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Zusammenhänge zwischen Annahmen, Einstellungen

über lesbische, schwule und bisexuelle Menschen

7. Zusammenhänge zwischen Annahmen, Einstellungen

und Verhalten gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen

7.1 Gesellschaftlicher Hintergrund und existierende Forschung

Dieses Kapitel befasst sich damit, wie die in den vorherigen Kapiteln prä-sentierten Annahmen, Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen miteinander zusammenhängen. Die Frage ist deshalb relevant, weil sich Annahmen über Aufklärungskam-pagnen ändern lassen und so das Wissen über LSB erhöht werden kann.

Wenn Wissen wiederum zu eher akzeptierenden Einstellungen und stär-ker unterstützendem Verhalten führt, liegt nahe, dass mit Aufklärungs-kampagnen auch Einstellungen und Verhalten beeinflusst werden kön-nen. Darüber hinaus wird Verhalten zumindest zu einem gewissen Grad durch Einstellungen beeinflusst, wie gut geprüfte sozialpsychologische Modelle nahelegen (Ajzen & Fishbein, 2005). Das gilt auch für Vorurteile und Diskriminierung (Schütz & Six, 1996). Werden Einstellungen zu LSB verbessert, z. B. durch Kontaktinterventionen an Schulen, die durch LSB besucht werden (Timmermanns, 2003), oder durch Berücksichtigung se-xueller Vielfalt in Lehrmaterialien und Medien, könnten dadurch mit-telfristig auch unterstützendes Verhalten verstärkt und diskriminieren-des Verhalten reduziert werden.

Wie sehr die Einstellungen gegenüber LSB tatsächlich das Verhalten gegenüber LSB beeinflussen, ist nicht abschließend geklärt. Studien, in denen sowohl Einstellungen als auch Verhalten durch Selbstauskünfte erfasst wurden, zeigen deutliche Zusammenhänge (Poteat, DiGiovanni &

Scheer, 2013; Prati, 2012). Studien, in denen das Verhalten hingegen über Auskünfte anderer Personen erfasst wurde, fanden kaum Zusammen-hänge (Klocke, 2012). Dafür, dass Wissensvermittlung zu Vielfalt

Einstel-lungen verbessern kann, gibt es hingegen einige Belege, auch aus Feld-experimenten, mit denen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gezeigt werden können (Bartoş et al., 2014; Kalinoski et al., 2013).

Die vorliegende Umfrage kann aufgrund ihres Designs (nur ein Messzeit-punkt und keine experimentelle Manipulation von Wissen oder Einstel-lungen) keine sicheren Belege für Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge liefern. Gleichwohl kann sie Hinweise dafür liefern, welche spezifischen Annahmen wahrscheinlich auch Einstellungen und Verhalten beein-flussen und inwieweit eine Einstellungsänderung auch Verhaltensände-rungen bewirken könnte.

7.2 Ergebnisse der aktuellen Umfrage

Wie hingen die Einstellungen zu LSB in der aktuellen Umfrage mit dem Verhalten und den Annahmen zu LSB zusammen? Da die Zusammen-hänge von Verhalten und Annahmen zu allen vier Subskalen sehr ähn-lich waren, beschränken wir uns (wie bereits in Kapitel 6.3.3) auf die Ska-la Einstellung zu LSB gesamt, bei der alle Befragten mit höheren Werten als dem Mittelpunkt der Antwortskala der Kategorie „positiv“ und alle anderen der Kategorie „nicht positiv“ zugeordnet wurden. Menschen, die LSB positiv gegenüber eingestellt waren, verhielten sich nach eigenen Angaben deutlich häufiger auch unterstützend als negativ eingestellte Befragte (83 Prozent vs. 55 Prozent) und zeigten seltener diskriminie-rendes Verhalten gegenüber LSB (Tabelle 7.1). Zudem standen fast alle Annahmen über LSB in Zusammenhang dazu, wie positiv oder negativ diese bewertet wurden. Während 84 Prozent der Befragten mit positiven Einstellungen wussten, dass sich Kinder gleichgeschlechtlicher Paare genauso gut entwickeln wie Kinder heterosexueller Paare, wussten dies nur 32 Prozent der Befragten mit nicht positiven Einstellungen. Auch das Wissen, dass sexuelle Orientierung nicht durch Sozialisation be-einflusst wird, die meisten Homosexuellen daher schon als Kinder oder Jugendliche wissen, dass sie homosexuell sind, und Homosexuelle nach wie vor diskriminiert werden, ging mit positiveren Einstellungen zu LSB einher. Etwa doppelt so viele Personen mit nicht positiven wie mit positiven Einstellungen nahmen hingegen an, dass die Öffnung der Ehe dazu führen wird, dass auch weitere Gruppen heiraten wollen, z. B. Ge-meinschaften aus drei Personen oder Blutsverwandte. Auch das Wissen, dass bisher vor allem biologische Ursachen sexueller Orientierung nach-gewiesen werden konnten, hing mit der Einstellung zusammen, aber

weniger stark als das Wissen, dass für Sozialisationseinflüsse bisher vor allem widerlegende Hinweise gefunden wurden. Ob den Befragten be-wusst war, dass die eingetragene Partnerschaft der Ehe nicht gesetzlich gleichgestellt ist, spielte hingegen keine Rolle für die Einstellung zu LSB.

Tabelle 7.1: Zusammenhänge von Einstellung zu LSB mit Verhalten und Annahmen (Angaben in Prozent)

Einstellung zu LSB gesamt nicht

positiv positiv Eigenes Verhalten gegenüber LSB

LSB unterstützt 55,0 83,0 ***

LSB gegenüber abwertend geäußert (Witze) 55,3 50,1 *

LSB gegenüber abwertend geäußert (Rechte) 53,7 35,0 **

Annahmen über LSB

Homosexualität durch Sozialisation 31,5 7,3 ***

Homosexualität angeboren 62,5 67,7 ***

Homosexuelle merken ihre Homosexualität früh 63,7 79,4 ***

LSB diskriminiert 67,8 84,4 ***

Gleichgeschlechtliche Paare sind gesetzlich gleichgestellt 44,8 49,3 Kinder bei gleichgeschlechtlichen Paaren entwickeln sich

genauso gut 32,4 84,4 ***

Wenn Ehe für gleichgeschl. Paare geöffnet, werden auch

weitere Gruppen heiraten wollen 30,2 16,8 ***

Anmerkung: Die Prozente beziehen sich darauf, wieviele derjenigen, die einer Spaltenkategorie angehören, das Merkmal in der Zeile erfüllen. Beispiel: 55% derjenigen mit negativer Einstel-lung zu LSB haben unterstützendes Verhalten gegenüber LSB gezeigt, hingegen 83% derjenigen mit positiver Einstellung zu LSB.

Legende: * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. Die Signifikanzangaben basieren auf Korrelationen (Pearson) mit den (nicht kategorisierten) Ausgangsvariablen.

In welchem Zusammenhang standen die Annahmen zu den Ursachen von sexueller Orientierung mit dem Verhalten und den anderen An-nahmen zu LSB, die in dieser Umfrage erfasst wurden? Am deutlichs-ten waren die Zusammenhänge zwischen Verhaldeutlichs-ten und der Annahme, Homosexualität werde durch die Sozialisation beeinflusst (Tabelle 7.2).

Personen, die Sozialisationseinflüsse annahmen, verhielten sich seltener unterstützend und äußerten sich häufiger kritisch zu gleichen Rechten von Homosexuellen. Sie wussten seltener, dass sexuelle Orientierung zumindest teilweise angeboren ist und dass Lesben und Schwule ihrer sexuellen Orientierung zumeist bereits im Kindes- und Jugendalter

ge-wahr werden. Sie wussten deutlich seltener, dass sich Kinder gleichge-schlechtlicher Paare genauso gut entwickeln wie Kinder bei Paaren aus Mann und Frau und dass eingetragene Lebenspartnerschaften der Ehe nicht gesetzlich gleichgestellt sind. Auch weiterer Diskriminierungen von LSB waren sie sich seltener bewusst; dafür nahmen sie aber deutlich häufiger an, dass eine Ehe-Öffnung Begehrlichkeiten weiterer Grup-pen wecken könnte. Wussten die Befragten hingegen, dass Menschen homosexuell geboren werden und ihre sexuelle Orientierung oft schon als Kinder oder Jugendliche bemerken, dann wussten sie auch eher, dass LSB nach wie vor diskriminiert werden sowie dass sich Kinder gleichge-schlechtlicher Paare genauso gut entwickeln wie Kinder heterosexueller Paare, und sie äußerten sich seltener kritisch über die Forderung Homo-sexueller nach gleichen Rechten. Darüber hinaus unterstützten Befragte, die wussten, dass die meisten Homosexuellen ihre Homosexualität spä-testens im Jugendalter bemerken, häufiger LSB und machten seltener ab-fällige Witze oder Bemerkungen über LSB.

Waren die Befragten sich bewusst, dass LSB im Alltag diskriminiert wer-den, wussten sie deutlich häufiger, dass sich Kinder bei gleichgeschlecht-lichen Paaren genauso gut entwickeln, und überraschenderweise etwas seltener, dass ihre Partnerschaften auch gesetzlich nach wie vor nicht gleichgestellt sind (Tabelle 7.3). Zudem verhielten sie sich etwas häufiger unterstützend. Kritische Äußerungen zu gleichen Rechten von LSB wur-den hingegen seltener von Befragten gemacht, die wussten, dass sich die Kinder gleichgeschlechtlicher Paare genauso gut entwickeln, und dach-ten, dass die eingetragene Partnerschaft bereits gesetzlich gleichgestellt sei. Menschen, die vermuteten, dass eine Öffnung der Ehe zu Begehrlich-keiten weiterer Gruppen führt, wussten zudem seltener, dass sich Kinder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen genauso gut entwickeln.

Tabelle 7.2: Zusammenhänge von Annahmen zu Ursachen mit Verhalten und weiteren Annahmen (Angaben in Prozent)

Annahme:

Homosexualität durch Sozialisation

Annahme:

Homosexualität angeboren Annahme:

Homosexuelle merken ihre Homosexualität früh trifft

nicht zu trifft zu trifft

nicht zu trifft zu trifft

nicht zu trifft zu Eigenes Verhalten gegenüber LSB

LSB unterstützt 79,4 58,5 *** 78,6 78,3 73,2 81,7 ***

LSB gegenüber abwertend geäußert (Witze) 51,5 47,6 52,1 52,5 62,9 48,9 ***

LSB gegenüber abwertend geäußert (Rechte) 39,0 42,9 ** 45,2 37,9 * 48,6 36,5 *

Annahmen über LSB

Homosexualität durch Sozialisation 17,2 9,6 *** 16,9 10,7 ***

Homosexualität angeboren 68,4 52,6 *** 49,7 73,0 ***

Homosexuelle merken ihre Homosexualität früh 77,6 67,0 *** 62,9 82,2 ***

LSB diskriminiert 82,0 72,5 *** 77,1 82,3 * 72,0 84,2 ***

Gleichgeschlechtliche Paare sind gesetzlich gleichgestellt 46,9 60,4 *** 48,9 47,5 43,2 50,7 **

Kinder bei gleichgeschlechtlichen Paaren entwickeln sich genauso gut 77,1 50,7 *** 71,2 75,0 ** 62,9 78,8 ***

Wenn Ehe für gleichgeschl. Paare geöffnet, werden auch weitere

Gruppen heiraten wollen 17,2 36,4 *** 21,0 19,4 * 19,7 19,0

Anmerkung: Die Prozente beziehen sich darauf, wieviele derjenigen, die einer Spaltenkategorie angehören, das Merkmal in der Zeile erfüllen. Beispiel: 79,4 % derjenigen, die Homosexualität nicht für sozialisationsbedingt halten, haben unterstützendes Verhalten gegenüber LSB gezeigt, hingegen nur 58,5 % derjenigen, die meinen, Homo-sexualität sei durch die Sozialisation bedingt.

Legende: * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. Die Signifikanzangaben basieren auf Korrelationen (Pearson) mit den (nicht kategorisierten) Ausgangsvariablen.

Tabelle 7.3: Zusammenhänge von weiteren Annahmen mit Verhalten (Angaben in Prozent)

Annahme:

LSB diskriminiert Annahme:

Gleichgeschlechtliche Paare sind gesetzlich

gleichgestellt

Annahme:

Kinder bei gleichge-schlechtlichen Paaren

entwickeln sich genauso gut

Annahme:

Wenn Ehe für gleich-geschl. Paare geöffnet,

werden auch weitere Gruppen heiraten wollen trifft

nicht zu trifft zu trifft

nicht zu trifft zu trifft

nicht zu trifft zu trifft

nicht zu trifft zu Eigenes Verhalten gegenüber LSB

LSB unterstützt 73,6 79,2 *** 80,2 75,8 66,8 82,1 79,2 73,4

LSB gegenüber abwertend geäußert

(Witze) 49,4 52,1 53,9 47,8 52,5 49,8 52,8 50,3

LSB gegenüber abwertend geäußert

(Rechte) 45,0 38,7 44,7 34,4 ** 55,0 34,1 ** 39,0 47,9

Annahmen über LSB

LSB diskriminiert 82,9 78,4 67,8 85,4 *** 82,3 77,0

Gleichgeschlechtliche Paare sind

gesetz-lich gleichgestellt 54,0 46,7 * 46,9 49,9 ** 50,4 41,5

Kinder bei gleichgeschlechtlichen Paaren

entwickeln sich genauso gut 55,9 77,9 *** 73,1 75,4 ** 76,1 62,6 ***

Anmerkung: Die Prozente beziehen sich darauf, wieviele derjenigen, die einer Spaltenkategorie angehören, das Merkmal in der Zeile erfüllen. Beispiel: 73,6 % derjeni-gen, die LSB als nicht diskriminiert wahrnehmen, haben unterstützendes Verhalten gegenüber LSB gezeigt, hingegen nur 79,2 % derjeniderjeni-gen, die sich bewusst waren, dass LSB nach wie vor diskriminiert werden.

Legende: * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. Die Signifikanzangaben basieren auf Korrelationen (Pearson) mit den (nicht kategorisierten) Ausgangsvariablen.

7.3 Zusammenfassung

Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage zeigen, dass Annahmen (bzw.

Wissen), Einstellungen und Verhalten gegenüber LSB miteinander in Zusammenhang stehen. Besonders das Wissen, dass sich Kinder gleich-geschlechtlicher Eltern genauso gut entwickeln wie Kinder heterosexu-eller Eltern (Bos, Knox, van Rijn-van Gelderen & Gartrell, 2016; Fedewa, Black & Ahn, 2015), hängt mit unterstützendem Verhalten und positiven Einstellungen gegenüber LSB zusammen. Darüber hinaus zeigen Men-schen, die wissen, dass es keine ernst zu nehmenden Hinweise für Sozi-alisationseinflüsse (z. B. durch die Eltern oder Sexualpartner_innen) auf sexuelle Orientierung gibt, positivere Einstellungen und positiveres Ver-halten gegenüber LSB. Gleiches gilt für das Wissen, dass die meisten les-bischen, schwulen und bisexuellen Menschen bereits als Kinder oder Ju-gendliche merken, dass sie nicht heterosexuell sind. Diskriminierendes Verhalten hingegen scheint eher durch andere Faktoren wie beispiels-weise das Verhalten wichtiger Bezugspersonen (s. Kapitel 6) beeinflusst zu werden als durch Einstellungen.

8. Zusammenhänge mit