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3.4.1. Elektron-Elektron-Streuung

Ladungsträger in Graphen unterliegen einer starken räumlichen Einschränkung. Diese führt dazu, dass Elektron-Elektron-Streuprozesse im Coulombpotential besonders effizient sind.

Das Matrixelement für einen solchen Streuprozess lautet [Hau09]:

Vll1,l2

3,l4 =Z dr

Z dr0Ψ?l1(r?l2(r0)V(rr0l4(r0l3(r0) (3.13) mit den Wellenfunktionen der beteiligten Ladungsträger Ψi und einem vereinfachten Index li = (λi,ki) für das beteiligte Band und den Wellenvektor. Im Matrixelement enthalten ist das Coulombpotential

V(rr0) = e20 4πε0

1

|r−r0|, (3.14)

mit der Vakuumpermittivitätε0. Obwohl sich die Atome in Graphen lediglich in einer Ebene anordnen, skaliert das Coulombpotential mit 1/r. Die Ursache liegt darin, dass nur die Ladungsträger in einer Ebene eingeschlossen sind, die Feldlinien jedoch nicht.

Mit den Matrixelementen kann die Streurate für Elektron-Elektron-Streuung Γl,e−e aufge-stellt werden [Mal13b]: Streuung in einen besetzen Zustand ist wegen des Pauli-Prinzips unterdrückt und wird über die Besetzungswahrscheinlichkeiten ρ(li) der einzelnen Zustände berücksichtigt. Für die beteiligten Zustände ergibt sich damit Re−e(t) = ρl1(t)[1−ρl2(t)][1−ρl3(t)]. Dabei streut ein Elektron vom Zustand l1 nach l3, sein Streupartner entsprechend von l2 nach l4. Die δ-Funktion wurde hinzugefügt um Energieerhaltungεl1+εl2 =εl3+εl4 zu gewährleisten. Die Impulserhaltungk1+k2 =k3+k4 ist in den Coulombmatrixelementen enthalten.

kx

Abbildung 3.5.: Darstellung der Bandstruktur von Graphen am K-Punkt. Grau hinterlegte Bereiche stellen besetzte Zustände dar. Schematisch sind verschiedene Elektron-Elektron-Streuprozesse ein-gezeichnet: a) Intrabandstreuung, b) Interbandstreuung, c) Augerrekombination und d) Stoßionisation.

3.4. Ladungsträgerdynamik

Es wird unterschieden, ob Ladungsträger bei einem Streuprozess innerhalb eines Bandes verbleiben (Intrabandstreuung) oder ob Übergänge zwischen Leitungs- und Valenzband (In-terbandstreuung) stattfinden. Beispiele, für die in dieser Arbeit relevanten Prozesse am K-Punkt der Bandstruktur, sind schematisch in Abbildung 3.5 gezeigt.

Teil a) zeigt Intrabandstreuung mit dem MatrixelementVc,cc,cund b) Interbandstreuung mit Vc,vv,c. Die Teile c) und d) zeigen Spezialfälle der Interbandstreuung bei denen sich die Anzahl der Ladungsträger in einem Band ändert. Diese letzten, als Augerprozesse bezeichneten Streuvorgänge, können in Graphen, aufgrund der verschwindenden Bandlücke, gut beobachtet werden und sind ungewöhnlich stark. In anderen Halbleitern mit direkter Bandlücke sind diese dagegen sehr ineffizient, da nur wenige Elektron-Elektron-Streuvorgänge Energie- und Impulserhaltung zugleich erfüllen. Quantentöpfe aus III-V Halbleitern, wie beispielsweise aus GaAs oder InGaAs, besitzen Augerstreuzeiten von 500 ps bis zu 50 ns [Har05, Col12].

Bei vergleichbaren Ladugsträderdichten beträgt die Streuzeit in Graphen etwa 1 ps [Ran07].

Augerrekombination beschreibt die Streuvorgänge, bei denen die Ladungsträgerdichte im Leitungsband abnimmt. Ein Elektron streut aus dem Leitungsband zurück ins Valenzband.

Die Überschussenergie hebt dabei ein anderes Elektron in einen höheren Zustand, z. B. im Leitungsband (Abb. 3.5 c)). Der inverse Vorgang ist Stoßionisation. Ein Leitungsbandelektron streut aus einem Zustand hoher in einen mit geringerer Energie. Gleichzeitig wird ein Elek-tron aus dem Valenzband ins Leitungsband angeregt. Wie Teil d) illustriert, vergrößert der Vorgang die Anzahl der Ladungsträger im Leitungsband. Durch die Absorption eines Photons können auf diese Weise mehrere Elektron-Loch-Paare angeregt werden und man spricht von Ladungsträgervervielfachung.

Möglich sind auch Streuprozesse zwischen den Punkten K und K’ der Bandstruktur. Diese sind mit einem großen Impulsübertrag verbunden. Da aus der Fouriertransformation des Coulombmatrixelements eine reziproke Abhängigkeit von der Änderung des Wellenvektors V(q) ∝ 1/q = 1/(k1k3) hervorgeht, ist die Wahrscheinlichkeit für diese Prozesse sehr gering [Str11].

Bei allen in Abbildung 3.5 gezeigten Beispielen wird gleichzeitig Energie und Impuls entlang einer Geraden in der Energie-Impuls-Darstellung ausgetauscht. Für Augerprozesse ist der Phasenraum also eindimensional, wodurch kollineare Streuung die einzig erlaubten Elektron-Elektron-Stoßprozesse sind [Ran07, Tom13]. Intrabandstreuung erlaubt dagegen einen wei-teren Spezialfall. In Abbildung 3.6 ist dazu ein Schnitt durch die Bandstruktur entlang der kx-ky-Ebene bei fester Energie gezeigt. Hier bleiben die Energien der einzelnen Streupartner sowie die Beträge der Einzelimpulse gleich und es ändert sich nur die Richtung der Impulse. Es findet also lediglich eine Umverteilung der Ladungsträger in der kx-ky-Ebene statt, während die energetische Verteilung unverändert bleibt. Dieser Prozess steht damit im Gegensatz zu

Abbildung 3.6.: Darstellung der Bandstruktur von Graphen am K-Punkt. Gezeigt ist ein Schnitt entlang derkx−ky−Ebene bei fester Energie oberhalb des Diracpunktes. Schematisch ist ein Elektron-Elektron-Streuprozess eingezeichnet, bei welchem sich lediglich die Impulsrichtungen austauschen. Die Beträge der Einzelimpulse sowie die Energien der Ladungsträger bleiben konstant.

kx

den oben beschriebenen kollinearen Steuprozessen, bei denen sich die Besetzung nur entlang einer Impulsrichtung verändert.

Bisher ist die gesamte Betrachtung einzig auf Elektronen bezogen. Durch die Symmetrie zwischen Valenz- und Leitungsband, mit denselben Zustandsdichten und effektiven Massen für Elektronen und Löcher, gelten alle Überlegungen gleichermaßen für Streuprozesse zwischen Löchern.

3.4.2. Elektron-Phonon-Streuung

Für die Ladungsträgerdynamik in Graphen spielen Streuprozesse mit Phononen eine wichtige Rolle [Bre11]. Findet Elektron-Phonon-Streuung statt, ist der ausgetauschte Impuls entweder sehr klein (q≈0), was einem Streuprozess in der Umgebung des K-Punktes entspricht, oder aber sehr groß (q ≈ 4π/(√

3a0), was einem Streuprozess zwischen den Punkten K und K’

entspricht. Die Matrixelemente für die Streuung mit optischen Phononen besitzen dabei keine Abhängigkeit vom Impulsübertrag, also dem Betrag des Wellenvektors [Pis04]. Relevant ist jedoch der Winkelφzwischen dem Wellenvektor des Elektrons vor und nach der Streuung mit einem Phonon. Dieser führt zu einer cosinusförmigen Modulation der Streuwahrscheinlichkeit als Funktion dieses Winkels. Zusätzlich muss zwischen Intraband- und Interbandstreuung unterschieden werden.

Betrachten wir zunächst die Phononen am Γ-Punkt, welche nur wenig Impuls tragen.

Beträgt die Winkeländerung genau 0°, also bei Streuprozessen entlang des Dirackegels, ver-schwindet das Matrixelement für ΓLO Phononen bei Intraband-Streuung und das Matrixele-ment ΓTO für Interbandprozesse. Hingegen werden beide bei einer Winkeländerung von 90°, also Streuprozessen quer durch den Dirackegel, maximal. Gerade das umgekehrte Verhalten ergibt sich für die Phononenzweige bei Vertauschung von Intraband- und Interbandprozes-sen [Pis04, Laz05].

Phononen am K-Punkt besitzen ebenfalls die Abhängigkeit vom Winkel φ, aber es zeigt sich ein komplemetäres Verhalten in der Winkelabhängigkeit zwischen Intraband- und Inter-bandprozessen. Die Elektron-Phonon-Wechselwirkung mit K-Phononen ist mehr als dopplet so stark wie mit Γ-Phononen. Der große Impuls, welcher mit K-Phononen verbunden ist, ermöglicht es Elektronen vom Punkt K zu K’ in der Bandstruktur zu streuen. Dies ist beispielhaft in Abbildung 3.7 dargestellt. Der gestrichelte Pfeil stellt den Übergang des Elektrons und der gewellte Pfeil die Phononemssion dar.

kx

Abbildung 3.7.: Bandstruktur von Graphen an den Punkten K und K’. Schematisch sind verschiedene Elektron-Phonon-Streuprozesse ein-gezeichnet. Gewellte Pfeile entsprechen Pho-nonenemission, durchgezogene und gestrichelte Pfeile stellen den Übergang von Ladungsträgern dar.

3.4. Ladungsträgerdynamik

Im Vergleich zu Elektron-Elektron-Streuung, welche hauptsächlich kollinear stattfindet, er-möglicht die Streuung an optischen Phononen zusätzlich eine effiziente Umverteilung von Impulsen in der kx-ky-Ebene. Bei hohen Ladungsträgerenergien dominiert Streuung an op-tischen Phononen. Haben die Ladungsträger hinreichend viel Energie abgegeben, sinkt die Wahrscheinlichkeit für die Emission eines optischen Phonons und Streuung an akustischen Phononen wird relevant. Im Gegensatz zur Streuung an optischen Phononen, skaliert das Ma-trixelement für Streuung an akustischen Phononen linear mit dem Wellenvektor des Phonons.

Weiter ist die Dispersion der akustischen Moden flacher als die der Elektronen. Emission von akustischen Phononen erfolgt daher nur bei Intrabandprozessen. Übergänge zwischen Leitungs- und Valenzband sind nicht möglich [Tse09].

3.4.3. Ultrakurzzeitdynamik und Relaxation von Ladungsträgern

Anrege-Abfrage-Experimente mit Zeitauflösungen von wenigen Femtosekunden erlauben das Studium von Ladungsträgerdynamiken fern ab des thermischen Gleichgewichtes [Bre11, Bri13]. In diesem Regime spielen sich die zuvor beschriebenen Elektron-Elektron-und Elektron-Phonon-Streuprozesse ab. Bereits zahlreiche Experimente widmen sich der Untersuchung dieser Dynamiken in Graphen [Lui10, Hal11, Sha11, Bri13].

Ladungsträger werden dabei mit einem ultrakurzen Laserimpuls schlagartig innerhalb weniger Femtosekunden angeregt. Bei Photonenenergien von etwa einem Elektronenvolt führt dies zu direkten Bandübergängen von Valenzbandelektronen ins Leitungsband in der Umgebung des K-Punktes der Bandstruktur. Anschließend verteilen Streuprozesse die Energie innerhalb des Leitungsbandes und führen auf längeren Zeitskalen zur Relaxation der Ladungsträger in deren Gleichgewichtszustände.

Einige wichtige Zwischenschritte dieses Prozesses sind in Abbildung 3.8 schemtisch darge-stellt. Dabei wird die Bevölkerungsdichten(E) der Elektronen als Funktion der Energie in der Umgebung des K-Punktes betrachtet. Negative Energien entsprechen Valenzbandzuständen und positive Energien Leitungsbandzuständen (vlg. Abbildung 3.3). Die ZustandsdichteD(E) der Elektronen ist als grau gestrichelte Linie eingezeichnet. Da diese proportional zur Energie der Elektronen skaliert, spiegelt Sie den Verlauf der Dispersion wider und dient als zusätzliche Orientierung. In die Berechnung der Bevölkerungsdichte geht neben der Zustandsdichte die Besetzungswahrscheinlichkeit der Ladungfsträgerf(E) ein:

n(E) =f(ED(E). (3.16) Herrscht ein thermisches Gleichgewicht mit der Umgebung (290 K), folgt f(E) der Fermi-Dirac-Statistik:

f(E) = 1

expE−µkBT+ 1 (3.17)

mit dem chemischen Potentialµund der BoltzmannkonstantenkB. In der Abbildung ist das chemische Potential mit der Fermienergie genähert und beträgt µEF =−200 meV. Dies entspricht der Dotierung, wie sie in der verwendeten Graphenprobe durch das Substrat verur-sacht wird (vgl. Abschnitt 3.6.1). Teilbild b) zeigt die Besetzung direkt nach dem Eintreffen eines Laserimpulses. Es werden Ladungsträger vom Valenz- ins Leitungsband angeregt. Die angeregte Bevölkerungsdichte kann nicht mit einer Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion beschrie-ben werden. Sie ergibt sich stattdessen aus dem gaußförmigen Spektrum des Laserimpulses

- 1 0 1

01 td = -

d ) c )

b ) a )

2 9 0 K

Carrier occupation n(E)

- 1 0 1

td = 0 f s

E n e r g y E ( e V )- 1 0 1

td = 2 0 f s

- 1 0 1

td = 5 0 f s 2 5 0 0 K

Abbildung 3.8.: Schematische Darstellung der Ladungsträgerbesetzung in Graphen als blaue Fläche.

Gestrichelt grau ist die Zustandsdichte D(E) eingezeichnet. a) Thermisches Gleichgewicht bei 290 K mit Fermienergie EF = −200 meV. b) Besetzung unmittelbar nach der Anregung durch einen ultrakurzen Laserimpuls. Die Verteilungsfunktion entspricht dem Spektrum des Impulses. c) Verbreiterte Verteilung durch Elektron-Elektron-Streuung wenige Femtosekunden nach der Anregung.

d) Thermische (Fermi-Dirac) Verteilung mit Temperatur 2500 K der Elektronen.

zusammen mit der Übergangswahrscheinlichtkeit und den vorherschenden Besetzungen von Anfangs- und Endzuständen. Bereits innerhalb weniger Femtosekunden verteilen sich die angeregten Ladungsträger durch Elektron-Elektron-Stöße im Leitungsband (Teil c)) [Hwa07, Pol08, Gon08]. Etwa 50 fs nach der Anregung (Teil d)) herrscht bereits ein thermisches Gleichgewicht innerhalb des elektronischen Systems [Bri13]. Die Verteilungsfunktion kann wieder mit der Fermi-Dirac-Statistik bei einer hohen Ladungsträgertemperatur, in diesem Beispiel 2500 K, beschrieben werden. Die Temperatur des Kritallgitters beträgt noch Um-gebungstemperatur, es herrscht also kein thermisches Gleichgewicht zwischen den Ladungs-trägern und dem Kristallgitter. Anschließend dominiert Phononen-Streuung, welche die hei-ße Ladungsträgerverteilung abkühlt. Elektronen streuen unter der Emission von optischen Phononen auf einer Zeitskala von 100 fs [Bre11]. Elektron-Phonon-Prozesse mit akustischen Phononen besitzten dagegen eine Dynamik von Pikosekunden [Tse09, Son12, Mal12]. Wie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben ist, treten sowohl Streuprozesse innerhalb eines Bandes, als auch zwischen Leitungs- und Valenzband auf. Rekombination von Ladungs-trägern ist daher maßgeblich durch Phononenstreuung bestimmt [Daw08]. Die Zeitskala, auf der Rekombination stattfindet, konnte durch Experimente mit optischer Anregung im nahen Infrarot und Abfragen der Leitfähigkeit im mittleren Infrarot auf den Bereich 1 ps - 15 ps bestimmt werden [Geo08].

In gewöhnlichen Halbleitern mit direkter Bandlücke, wie etwa Gallium-Arsenid, rekom-binieren Ladungsträger vorwiegend durch strahlende Interbandübergänge [Yu10]. Photolu-mineszens spielt dagegen in Graphen eine untergeordnete Rolle [Lui10]. Durch das Fehlen einer Bandlücke relaxieren Ladungsträger vollständig über die beschriebenen Elektronen-und Phononen-Streuprozesse. Direkte Dipolübergänge zwischen Valenz- Elektronen-und Leitungsband besitzen viel längere Zerfallszeiten und kommen daher nicht zum Tragen. Nur durch chemi-sche Modifikation von Graphen konnte Photolumineszens mit einer Lebensdauer von einigen hundert Pikosekunden beobachtet werden [Gok09].