• Keine Ergebnisse gefunden

Im Rahmen einer gebrauchsbasierten linguistischen Theorie können sprachliche Struk-turen mit Hilfe von Konstruktionen beschrieben werden: Form-Funktions-Beziehungen, die auf verschiedenen Ebenen der sprachlichen Form existieren und die induktiv durch die Teilnahme an sprachlicher Interaktion gelernt werden. Gelernt heißt dabei vor allem, dass Sprachverwendende auf Basis ihrer sprachlichen Erfahrung – technisch gesprochen durch eine distributionelle Analyse des sprachlichen Inputs – bestimmte Erwartungen in Bezug auf die situativ angemessenen oder typischen sprachlichen Formen ausbilden.

Diese Erwartungen bilden das sprachliche Wissen. Je häufiger eine bestimmte Form-Funktions-Beziehung beobachtet werden kann, desto stärker ist ihr „Entrenchment“ im individuellen Gedächtnis der Sprechenden und desto stärker ist auch der Grad ihrer Kon-ventionalisierung in der Sprachgemeinschaft. Sprachliche Phänomene sind daher

grund-sätzlich gradueller Natur; Variation, unscharfe Kategoriengrenzen und Prototypeneffekte sind zu erwarten.

In Bezug auf die Form können Konstruktionen anhand von Korpusdaten mittels der von Stefanowitsch/Gries (2003) eingeführten Kollostruktionsanalysen untersucht wer-den. Dabei wird systematisch die Variation innerhalb bestimmter variabel besetzbarer

„Slots“ in Bezug auf eine – vorab aufgrund von theoretischen Überlegungen identifizier-te – invarianidentifizier-te Konstruktion analysiert. Mit statistischen Verfahren wird die Erwartung bezüglich der sprachlichen Formen quantifiziert, die typischerweise in einem Slot vorkom-men. In Bezug auf die in dieser Arbeit fokussierte Struktur [Xmacht Y AP] können nun die Elemente X, Y und AP als zu untersuchende Slots innerhalb einer hypothetischen, durch die angegebene Form vorläufig definierten kausativen Konstruktion verstanden werden.

Auf der Basis bisheriger konstruktionsgrammatischer Studien lassen sich dabei die folgenden Annahmen formulieren: Erstens können für jeden Slot konkrete typische (also statistisch auffällig häufige) lexikalische Füllungen („Kollexeme“ im Sinne von Stefano-witsch/Gries, 2003: 215) erwartet werden. Zweitens kann die Methode der Kollostrukti-onsanalyse dahingehend erweitert werden, dass Kollexeme nicht nur auf der rein lexika-lischen Ebene ermittelt werden, sondern dass die Füllungen der jeweiligen Slots ebenfalls abstrakte Elemente sein können (vgl. die in Abschnitt 2.3.1 vorgestellten Argumentati-onslinien von Boas, 2011: 53, und Fillmore, 1988: 44). Dass ein solches Vorgehen auch inhaltlich sinnvoll sein kann, zeigen die Ergebnisse von Hare et al. (2003), nach de-nen unterschiedliche kategorielle Besetzungen eines Slots (nominales direktes Objekt vs.

Komplementsatz) mit unterschiedlichen Bedeutungsvarianten systematisch korrelieren.

In Bezug auf die Beschreibung der Bededutung oder Funktion erlaubt die Frame-Semantik die in gebrauchsbasierten Ansätzen geforderte Integration von situativem und Weltwissen in das Bedeutungsmodell. Mit den Frame-Beschreibungen im FrameNet lie-gen umfangreiche Vorarbeiten in Bezug auf das Englische vor, die auch bereits auf das Deutsche übertragen wurden (vgl. die Darstellungen im „German Frame-semantic Onli-ne Lexicon“ G-FOL, siehe Abschnitt 2.4.1, sowie Boas, 2011: 49, Fußnote 11, und Boas, 2014: 53). Speziell die Beschreibung des abstrakten Causation-Frames lässt sich offen-sichtlich auf das Deutsche und die semantische Beschreibung der Struktur [Xmacht Y AP] übertragen.

Die vorliegende Arbeit basiert auf der Auswertung zweier Korpora (vgl. Kapitel 4 und 5). Bevor die Untersuchungsfragen und Ergebnisse präsentiert werden, wird in Kapitel 3 zunächt die bisherige Forschungsdiskussion zum Untersuchungsgegenstand wiederge-geben.

Deutsch

In den folgenden Abschnitten werden die Darstellungen von kausativen Konstruktionen mit machen in der bisherigen Literatur ausgewertet. Dies geschieht zunächst in Bezug auf den heutigen deutschen Sprachgebrauch anhand von vier Arten von Quellen: Erstens werden die Darstellungen kausativer Konstruktionen mitmachen in einigen Grammati-ken des Deutschen diskutiert (Abschnitt 3.1). Das für die Anwendung im Bereich Deutsch als Fremdsprache erstellte Valenzwörterbuch deutscher Verben (VALBU; Schumacher et al., 2004) bietet eine systematische Übersicht über verschiedene Bedeutungen des Verbs machen und setzt sie jeweils in Beziehung zu spezifischen, valenztheoretisch gefassten syntaktischen Mustern – diese Verknüpfung ist einem konstruktionsgrammatischen An-satz sehr ähnlich, daher ist das VALBU ein passender zweiter AnAn-satzpunkt für die nähere Bestimmung des hier fokussierten Untersuchungsgegenstandes (Abschnitt 3.2). Die drit-te Art der Informationsquelle sind Diskussionen von kausativenmachen-Strukturen im Rahmen empirisch basierter allgemeinerer theoretischer Diskussionen (Abschnitt 3.3).

Viertens gibt es einige Studien, die Kombinationen vonmachen und einem objektsprä-dikativen Adjektiv anhand von Korpora untersuchen; diese werden in Abschnitt 3.4 ausgewertet. Schließlich gibt es einige wenige Untersuchungen zum Spracherwerb, in de-nen auch der Gebrauch des Verbs machen thematisiert wird. Da auch diese potentiell nützliche Informationen enthalten können, werden sie in Abschnitt 3.5 kurz diskutiert.

3.1 Kausatives machen in Grammatiken des Deutschen

In der Duden-Grammatik (Duden, 2009), deren Darstellung syntaktischer Regularitä-ten auf der Valenztheorie beruht (vgl. Duden, 2009: 775) wird machen als „das Kau-sativum (kausative Prädikativverb)“ bezeichnet, als Beispiele werden die [X macht Y AP]-Strukturen in (14) und (15) gegeben (vgl. Duden, 2009: 414):

(14) Der ständige Stress macht mich krank. (Beispiel aus Duden, 2009: 414)

(15) Verspätungen machten sie immer ganz nervös. (Beispiel aus Duden, 2009: 414) Die Tatsache, dass machen hier nicht als Element einer Liste, sondern als alleini-ges Verb aufgeführt ist, lässt auf einen besonderen Status in Bezug auf die Kodierung einer Ursache-Wirkung-Relation schließen. Die Adjektivphrase wird dabei als „Objekts-prädikativ“ (vgl. Duden, 2009: 415) bzw. an anderer Stelle als „resultatives Prädikat“

bezeichnet (vgl. Duden, 2009: 352). Über Objektsprädikative in resultativer Lesart heißt

es außerdem, es bestehe „eine starke Tendenz zur Integration ins Prädikat“ und es sei

„oft unklar, ob überhaupt noch eine Phrase“ vorliege oder eine Verbpartikel (vgl. Duden, 2009: 858). Zu dieser Diskussion vgl. unten den Abschnitt 3.3.

Daneben nennt der Duden noch „die infinitregierenden Kausativelassenundmachen“

(vgl. Duden, 2009: 414), die aber in anderen Abschnitten v. a. unter syntaktischen Ge-sichtspunkten thematisiert werden. Als Beispiel wird (16) gegeben:

(16) Das macht mich lachen. (Beispiel aus Duden, 2009: 414)

Die entsprechenden Strukturen werden als AcI (accusativus cum infinitivo) bezeich-net. Im Duden wird ihr Gebrauch nicht weiter kommentiert, in der IDS-Grammatik (vgl. Zifonun et al., 1997: 1411) wird der Gebrauch von machen in AcI-Strukturen als

„selten und literarisch“ gekennzeichnet. Möller (2015: 313) stellt fest, dass machen in AcI-Strukturen „im heutigen Deutsch vor allem mit bestimmten Lexemen etabliert“ und

„zudem stilistisch markiert“ ist (Möller, 2015: 315). Auch in den hier ausgewerteten Kor-pora (vgl. Kapitel 4 und 5) ist diese Struktur sehr selten und wird daher nicht weiter untersucht.

Von dem Vorgehen im Duden unterscheidet sich die Darstellung kausativer Konstruk-tionen bei Helbig/Buscha (2005: 67f.): Dort werden in Bezug auf Verben drei grund-sätzliche grammatische Kategorien unterschieden: durative, inchoative und kausative Verben. Kausativa drücken dabei „das Bewirken einer Zustandsveränderung, eines Zu-stands oder eines Vorgangs“ aus (Helbig/Buscha, 2005: 67). Das Verbmachen wird als

„direkte Lexikalisierung“ der grammatischen Kategorie der Kausativa bezeichnet (vgl.

Helbig/Buscha, 2005: 68). In einer Tabelle (hier übernommen als Tabelle 3.1) werden dabei machen+Adjektiv-Strukturen den Kopula-Konstruktionen mit sein und werden gegenübergestellt.

[dur] [incho] [caus]

schlafen einschlafen einschläfern

liegen sich legen legen

tot sein sterben töten, totmachen krank sein krankwerden, erkranken krankmachen reichsein reichwerden reichmachen

wach sein wach werden, aufwachen wachmachen, (auf)wecken

Tabelle 3.1:Beispiele für durative ([dur]), inchoative ([incho]) und kausative ([caus]) lexikalische Ausdrucksmittel bei Helbig/Buscha (2005); Tabelle übernommen aus Helbig/Buscha (2005: 68); Hervorhebungen im Original.

Das Verbmachen steht hier alsosein (als durativer Kopula) undwerden (als inchoati-ver Kopula) gegenüber; auf Grundlage dieser Beobachtung bezeichnet Möller (2015: 300) in seiner Diskussion der Darstellung analytischer Kausativierungen bei Helbig/Buscha (2005)machen sogar als „das kausative Kopulaverb“.

Diese Sonderstellung von machen findet sich allerdings nicht in der Darstellung von Objektsprädikativen wieder: Dort wird (17) gemeinsam mit dem Beispiel (18) behandelt

(vgl. Helbig/Buscha, 2005: 454):

(17) Der Alkohol machte ihn müde. (Beispiel aus Helbig/Buscha, 2005: 454)

(18) Er trinkt das Glas in einem Zuge leer. (Beispiel aus Helbig/Buscha, 2005: 454) Sowohlmachen als auch – impliziert durch das Beispiel (18) –trinken werden hier als

„kausative Verben“ bezeichnet, ohne weiter auf sog. Resultativkonstruktionen einzuge-hen (vgl. dazu Abschnitt 3.3).

In anderen Grammatiken werden machen+Adjektiv-Strukturen nicht explizit behan-delt: In der IDS-Grammatik findet sich nur der Hinweis auf eine Verwandtschaft mit kausativen AcI-Konstruktionen (vgl. Zifonun et al., 1997: 1117). In Eisenberg (2013:

323) werden Adjektive in der Funktion von Objektsprädikativen nur in Bezug auf die Getrennt- bzw. Zusammenschreibung diskutiert:machen wird hier anhand der Beispiele saubermachen, schönmachen, irremachen, kaltmachen, festmachen, bekanntmachen, ka-puttmachen, großmachen und schlechtmachen als reihenbildendes Verb eingeordnet. In Engel (2009) schließlich wird machen überhaupt nicht erwähnt, weder in der Übersicht der im Deutschen möglichen Ergänzungen von Verben (vgl. Engel, 2009: 92) noch im Abschnitt zur Prädikativergänzung (vgl. Engel, 2009: 103f.).

3.2 Kausatives machen im VALBU – Valenzwörterbuch