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Die Werte Ehe, Familie, Tradition und Selbstbestimmung

über lesbische, schwule und bisexuelle Menschen

8. Zusammenhänge mit Familienwerten und

8.1 Die Werte Ehe, Familie, Tradition und Selbstbestimmung

Eine „glückliche Beziehung zu führen“ gehört zu den wichtigsten Aspek-ten, die sich eine große Mehrheit in Deutschland für sich selbst wünscht.

70 Prozent der Deutschen sind überzeugt, man brauche eine „Familie zum Glück“, und fast alle, insbesondere unter den Jüngeren, wünschen sich Kinder (Datenreport 2016). Die Werte von Ehe und Familie sind zu-dem – das werden auch die hier präsentierten Ergebnisse noch einmal bestätigen – einer ganz großen Mehrheit auch für die gesamte Gesell-schaft wichtig. Wie hängen nun gerade die Werte in Bezug auf Ehe und Familie, aber auch in Bezug auf die Bewahrung von Tradition sowie den freiheitlichen Wert der Selbstbestimmung mit Annahmen, Einstel-lungen und Verhalten gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen zusammen? Hinsichtlich Ehe und Familie ließe sich sowohl ein positiver als auch ein negativer Zusammenhang theoretisch begrün-den: So wäre es naheliegend, dass Personen, denen Ehe und Familie als Wert wichtig sind, sich wünschen, dass diese auch homosexuellen Men-schen offen stehen, so dass auch sie diese Werte leben können. Allerdings könnten diese Befragten auch eher traditionelle Vorstellungen von Ehe und Familie pflegen, von denen sie gleichgeschlechtliche Paare und El-tern ausschließen.

Die Werte Selbstbestimmung und Tradition wurden basierend auf exis-tierenden Skalen gemessen (Iser & Schmidt, 2003; Schwartz, 1992). Wir haben dabei allerdings die Einleitung zur Frage geändert. Im Original wird die Ähnlichkeit mit einer fiktiven Person erfragt, wobei sich die Be-fragten jeweils vorstellen sollen, dieser fiktiven Person sei ein bestimm-ter Wert wichtig. In der aktuellen Umfrage sollten hingegen nicht die individuellen Werte erfragt werden, sondern die gesellschaftlichen, also bei welchen Werten die Befragten sich wünschten, dass diese für die ge-samte Gesellschaft Gültigkeit haben. Die Einführung zu den Items laute-te daher jeweils: „Es ist gut für die Gesellschaft, wenn die Menschen ...“, gefolgt vom entsprechenden Wert, z. B. „Traditionen achten“. Die Werte von Schwartz (1992) wurden mit vier Items zu den Bereichen Ehe, Fami-lie und verbindliche Partnerschaften ergänzt. Diese Ergänzung erfolgte aufgrund einer Inhaltsanalyse der Kommentare zur Petition gegen den Baden-Württemberger Bildungsplan (Stängle, 2013).

Allen erfragten gesellschaftlichen Werten wurde mehrheitlich zuge-stimmt (Tabelle 8.1). Insbesondere Selbstbestimmung wurde als wichtig erachtet. 97 Prozent waren der Ansicht, dass es gut für die Gesellschaft ist, wenn die Menschen ihre Aktivitäten selbst planen und auswählen können, und 94 Prozent, wenn sie selbst entscheiden können, was sie tun wollen. Aber auch verbindliche Beziehungen, Familie und Traditi-on wurden vTraditi-on den meisten Befragten als wichtig erachtet. 96 Prozent fanden es gut für die Gesellschaft, wenn die Menschen Kinder bekom-men und großziehen, 92 Prozent, wenn sie für ihren Partner oder ihre Partnerin da sind, auch wenn sie dafür eigene Bedürfnisse zurückstellen müssen, 83 Prozent, wenn sie eine Ehe oder Partnerschaft eingehen, die bis zum Lebensende hält, und 65 Prozent, wenn sie heiraten und in einer Ehe leben. Zudem fanden es jeweils 87 Prozent gut für die Gesellschaft, wenn Menschen Traditionen achten und die Bräuche, die sie gelernt ha-ben, aufrechterhalten.

Wie hängen nun diese gesellschaftlichen Werte mit dem Verhalten, den Einstellungen und den Annahmen der Befragten zu LSB zusammen?

Die stärksten Zusammenhänge ergaben sich mit den Einstellungen ge-genüber LSB, die wieder zu einer Gesamtskala Einstellung zu LSB zu-sammengefasst wurden, weil alle Subskalen vergleichbar hoch mit den Werten zusammenhingen (Tabelle 8.2). Vor allem Menschen, denen verbindliche Partnerschaften und Familie weniger wichtig waren, aber auch solche, denen Tradition weniger wichtig und Selbstbestimmung besonders wichtig waren, äußerten positive Einstellungen gegenüber LSB und befürworteten gleiche Rechte. Zudem berichteten eher solche Befragten, LSB unterstützt zu haben, denen verbindliche Partnerschaft, Familie und Tradition weniger wichtig waren. Die Annahme, Homose-xualität sei sozialisationsbedingt, wurde vor allem von Personen als zu-treffend wahrgenommen, denen verbindliche Beziehungen und Familie besonders wichtig waren. Diese Personen wussten zudem seltener, dass sich Kinder bei gleichgeschlechtlichen Paaren genauso gut entwickeln wie bei Paaren aus Mann und Frau. Auch andere Zusammenhänge mit Annahmen waren zwar statistisch signifikant, aber schwach und sind teilweise an den Prozentangaben nicht zu erkennen, weil sie vor allem durch Unterschiede bei den Personen, die einem Wert „eher“ zustimm-ten, und denen, die dem Wert „voll und ganz“ zustimmzustimm-ten, zustande kamen. Beispielsweise steht das Wissen, dass LSB nach wie vor diskri-miniert werden, in positivem Zusammenhang mit dem Wert Selbstbe-stimmung und in negativen Zusammenhängen mit den Werten verbind-liche Partnerschaft und Familie sowie Tradition.

Tabelle 8.2: Zusammenhänge gesellschaftlicher Werte mit Verhalten, Einstellungen und Annahmen zu LSB (Angaben in Prozent)

Werte: Partnerschaft, Ehe

und Familie Wert: Selbstbestimmung Wert: Tradition

Ableh-nung

Zustim-mung

Ableh-nung

Zustim-mung

Ableh-nung Zustim-mung Eigenes Verhalten gegenüber LSB

LSB unterstützt 85,6 75,6 *** 71,4 76,9 80,4 75,9 ***

LSB gegenüber abwertend geäußert (Witze) 53,8 50,8 46,9 51,3 51,2 51,1

LSB gegenüber abwertend geäußert (Rechte) 35,9 39,6 47,9 38,8 31,5 40,8 *

Positive Einstellung zu LSB gesamt

90,5 75,1 *** 81,6 76,5 ** 83,6 75,2 ***

Annahmen über LSB

Homosexualität durch Sozialisation 2,9 11,7 *** 15,2 10,5 * 7,8 11,4 *

Homosexualität angeboren 69,7 65,5 51,2 66,7 65,5 66,1

Homosexuelle merken ihre Homosexualität früh 77,6 77,5 83,3 77,3 84,1 76,4

LSB diskriminiert 93,1 80,3 ** 82,6 81,4 ***a 91,6 79,4 *

Gleichgeschlechtliche Paare sind gesetzlich gleichgestellt 38,8 50,1 50,0 48,9 52,9 48,3

Kinder bei gleichgeschlechtlichen Paaren entwickeln sich genauso gut 90,6 70,6 *** 72,5 72,8 *a 80,8 71,0 **

Wenn Ehe für gleichgeschl. Paare geöffnet, werden auch weitere

Gruppen heiraten wollen 17,0 20,6 30,4 19,7 21,0 20,0

Anmerkung: Die Prozente beziehen sich darauf, wieviele derjenigen, die einer Spaltenkategorie angehören, das Merkmal in der Zeile erfüllen. Beispiel: 76% derjenigen, die dem Wert verbindliche Partnerschaft und Familie zustimmen, haben unterstützendes Verhalten gegenüber LSB gezeigt, hingegen 86% derjenigen, die diesem Wert nicht zustimmen.

Legende: * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. Die Signifikanzangaben basieren auf Korrelationen (Pearson) mit den (nicht kategorisierten) Ausgangsvariablen. a Die Kor-relationen zwischen dem Wert Selbstbestimmung und den Annahmen, dass LSB diskriminiert werden (r = .14) bzw. dass sich Kinder bei gleichgeschlechtlichen Paaren genau so gut entwickeln (r = .08), sind positiv, obwohl sich die Gruppe der Zustimmenden kaum von der Gruppe der Ablehnenden unterschied. Grund ist, dass 95% der Befragten dem Wert Selbstbestimmung zustimmten und der Zusammenhang daher durch die Unterschiede zwischen den „eher“ Zustimmenden und den „voll und ganz“ Zustimmenden zustande kam.

8.2 Befürwortung traditioneller