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Im Herbst 1998 gab die GD Umwelt mehrere analytische Studien in Auftrag. Diese Studien wurden hauptsächlich von FIELD (Foundation for International Environmental Law and Development) und dem Center for Clean Air Policy (CCAP) in Washington durchgeführt (Interview Nr. 2). Laut Aussagen von verschiedenen Kommissionsbeam-ten der GD Umwelt wurden insbesondere das Center for Clean Air Policy und das Mas-sachussetts Institute for Technology involviert, da beide Forschungseinrichtungen zu dem Vorreitermodell aus den USA, dem SO2 Handelssystem, geforscht hatten (Inter-view Nr, 2, 6). FIELD galt dagegen als Experte für die UN-Klimaverhandlungen, euro-päische Rechtsfragen sowie für regulatorische Instrumente in der EU-Umweltpolitik (Interview Nr. 2). Zudem arbeitete das Emissionshandelsteam später intensiv mit der US Environmental Protection Agency als staatlicher Institution zusammen, da unter ihrer Leitung die NOx- und SO2-Programme in den USA durchgeführt worden waren (Inter-view Nr. 1).

Laut Aussagen der damals involvierten Mitarbeiter waren diese Kontakte vor allem in der Anfangsphase des agenda setting und der Problemdefinitionsphase in der Kommis-sion wichtig, da diese Institutionen ihre Erfahrungen aus den USA einbrachten und zeigen konnten, dass ein solches Handelssystem unter gewissen Umständen

funktionie-│177 ren kann (Interview Nr 1, ähnlich auch Nr. 2). An weiteren Studien war auch die NTUA (National Technical University of Athens) beteiligt, die vor allem die ökonomischen Effekte des Emissionshandels untersuchte (Interview Nr. 6). Zudem wurde die GD Wirtschaft und Finanzen zu diesem Zeitpunkt in die Zusammenarbeit mit den Partnern aus den USA und Europa involviert, um erste Designmöglichkeiten für ein Emissions-handelssystem zu diskutieren (Interview Nr. 6). In dieser Phase der Problemdefinition und der Diskussion über Designfragen wurden in der GD Umwelt ‚brainstorming’-Sitzungen abgehalten, die in regelmäßigen Abständen mit den Teilnehmern dieses ers-ten Konsultationsprozesses abgehalers-ten wurden (Interview Nr. 2). Allen in dieser Phase Beteiligten schien bewusst zu sein, dass die Akzeptanz eines Emissionshandelsmecha-nismus nur aufgrund eines sehr gut durchdachten Konzeptes geschaffen werden konnte:

„It helps a lot if you have a good concept. and I think the concept was incredibly good.

And the Europeans didn’t invent it and you know, credit has to be shared very widely”

(Interview Nr. 2).

Auch wenn die Vorlage des Emissionshandelskonzepts aus den USA kam, zeigte sich bereits in den ersten Monaten des Beratungsprozess mit Institutionen aus den USA und Europa, dass sich das SO2-Handelssystems nicht ohne weiteres auf CO2-Emissionen übertragen ließ: „Also wie gesagt, wir ham dagesessen vor einem weißen Blatt Papier und ham gesagt, wir machen jetzt Emissionshandel. (.) Es gab nichts, ja? (…) Wir sind damals alle nach Amerika gefahren und haben (?erst mal?) festgestellt, dass SO2 was ganz anderes als CO2 und Sie ham ja bis, bis zum (?Anfang?) nicht gewusst, über wel-che Mengenströme wir so wirklich reden“ (Interview Nr. 12). Offensichtlich fanden das Emissionshandelsteam der Kommission sowie seine Berater heraus, dass sich Sulfor als Substanz wesentlich besser steuern und überwachen ließ als Kohlendioxid und die Wis-senschaftler bei einem CO2-System vor einer neuen Herausforderung standen: „Alloca-tion of emissions permits is a major ques„Alloca-tion and no one has come up yet with a clear solution. Sulphur was a very easy substance to monitor. Here, we are in a completely new ball game“ (vgl. Johnstone: 1998).

Sämtlichen Beteiligten schien offensichtlich bewusst zu sein, dass mit dem Emissions-handelssystem ein bisher in Europa unbekanntes Instrument eingeführt werden würde

│178 und trotz der Vorgabe des Sulfor-Handelssystems aus den USA viele Neuerungen vor-genommen werden müssten. „ [Wir] haben einfach damals angefangen, Fragen zu stel-len: Was ist der Scope127, welche Anlagen, welche Sektoren sollen einbezogen werden?

Wo sich immer so die Praktiker und die volkswirtschaftlichen Theoretiker streiten. Also die volkswirtschaftlichen Theoretiker sagen ja soviel wie möglich und die Praktiker sagen dann immer, wir haben solche unschönen Dinge wie Allokationen, Monitoring und so weiter (…)“ (Interview Nr. 12). Die Problematik bestand demnach in einer Dis-krepanz zwischen der Theorie des Emissionshandels und der Umsetzung der Theorie, die eine eins-zu-eins-Übernahme der Theorie schwierig gestaltete und dadurch auch die Voraussetzung für Missverständnisse über die Theorie bildete (vgl. auch Harris: 2007:

174). Beobachter sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer Pionierarbeit in den ersten Monaten des Beratungsprozesses, da zunächst die Rahmenbedingungen eines möglichen Emissionshandelssystems für CO2-Emissionen geschaffen werden mussten.

„Das hatte viel von Pionieren. Also das war viel so Pioniergeschichte. Es gab einfach nix und man hat versucht, irgendwas zu erfinden“ (Interview Nr. 12).

Die Ausführungen zeigen, dass die Politikerunternehmer der GD Umwelt in dieser Pha-se der Politikformulierung die Strategie der Netzwerkbildung aus der WisPha-senschaft, Industrie, Nichtregierungsorganisationen und anderen Generaldirektionen verfolgten, die eine positive Einstellung zum Emissionshandel besaßen. Neben der Einbeziehung der GD Wirtschaft und Finanzen und den ersten Konsultationen mit Umwelt-Nichtregierungsorganisationen weitete das Emissionshandelsteam seine Konsultations-strategie in den folgenden Monaten in Richtung der europäischen Industrie und For-schungseinrichtungen in Europa und den USA aus.

Ab der zweiten Hälfte des Jahres 1998 arbeitete die Generaldirektion eng mit wissen-schaftlichen Institutionen in den USA und Europa zusammen. Zudem erarbeitete sie sich in der Kommission durch eine Allianzbildung mit der GD Wirtschaft und Finanzen eine stärkere Position gegenüber den wirtschaftsorientierten Generaldirektionen. Dar-über hinaus begann die Generaldirektion zügig mit dem Aufbau von Wissen Dar-über die

127 Als ‚Scope’ wird im Emissionshandelsrecht im Allgemeinen der Zuständigkeitsbereich des Emissions-handelsinstruments verstanden.

│179 Funktion eines Emissionshandelssystems durch externe Beratungsteams. So gelang es dem Emissionshandelsteam, eine ‚epistemische Gemeinschaft’ (epistemic community) mit Wissenschaftlern aus den USA und Europa zu bilden, die seine Absicht hinsichtlich der Einführung eines Emissionshandelssystems auf EU-Ebene unterstützten.

In der zweiten Jahreshälfte 1998 fanden erste nationale Aktivitäten zum Emissionshan-del statt. Das norwegische Parlament setzte im Herbst 1998 eine Untersuchungskom-mission für den EUntersuchungskom-missionshandel ein, während Dänemark im Sommer 1998 die Reform seines Energiesektors anstrebte (vgl. Vainio/Zapfel: 2002: 7). Daraus entwickelte sich eine Diskussion zwischen Akademikern, den nationalen Beteiligten und der GD Um-welt über verschiedene Möglichkeiten, ein Emissionshandelssystem auf EU-Ebene zu entwickeln. Diese Diskussion löste die bisherigen Unterscheidungen eines ‚Handels zwischen Regierungen’ und eines ‚Handels zwischen Unternehmen’ ab und konzentrier-te sich auf die Entscheidung zwischen einem ‚Upstream-Trading’128 und einem

‚Downstream-Trading’129 (vgl. Vainio/Zapfel: ebd.). Dennoch befanden sich jene Mit-gliedstaaten, die sich mit der Möglichkeit eines nationalen Emissionshandels beschäf-tigten, weiterhin in der Minderheit. Dieser Zustand wurde von einigen Industrievertre-tern wie dem InIndustrievertre-ternational Petroleum Exchange (IPE) in London und verschiedenen europäischen Firmen kritisiert, da sie sich über die Wirkungsweise des Emissionshan-dels im Dunkeln gelassen fühlten (vgl. Johnstone: 1998). Demnach gab es Ende 1998 konzentrierte Bestrebungen von einigen großen europäischen Unternehmen, den Emis-sionshandel als Mechanismus auf nationaler Ebene voranzutreiben. Die Haltung vieler europäischer Unternehmen zeigte sich hinsichtlich der Einführung eines Emissionshan-delsmechanismus gegen Ende des Jahres 1998 offener als zur Beginn der Debatte.

128 Bei einem Upstream-System wird der Verkauf von fossilen Brennstoffen über sogenannte Bewilligun-gen oder ZuteilunBewilligun-gen gesteuert, die auf ein Maximum innerhalb der Europäischen Union beschränkt sind.

Die begrenzte Zuteilung von Verkaufsgenehmigungen hätte somit den indirekten Status einer Steuer. In diesem System wird der Produzent fossiler Brennstoffe verpflichtet (www.co2-handel.de, Zugriff am 29.09.2008).

129 In einem Downstream-System werden keine Restriktionen auf Verkäufe getätigt, sondern Unterneh-men müssen Emissionsbewilligungen in demselben Maß halten, wie sie die Treibhausgase des Emissi-onshandelssystems emittieren. Im Gegensatz zum Upstream-System wird hier der Endverbraucher ver-pflichtet (www.co2-handel.de, Zugriff am 29.09.2008).

│180 Der Konsultationsprozess mit europäischen und US-amerikanischen Institutionen lief in der Umstrukturierungsphase der Kommission weiter. Laut eines Kommissionsbeamten der GD Wirtschaft und Finanzen war es zu dieser Zeit jedoch noch völlig offen, ob der Einführung eines Emissionshandelssystems innerhalb der Kommission und durch die Mitgliedstaaten zugestimmt werden würde (Interview Nr. 6). Eine Akzeptanz des In-struments sei als wünschenswerte Entwicklung in der Denkweise (mindset) der Kom-missionsbeamten der GD Umwelt vorhanden gewesen, jedoch hätte man zu diesem Zeitpunkt nicht davon ausgehen können, dass die Mitgliedstaaten dem Instrument zu-stimmen würden (Interview Nr. 6). Die erste Phase um die Entwicklung eines Emissi-onshandelsmechanismus war daher auch von einer großen Unsicherheit hinsichtlich einer möglichen Verwirklichung des Mechanismus geprägt. Da zunächst Wissen hin-sichtlich der Wirkungsweise und des Designs eines Emissionshandelssystems akquiriert werden musste, war diese erste Phase vor allem von der Bildung eines Netzwerks von Unterstützern und der Erarbeitung von Forschungsberichten geprägt, wie die Auswer-tungen von Interviews und Kommissionsdokumenten zeigen. Zudem versuchte die Emissionshandelsgruppe in der GD Umwelt gezielt, das Meinungsbild von relevanten Stakeholdern, wie NRO und Industrievertretern auszuloten, um entsprechende Überzeu-gungsmaßnahmen zu erarbeiten.

Im Frühjahr 1999 lagen der GD Umwelt schließlich mehrere Studien zu einem CO2 -Emissionshandelssystem durch das Center for Clean Air Policy und FIELD vor, in denen verschiedene institutionelle Designs eines Emissionshandelssystems, wie das Downstream-System und das Upstream-System sowie rechtliche Fragen diskutiert wur-den. Zu diesem Zeitpunkt brachte die Kommission unter Leitung der GD Umwelt eine weitere Mitteilung mit dem Titel ‚Vorbereitungen für die Umsetzung des Kyoto-Protokolls’ heraus, in der sie erstmals die Erscheinung eines Grünbuch zur Einführung eines Emissionshandels für das Jahr 2000 erwähnte. Die Kommission verwies außerdem darauf, dass es ein Ziel von Kyoto sei, die CO2-Emissionen auf dem Niveau von 1990 zu stabilisieren (vgl. COM: 1999: 2). Gleichzeitig machte sie darauf aufmerksam, dass trotz einiger Reduktionen Anfang der 1990er Jahre aufgrund von Umstrukturierungen der Industrie in Ostdeutschland und Großbritannien die Emissionen seit 1994 wieder steigen würden (COM: 1999: 6). Die GD Umwelt stellte insbesondere die Weltbilder

│181 des ‚Schutz des Binnenmarkts’ und ‚die Kostenwirksamkeit von Umweltschutzmaß-nahmen’ in den Vordergrund und verknüpfte dadurch das Instrument des Emissions-handels mit vornehmlich ökonomischen Interessen (vgl. ebd.). Zudem wies die Kom-mission bereits in dieser Kommunikation darauf hin, dass die Kyoto-Instrumente für die Europäische Union neue und unerprobte Instrumente seien und die EU bisher keine Erfahrungen mit diesen Instrumenten habe (vgl. COM: 1999: 19). Die Mitteilungen von 1998 und 1999 zeigen, dass die Priorität der GD Umwelt vor allem in der möglichst effektiven Verteilung der entstehenden Kosten bei Reduktionen von CO2-Emissionen lag, wie die Äußerung eines Beobachters zeigt: „Originally I don’t think that emissions trading was supposed to in itself from the start to bring, force down emissions. It was more a matter of you know placing the costs (.) where they ought to be rather than not giving any costs at all” (Interview Nr. 7).

7.5 Zwischenfazit

Zunächst bleibt festzuhalten, dass sich die Mitglieder des Emissionshandelsteams der GD Umwelt aufgrund ihrer Handlungen als Politikunternehmer charakterisieren lassen, die an einem ‚Wandel’ (change) hinsichtlich des Instrumentenansatzes der Kommission in der Klimapolitik interessiert waren. So nutzten die Mitarbeiter des Referats ‚ökono-mische Analysen’ gleich nach Ende der Kyoto-Konferenz ein ‚Politikfenster’, indem ein Personalwechsel in der Führungsebene der Abteilung für Umwelt und natürliche Res-sourcen es ermöglichte, den Gedanken an ein Emissionshandelssystem offen zu forcie-ren und Unterstützung in der eigenen Generaldirektion für ein solches Vorhaben zu finden. Durch den Wegfall von Denkbarrieren, die durch die Ablehnung eines solchen Instruments durch entsprechende Führungspersonen in der GD Umwelt entstanden waren, konnten sich jene Personen in der Abteilung für ökonomische Analysen, die bereits vor der Kyoto-Konferenz den Emissionshandelsmechanismus inoffiziell favori-sierten, zusammenschließen. Die Analyse der ersten Monate nach der Kyoto-Konferenz Ende 1997 zeigt, dass die meisten Mitarbeiter des Teams schon vorher zumindest von der Richtigkeit einer näheren Beschäftigung mit dem Emissionshandel überzeugt waren und von ihrem ökonomischen Verständnis her das Instrument als logische Alternative zur CO2-Steuer betrachteten (siehe S. 155f). Externe Bedingungen spielten bei der Initi-ative zu der Entwicklung einer Emissionshandelsrichtlinie durch das

Emissionshandels-│182 team um Jos Delbeke nur eine untergeordnete Rolle, da sich sowohl Jos Delbeke als auch einige der beteiligten Kommissionsmitarbeiter schon vorher mit dem Emissions-handelsmechanismus als alternativem Klimaschutzinstrument beschäftigt hatten.

Die ersten Aktionen des Emissionshandelteams der GD Umwelt beruhten zunächst auf einem agenda setting in der GD Umwelt, um die dortigen konservativ eingestellten Führungspersonen sowie die Kommissarin selbst von den Vorteilen eines Emissions-handels zu überzeugen (siehe Abb. 23). Dazu gehörte die Einsetzung einer offiziellen Untersuchung des Emissionshandels durch den Generaldirektor, sowie die interne Kommunikation an alle Generaldirektionen im März 1998. Gleichzeitig startete das Team Rahmungsinitiativen, um die ökonomischen Vorteile des Emissionshandels so darzustellen, dass es gegenüber möglichen Kritikpunkten von Seiten der Industrie und ihrer wirtschaftlich orientierten Generaldirektionen, sowie den Mitgliedstaaten gute Argumente vorzeigen konnte. Dabei verfolgte das Team die Strategie, über die Weltbil-der ‚Schutz des Binnenmarktes’ sowie ‚kosteneffektiver Umweltschutz’ ein ökonomi-sches Interesse am Umweltschutz und damit auch an dem Emissionshandelsmechanis-mus selbst zu wecken. Aufgrund des ökonomischen Fachpersonals im eigenen Team war einerseits die ökonomische Glaubwürdigkeit und andererseits die ‚Richtigkeit’ der ökonomischen Annahmen gesichert, wie Aussagen von Beobachtern des Prozesses zeigen (Interview Nr. 2, 10). Insbesondere in der Anfangsphase profitierte das Emissi-onshandelsteam der GD Umwelt von dem Wissensvorsprung seiner eigenen Mitarbeiter hinsichtlich der möglichen Funktionsweise eines Emissionshandelssystems (ebd.). So reiht sich die Initiative einiger Mitarbeiter der GD Umwelt, sich mit dem Emissions-handel als neuem Instrument zu beschäftigen, in eine Reihe von früheren Versuchen ein, Gesetzesvorschläge im Umweltbereich kosteneffektiver zu gestalten und die Verwal-tungskultur der GD Umwelt mit ökonomisch orientierten Weltbildern des Umwelt-schutzes zu verknüpfen (siehe Kapitel 6).

Die Beschäftigung mit dem Emissionshandel durch das Referat ‚Ökonomische Analy-sen’ und die entsprechend frühzeitige Argumentation mit den ökonomischen Vorteilen des Emissionshandels kann aufgrund der Analyse der Interviews und der entsprechen-den Dokumente der Kommission einerseits als Versuch gewertet werentsprechen-den, ein neues,

│183 sehr innovatives Instrument in der Denkweise der GD Umwelt und der Kommission im allgemeinen zu etablieren. Andererseits steckte nach der Analyse der entsprechenden Quellen hinter diesem Versuch auch die Bestrebung, die sehr traditionelle Identifikation der GD Umwelt mit rein ökologischen Denkweisen aufzubrechen. Diese Bemühung schließt an bisherige Strategien, eine ‚Ökonomisierung’ der Denkweise der GD Umwelt nachhaltig voranzutreiben, an. Das Emissionshandelsteam der Generaldirektion argu-mentierte insbesondere mit einer effektiveren und effizienteren Gestaltung von Umwelt-schutzansätzen. Hierzu gehörten auch sehr intensive Argumentationsprozesse gegenüber eigenen Mitarbeitern der Generaldirektion in den oberen Führungsetagen, die sich sehr mit den traditionellen Umweltansätzen der Generaldirektion identifizierten.

Abb. 23: Aktivitäten der Politikunternehmer in der 1. Phase

Anfang 1998 bis ideationelle Strukturen agenda setting - agenda setting

- Aufbau und

prozedurale Strukturen Netzwerkbildung innerhalb Kommission

Durch die möglichst breite Konsultation vieler Interessengruppen von Beginn an und durch die Bildung eines Netzwerks von Unterstützern versuchte das Emissionshandels-team möglichst frühzeitig, die Grundlagen für Überzeugungsprozesse zu legen (siehe Abb. 23). Aufgrund der zunächst breiten Ablehnung des Instruments in den eigenen Reihen, bei den NRO und bei einem großen Teil der Industrie musste das Emissions-handelsteam davon ausgehen, dass sich der Weg bis zur Annahme eines Gesetzesvor-schlags im Emissionshandel schwierig gestalten würde. Hierzu gehörte in der ersten Phase vor allem die inhaltliche Beschäftigung mit dem Emissionshandel durch Rah-mungsstrategien und die damit einhergehenden Argumentationsprozesse als sinnvoll und aufgrund der Vorgeschichte mit der CO2-Steuer auch als notwendig zu markieren.

│184 In dieser Phase stand vor allem das agenda setting und die ‚Rahmung’ des Mechanis-mus als attraktives und kostengünstiges Umweltschutzinstrument im Vordergrund. Die Aktivitäten in der ersten Phase zur Entwicklung einer Emissionshandelsrichtlinie sind daher als ‚mittel’ einzustufen (siehe Abb. 23). Im Vergleich zu der Ausgangsposition sind die Aktivitäten der Politikunternehmer daher von ‚null’ (da es zu diesem Zeitpunkt keine Politikunternehmergruppe zur Einführung des Emissionshandels gab) auf ‚mittel’

gestiegen. Zudem zeigt die bisherige Analyse, dass das Emissionshandelsteam zwar einerseits die Anschlussfähigkeit der Verwaltungskultur der GD Umwelt für andere Akteure wie Industriegruppen und wirtschaftlich orientierte Generaldirektionen über die Weltbilder ‚Schutz des Binnenmarktes’ und ‚kosteneffektiver Umweltschutz’ anstrebte.

Andererseits veränderten sich die ideationellen Strukturen in der Verwaltungskultur der GD Umwelt im Vergleich zu der Ausgangsposition nur hinsichtlich der Offenheit (siehe Abb. 24). Sowohl die Indikatoren für die Offenheit als auch die Flexibilität sind in den ideationellen Strukturen verankert, während die NPM-Prinzipien für eine Verankerung in den prodeduralen Strukturen der Verwaltungskultur keine Zweidrittelmehrheit auf-zeigen (Abb. 24).

Abb. 24: Grad der Offenheit und Flexibilität der Verwaltungskultur

ideationell prozedural

│185 Die Abbildung 24 zeigt, dass insbesondere die Weltbilder des ‚effektiven und effizien-ten Umweltschutz’ in den ideationellen Strukturen der Verwaltungskultur, bedingt durch das interne ‚Rahmen’ in der GD Umwelt sowie die Kommunikation des Sachver-halts nach außen, im Vordergrund standen. Hier hat im Vergleich zu der Zeit vor 1997 eine deutliche Steigerung stattgefunden.

Die Analyse der Offenheit und Flexibilität in den prozeduralen Strukturen der Verwal-tungskultur der GD Umwelt (Abb. 24) zeigt, dass die Weltbilder des ,effektiven und effizienten Umweltschutz’ sich in den prozeduralen Strukturen nicht so niedergeschla-gen haben, wie in den ideationellen Strukturen. So sind die Arbeitsstrukturen der GD Umwelt noch nicht dahingehend verändert worden, dass sie effektivere und effizientere Politikvorschläge unterstützen. Zudem sind die NPM-Prinzipien ‚Transparenz’ und

‚Partizipation’ in den ideationellen Strukturen verankert, jedoch noch nicht in den pro-zeduralen Strukturen der Verwaltungskultur. Lediglich die Prinzipien ‚Fairness’, ‚Ver-antwortungsbewusstsein’ und ‚Dezentralisation’ sind in den prozeduralen Strukturen zu finden. Jedoch reichen sie nicht für eine Zweidrittelmehrheit aus, um einen insgesamt

‚hohen’ Grad der Offenheit und Flexibilität in der Verwaltungskultur zu erreichen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Generaldirektion zunächst gezielt an dem Aufbau und der Verbreitung von Wissen interessiert war und sich insbesondere mit denjenigen Stakeholdern zusammenschloss, die dem Instrument positiv gegenüberstanden. Eine breite Konsultation mit allen relevanten Stakeholdern fand zu diesem Zeitpunkt noch nicht statt.

Die ersten Konsultationen von relevanten Stakeholdern der GD Umwelt fanden zudem in Form von Workshops, Konferenzen und der Diskussion zum Green Paper statt. Die GD Umwelt konsultierte zunächst sehr breit und in großem Umfang und abgesehen von der Zusammenarbeit mit den akademischen Institutionen fanden Konsultationen in einem großen, eher öffentlichen Rahmen statt (siehe Abb. 25). Darüber hinaus musste sich die GD Umwelt in der ersten Phase der Verhandlungen eine gewisse Autorität bei Kompetenzfragen zu dem Emissionshandel erarbeiten, da gewisse Stakeholdergruppen dem Mechanismus weiterhin skeptisch gegenüber standen. Der Grad der Offenheit und Flexibilität wird hier daher als ‚mittel’ eingestuft und führt lediglich zu Veränderungen

│186 in den ideationellen Strukturen der Verwaltungskultur. Die Verwaltungskultur der GD Umwelt kann zu diesem Zeitpunkt lediglich als Zwischentypus zwischen individualisti-scher und egalitaristiindividualisti-scher Verwaltungskultur gelten. Für einen Wandel zu einer egalita-ristischen Verwaltungskultur müssten die Offenheit und Flexibilität sowohl in den idea-tionellenn und den prozduralen Strukturen einen sehr hohen Grad erreichen.

Abb. 25: Bedingungen für Überzeugung und Lernen in der 1. Phase

Überzeugung (persuasion) Soziales Lernen (learning) kleine Gruppe hohe Homogenität (beruflich etc.) in

der Gruppe Anerkennung der Autorität

bestimmter Mitglieder Erkennen des Versagens bisheriger Politikvorschläge

x Entscheidungsregeln auf

Kon-sens basiert x regelmäßige Gruppentreffen

Mandat der Institution

deliberativ x hohe Interaktion in der Gruppe

hohe Autonomie der Akteure Öffentlichkeit der Gruppentreffen

(eigene Darstellung)

So ist es auch zu erklären, dass bei den Kommissionsbeamten der GD Umwelt sowie bei den Mitarbeitern anderer Generaldirektionen zunächst kein Präferenzwandel hin-sichtlich der Einführung eines Emissionshandels festgestellt werden konnte. Die Hal-tung vieler Mitarbeiter in der GD Umwelt und anderen Generaldirektionen blieb weit-gehend skeptisch und zurückhaltend, wie die Haltung der Umweltkommissarin Bjerre-gaard zeigte. Überzeugung hatte daher auch aufgrund der bisherigen

So ist es auch zu erklären, dass bei den Kommissionsbeamten der GD Umwelt sowie bei den Mitarbeitern anderer Generaldirektionen zunächst kein Präferenzwandel hin-sichtlich der Einführung eines Emissionshandels festgestellt werden konnte. Die Hal-tung vieler Mitarbeiter in der GD Umwelt und anderen Generaldirektionen blieb weit-gehend skeptisch und zurückhaltend, wie die Haltung der Umweltkommissarin Bjerre-gaard zeigte. Überzeugung hatte daher auch aufgrund der bisherigen