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Graphen besitzt aufgrund der zweiatomigen Basis genau drei akustische und drei optische Schwingungsmoden des Kristallgitters. Für Phononen mit hoher Energie lassen sich, wegen der schwachen Kopplung der einzelnen Atomlagen untereinander, Erkenntnisse von Graphit gut auf Graphen übertragen [Dub03]. Die Phononendispersion einer dünnen Graphitschicht konnte experimentell mithilfe von inelastischer Röntgenstreuung bestimmt werden [Mau04].

An den Symmetriepunkten ergibt sich bei den optischen Zweigen eine flache Dispersion mit den Eigenenergien EΓ,LO = 198 meV, EΓ,T O = 192 meV undEK,T O = 162 meV. LOund T O bezeichnen dabei den longitudinal-optischen und den transversal-optischen Zweig.

Die akustischen Zweige in Graphen teilen sich auf in Moden innerhalb der Schichtebene und senkrecht dazu. Die longitudinal- und transversal-akustischen Moden befinden sich in der Schichtebene. Sie besitzen eine annähernd lineare Dispersion in der Umgebung des Γ-Punktes.

Die dritte Mode zeigt aus der Ebene heraus und besitzt eine quadratische Dispersion.

3.2. Elektronische Eigenschaften

Die besonderen Merkmale, die Graphen auszeichnen, resultieren größtenteils aus den elek-tronischen Eigenschaften und insbesondere aus der Bandstruktur. Der lineare Verlauf der Dispersion an den K-Punkten der Brillouin-Zone ist dabei von besonderer Bedeutung. Er spielt auch für die Interpretation, der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Experimente, eine entscheidende Rolle.

3.2.1. Bandstruktur

Die Kohlenstoffatome besitzen vier Valenzelektronen, jeweils zwei 2s-Elektronen und zwei 2p-Elektronen. Durch Überlagerung der Wellenfunktionen ergibt sich eine sp2-Hybridisierung.

Das s-Orbital und zwei p-Orbitale bilden ein Hybridorbital mit trigonal planarer Ausdeh-nung [Cas09]. Zwischen den Kohlenstoffatomen entsteht dadurch ein stark gebundenes σ -Band. Aufgrund der starkenσ-Bindung ist der Energieabstand zwischen dem bindenden und antibindenden Band etwa 11 eV groß. Das verbleibendepz-Orbital steht senkrecht dazu und es bilden sich kovalente Bindungen mit den benachbarten Kohlenstoffatomen. Da jedes Atom nur ein Elektron beisteuert, ergibt sich ein halb gefülltes π-Band. Zusätzlich besitzt das pz -Orbital keinen Überlapp zu den anderen -Orbitalen. Physikalische Effekte im Energiebereich um einige eV, wie sie in den Experimenten dieser Arbeit auftreten, sind daher maßgeblich durch den Charakter des π-Bandes bestimmt.

Die analytische Berechnung der Einteilchen-Bandstruktur von Graphen erfolgt mithilfe eines Tight-Binding-Ansatzes [Wal47]. Dabei wird angenommen, dass jedes Atom nur ein Valenzelektron besitzt und dieses stark an den Kern gebunden ist. In diesem Fall ist das daspz

Elektron, die übrigen Elektronen sind durch die σ-Bindung abgeschirmt. Die Wellenfunktion ist dann die Linearkombination aus den Orbitalen der einzelnen Atome:

Ψλ(k,r) = X

s=A,B

Csλ(ks(k,r) = X

s=A,B

Csλ(k)√1 N

X

Rs

eik·Rsφ(rRs). (3.1) Es werden dabei Blochwellenfunktionen Φ für beide Untergitter A und B summiert und mit den Koeffizienten Csλ gewichtet. N ist die Anzahl der Einheitszellen des Gitters und Rs der zugehörige Gittervektor. Die Wellenfunktionen der pz-Orbitale, hier Φ(r−RS), werden

mitpz-Wellenfunktionen des Wasserstoffatoms genähert. Die zweite Summe in Gleichung 3.1 berücksichtigt den Einfluss jeder atomaren Wellenfunktion an einem Ortr. Es ist hier jedoch ausreichend, nur Wechselwirkungen zu den nächsten Nachbaratomen auszuwerten. Bereits der Einfluss der übernächsten Nachbaratomen stellt eine Korrektur dar, welche bei kleinen Ener-gien im Bereich einiger eV, nicht relevant ist. Aus der Schrödingergleichung können schließlich die Energieeigenwerte errechnet werden. Man findet zwei Lösungen, die ein Valenzband und ein Leitungsband beschreiben:

ε±k = o±γ0|e(k)|

s0|e(k)|, (3.2)

wobei die Tight-Binding-Parameter 0, γ0 und so aus Experimenten oder mit anderen Be-rechnungen ermittelt werden müssen. Die Funktione(k) beschreibt die Beiträge der nächsten Nachbarn:

|e(k)|= [3 + 2 cos(k·(a1a2)) + 2 cos(k·a2) + 2 cos(k·a1)]12 . (3.3) Abbildung 3.3 zeigt eine dreidimensionale Darstellung der Bandstruktur. Das Maximum des Leitungsbandes liegt im Zentrum der Brillouinzone. Am M-Punkt liegt ein Sattelpunkt.

Die Berührpunkte von Leitungs- und Valenzband liegen genau an den Punkten K und K’.

Dementsprechend besteht die Fermi-Fläche nur aus diesen 6 Punkten, den Diracpunkten.

Es handelt sich um einen Halbleiter mit verschwindend kleiner Bandlücke bzw. um ein Halbmetall. Eine genaue Analyse der Bandstruktur um den K-Punkt in Abbildung 3.3 zeigt,

Abbildung 3.3.: Bandstruktur von Graphen im Tight-Binding-Modell. Gezeigt ist das Valenz- und das Leitungsband mit den Tight-Binding-Parametern γ0 = 2.84 eV, s0 = 0 und 0 = 0. Die Vergrößerung links stellt die Umgebung des K-Punktes dar.

3.2. Elektronische Eigenschaften

dass der Verlauf der Dispersion, für Energien bis etwa 3 eV, in guter Näherung als lineare Funktion mit der Fermi-Geschwindigkeit νF = γ0

3a0/(2~) = 0.92·106m s−1 angegeben werden kann:

ε±k =±~νF|k|. (3.4)

Dieses Ergebnis wurde erstmals 1947 berechnet [Wal47], lange bevor einzelne Graphenlagen isoliert werden konnten [Nov04]. Besonders ist, dass die Fermi-Geschwindigkeit weder vom Wellenvektor noch von der Energie abhängt. Der Verlauf der Dispersionsrelation gleicht dem eines Kegels, weshalb die Bezeichnung Dirackegel für die Umgebung des K-Punktes geläufig ist.

Zur Übersicht zeigt Abbildung 3.4 die Bandstruktur entlang der Hochsymmetriepunkte der Brioullinzone. Wie in den folgenden Abschnitten noch weiter ausgeführt wird, spielt die Umgebung des K-Punktes der Bandstruktur eine besondere Rolle für die Experimente in dieser Arbeit. Aus der Bandstruktur wird schnell ersichtlich, dass sich optische Übergänge mit Photonenenergien E < 3 eV sämtlich der direkten Umgebung des K-Punktes zuordnen lassen, für die die lineare Dispersionsrelation (Gleichung 3.4) gerechtfertigt ist. Bänder in anderen Halbleitern weisen oft einen parabolischen Verlauf auf und die Krümmungen von Valenz- und Leitungsbändern sind verschieden. Die besondere Symmetrie der Bandstruktur von Graphen grenzt es daher deutlich von anderen Halbleitern ab. Ein erster experimen-teller Nachweis der linearen Bandstruktur gelang mittels winkelaufgelöster Photoelektronen-Spektroskopie (engl. angular-resolved photoemission spectroscopy, ARPES) [Bos06]. Dabei wurden mit extrem ultravioletter Laserstrahlung Photoelektronen aus einer Graphenprobe ausgelöst und anschließend winkel- und energieaufgelöst detektiert. Auf diese Weise lässt sich die Bandstruktur rekonstruieren.

Intrisisches Graphen ist undotiert und besitzt ein chemisches Potential, das sich auf dem Berührpunkt von Valenz- und Leitungsband befindet (vgl. Kapitel 3.2.1). Liegt Graphen nicht intrinsisch vor, hat dies starke Einflüsse auf die elektrischen und optischen Eigenschaf-ten. Das Ferminiveau verschiebt sich oberhalb oder unterhalb des Diracpunktes wodurch die Symmetrie zwischen Valenz- und Leitungsband aufgehoben wird und die Besetzungs-wahrscheinlichkeiten für Elektronen und Löcher folglich getrennt betrachtet werden müssen.

Zusätzlich liegt in dotiertem Graphen eine stärkere Abschirmung des Coulombpotentials vor.

Die Dynamik von angeregten Ladungsträgern ist auf diese Weise ebenfalls von der Dotierung abhängig [Kad15].

Bereits die Anwesenheit von Adsorbaten, wie sie durch Luftfeuchtigkeit entstehen, oder die Wechselwirkung mit dem Substrat erzeugen eine nennenswerte Dotierung der Graphenla-ge [Cas07, Das08]. Extreme Beispiele sind Metalle wie Kupfer(111) oder Nickel(111), welche hohe Dotierungen hervorrufen und damit das Ferminiveau um 0.5 eV [Gao10] und 2 eV [Ded08]

verschieben. Auf dielektrischen Substraten ist die Dotierung geringer und entspricht nur einer Verschiebung des Ferminiveaus um wenige hundert meV (vgl. Abschnitt 3.6.1). Liegen Verschiebung des Ferminiveaus und Photonenenergie im Experiment in der selben Größenord-nung, muss die Ladungsträgerbesetzung mit größter Sorgfalt bei der Auswertung von Mess-ergebnissen berücksichtigt werden, wie Experimente im mittleren Infrarot zeigen [Win13a].

Bei großen Photonenenergien gegenüber dem Ferminiveau kann die Besetzung vernachlässigt werden, der Einfluss auf Elektron-Elektron-Streuung im Coulomb-Potential jedoch nicht.

Simulationen zeigen, dass bei starker n-Dotierung von 300 meV, die erhöhte Anzahl an Streu-partnern im Leitungsband die Zeit für Thermalisierung einer angeregten Ladungsträgervertei-lung auf 30 fs reduziert [Kad15], während Löcher nach dieser Zeit noch eine nicht-thermische Verteilung aufweisen.

3.2.3. Zustandsdichte

Mit den Ergebnissen des Tight-Binding-Ansatzes für die Bandstruktur kann eine Zustands-dichte für Graphen berechnet werden. Dazu wird lediglich die Wechselwirkung mit den nächsten Nachbaratomen betrachtet und die Zustandsdichte in der Umgebung des K-Punktes der Bandstruktur ausgewertet [Hob53]:

ρ(E) = 2Ac

π

|E|

vF2 , (3.5)

wobei Ac = 3√

3a2/2 die Fläche der Einheitszelle angibt. Um den Diracpunkt steigt die Zustandsdichte linear mit dem Betrag der Energie. Bildlich gesprochen skaliert die Zustands-dichte also mit dem Umfang des Dirackegels. Aufgrund der Symmetrie zwischen Valenz- und Leitungsband und der Möglichkeit zur Besetzung jedes Zustandes durch zwei verschiedene Spinzustände ist die Zustandsdichte vierfach entartet. Bezieht man zusätzlich die Symmetrie zwischen den Punkten K und K’ mit ein, erhöht sich die Entartung um einen weiteren Faktor zwei.