• Keine Ergebnisse gefunden

Zwei-Farben-Anrege-Abfrage-Experimente in Graphen

8. Zusammenfassung und Ausblick

Diese Arbeit präsentiert Ultrakurzzeitexperimente an Graphen, welche zum Verständnis der fundamentalen Streuprozesse von Elektronen untereinander sowie zwischen Elektronen und Phononen beitragen. Anregung mittels Femtosekundenlaserimpulsen von weniger als 7 fs Dauer führt zu einer starken Nichtgleichgewichtsverteilung von Ladungsträgern in der Um-gebung des K-Punktes der Bandstruktur. Abfrage-Impulse im nahinfraroten und sichtbaren Spektralbereich vermessen die von den angeregten Ladungsträgern induzierte Absorptions-änderung. Die Anrege-Abfrage-Geometrie ermöglicht damit einen Zugang zu den vorherr-schenden Relaxationsmechanismen der Prozesse und den dazugehörigen Zeitskalen. Zentrale Ergebnisse dieser Arbeit beschreiben die zeitliche Entwicklung einer anisotropen Ladungs-trägerverteilung innerhalb derkx-ky-Ebene der Bandstruktur. Dabei wird Elektron-Phonon-Streuung als maßgeblicher Prozess für die Isotropisierung der Ladungsträgerverteilung iden-tifiziert und es gelingt erstmals, die Streuzeit für diese Umverteilung der Impulse innerhalb des Dirackegels zu bestimmen.

Die verwendeten Graphenproben bestehen lediglich aus einer einzigen Lage Graphen auf dünnen Quarzglassubstraten. Für die Herstellung kommt chemische Gasphasenabscheidung zum Einsatz. Dotierung durch das Substrat und Defektdichte der Proben werden mittels Ramanspektroskopie bestimmt. Es liegt eine schwache Dotierung mit Defektelektronen und eine niedrige Defektdichte vor.

Linear polarisierte Laserimpulse mit einer Photonenenergie von 1.6 eV regen Ladungsträger in der Umgebung des K-Punktes der Bandstruktur resonant in das Leitungsband an. Aufgrund der Pseudospinauswahlregeln kommt es zu einer unterschiedlich großen Ladungsträgerbesetzung entlang der kx- und ky-Richtungen des Impulsraumes. Abfrage-Impulse mit paralleler und senkrechter Polarisation bezüglich der Anrege-Abfrage-Impulse detektieren die Ladungsträgerbesetzung entlang der verschiedenen Impulsrichtungen und ermöglichen auf diese Weise eine Bestimmung der Ladungsträgeranisotropie. Quasi-instantan setzt Elektron-Elektron- sowie Elektron-Phonon-Streuung ein und verbreitert die anfangs schmale Ladungsträgerverteilung im Leitungsband. Das Experiment ermöglicht es erstmals, die ultraschnelle Dynamik des Verschwindens der Anisotropie zeitlich aufzulösen. Bereits nach 60 fs liegt eine gleichmäßige Verteilung der Ladungsträger vor, unabhängig von der Höhe der angeregten Ladungsträgerdichte. Die Auswertung der verschiedenen Dichten von angeregten Ladungsträgern führt zur Erkenntnis, dass die Emission von optischen Phononen, nicht Elektron-Elektron-Prozesse, verantwortlich für die Isotropisierung der Ladungsträgerverteilung in der kx-ky-Ebene ist. Gleichzeitig schließt die kurze Streuzeit einen Beitrag durch akustische Phononen aus. Ausgehend von hohen Anregungsdichten steigt der Grad der Anisotropie für kleiner werdende Dichten stetig an – ein Verhalten, das sehr gut mithilfe eines analytischen Modells von M. Trushin beschrieben wird.

Folglich liefert das vorgestellte Experiment wichtige Erkenntnisse zum Verständnis der Pseudospindynamik in Graphen. Die Resultate wurden in der Fachzeitschrift Physical Review B veröffentlicht [Tru15].

Weitere Ergebnisse dieser Arbeit behandeln die Modulation von optischen Übergängen in Graphen auf einer Femtosekunden-Zeitskala. Ladungsträger werden mit Photonenenergien von 1.6 eV und einer Impulsdauer von weniger als 7 fs ins Leitungsband angeregt. Ein blau-verschobenes Abfrage-Spektrum mit Photonenenergien bis zu 2.4 eV ermöglicht die Detektion von gestreuten Ladungsträgern in höherenergetische Zustände. Bereits während der Dauer der Anregung streuen die Ladungsträger durch elektronische Wechselwirkungen ins Leitungsband, wobei die großen Abfrage-Photonenenergien es ermöglichen, den hochenergetischen Ausläu-fer der Ladungsträgerverteilung zu untersuchen. Besetzte Zustände bei geringen Abfrage-Energien nahe der Anrege-Energie führen zu einem Ausbleichen der Absorption. Die höchsten Abfrage-Energien zeigen jedoch ausschließlich erhöhte Absorption, welche sich quasi-instantan auf der Zeitskala der Anrege-Impulse einstellt. Während die angeregte Nichtgleichgewichtsver-teilung der Ladungsträger thermalisiert und anschließend abkühlt, verschwindet die Signatur der ausgebleichten Absorption auch bei geringeren Abfrage-Energien. Der untersuchte Spek-tralbereich ist dann vollständig durch die induzierte Absorption geprägt. Eine wichtige Er-kenntnis stellt die Unabhängigkeit der beiden Signale fest. Sie sind nicht durch Ratenglei-chungen oder einen Energieübertrag verknüpft und treten zeitgleich in Erscheinung. Die hier beobachtete induzierte Absorption beruht auf der Gesamtzahl der sich im Leitungsband befindenden Ladungsträger und nicht auf der individuellen Besetzung an einem bestimmten Punkt in der Bandstruktur. Mögliche Mechanismen sind Intraband-Absorption von Elektro-nen unter Emission von PhonoElektro-nen sowie VielteilchenkorrelatioElektro-nen, die eine Renormierung der Bandstruktur durch Abschirmung von Ladungsträgern hervorrufen. Es wird die offene Fragestellung der zusätzlichen Absorption und damit verbundenen Ladungsträgerdynamik in Graphen beleuchtet. Diese Arbeit präsentiert damit wichtige Erkenntnisse, die zur abschlie-ßenden Klärung des zusätzlichen Absorptionsmechanismuses beitragen können.

Das dritte Thema dieser Arbeit behandelt die Physik der Ladungstrennung an Grenzflächen in organischen und hybriden Solarzellen auf ultrakurzen Zeitskalen. Organische PCBM:P3HT-und hybride TiO2:P3HT-Heteroübergänge dienen als prototypische Modellsysteme, der reine Donator P3HT als Kontrolle. Anrege-Impulse im sichtbaren Spektralbereich treiben denπ-π? -Übergang des Polymers und regen eine Besetzung der Exziton-Zustände im Polymer (P3HT) an. Verschiedene Abfrage-Impulse im sichtbaren und nahinfraroten Spektralbereich vermessen das induzierte Ausbleichen der Polymerabsorption sowie induzierte Absorptionen durch an-geregte Exziton-Zustände, Polaron-Paare und Übergangszustände an der Donator-Akzeptor-Grenzfläche. Erst eine gemeinsame Diskussion der verschiedenen Beobachtungen aus den unterschiedlichen Materialsystemen deckt Unterschiede in der Ladungstrennung auf. Der rein organische Heteroübergang in PCBM:P3HT führt zu effizienter Ladungstrennung mittels des Übergangszustandes an der Grenzfläche. Im Fall des anorganischen Akzeptors TiO2 verlassen die angeregten Ladungsträger ebenfalls das Polymer, wie die Absorption des angeregten Exziton-Zustandes zeigt. Der Verlauf der Anregung kann jedoch nicht vollständig nachverfolgt werden. Auf ultrakurzen Zeitskalen tritt eine verblüffende Gemeinsamkeit in der Absorption durch Polaronen in allen untersuchten Materialsystemen auf. Eine kohärente Anregung der Polaronen ist hier nicht der dominierende Einfluss bei der Erzeugung freier Ladungsträger.

Die entscheidende Rolle spielen inkohärente Prozesse. Diese Untersuchung stellt zahlreiche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen organischen und hybriden Heteroübergängen dar. Die Vielzahl an ausgewerteten Ergebnissen ermöglicht damit ein umfassenderes Bild der Ladungstrennung. Aus den Ergebnissen entstand eine Veröffentlichung imJournal of Physical Chemistry Letters [Gru17].

Um herausragende Untersuchungen an zweidimensionalen Materialien und an Grenzflächen zu ermöglichen, wurde für diese Arbeit ein experimenteller Aufbau konzipiert und von Grund auf errichtet. Der Ausgangspunkt ist moderne Laserverstärkertechnologie auf Basis ytterbiumdotierter Kristalle mit einer Emissionswellenlänge von 1030 nm. Drei ultrabreitbandige optisch-parametrische Verstärker in nichtkollinearer Konfiguration stellen eine extrem breite spektrale Abdeckung über vier optische Oktaven bereit, welche sich vom infraroten bis in den sichtbaren Spektralbereich erstreckt. Mittels dispersionskompensierender, dielektrischer Spiegel und Prismen gelingt eine zeitliche Kompression der Halbwertsbreite der Intensitätseinhüllenden bei Impulsen vom sichtbaren bis zum nahinfraroten Spektralbereich auf bis zu 7 fs. Bei einer Zentralwellenlänge von 1.2 µm beträgt die kürzeste erreichte Impulsdauer 20 fs. Ein für diesen Aufbau entwickeltes Modulationsverfahren beruht auf einer Pockelszelle. Es moduliert den gesamten Ausgang eines optisch-parametrischen Verstärkers mit Frequenzen bis zur Repetitionsrate von 50 kHz, ohne zusätzliche Dispersion hinzuzufügen oder den Einsatz beweglicher Teile. Die Technik macht sich die starke Nichtlinearität der Weißlichterzeugung zunutze und erreicht damit eine Absenkung der Intensität um 60 dB. Extrem rauscharme Einzelkanaldetektion mit balancierten Photodioden garantiert eine Messempfindlichkeit, die lediglich durch das Schrotrauschen des Photostroms limitiert ist. Ergänzend dazu zeichnet ein speziell entwickeltes Spektrometer das Spektrum jedes einzelnen Laserimpulses mit einer Rate von bis zu 50 kHz auf. Diese Technik ermöglicht die Detektion großer Spektralbereiche im Sichtbaren mit annähernd schrotrauschbegrenzter Empfindlichkeit. Ein Artikel, der den gesamten experimentellen Aufbau beschreibt, ist imJournal of Optics veröffentlicht [Gru18].

Der in dieser Arbeit vorgestellte experimentelle Aufbau ist darauf ausgerichtet, verschie-denste Konfigurationen an Anrege-Abfrage-Experimenten zu ermöglichen. Entwurf wie Um-setzung eröffnen ausgesprochen große Flexibilität und Durchstimmbarkeit vom sichtbaren bis in den infraroten Spektralbereich. Weiterführende Arbeiten setzen auf Materialien mit Schichtstruktur, wie etwa Galliumselenid. Vielversprechende Experimente liefern hier bereits erste Erkenntnisse [Bud17] und eröffnen Perspektiven für eine Ausdehnung der Aktivitäten auf keramische Hochtemperatursupraleiter. Besonders interessant stellt sich die Kombination aus ultrakurzer Anregung durch die vorhandenen optisch-parametrischen Verstärker mit THz-Abfrage-Impulsen im mittleren Infrarot dar. Damit kann die Dynamik niederenergetischer Anregungen, wie die des phononischen Systems, untersucht werden.

Die Adaption weiterer optisch-parametrischer Verstärker auf die Emissionswellenlänge der Ytterbiumionen bietet mögliche Ergänzungen des verfügbaren Spektralbereichs zu längeren Wellenlängen im Bereich von 1.5 µm bis 2.5 µm. Diese Erweiterung ermöglicht es, die spek-trale Signatur von hochdotierten Germanium-Dünnschichten innerhalb der fundamentalen Bandlücke zu studieren. Eine andere mögliche Erweiterung stellt ein optisch-parametrischer Verstärker mit einer Zentralwellenlänge von 1 µm dar. Dieser kann die Lücke in der spektralen Abdeckung schließen und auf diese Weise die Flexibilität des Aufbaus noch weiter steigern.

Die gezeigten Experimente zur Pseudospindynamik in Graphen stellen eine abgeschlossene Untersuchung dar und werden nicht weiter fortgeführt. Pseudospinfreiheitsgrade existieren ebenfalls in anderen zweidimensionalen Materialien, wie etwa in Molybdändisulfid oder Wolframdiselenid, und bieten interessante Fragestellungen zu Elektron-Elektron- und Elektron-Phonon-Wechselwirkungen. Weiterführende Experimente zur Dynamik der

Ladungstrennung in hybriden TiO2:P3HT-Heteroübergängen sind vielversprechend.

Ultraviolette Abfrage-Impulse können die Interbandübergänge des Akzeptors TiO2 erreichen.

Damit ließe sich möglicherweise ein direkter Nachweis für den Übertrag der elektronischen Anregung vom Polymer auf den Akzeptor erbringen.

Zusammenfassend stellt der in dieser Arbeit präsentierte experimentelle Aufbau ein mo-dernes Spektroskopiewerkzeug dar, mit dem bereits zahlreiche erfolgreiche Experimente an unterschiedlichsten Materialsystemen durchgeführt werden konnten. Das Potential des Auf-baus ist bisher kaum ausgeschöpft und der Aufbau verspricht weitere spannende Ultrakurz-zeitexperimente an kondensierter Materie.