegangen: Geschlecht, Schulform, Ausgestaltung des Schullebens, Familie und Erziehung, Freunde und Peergroup.

Geschlecht. Eine wesentliche, Erkenntnis ist die Tatsache, dass Gewalt in Schulen vorwie-gend von männlichen Schülern ausgeführt wird, wobei die Unterschiede insbesondere bei körperlicher Gewalt gravierend sind, bei verbaler Gewalt dagegen weniger ausgeprägt. Dieses Ergebnis findet sich im Wesentlichen in den meisten Studien (vgl. z.B. Bruhns/Wittmann 2003, Fuchs et al. 2005: 86, Funk 2000a: 17/19, Wilmers et al. 2002: 89, Raithel/Mansel 2003:

33, für eine clusteranalytische Betrachtung Rostampour/Schubarth 1997: 143, für eine Unter-suchung speziell des Mobbens Hanewinkel/Knaack 1997a: 413f.).7 Zwar berichten Bruhns und Wittmann (2003: 44) mit Bezug auf die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik einen Anstieg des Anteils weiblicher Tatverdächtiger von 19 Prozent im Jahre 1993 auf 24 Prozent im Jahr 2000, drastische Unterschiede bleiben aber bestehen. Popp et al. (2001) greifen diesen Befund auf und betrachten weibliche Täterinnen als „vernachlässigten Aspekt“ der Gewaltforschung. Un-ter Bezugnahme auf zahlreiche Studien aus den 1990er Jahren stellen auch sie zunächst fest, dass Gewalt ganz überwiegend von Männern ausgehe, dass es aber auch Männer seien, die vorwiegend Opfer von Gewalt sind. Auch in ihrer eigenen Erhebung finden sie erhebliche Dif-ferenzen zwischen männlichen und weiblichen Befragten. Während sich etwa 47 Prozent der 1770 untersuchten Jungen im vergangenen Schuljahr mindestens alle paar Monate geprügelt hatten, lag dieser Anteil bei den 1704 betrachteten Mädchen nur bei 15 Prozent. Auch andere Gewalttaten wurden von Jungen deutlich öfter eingeräumt als von Mädchen (vgl. ebd.: 172).

Zumeist, so auch bei Popp, werden sozialisationstheoretische Argumente herangezogen, um die geschlechtsspezifischen Differenzen zu erklären.

Nationalität und Migrationshintergrund. In zahlreichen Studien (z.B. Bundesministerium des Innern und Bundesministerium der Justiz 2001: 562, Fuchs et al. 2005: 194, Schmitt-Rodermund/Silbereisen 2003 für eine Betrachtung speziell von Aussiedlern, zu denen unein-heitliche Erkenntnisse vorliegen) zeigen sich Differenzen in der Gewaltausübung nach Natio-nalität, welche jedoch häufig durch andere Faktoren erklärt werden können. So schreiben

7 Boatcă (2003) macht jedoch darauf aufmerksam, dass sich Autoren anders lautender Befunde, speziell etwa zu häuslicher Gewalt, die Frauen gegen Männer ausüben, mit ideologisch motivierten Widersprüchen und sogar Anfeindungen auseinandersetzen müssen, dass also die Publikation von Erkenntnissen über weibliche Gewalt aus ideologischen Gründen schwierig sein kann. Dieses Phänomen mag einen Teil der Stabilität der Befunde erklären.

er und Pfeiffer (2007: 7): „Verschiedene Jugendstudien (...) ergeben weitestgehend ein konsi-stentes Bild, nachdem nichtdeutsche Jugendliche insbesondere südeuropäischer Herkunft ge-walttätiger sind als deutsche Jugendliche (...).“ Bei Fuchs et al. (2005: 194) zeigt sich in einer Differenzierung der Nationalität in „Deutsch“, „Deutsch und andere“ und „nur andere“ für alle Gewaltarten signifikante Unterschiede dahingehend, dass deutsche Befragte die niedrigsten Indexwerte aufweisen, während Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit und Personen, die nur über eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit verfügen etwa gleich hohe Werte aufweisen, die circa doppelt so hoch sind wie die der Deutschen. Auch Enzmann et al. (2004) berichten unter Rückgriff auf verschiedene Studien, dass sowohl Hell- als auch Dunkelfeldstudien über-einstimmend zu dem Ergebnis kommen, dass junge Migranten in erhöhtem Ausmaß mit straf-rechtlich relevantem Verhalten auffällig werden. Auch ihre eigene Studie bestätigt diesen Be-fund: „In unseren (...) Studien mit insgesamt etwa 16000 Jugendlichen fanden sich bei jugend-lichen Migranten, insbesondere aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien, aber nicht bei Aussiedlern aus Osteuropa, deutlich höhere Täterraten (...)“ (ebd.: 264f.). Sie versuchen, diese erhöhten Täterraten über Gewalt legitimierende Männlichkeitsnormen und eine Kultur der Ehre zu erklären und kommen zu dem Schluss, dass diese zwar zur Erklärung beitragen, aber nicht spezifisch mit verschiedenen Ethnien zusammenhängen, sondern eher mit sozialer Benachteiligung und Marginalisierung. Ähnlich wie bei den Befunden zur Schulform, die wei-ter unten dargestellt werden, ist es also nicht die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe an sich, sondern damit verbundene Merkmale der Sozialstruktur, die eine erhöhte Gewaltbelas-tung erklären können (wenngleich auch hierzu sehr unterschiedliche Befunde vorliegen, vgl.

Albrecht 2002: 770ff.).

Schulform. Ebenfalls stabil sind Befunde, wonach das Ausmaß der Gewalt mit der Schul-form variiert. Schwerpunktmäßig betrachten die meisten Studien Haupt- und Realschulen so-wie Gymnasien. Dabei zeigt sich, dass mit steigender Hierarchiestufe im allgemein bildenden Schulsystem die Gewaltbelastung insbesondere bezüglich körperlicher Gewalt abnimmt.

Hauptschüler zeigen mehr abweichendes Verhalten als Realschüler, am geringsten ist die Be-lastung an Gymnasien. Dabei kann die Schulform nicht als kausaler Faktor betrachtet werden, vielmehr sind vorwiegend Selektionseffekte für diese Differenzen verantwortlich. So betonen Klewin et al. (2002: 1095): „Die Hierarchie dieser Schulformen (Sonderschule für Lernbehin-derte, Hauptschule, Realschule, Gymnasium) und das damit verbundene Sozialprestige bilden sich recht ungebrochen in den Zahlen zur Gewalthäufigkeit ab (...)“ (Hervorhebung C.G.). So-ziale Deprivation wurde schon früh als Ursache abweichenden Verhaltens diskutiert (für einen

Überblick vgl. Crutchfield/Wadsworth 2002). Zu einem anderen Ergebnis kommen allerdings Mansel und Hurrelmann (1998). In ihrer Längsschnittstudie stellten sie zwar im Jahr 1986 noch eine höhere Gewaltbelastung von Hauptschülern fest, 1996 hatte sich aber die Gewalt an Gymnasien und Realschülern soweit verstärkt, dass sie über jener der Hauptschulen lag (S.

94f.). Allerdings finden auch sie eine erhöhte Quote von Wiederholungstätern sowie von Ei-gentumsdelikten an Hauptschulen.

Fuchs et al. (2005: 83) finden im Jahr 2004 hinsichtlich aller Gewaltarten signifikante Unterschiede zwischen den Schularten. Im Kontext der vorliegenden Arbeit ist hierbei insbe-sondere von Interesse, dass auch berufliche Schulen betrachtet werden. Diese weisen im Ver-gleich eine mittlere bis hohe Gewaltbelastung auf. Der von 0 bis 10 reichende Index verbaler Gewalt (vgl. Abschnitt 2.1.1) lag an Hauptschulen bei 2,5, an Realschulen bei 2,3, an Berufs-schulen bei 2,2 und an Gymnasien bei 1,7. Gewalt gegen Personen trat ebenfalls an Haupt-schulen am häufigsten auf, der Indexwert lag hier bei 0,9, an Real- und BerufsHaupt-schulen bei 0,6, an Gymnasien dagegen nur bei 0,3. Deutlich geringer sind die Unterschiede bei Gewalt gegen Sachen, wo die Indexwerte bei 0,4 (Hauptschulen und Berufsschulen), 0,5 (Realschulen) und 0,3 (Gymnasien) lagen. Betrachtet man schließlich psychische Gewalt, zeigen die Hauptschu-len abermals die höchste Belastung (Indexwert 0,6), gefolgt von Real- und BerufsschuHauptschu-len (0,4) und Gymnasien (0,2). Die Berufsschulen liegen hier gleichauf mit Haupt- und Realschulen, eine Vernachlässigung dieser Schulform ist zumindest unter dem Aspekt der Gewaltbelastung offensichtlich nicht zu rechtfertigen. So berichten auch Fuchs und Luedtke (2003: 167), es zei-ge „sich durchgängig, dass Gewalt von Schülern mit steizei-gendem Bildungsaspirationsniveau ab-nimmt. Haupt- und Berufsschüler (...) wiesen bei der physischen Gewalt deutliche höhere Werte auf als z.B. Gymnasiasten (...)“. Auch sie stellen fest, dass die Schüler unterschiedlicher Schularten tendenziell aus unterschiedlichen „Ausschnitte(n) der Sozialstruktur“ (ebd.) stammen. Darüber hinaus seien in Folge der Bildungsexpansion diejenigen, die keine höheren Schulabschlüsse erreichen, besonders von Marginalisierung bedroht, was im Zusammenspiel mit traditionellen, von Gewalteinsatz geprägten Normenmustern Gewalt besonders begünsti-ge.

Funk (2000b: 8) gibt an, dass an den Nürnberger Haupt- und Realschulen und den Gymnasien das Lügen und Beleidigen etwa gleich oft auftrete, vandalistische Handlungen zu begehen gaben dagegen Gymnasiasten am häufigsten, Hauptschüler am zweithäufigsten und Realschüler am seltensten an. Bei Prügeleien bestätigt sich das Muster anderer Studien: Gym-nasiasten beteiligten sich am seltensten daran, Realschüler lagen in der Mitte, Hauptschüler

wiesen die höchste Belastung auf. Zuletzt sei hier noch auf die aktuellen Befunde von Baier und Pfeiffer (2007) zu gut 14000 Jugendlichen verwiesen. Auch sie zeigen, dass die Gewaltprä-valenz von Haupt- sowie von Real- und Gesamtschülern deutlich höher liegt als die von Gym-nasiasten. Allerdings sind die Unterschiede nicht für alle Nationalitäten, welche Baier und Pfeiffer getrennt betrachten, signifikant (Baier/Pfeiffer 2007: 33). Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Haupt- und Realschüler höhere Gewaltprävalenzen zeigen als Gymnasias-ten und sich auch für Berufsschüler eine vergleichsweise hohe Gewaltbelastung zeigt.

Es stellt sich die Frage, inwieweit die Differenzen zwischen den Schulformen Bestand haben, wenn Schüler, welche unterschiedliche Schulen besucht haben, später gemeinsam an beruflichen Schulen unterrichtet werden. Auch wenn sich zeigt, dass viele Jugendliche nur epi-sodenhaft als Täter oder Opfer mit Gewalt in Berührung kommen, kann man etwa mit Blick auf lerntheoretische Überlegungen erwarten, dass die Differenzen zumindest teilweise fortbe-stehen. Personen, welche eine Hauptschule besucht haben, sollten auch an Berufsschulen ten-denziell mehr Gewalt zeigen als solche, die ein Gymnasium absolviert haben. Insofern kann die Betrachtung von Berufsschulen auch einen Hinweis auf die Persistenz gewaltförmiger Ver-haltensmuster liefern.

Schulklima. Nicht nur zwischen verschiedenen Schularten sondern auch zwischen Schu-len der gleichen Schulart zeigen sich Differenzen im Auftreten abweichenden Verhaltens. Die-se können zum einen zurückzuführen Die-sein auf Merkmale der Schüler, welche eine Schule be-suchen, also Ergebnis von Selektionseffekten sein, zum anderen sind aber auch Effekte der Schule an sich belegt. „Hier zeigt sich nun, dass vor allem das Sozialklima einer Schule erheb-lichen Einfluss ausübt: Fehlende Anerkennung bei Mitschüler(innen), etikettierendes und re-striktives Verhalten der Lehrkräfte, scharfe Konkurrenz zwischen den Heranwachsenden hän-gen eng mit ihrem Gewaltverhalten zusammen (...)“ (Klewin et al. 2002: 1095). Funk (2000c) findet eine Gewalt vermindernde Wirkung eines guten Lehrer-Schüler-Verhältnisses für Lügen und Beleidigen sowie für Prügeln. Grundmann und Pfaff (2000) berichten aus einer Studie unter 834 Jugendlichen eine Gewalt hemmende Wirkung positiv ausgestalteter organisatorsi-cher Rahmenbedingungen (Sauberkeit, Siorganisatorsi-cherheit in der Schule) und eine Gewalt fördernde Wirkung eines gewaltorientierten Lehrerverhaltens sowie eines lehrerzentrierten Unterrichts-stils. Schließlich finden sie auch einen schwachen Einfluss der methodischen Gestaltung des Unterrichts und des „Lebensweltbezugs“ des Unterrichts (vgl. ebd.: 303f.). Wir kommen auf diesen Aspekt in Abschnitt 4.2.4 eingehender zu sprechen.

Familie und Erziehung. Ursachen, welche außerhalb der Schule liegen, sind mindestens ebenso bedeutsam für die Erklärung schulischer Gewalt wie innerschulische Faktoren, nach den Ergebnissen zahlreicher Studien deutlich bedeutsamer. Neben den oben angesprochenen persönlichen Faktoren, welche ebenfalls mit außerpersonalen Faktoren verknüpft sind, zählt dazu der Einfluss der Familie und der Erziehung, wobei aus diesem Bereich unterschiedliche Einflussfaktoren ermittelt wurden. Mansel (2000: 87) berichtet, dass insbesondere ein als re-striktiv wahrgenommener Erziehungsstil und eine hohe Konfliktdichte im Elternhaus bedeut-sam für die Gewaltbereitschaft der Jugendlichen seien. Schwächere Einflüsse des Elternhauses findet Aseltine (1995), nach dessen Befunden zu älteren Jugendlichen die Peergroup einen deutlich größeren Einfluss auf verschiedene Formen abweichenden Verhaltens hat. Ebenfalls in einem gewissen Widerspruch zu den Ergebnissen von Mansel (2000) stehen die Befunde von Grundmann und Pfaff (2000). Sie berichten, dass weniger das Wohlfühlen in der Familie oder die Unterstützungsleistung durch die Eltern einen Einfluss auf die Gewaltbereitschaft der Befragten hat als die familialen Organisationsstrukturen (vgl. ebd.: 294). Dies schließen sie aus dem Befund, wonach Schüler, die sich oft an gewalttätigen Aktionen beteiligten, häufiger aus Familien stammen, in denen ein Elternteil mit einem neuen Partner zusammenlebt als jene, die selten oder nie gewalttätig sind. Dagegen finden sie keinen wesentlichen Zusammenhang zwischen elterlicher Gewalttätigkeit und dem eigenen gewalttätigen Verhalten der Befragten.

Anders Kassis (2002) in seiner Befragung von 481 Schülern in der Region Basel: Seinen Er-gebnissen zufolge sind „Täterjungen“ besonders von einem inkonsistenten Erziehungsstil und einem geringen „familiärem Involvement“ (ebd.: 471) betroffen. Sie empfinden den Erzie-hungsstil ihrer Eltern als besonders von Strafen und Kontrollen geprägt, sind jedoch gleichzei-tig häufig der Ansicht, ihre Eltern wüssten nicht genau, was die Jugendlichen in der Freizeit unternähmen (ebd.: 471). Einen Zusammenhang zwischen elterlicher und eigener Gewaltan-wendung Jugendlicher finden Kuntsche und Wicki (2004). In einer bivariaten Analyse der An-gaben von etwa 10000 Jugendlichen ergibt sich bei ihnen ein hoch signifikanter positiver Zu-sammenhang zwischen dem wahrgenommenen Gewaltverhalten der Eltern und dem der Ju-gendlichen, was natürlich auch der Stichprobengröße und dem simplen Auswertungsverfahren ohne Drittvariablenkontrolle geschuldet sein mag. Uslucan et al. (2003) stellen ebenfalls Zu-sammenhänge fest: Ein positives Familienklima hat einen negativen, Gewalterfahrungen durch die Eltern haben einen positiven Einfluss auf Gewaltakzeptanz und Täter- sowie Mittä-terschaft. Außerdem weisen Kinder aus Scheidungsfamilien eine höhere Gewaltbelastung auf, was die Autoren auf einen Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Familienklimas

zu-rückführen (ebd.: 291). Zusammenfassend lassen sich also Einflüsse des Erziehungsstils sowie der Familienstruktur ausmachen, welche jedoch in verschiedenen Studien unterschiedlich stark ausfallen.

Peergroup. Ein deutlicher Einfluss auf das Verhalten Jugendlicher wird auch der Peergroup zugeschrieben (vgl. Klewin et al. 2002: 1095). Wie erwähnt zeigen die Ergebnisse von Aseltine (1995), dass der Einfluss der Peergroup auf abweichendes Verhalten deutlich stärker ist als jener des Elternhauses. Grundmann und Pfaff (2000) finden bei männlichen Ju-gendlichen, die ihre Freizeit oft in einer Clique verbringen, einen Anteil von 57 Prozent, die als Täter zu klassifizieren sind, bei solchen Jugendlichen, welche ihre Freizeit selten oder nie in einer Clique verbringen, beträgt dieser Anteil dagegen nur 43 Prozent. Ähnlich, wenngleich auf niedrigerem Niveau, sind die Ergebnisse für Mädchen, bei denen die Anteile bei 26 bezie-hungsweise 12 Prozent liegen. Haynie (2001) folgert aus ihren Befunden zum Einfluss der De-linquenz der Freunde auf die DeDe-linquenz von Jugendlichen, dass netzwerktheoretische Über-legungen einen wesentlichen Beitrag zu Erklärung abweichenden Verhaltens leisten können.

Auch sie findet einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Delinquenz der Freunde und der eigenen Delinquenz, stellt darüber hinaus aber fest, dass die Stärke des Zusammenhangs mit der Struktur des Netzwerks variiert. „Specifically, delinquent friends have a lesser associa-tion with delinquency (...) when adolescents are located in a peripheral posiassocia-tion within their peer network (low centrality), when their peer network is not very cohesive (low density), and when they have less prestige (low popularity)“ (ebd.: 1048). In ihrer Befragung von 111 Bran-denburger Jugendlichen im Alter von etwa 14 Jahren (davon 54 Prozent Cliquenmitglieder) unterschieden Uhlendorff und Oswald (2003) verschiedene Merkmale von Cliquen und ihren Einfluss auf die Jugendlichen. Für alle drei Arten abweichenden Verhaltens (Störungen des Unterrichts, leichte Eigentumsdelikte und Schwänzen, Prügeleien) finden sie eindeutige Zu-sammenhänge mit der Cliquenzugehörigkeit dergestalt, dass Jugendliche aus delinquenzbelas-teten Cliquen deutlich mehr abweichendes Verhalten zeigen als Jugendliche aus unbelasdelinquenzbelas-teten Cliquen und Jugendliche ohne Cliquenzugehörigkeit – die letzten beiden Gruppen unter-scheiden sich dagegen kaum voneinander. Die Autoren sprechen dabei vor allem innerem Konformitätsdruck und provokantem Auftreten nach außen eine Delinquenz fördernde Wir-kung zu.

Zusammenfassend findet sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem abweichen-dem Verhalten der Clique oder allgemeiner der Peergroup und abweichen-dem abweichenden Verhalten einzelner Jugendlicher. Problematisch bleibt freilich die Kausalitätsstruktur. Die meisten

vor-liegenden Befunde beruhen auf Querschnittsstudien, so dass nicht geklärt werden kann, ob primär die Clique das Verhalten der Jugendlichen beeinflusst oder ob vielmehr bestimmte Ju-gendliche dazu tendieren, sich bestimmten Cliquen, in denen sie mit ihrem Verhalten Aner-kennung finden, anschließen.