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Kausatives machen im Spracherwerb

In Bezug auf den Erstspracherwerb deutschsprachiger Kinder wird machen von Beh-rens (2003: 161) als „Allzweckverb“ und von Lange (2007: 3) als „Passepartout-Verb“

bezeichnet. Lange (2007) betrachtet aber gerade nicht die kausative Verwendung des Verbs, obwohl Strukturen wie (41) bis (43) in ihren Gesprächstranskripten vorkommen7:

(41) macht der den REgen weg (Beleg aus Lange, 2007: 207)

(42) ob der das wieder aufmacht der wollte das AUFhaben (Beleg aus Lange, 2007:

209)

(43) dann kannst du=s dann wieder dran machen? (Beleg aus Lange, 2007: 219) Das Beispiel (42) ist besonders interessant, weil die Partikel auf vom kindlichen Spre-cher sowohl mit machen als auch mit haben kombiniert wird, syntaktisch also durchaus als prädikatives Adjektiv analysiert werden könnte (vgl. dazu auch die Diskussion zu Partikelverben in Abschnitt 3.3).

7Mit Versalien wird jeweils ein prosodischer Hauptakzent markiert (vgl. Lange, 2007: 183).

Behrens (2003: 161) stellt in der Einleitung zu ihrer Studie fest, dass die meisten Verben – so auch machen – „polysem sind, also mehrfache Korrespondenzen zwischen Form, Bedeutung und Satzstruktur aufweisen“ und belegt diese Feststellung empirisch am Beispiel von gehen. Die Daten aus Lange (2007) deuten darauf hin, dass das auch fürmachen bereits bei drei- bis fünfjährigen Kindern gilt.

Mit Wittek (2002) liegt eine experimentelle Untersuchung vor, die sich ausdrücklich der Kodierung (in Rezeption und Produktion) von Ursache-Wirkung-Relationen in der Sprache von vier- und fünfjährigen Kindern widmet, und zwar unter anderem anhand von analytischen Kausativierungen mit dem „light verb“ machen (vgl. Wittek, 2002:

46). Verwendet werden die Verben zumachen, aufmachen, abmachen, ausmachen so-wie vollmachen, totmachen, wachmachen und kaputtmachen; diese Strukturen werden zusammengefasst bezeichnet als „verb-particle constructions“ (vgl. Wittek, 2002: 46).

Obwohl sie in der Verschriftlichung von Wittek (2002) – Untersuchungsgegenstand ist die mündliche Sprache – jeweils als Partikelverben klassifiziert und zusammengeschrie-ben werden, sindvollmachen, totmachen, wachmachen und kaputtmachen im Sinne der hier vorliegenden Arbeit als machen+Adjektiv-Strukturen analysierbar (vgl. Abschnitt 3.3).

In der Studie von Wittek (2002) sahen Kinder kurze Videoclips, in denen Situationen gezeigt wurden, die entweder mit den genanntenmachen+Adjektiv-Strukturen beschrie-ben werden können oder aber mit kausativen Vollverbeschrie-ben wieschließen (stattzumachen) oderwecken (stattwachmachen). Dabei wurden die sprachlich kodierten oder implizier-ten Resultatszustände (wie z. B. ‚wach‘ im Fall vonwecken und wachmachen) entweder erreicht oder nicht (die zu weckende Person zeigte keine Anzeichen, wach zu werden). Die Ergebnisse der Experimente zeigen, dass Kinder bei der Rezeption von Verben wie wach-machen oder vollmachen dem Kriterium, ob der in der Verbpartikel bzw. dem Adjektiv transparent kodierte Resultatszustand auch tatsächlich erreicht wurde, eine weniger ho-he Relevanz beimessen als erwartet (vgl. Wittek, 2002: 88): Auch wenn beispielsweise die zu weckende Person im Videoclip nicht sichtbar wach wurde, antwortete ein Viertel bis ein Drittel der Kinder auf die Frage „Hat das Mädchen den Mann wachgemacht?“

mit „Ja“ (vgl. Wittek, 2002: 52, 71), wenn auch teilweise mit „ja, aber. . . “ (vgl. Wittek, 2002: 84ff.).

Wittek (2002: 88) interpretiert diese Ergebnisse dahingehend, dass die Kinder die Verben in Bezug auf die vermutete Intention des Agens-Referenten interpretieren und dementsprechend zwar ein Eintreten eines Resultatszustands erwarten, dieser aber keine notwendige Bedingung für die Anwendung des jeweiligen Verbs – im Kontext der vor-liegenden Arbeit: der jeweiligen machen+Adjektiv-Struktur – darstellt: „In particular, they [die Kinder; I.F.] seem to interpret these verbs as if they specify that a particular endstate might well come about, but need not“ (Wittek, 2002: 88). Wittek nennt dies die „Weak Endstate interpretation“ (Wittek, 2002: 88).

Setzt man diese Interpretation in Beziehung zu den in Abschnitt 3.4 ausgewerteten Korpusanalysen, so ist dieses Ergebnis nicht überraschend: Auch bei der Verwendung von machen+Adjektiv-Strukturen in der Erwachsenensprache wird häufig das Erreichen des im Adjektiv kodierten Zustands vor allem behauptet, unabhängig davon, ob er tatsäch-lich erreicht wird oder nicht (vgl. Möller, 2010, Möller, 2015, Fehrmann/Möller, 2012).

Möglicherweise werden auch in der Erwachsenensprache machen+Adjektiv-Strukturen häufig für die Kodierung solcher „Weak Endstates“ verwendet.

Zu kausativen Verwendungen vonmachen im Deutschen als Fremdsprache gibt es eine erste explorative Studie: Möller (2010: 204ff.) untersucht Buchrezensionen von ameri-kanischen DaF-Lernenden im Subkorpus „Georgetown Baseline“ des fehlerannotierten Lernerkorpus Falko (vgl. zum Korpusdesign Walter et al., 2007) im Vergleich zu Da-ten aus dem dazugehörigen L1-Vergleichskorpus. Er stellt sowohl für machen insgesamt einen Underuse der Lerner im Vergleich zu den L1-Texten fest (vgl. Möller, 2010: 206) als auch für machen+Adjektiv-Strukturen einen Underuse relativ zu allen Vorkommen von machen bei den Lernenden (vgl. Möller, 2010: 207). Die untersuchten Korpora sind allerdings sehr klein: Das L2-Korpus hat einen Umfang von 47.861 Tokens, das L1-Vergleichskorpus einen Umfang von 12.668 Tokens (vgl. Möller, 2010: 206). Trotzdem weisen diese Ergebnisse laut Möller (2010: 209) in eine ähnliche Richtung wie die von Altenberg/Granger (2001), die Verwendungen vonmake in einem Lernerkorpus des Eng-lischen als Fremdsprache untersuchen und feststellen, dass gerade auch die – vermeintlich simplen (vgl. Altenberg/Granger, 2001: 190) – kausativen Verwendungen von machen ein Produktionsproblem für Lernende darstellen (vgl. Altenberg/Granger, 2001: 190).

3.6 Zusammenfassung

Die vorangegangenen Abschnitte haben gezeigt, dass die kausative Verwendung von machen insbesondere inmachen+Adjektiv-Strukturen einen besonderen Stellenwert im gegenwärtigen Deutsch besitzt, der sich sowohl in Grammatiken als auch in theoretischen Diskussionen sowie in Korpusdaten niederschlägt. Das Verbmachen wird in dieser Ver-wendung nicht nur allgemein als „light verb“ (Lüdeling, 1998: 230) oder „support verb“

(Müller, 2002: 220), sondern spezifischer als „kausatives Prädikativverb“ (Duden, 2009:

414) oder auch als „kausatives Hilfsverb“ (Plank, 1985: 161) bzw. als „das kausative Kopulaverb“ (Möller, 2015: 300) bezeichnet, das in der Grammatik von Helbig/Buscha (vgl. 2005: 68) den beiden Kopulaverbensein undwerdensystematisch gegenübergestellt wird. In Bezug auf die Argumentstruktur unterscheidet es sich von anderen Verben da-durch, dass es – neben seiner transitiven Verwendung in nicht-kausativer Bedeutung – sowohl ein Akkusativobjekt als auch ein Objektsprädikativ regiert, nicht aber intransitiv verwendet werden kann und sich dadurch von Verben in sog. Resultativkonstruktionen unterscheidet.

Diese Verwendung von machen – also die Verwendung in einer [X macht Y AP]-Struktur – ist zudem häufig in Bezug auf die Gesamtzahl der Vorkommen des Verbs:

Sie macht (abhängig vom untersuchten Korpus) ungefähr ein Viertel bis ein Drittel aller machen-Belege aus.

Die Struktur selbst ist auf mehreren Ebenen flexibel: Auf der formalen Ebene kann das Y-Element sowohl durch ein nominales Akkusativobjekt realisiert werden (der „Stan-dardfall“ nach Möller, 2010: 188), aber auch satzförmig durch einendass-Satz oder einen ob- oderw-Fragesatz. Im Gegensatz zum Akkusativobjekt von Resultativkonstruktionen kann es auch implizit bleiben. In Bezug auf das AP-Element sind einerseits – aufgrund

der Theorie zu erwartende – lexikalische Präferenzen dokumentiert, andererseits jedoch auch Tendenzen zu Adjektiven im Komparativ sowie möglicherweise zu komplexen Ad-jektivphrasen. Das Vorkommen von Komparativen kann möglicherweise zum Teil da-durch erklärt werden, dass nur machen+Adjektiv-Strukturen entsprechende syntakti-sche Einbettungen bzw. Anschlüsse von Vergleichssätzen erlauben, spezifisyntakti-schere kausa-tive Vollverben jedoch nicht.

Auf der Ebene der Bedeutung fällt auf, dass mit [X macht Y AP] nicht zwingend das tatsächliche Erreichen eines durch das AP-Element spezifierten Zustandes kodiert wird, sondern häufig dessen Behauptung durch die oder den Sprechenden. Dies trifft offenbar in hohem Maße auf einige der häufigen lexikalischen Kollokationen zu, möglicherweise ist die Bedeutung gerade diesermachen+Adjektiv-Strukturen also dahingehend konven-tionalisiert. Interessanterweise lässt sich eine ähnliche Tendenz bereits beim Sprachge-brauch von Kindern beobachten: Wittek (2002: 88) bezeichnet in diesem Zusammenhang als „Weak Endstate“ einen Zustand, dessen Erreichen zwar erwartet, aber nicht zwingend vorausgesetzt wird. Möglicherweise wird auch in der Erwachsenensprache die Struktur [X macht Y AP] häufig für die Kodierung solcher „Weak Endstates“ verwendet.

Die Struktur [Xmacht Yzu NPDAT] wird in der ausgewerteten Literatur nicht explizit behandelt, obwohl sie im VALBU ebenfalls einer kausativen Paraphrasierung zugeordnet wird (vgl. Schumacher et al., 2004: 546). In vielen Diskussion zu Resultativkonstruktio-nen mit semantisch spezifischeren Vollverben werden allerdings Präpositionalphrasen und Adjektivphrasen als zwei Varianten der Kodierung des Resultatszustandes angese-hen (so z. B. bei Müller, 2002: 209). Daher wird auch diese Struktur in einem Exkurs im folgenden Kapitel untersucht.

Im vorangegangenen Kapitel 3 wurde gezeigt, dass für machen+Adjektiv-Strukturen in der Literatur übereinstimmend eine kausative Bedeutung angenommen wird. Wenn man nun davon ausgeht, dass Sprache ein strukturiertes Inventar von Form-Bedeutungs-Paaren – Konstruktionen im Sinne der Konstruktionsgrammatik, vgl. Kapitel 2 – ist, kann man für die folgende empirische Untersuchung vorläufig annehmen, dass im gegen-wärtigen Deutsch eine konventionalisierte Struktur existiert, die der Form [X macht Y AP] die Funktion der Kodierung einer Ursache-Wirkung-Relation zuordnet. Eine Ursache-Wirkung-Relation wiederum kann mit Hilfe des Causation-Frames (vgl. Ab-schnitt 2.4.2) modelliert werden. Diese Annahme hat den Status einer Arbeitshypothese, die durch die hier vorgestellten Untersuchungen überprüft und am Ende entsprechend der empirischen Ergebnissen modifiziert wird.

Wenn man außerdem annimmt, dass Unterschiede in der Form auch mit Unterschieden auf der Ebene der Bedeutung einhergehen (vgl. Abschnitt 2.3.2), können formal abwei-chende Strukturen entsprechend als Kandidaten für alternative Konstruktionen gelten.

In den folgenden Abschnitten wird die Struktur [Xmacht Y AP] als Kandidatin für eine hypothetische Konstruktion vor allem den ebenfalls im Korpus mit für eine erste Analyse ausreichender Frequenz belegten Strukturen [X macht Y] und [X macht Y zu NPDAT] gegenübergestellt. Im Rahmen mehrerer Kollostruktionsanalysen (vgl. Abschnitt 2.3.1) werden in einem ersten Schritt die konkreten Füllungen der Y- und AP-Slots verglichen.

In einem zweiten Schritt werden die gefundenen Kollostruktions-Muster passenden se-mantischen Frames zugeordnet – auf die distributionelle Analyse der sprachlichen Form folgt also eine qualitative Analyse der funktionalen Interpretation. Diese erste Unter-suchung hat dabei einen explorativen Charakter: Sie soll Regularitäten und Tendenzen aufzeigen, die später anhand eines größeren Korpus (vgl. Kapitel 5) überprüft werden.

In den folgenden Abschnitten werden zuerst die Fragestellungen für diese Studie (Ab-schnitt 4.1), das Korpus (Ab(Ab-schnitt 4.2) und das Vorgehen bei der Datenextraktion (Abschnitt 4.3) vorgestellt, bevor die Ergebnisse präsentiert werden. Der Fokus der for-malen Analyse (Abschnitt 4.4) liegt jeweils auf der Struktur [X macht Y AP], teilweise in Abgrenzung zu den anderen genannten Strukturen [X macht Y] und [X macht Y zu NPDAT], während im Rahmen der funktionalen Frame-Analyse (Abschnitt 4.5) vor al-lem die interne Differenzierung der Vorkommen von [Xmacht Y AP] diskutiert wird. In einem Exkurs wird abschließend noch die Struktur [Xmacht Y zuNPDAT] als Formseite einer möglichen Konstruktion näher betrachtet (Abschnitt 4.6).

Vorläufige Ergebnisse aus den Abschnitten 4.4.3 und 4.5 sind bereits teilweise ver-öffentlicht (vgl. Fehrmann, 2014: 114ff.), allerdings ohne ausführliche Darstellung des methodischen Vorgehens (vgl. Abschnitt 4.3). Außerdem werden einzelne bei Fehrmann (2014: 118f.) formulierte Vermutungen revidiert und die in den dortigen Tabellen 1 und

2 (vgl. Fehrmann, 2014: 113 und 114) angegebenen Werte teilweise korrigiert.

4.1 Fragestellungen

In dieser ersten explorativen Studie sollen die folgenden Fragen beantwortet werden:

1. Wie häufig ist [X macht Y AP] relativ zu allen Vorkommen des Verbs machen? Diese Frage zielt auf einen Vergleich mit den von Möller (2010: 202) und Fehrmann/

Möller (2012: 13, Fußnote 3) beobachteten relativen Frequenzen, und damit auf eine weitere Fundierung der quantitativen Relevanz der Zielstruktur.

2. Welche Art der Variation gibt es in den einzelnen Slots?

Hier stehen vor allem lexikalische Kollokationen im Vordergrund. Die Existenz lexika-lischer Präferenzen kann nach einem gebrauchsbasierten Modell vorausgesetzt werden, die konkreten Lexeme sind aber nicht vorhersehbar. Ein wesentliches Ziel dieser Studie ist die Beschreibung typischer Kollexeme innerhalb der Struktur [X macht Y AP] auf Basis der in Abschnitt 2.3.1 vorgestellten Kollostruktionsanalysen. Darüber hinaus ist auch denkbar, dass es auch strukturelle Variation jenseits der lexikalischen Ebene gibt.

Diese soll explorativ untersucht werden.

3. Besteht eine kontingente Form-Funktions-Zuordnung?

4. Lassen sich eine oder mehrere prototypische Verwendungsweisen feststellen?

Diese beiden Fragen verbinden die formale Analyse mit der funktionalen Interpretati-on. Entsprechend der Arbeitshypothese sollten alle Vorkommen der Struktur [Xmacht Y AP] kausativ sein, d. h. eine Ursache-Wirkung-Relation kodieren. Diese Annahme wird anhand einer manuellen qualitativen Analyse der im Korpus gefundenen Belege empi-risch überprüft, und mögliche alternative Bedeutungen oder Funktionen werden disku-tiert. Daraus ergibt sich auch eine Zusammenstellung möglicher prototypischer Verwen-dungsweisen im Sinne der Evozierung bestimmter Bedeutungskontexte durch bestimmte lexikalische Formen.