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Konstruktionsgrammatische Interpretation der Ergebnisse

Auf der Grundlage der im vorigen Abschnitt zusammengefassten Ergebnisse der Korpus-untersuchungen können nun die folgenden Form-Funktions-Beziehungen – Konstruktio-nen – beschrieben werden. Die Darstellung ist dabei einerseits an die Annotationspraxis im FrameNet (nach Abschalten der farbigen Annotationsdarstellung) angelehnt, nach der Frame-Elemente den entsprechenden formalen Elementen mit eckigen Klammern zuge-ordnet werden, und die auch in den Kapiteln 4 und 5 für die Annotation von Belegen aus den Korpora TIGER und TüPP-D/Z verwendet wurde.

Um in den folgenden Notationen den Konstruktionsstatus der kompletten Strukturen anzuzeigen, wird zusätzlich von Fillmore et al. (2012: 312) die Konvention übernommen, die gemeinsam zu einer Konstruktion gehörigen Elemente durch geschweifte Klammern zusammenzufassen. Entgegen der Praxis bei Fillmore et al. (2012: 332ff.) wird den je-weiligen Konstruktionen jedoch kein Name zugeordnet, allerdings wird der Frame ange-geben, auf den sich die annotierten Frame-Elemente beziehen. Außerdem werden in den folgenden Darstellungen die formalen Kategorien der Konstituenten durchgehend durch die generalisierten Elemente der formalen Struktur angezeigt und die Frame-Elemente jeweils annotiert. Bei Fillmore et al. (2012) sind die in der Annotation angegebenen Spe-zifikationen teils formaler (z. B. „verb“, vgl. Fillmore et al., 2012: 356), teils funktionaler Art (z. B. „numerator“ oder „denominator“, vgl. Fillmore et al., 2012: 365). Wie bisher in dieser Arbeit gilt außerdem, dass die Reihenfolge der Konstituenten keine syntagma-tische Abfolge impliziert, und dass durch kursiv gesetzte Elemente jeweils Lexeme und keine Flexionsformen angegeben werden.

Die in der Tabelle 6.1 aufgeführten Zuordnungen von formalen Strukturen zu evozier-ten Frames können also zu den folgenden Konstruktionen (272) bis (277) zusammenge-fasst werden:

(272) {Reasoning [Arguer/SupportX] macht (deutlich|klar) [ContentSATZ]}

Durch die gesamte formale Struktur [X macht (deutlich|klar) SATZ] wird also der Reasoning-Frame evoziert. Im einzelnen besteht die Konstruktion aus den folgenden Elementen:

• Das in der generalisierten Struktur mit X bezeichnete Element kann formal nicht genauer spezifizert werden als durch die Subjektfunktion. In Bezug auf die syn-taktische Kategorie sind aber sowohl Nominalphrasen als auch Subjektsätze mög-lich. Auf der Ebene der Interpretation korrespondiert dieses Element mit dem Frame-Element Arguer oder alternativ mit dem Frame-Element Support des Reasoning-Frames („AnArguer presents a Content, along with Support, to anAddressee“; FrameNet: Reasoning7; Hervorhebung im Original farbig), wäh-rend das Frame-Element Addressee i. d. R. implizit bleibt.

7https://framenet2.icsi.berkeley.edu/fnReports/data/frameIndex.xml?frame=Reasoning (8.3.2017)

• Das Element SATZ in der Struktur in (272) bezeichnet einen Komplementsatz, der mit dem Frame-Element Contentdes Reasoning-Frames korrespondiert.

• Die beiden Adjektivlexemedeutlich undklar sind klar präferierte Lexeme in dieser Konstruktion, Alternativen wie etwageltend oderglaubhaft (die zu einer im Detail leicht abweichenden Interpretation führen, welche aber trotzdem im Rahmen des Reasoning-Frames bleibt) sind möglich, in den untersuchten Korpora aber deutlich seltener.

• Das Verb machen schließlich ist gemeinsam mit einem der genannten Adjekti-ve konstitutiv für die Form der Konstruktion. Wie bei den folgenden machen-Konstruktionen sowie bei Resultativkonstruktionen ist auch der Komplementsatz nicht allein vom Verb, sondern von der Kombination aus machen und dem Ad-jektiv abhängig. Ohne AdAd-jektiv wäre die Struktur nicht akzeptabel oder nicht bedeutungsgleich.

Viele Vorkommen der Struktur [X macht (NPAKK(Y)) aufmerksam (auf NPAKK(Z)| darauf SATZ)] können ebenfalls im Sinne des Reasoning-Frames interpretiert werden.

Auch hier ist das Vorhandensein der Kategorie SATZ (also eines Komplementsatzes ohne pronominales Korrelat) ein Hinweis auf die entsprechende Bedeutung. Im Zuge der Be-schreibung von Konstruktionen besteht nun eine Möglichkeit darin, einfach eine Variante der Konstruktion in (272) mit der Form [Xmacht(NPAKK(Y))aufmerksam darauf SATZ]

anzunehmen. Auf der Grundlage von Goldbergs Frequenzkriterium („patterns are stored as constructions even if they are fully predictable as long as they occur with sufficient frequency“; vgl. Goldberg, 2006: 5) ist es aber gerechtfertigt, eine eigene Konstruktion (273) anzunehmen.

(273) {Reasoning[ArguerX]macht ([AddresseeNPAKK(Y)])aufmerksam darauf [ContentSATZ]}

Wie die Auswertung der Korpusbelege im Abschnitt 5.3.3 gezeigt hat, führt aber die Struktur [Xmacht auf sich aufmerksam] zur Evozierung des FramesCause_to_perceive („AnAgent,Actor,Entity, orMediumcauses aPhenomenon to be perceived by aPerceiver“; FrameNet: Cause_to_perceive8; Hervorhebung im Original farbig). Die entsprechende Konstruktion kann als (274) gefasst werden:

(274) {Cause_to_perceive [Agent/MediumX] macht ([PerceiverNPAKK(Y)]) auf [Phenomenon(sich|

NPAKK(Z))]aufmerksam}

Die einzelnen Elemente der Konstruktion weisen die folgenden Charakteristika auf:

• Das formale Element X erfüllt – wie in den anderen hier dargestellten Konstruktio-nen auch – die Subjektfunktion, kann aber nicht weiter formal spezifiziert werden.

In Bezug auf die Bedeutung kodiert es das Frame-ElementAgent oder auch, wie im Beleg (171) in Abschnitt 5.3.3, das Frame-Element Medium.

8https://framenet2.icsi.berkeley.edu/fnReports/data/frameIndex.xml?frame=Cause_to_

perceive(8.3.2017)

• Das Element sich kodiert das Frame-Element Phenomenon. Durch die Korefe-renz von sich und X wird zusätzlich die wahrnehmbare Entität (das Phenome-non) mit der Rolle der handelnden (Agent) identifiziert. Neben dem Element sich kommen in den Korpora auch vereinzelt andere, das Frame-Element Pheno-menon denotierende Nominalphrasen – in (274) als NPAKK(Z) bezeichnet – vor, etwa Heuschrecke-Produkte im bereits auf S. 131 zitierten Beleg (171), sich ist jedoch klar präferiert und daher in die Generalisierung aufgenommen.

• Eine akkusativische Nominalprase außerhalb derauf-PP ist selten, aber möglich.

Wenn ein formales Element NPAKK(Y)vorhanden ist, kodiert es das Frame-Element Perceiver.

Die nächsten beiden Einträge in der Tabelle 6.1 sind die Strukturen [XmachtNPAKK(Y) verantwortlich für NPAKK(Z)] und [X macht NPAKK abhängig von NPDAT]. Im Fall der Evozierung des Causation-Frames können die Vorkommen als Instanzen der generellen kausativen Konstruktion in (276) kategorisiert werden. Daher werden die Fälle, in denen derStatement-Frame („This frame contains verbs and nouns that communicate the act of a Speaker to address aMessage to some Addresseeusing language“; FrameNet:

Statement9; Hervorhebung im Original farbig) evoziert wird, einheitlich behandelt und die beiden an die Adjektivlexeme abhängig und verantwortlich gebundenen Strukturen zusammengefasst.

(275) {Statement[SpeakerX]macht [MessageNPAKK(Y)(abhängig vonNPDAT|verantwortlich für NPAKK(Z))]}

Diese Konstruktion besteht aus zwei Elementen, denen sowohl eine Form als auch eine einheitliche Bedeutung zugeordnet werden kann:

• Das formale Element X erfüllt wieder die Subjektfunktion, kann aber nicht weiter formal spezifiziert werden. In Bezug auf die Bedeutung kodiert es das Frame-Element Speaker.

• Durch die formale Struktur [NPAKK(Y) abhängig von NPDAT] oder [NPAKK(Y) ver-antwortlich für NPAKK(Z)] wird jeweils das Frame-Element Message kodiert. In-nerhalb dieser Form-Bedeutungs-Zuordnung existieren formal variable Slots, deren konkreter Inhalt sich zwar auf die als Nachricht ausgedrückte Prädikation, nicht aber auf die Interpretation als Element Message als ganzes auswirkt.

• Das Frame-ElementAddressee bleibt i. d. R. implizit.

Der Struktur [X macht NPAKK AP] sind in der Tabelle die Frames Cause_change und Causation zugeordnet. Beide Interpretationen sind gleichermaßen plausibel (und schließen sich auch nicht gegenseitig aus; im Gegenteil geht die Frame-Semantik grund-sätzlich davon aus, dass mehrere Frames gleichzeitig evoziert werden können), allerdings

9https://framenet2.icsi.berkeley.edu/fnReports/data/frame/Statement.xml(8.3.2017)

bietet der Frame Cause_change in Fällen, in denen sowohl ein NPAKK- als auch ein AP-Element realisiert sind, die genauere Beschreibung. Die entsprechende Konstruktion kann durch die Generalisierung in (276) beschrieben werden.

(276) {Cause_change [Agent/CauseX] macht [EntityNPAKK] [Final_valueAP]}

Diese Struktur kodiert generell eine Ursache-Wirkung-Relation, in der in dieser Ar-beit vertretenen Frame-semantischen Perspektive evoziert sie den FrameCause_change, dessen Definition hier zur Erinnerung noch einmal wiederholt wird:

„An Agent or Cause causes an Entity to change, either in its category membership or in terms of the value of an Attribute. In the former ca-se, an Initial_category and a Final_category may be expressed, in the latter case an Initial_value and a Final_value can be specified.“

(FrameNet: Cause_change10; Hervorhebung im Original farbig)

Die Elemente der in (276) angegebenen Konstruktion können auf der Grundlage der Untersuchungen in den Kapitel 4 und 5 folgendermaßen beschrieben werden:

• Das formale Element X erfüllt wieder die Subjektfunktion, kann aber nicht weiter formal spezifiziert werden. In Bezug auf die Bedeutung kodiert es entweder das Frame-Element Cause (also die Ursache) oder das Frame-Element Agent (eine an der Ursache mitwirkende handelnde Instanz).

• Das formale Element NPAKKkodiert das Frame-ElementEntity, also die Entität, in Bezug auf die eine verursachte Wirkung beschrieben wird. Mit bestimmten Ad-jektivlexemen wie möglich, unmöglich, leicht oder schwer kommt im NPAKK-Slot häufig das Pronomen es, sowohl mit als auch ohne korrelierten Komplementsatz, vor. Die Interpretation im Sinne des Frame-ElementsEntity ändert sich dadurch nicht.

• Das formale Element AP kodiert das Frame-Element Final_value, also den durch die Ursache oder die verursachende Instanz bewirkten neuen Zustand oder Resultatszustand. Dieser Zustand kann relativ zu einem vorherigen Zustand an-gegeben werden, in diesen Fällen kommen innerhalb der Adjektivphrase beispiels-weise Adjektive im Komparativ, Erweiterungen durch als, sowie andere formale Elemente vor, denen das Frame-ElementDegree(„The extent to which the initial and final categories or values differ from each other“; FrameNet: Cause_change11) zugeordnet werden kann. Dies ist insbesondere bei den Adjektiven leicht und schwer zu beobachten.

10 https://framenet2.icsi.berkeley.edu/fnReports/data/frameIndex.xml?frame=Cause_

change(8.3.2017)

11 https://framenet2.icsi.berkeley.edu/fnReports/data/frameIndex.xml?frame=Cause_

change(8.3.2017)

Alternativ kann die Interpretation auch anhand des Causation-Frames beschrieben werden („A Causecauses an Effect. Alternatively, an Actor [. . . ] may stand in for the Cause.“ FrameNet: Causation12; Hervorhebung im Original farbig):

(2760) {Causation [Actor/CauseX] macht ([AffectedNPAKK]) [EffectAP]}

In Fällen, in denen das formale Element NPAKK und somit die von der Wirkung betroffene Entität – das Frame-Element Entity des Cause_change-Frames bzw. das Frame-Element Affected („The entity Affected by the Causation may stand in for the overall Effect situation or event“; FrameNet: Causation; Hervorhebung im Original farbig) desCausation-Frames – implizit bleibt (angedeutet durch die Einklam-merung), wird die Wirkung auf den Resultatszustand reduziert, ausgedrückt durch das formale Element AP. In diesen Fällen ist eine Bedeutungsbeschreibung des formalen AP-Elements im Sinne des Frame-ElementsEffect des Causation-Frames zwar nicht genauer, die Interpretation der Gesamtstruktur lässt sich aber intuitiv leichter erfassen, daher wird diese Variante hier angegeben. Das ElementActor des Causation-Frames entspricht dem ElementAgent des Frames Cause_change.

Auch die Struktur [X macht NPAKK zu NPDAT] evoziert den Frame Cause_change:

(277) {Cause_change [Agent/CauseX] macht [EntityNPAKK]zu [Final_categoryNPDAT]}

Die Generalisierung in (277) unterscheidet sich von der in (276) nur in einem Punkt:

anstelle eines formalen Elements AP, das das Frame-Element Final_value kodiert, enthält die Konstruktion in (277) eine zu-Präpositionalphrase. Das von der Präposition abhängige formale Element NPDAT kodiert wiederum den Resultatszustand, diesmal aber konzeptualisiert als Zugehörigkeit zu einer veränderten Kategorie, entsprechend dem ebenfalls imCause_change-Frame beschriebenen Element Final_category.

Einige der hier aufgeführten Konstruktionen – nämlich diejenigen in (272) bis (275) – kodieren systematisch keine Ursache-Wirkung-Relationen, sondern verhalten sich eher wie komplexe Verben des Sprechens. Wie in Abschnitt 4.5.1 gezeigt, können aber auch Kommunikationsverben im Hinblick auf ihre Ereignisstruktur wie kausativen Verben behandelt werden. Außerdem wurden in den Kapiteln 4 und 5 wiederholt Beispiele für unscharfe Abgrenzungen zwischen den Konstruktionen diskutiert. So kann beispielsweise eine konkrete Äußerung, die eine Kombination von machen mit dem Adjektiv abhängig enthält, je nach Kontext entweder als Instanz der Konstruktion (275) oder als Instanz der Konstruktion (276) kategorisiert werden.

Daher ist es gerechtfertigt, auch die Strukturen (272) bis (275), die nicht den Causation-oder Cause_change-Frame evozieren, als Generalisierungen kausativer Konstruktionen in einem weiteren Sinne zu bezeichnen. Das Inventar kausativer Konstruktionen mit dem Verb machen im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch umfasst also die in diesem Abschnitt beschriebenen Konstruktionen (272) bis (277).

12https://framenet2.icsi.berkeley.edu/fnReports/data/frameIndex.xml?frame=Causation (8.3.2017)

6.3 Anwendung der Ergebnisse in der Lexikographie und