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Gesellschaftlicher Hintergrund und Erfassung in der vorliegenden Studie

über lesbische, schwule und bisexuelle Menschen

9. Allgemeine Haltungen zu Vielfalt und Gleichwertigkeit

9.1 Gesellschaftlicher Hintergrund und Erfassung in der vorliegenden Studie

Rechtspopulismus lässt sich inhaltlich und rhetorisch in zwei Grund-dimensionen beschreiben: einer vertikalen Dimension, die pauschal gegen „die da oben“ (Eliten, Politiker_innen, Journalist_innen, Medien) wettert, gegen „der kleine, ehrliche, hart arbeitende Mann hier unten“ in Stellung gebracht wird, und einer horizontalen Dimension einem „Wir“, von dem „die anderen“ abgegrenzt werden (u. a. Decker & Lewandowski, 2009; Zick, Küpper & Krause, 2016). Derzeit richtet sich der Rechtspopu-lismus nicht nur gegen Eingewanderte, Asylsuchende und Muslime (und

wird nicht selten auch von Antisemitismus begleitet), sondern seine Ak-teur_innen arbeiten auch gezielt mit der Diskreditierung von Anstren-gungen zur Gleichstellung homosexueller Menschen. Die Abwertung der anderen, einschließlich des Wetterns gegen einen vermeintlichen „Gen-derwahn“ oder eine „Homo-Lobby“, wird nicht selten in auffällig vulgä-rer, unflätiger Rhetorik vorgetragen und von Aggression und Wut der Zuhörer_innen begleitet (u. a. Raphael, 2015). Die enge Verbindung zwi-schen rechtspopulistizwi-schen und homophoben Einstellungen lässt sich auch empirisch belegen (ebd.). Es finden sich zudem inhaltliche wie auch personelle Verbindungen und Schnittmengen zwischen rechtspopulisti-schen Strömungen und fundamentalistirechtspopulisti-schen Christen, auch und gerade über die Ablehnung der Gleichwertigkeit und von Gleichstellungsmaß-nahmen in Bezug auf homosexuelle Menschen und auf Frauen (Strube, 2017). Die Journalistin Liane Bednarz beschreibt, wie gerade über diese Themen eine Allianz zwischen rechtspopulistischen Akteuren und kon-servativ-fundamentalistischen Christ_innen entstanden ist (Bednarz, 2016). Diese Stimmen werden vor allem auch in den Kampagnen gegen die Thematisierung sexueller Vielfalt in der Schule laut (dazu auch Ka-pitel 10). Die deutlichen Zusammenhänge von rechtspopulistischen Einstellungsmustern in der Bevölkerung und Homophobie, die bereits zuvor nachgewiesen wurden (Zick & Küpper, 2015), verweisen auf den anti-demokratischen Zug, den diese Debatten tragen.

Zur näheren Analyse dieses Zusammenhangs wurden in der vorliegen-den Studie mehrere Komponenten des Rechtspopulismus erhoben: ein Law-and-Order-Autoritarismus, der Gehorsam und Unterordnung ein-fordert, das pauschale und undifferenzierte Misstrauen in demokrati-sche Prozesse des Aushandelns und der Kompromissfindung und die repräsentative Vertretung durch Parteien und Politiker_innen als ein Indikator für die vertikale Komponente des Rechtspopulismus.36 Ergän-zend wurden die allgemeine Haltung zu Vielfalt und die Soziale Domi-nanzorientierung als Indikator für die Zustimmung zu gesellschaftli-cher Ungleichwertigkeit erhoben.

Der Rechtspopulismus offenbart seine Rückwärtsgewandtheit in dem Versprechen einer „heilen Welt wie damals“, er enthält also immer auch eine Komponente der Nostalgie (u. a. Hentges et al., 2003; Müller, 2016).

Diese zeichnet sich auch in dem Gefühl der Orientierungslosigkeit ab, die unter dem Terminus der Anomia bereits bei Durkheim und Merton

36 Aus Kapazitätsgründen wurden dieses und die folgenden Konzepte nur in einer zufälli-gen, aber dennoch repräsentativen Hälfte der Befragten vorgelegt.

beschrieben ist (s. dazu Legge, 2006). Hierbei geht es um das Gefühl, die moderne Welt sei zu unübersichtlich, und um das Bedürfnis nach klaren Orientierungen. Das Gefühl der Orientierungslosigkeit hängt empirisch mit der Abwertung einer ganzen Reihe sozialer Gruppen, u. a. auch ho-mosexueller Personen, zusammen (ebd.) und wurde ebenfalls erhoben.

Die hier angesprochenen Konzepte von Vielfalt und Hierarchie sind in der sozialpsychologisch geprägten Einstellungsforschung vielfach ge-rade auch im Hinblick auf Vorurteile untersucht worden. Als besonders wesentliches Konstrukt wird hier die Grundhaltung zu Diversität (oft vor allem in Bezug auf kulturelle und religiöse Vielfalt) untersucht. Viele Studien, darunter auch Bevölkerungsumfragen, belegen einen Zusam-menhang zwischen einer positiven Grundhaltung zu Diversität und we-niger mit Vorurteilen behafteten Einstellungen gegenüber einer ganzen Reihe von sozialen Gruppen, wie sie im Syndrom Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit erfasst werden, im deutschen wie europäischen Kontext (u. a. Zick, Küpper & Hövermann, 2011). Auch in konkreten Ar-beitszusammenhängen wurde die Bedeutung einer positiven Grundhal-tung zu Diversität belegt, die u. a. diskriminierendes Verhalten reduziert, aber auch viele weitere positive Effekte, u. a. auf die Zufriedenheit in Arbeitsteams, haben kann (zur Übersicht z. B. van Knippenberg & Schip-pers, 2007).

Zur Prüfung des Einflusses der allgemeinen Werthaltung zu Vielfalt und Hierarchie, die im Negativen auch in rechtspopulistischen Einstellungen zu finden ist, wurden die in Tabelle 9.1 aufgeführten Konstrukte erho-ben. Die detaillierte Beschreibung der Konstrukte findet sich in Kapitel 9.2 und 9.3.

Tabelle 9.1: Indikatoren der Haltung zu Vielfalt und Hierarchie Befürwortung kultureller Vielfalt (Cronbach’s α = .77)

Ich freue mich, dass Deutschland noch

vielfältiger und bunter wird. 9,7 18,9 39,3 32,1

Es ist besser für ein Land, wenn es eine Vielfalt unterschiedlicher Kulturen und

Religionen gibt. 10,1 18,2 36,5 35,3

Soziale Dominanzorientierung (Cronbach’s α = .60) Alle Bevölkerungsgruppen sollten uns

gleich viel wert sein.a 1,7 3,8 17,7 76,7

Soziale Gleichheit ist eine gute Sache.a 1,9 3,6 17,6 76,9 Es ist eine gute Sache, wenn einige

Gruppen in der Gesellschaft an der

Spitze, andere weiter unten stehen. 51,0 28,3 15,6 5,1

Untergeordnete Gruppen sollten an

ihrem Platz bleiben. 66,2 23,2 7,0 3,6

Autoritarismus (Cronbach’s α = .60) Um Recht und Ordnung zu bewahren, sollte man härter gegen Außenseiter

und Unruhestifter vorgehen. 22,2 20,7 29,7 27,4

Zu den wichtigsten Eigenschaften, die jemand haben sollte, gehören Gehorsam

und Respekt vor dem Vorgesetzten. 14,4 27,8 34,7 23,1

Anomia (Cronbach’s α = .81) Es ist heute alles so in Unordnung geraten, dass niemand mehr weiß, wo

man eigentlich steht. 18,4 28,0 29,9 23,7

Die Dinge sind heute so schwierig geworden, dass man nicht mehr weiß,

was los ist. 19,5 32,8 29,8 18,0

Demokratiemisstrauen und kollektive Wut (Cronbach’s α = .63) Die demokratischen Parteien zerreden

alles und lösen die Probleme nicht. 12,2 28,3 36,9 22,6

Man muss sich gegen die aktuelle Politik

wehren. 18,3 31,8 29,3 20,7

Die Wut der Bürger auf die

Zuwande-rung ist absolut verständlichb 31,1 33,3 23,5 12,2

Legende: a Nicht in die Skalenbildung eingegangen. b Als Einzelitem verwendet.

9.2 Diversitätsüberzeugung, Soziale