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Anwendung der Ergebnisse in der Lexikographie und zur Belegextraktion

Im vorangegangenen Abschnitt wurden mehrere Konstruktionen aufgeführt, die eine Form des Verbs machen beinhalten und in unterschiedlichem Maße weitere lexikalisch spezifische Elemente enthalten. Demzufolge müssen diese Konstruktionen auch lexiko-graphisch jeweils einzeln behandelt werden. Auch Boas et al. (2016: 317) stellen fest, dass Konstruktionen analog zu Einzelwörtern (also Lexemen) in Wörterbüchern beschrieben werden sollten: „[T]he same mechanisms should apply to the presentation of both words and constructions, including idioms and grammatical patterns, in a learner’s dictionary.“

(Boas et al., 2016: 317).

Das im Abschnitt 3.2 vorgestellte Valenzwörterbuch deutscher Verben ordnet die ver-schiedenen mit dem Verb machen möglichen strukturellen Muster jeweils eigenen Be-deutungsvarianten zu (vgl. Schumacher et al., 2004: 544f.) und ist daher prinzipiell mit einem konstruktionsgrammatischen Beschreibungsansatz kompatibel (vgl. auch die kur-ze Diskussion im Abschnitt 2.5). Dabei wird zwar differenziert zwischen einerseits den Strukturen, die allgemein eine Ursache-Wirkung-Relation kodieren („bewirken, dass je-mand/etwas so wird“; vgl. Schumacher et al., 2004: 544) und andererseits Strukturen, die entweder als Funktionsverbgefüge, „verbale Ausdrücke“ oder weitere Mitglieder ei-ner „Verbfamilie“ eingeordnet werden (vgl. Schumacher et al., 2004: 547). Weder diese Differenzierung selbst noch die jeweiligen Bedeutungszuschreibungen werden aber sys-tematisch dargestellt oder begründet.

Die vorliegende Untersuchung bietet eine empirische Grundlage für eine solche Dif-ferenzierung zwischen Beispielen für eine generalisierbare Struktur (wie sie z. B. das VALBU bietet) und formal deutlich davon abgrenzbaren Strukturen mit abweichender Bedeutung, die daher als eigenständig lexikalisiert erfasst werden sollten. Die im vorigen Abschnitt 6.2 aufgeführten Konstruktionen sind Kandidaten für eine solche lexikogra-phische Erfassung.

Auch im Detail können die Ausführungen im VALBU präzisiert und korrigiert werden.

So werden im VALBU satzförmige Ergänzungen (der Kategorie SATZ in der vorliegenden Arbeit entsprechend) zwar korrekt als Alternative zu nominalen Akkusativergänzungen angegeben, allerdings ohne die damit einhergehende Bedeutungsdifferenzierung zu kenn-zeichnen. Zudem wird im VALBU für solche satzförmigen Ergänzungen ein mögliches Korrelat-es als rein stellungsbedingt gekennzeichnet (Schumacher et al., 2004: 545). Die Ergebnisse der Frame-semantischen Analysen in den Kapiteln 4 und 5 sprechen klar gegen eine solche stellungsbedingte Variation: Das Vorhandensein eines Korrelat-es ist sowohl in den TIGER- als auch in den TüPP-Daten ein klarer Indikator für die Evozie-rung des Cause_change- oder Causation-Frames, während das Fehlen eines Korrelats mit der Evozierung desReasoning-Frames korreliert. In Fällen ohne Korrelat wird also ein Kommunikationsszenario kodiert, und nicht eine Ursache-Wirkung-Relation.

Der im VALBU für die generelle kausative Bedeutung angegebene Beispielsatz (19), hier noch einmal wiederholt, ist also gerade kein passendes Beispiel für die Bedeutung

„bewirken, dass jemand/etwas so wird“ (Schumacher et al., 2004: 544), sondern für die

den Reasoning-Frame evozierende Konstruktion (272) oben.

(19) Der Bundesgerichtshof machte klar, dass weitere Ansprüche des Unternehmens für durch das Rheinhochwasser zerstörte Materialien möglich seien. (Schumacher et al., 2004: 545; dort verändert übernommen aus der Berliner Zeitung vom 17.10.1997, S. 6)

Während die Darstellung im VALBU, wie bei Wörterbüchern üblich, von der Ebene der Form ausgeht, beschreitet das „German Frame-semantic Online Lexicon (G-FOL)“

den umgekehrten Weg: Statt nach Lexemen kann man im G-FOL nach semantischen Frames suchen und sich in einem zweiten Schritt die konkreten formalen Enstsprechun-gen der Frame-Elemente in Bezug auf ein gewähltes Lexem (unter anderem machen) anzeigen lassen, und zwar durch Auswählen von annotierten Beispielen („Examples“) oder sogenannten „Sentence Templates“ (vgl. für eine Beschreibung der im G-FOL be-reitgestellten Informationen auch Ziem, 2014a: 207f. und Boas et al., 2016: 311ff.). Die Konstruktion in (276) wird dabei reduziert wiedergegeben als (278).

(278) CAUSE macht AFFECTED EFFECT (G-FOL: Causation13; Sentence Template für machen)

Auf der Grundlage der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit kann auch diese Darstellung präzisiert werden, und zwar unter Verweis auf den FrameCause_change. Der Causation-Frame als der allgemeinere ist der günstigere Ausgangspunkt für eine Causation-Frame-basierte Su-che, daher ist es sinnvoll, Informationen über das Verbmachen mit der Konstruktion in (276) über denCausation-Frame zugänglich zu machen. Als Erweiterung der bestehen-den G-FOL-Architektur sind nun beispielsweise Verlinkungen vom Verbeintrag zu gleich-zeitig oder alternativ durch dieselbe Struktur (dasselbe „Sentence Template“) evozierten zusätzlichen Frames denkbar. Im Fall vonmachen, das bereits demCausation-Frame zu-geordnet ist, bedeutet dies einen Hinweis auf die detailliertere Erfassung der Bedeutung anhand des Frames Cause_change inklusive einer entsprechenden Frame-Beschreibung und einer Angabe einer alternativen Template-Beschreibung, die angelehnt an (278) etwa so aussehen könnte:

(2780) CAUSE macht ENTITY FINAL_VALUE

Unabhängig von einer solchen alternativen Frame-Beschreibung ist eine Differenzie-rung in Bezug auf die Form nötig, die bisher im G-FOL allein durch die Beispielsätze erschlossen werden kann. Diese vier für das Verb machen angegebenen Beispiele folgen alle dem Muster der Konstruktion in (276), enthalten also ein nominales Akkusativob-jekt und eine AdAkkusativob-jektivphrase. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen aber, dass es nötig ist, Komplementsätze ohne nominales Korrelat explizit auszuschließen bzw. sie einer abweichenden Bedeutung, also einem anderen Frame zuzuordnen.

Für das Frame-Element Effect ist eine solche Art der Einschränkung der Form bereits unter dem Punkt „Details“ zu machen in der Beschreibung enthalten:

13http://coerll.utexas.edu/frames/taxonomy/term/84(8.3.2017)

„Just as in English ‚make,‘ German ‚machen‘ can be used to express causa-tion. It is often used with an adjective as the Effect. In contrast to English, German does not use this verb when the Effect is an action expressed by a phrase, such as ‚she made me do it.‘ “ (G-FOL: Causation14; Details für machen)

Auch hier erlauben die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit eine Präzisierung: Um eine Ursache-Wirkung-Relation auszudrücken, wird mit dem Verb machen nicht nur häufig („often“), sondern bevorzugt ein Adjektiv zur Kodierung der Wirkung bzw. des Resultatszustandes verwendet. Alternativ ist einezu-Präpositionalphrase zur Kodierung eines veränderten kategoriellen Status möglich wie in der Konstruktion in (277).

Diese beiden Präzisierungen in Bezug auf die sprachliche Form sind problemlos mög-lich, ohne das bisherige Format des G-FOL zu verändern (vgl. Boas et al., 2016: 3131ff.).

Die Einführung von alternativen Frames, mit denen Lexeme verknüpft werden, würde dagegen bedeuten, dass es nicht wie bislang nur eine Richtung des Zugriffs auf Infor-mationen gibt – nämlich von einem festgelegten Frame als Ausgangspunkt hin zu einem zugeordneten Lexem – sondern dass Frames und Lexeme als Ausgangspunkte einer Su-che gleichberechtigt wären (vgl. auch die entspreSu-chende Forderung bei Ziem, 2014a: 216), so wie es beim FrameNet der Fall ist. Laut Boas et al. (2016: 321) ist dies im weiteren Entwicklungsverlauf des G-FOL auch geplant.

Die am Beispiel der Struktur [Xmacht NPAKK AP] herausgearbeitete Ähnlichkeit der FramesCausationund Cause_changekann auch für die Weiterentwicklung des Frame-Net genutzt werden. Wie bereits im Abschnitt 4.5.5 angemerkt wurde, gibt es unter den annotierten Verwandtschaftsbeziehungen der Frames untereinander keine direkte Ver-bindung zwischen den beiden Frames. Der nächste gemeinsame Verwandte ist der sehr allgemeine FrameEvent15, der über den FrameEventive_affectionmitCausation so-wie über die FramesObjective_influenceundTransitive_actionmitCause_change verbunden ist. Im Abschnitt 4.5.5 wurde jedoch auch gezeigt, dass strukturell parallele Äußerungen mit dem englischen Verbmake und einer objektsprädikativen Adjektivphra-se im FrameNet sowohl anhand des Causation- als auch anhand des Cause_change-Frames annotiert sind. Auch im Englischen existiert also mindestens eine Möglichkeit der gleichzeitigen Evozierung beider Frames durch dasselbe Lexem in derselben syntak-tischen Struktur.

Auch die einzelnen Frame-Elemente können aufeinander bezogen werden. So sind zwar Frame-Elemente grundsätzlich für jeden Frame spezifisch benannt und definiert, die kon-kreten Benennungen sind aber zu einem gewissen Grade arbiträr. In der Tabelle 6.2 sind die im FrameNet aufgeführten Kernelemente („core elements“) der Frames Causation und Cause_changeeinander gegenübergestellt.

In der Tabelle sind einander entsprechende Elemente jeweils in derselben Zeile auf-geführt. Das ElementActor des Causation-Frames kann also identifiziert werden mit

14http://coerll.utexas.edu/frames/taxonomy/term/84(8.3.2017)

15https://framenet2.icsi.berkeley.edu/fnReports/data/frameIndex.xml?frame=Event (8.3.2017)

Causation Cause_change Actor Agent

Cause Cause Affected Entity Effect

Attribute Final_value Initial_value Final_category Initial_category

Tabelle 6.2:Kernelemende der Frames Causation und Cause_change im FrameNet. Einander entsprechende Elemente sind jeweils in derselben Zeile aufgeführt.

dem ElementAgent des Frames Cause_change, gleiches gilt für die Elemente Affec-ted und Entity. Die Frames unterscheiden sich in Bezug auf die Konzeptualisierung der Wirkung: Während der Causation-Frame allgemein ein Element Effect enthält, wird beim FrameCause_changedifferenziert, je nachdem, ob die Wirkung in einer Ver-änderung eines kategorialen Status besteht (also dem Wechsel vonInitial_category zu Final_category) oder in der Veränderung einer bestimmten Eigenschaft (dem Wechsel von Initial_value zuFinal_value in Bezug auf das Attribute).

Analog zur der in Abbildung 4.6 im Abschnitt 4.5.1 dargestellten Annotation der Beziehungen der Frame-Elemente mehrerer verwandter Frames (dort sind es die Frames Cause_to_perceive,Communicationund Reasoning) ist es also genauso plausibel, den Frames Causation und Cause_change und den in der Tabelle 6.2 gegenübergestellten Frame-Elementen eine direkte Verwandschaftsbeziehung zuzuweisen.

In Bezug auf die Belegextraktion aus Korpora haben die Untersuchungen in den Ka-piteln 4 und 5 gezeigt, dass sich insbesondere Instanzen der Konstruktionen in (272) und (273) mit den Strukturen [Xmacht (deutlich|klar) SATZ] und [Xmacht (NPAKK(Y)) auf-merksam darauf SATZ] durch das Vorhandensein eines Komplementsatzes bei gleichzei-tigem Fehlen eines nominalen Akkusativobjekts klar von Instanzen der allgemein kausati-ven Kontruktion (276) abgrenzen lassen. Sie sind dadurch in Korpora mit entsprechender Annotation auch gut automatisch extrahierbar.

Selbst bei einer Suche, die allein auf Wortformen basiert und demzufolge in jedem toke-nisierten Korpus möglich ist, fallen Instanzen der Konstruktion (272) auf, wie Fehrmann (2015: 122) anhand der Daten aus dem Wortschatzportal der Uni Leipzig16 beobachtet:

„In Bezug aufdeutlich machen lassen sich die hohen Korrelationswerte fürdass und das (vermutlich Nebensätze abtrennende) Komma als Reflex der [. . . ] Konstruktion mit Ob-jektsätzen interpretieren, was durch die Sichtung der erweiterten Beispielliste bestätigt wird“ (Fehrmann, 2015: 122; Hervorhebung im Original). Eine in hohem Maße auto-matisierte Extraktion von Vorkommen der einen Kommunikationskontext kodierenden Strukturen ist also möglich.

16http://http://wortschatz.uni-leipzig.de/de(8.3.2017)

6.4 Anwendung der Ergebnisse im Bereich Deutsch als