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Als abhängige Variable wird der Präferenzwandel einer komplexen, intern differenzier-ten supranationalen Organisation am Beispiel der Europäischen Kommission hinsicht-lich der Einführung eines Emissionshandelsystems auf EU-Ebene untersucht. Die For-schung zu Präferenzen unterscheidet im Allgemeinen zwischen Präferenzen über unter-schiedliche Ergebnisse und Präferenzen über Handlungsoptionen (u.a. Frieden: 1999).

Zangl und Zürn fügen diesen Varianten noch die Präferenzen hinsichtlich der Werte und Wünsche, die den Präferenzen über Interaktionsergebnisse in einer bestimmten Situati-on zugrunde liegen, (vgl. Zangl/Zürn: 1996: 354) hinzu. Demnach können sich die Prä-ferenzen in punkto Verhandlungsergebnisse auf zwei unterschiedliche Arten ändern:

entweder aufgrund von veränderten Kognitionen über die Auswirkungen von Interakti-onsergebnissen oder wenn sich die Wünsche beziehungsweise Wertesysteme der betei-ligten Akteure verändern (vgl. ebd.). Ähnlich formuliert es auch Lewis (2003), der Prä-ferenzwandel mit verschiedenen Formen von Sozialisation in Verbindung bringt.

│50 Er schlägt verschiedene Grade einer ‚dichten Sozialisation’ (thick socialisation) vor, um dem Vorwurf zu begegnen, dass Sozialisation in Theoriemodellen meist als automati-scher Prozess konzeptionalisiert wird. Nach seinem Konzept steht am Ende jedes Sozia-lisationsprozesses eine Internalisierung von neuen Normen und Ideen, die zu einem Präferenzwandel führt (vgl. Lewis: 2003: 99). Als partielle Internalisierung bezeichnet Lewis die Entwicklung neuer kollektiver Rationalitäten sowie ein gewisses multiples Rollenverständnis, wobei Akteure verschiedene Rollen in unterschiedlichen Situationen einnehmen können (Lewis: 2003: 109; vgl. auch Trondal: 2001; Egeberg: 2001). In der zweiten Variante als ‚tiefe’ Sozialisation findet eine Internalisierung als eine Art von

‚Selbstverständlichkeit’ statt (Lewis: ebd.). Akteure entwickeln eine Art automatischer Einhaltung und Befolgung der neuen Normen etc. (vgl. Lewis: 2003: 104). In dieser Konzeption wird Präferenzwandel in unterschiedliche Typen eingeteilt.

Der Fokus dieser Studie liegt jedoch nicht in der Behandlung der Frage, welche Typen von Präferenzwandel wann auftreten. Vielmehr ist das Ziel der Arbeit, die Untersu-chung eines bestimmten Typs von Präferenzwandel (Präferenzwandel über Ergebnisse).

Diese Studie untersucht deshalb, unter welchen Umständen ein bestimmter Typ von Präferenzwandel auftritt.

Die Variable Präferenzwandel wird anhand der Ordinalskala in drei Ausprägungen von (0) = kein Präferenzwandel bis (1) = Ansatz von Präferenzwandel und (2) = vollzogener Präferenzwandel eingeteilt.48 Die impliziten Motivationen von Akteuren stehen jedoch nicht im Vordergrund der Untersuchung. Dies ist im Rahmen einer empirischen Studie von Präferenzwandel in einer internationalen Organisation kaum zu leisten. Vielmehr steht hier ein Präferenzwandel über Ergebnisse im Fokus, der mit der partiellen Interna-tionalisierung nach Lewis zu vergleichen ist. Es ist anzunehmen, dass bei einem solchen Typ von Präferenzwandel viel eher neue kollektive Rationalitäten gebildet werden, als dass eine vollständige (taken-for-granted) Internalisierung von Normen und Ideen

48 Um die Messbarkeit eines Präferenzwandels operabel zu gestalten, wird in dieser Studie eine dreifache Ausprägung eines bestimmten Typs von Präferenzwandel untersucht, wobei es zwischen der Ausprägung

‚kein Präferenzwandel’ und ‚vollzogener Präferenzwandel’ nur eine weitere Ausprägung (‚Ansatz eines Präferenzwandels’) gibt. Da der Autorin keine anderen Studien bekannt sind, in der eine derartige Opera-tionalisierung von Präferenzwandel vorgenommen wurde, existieren keine vergleichbaren Erfahrungswer-te. Daher wurden diese drei Gewichtungen eines Präferenzwandels von der Autorin selbst definiert.

│51 findet. Präferenzwandel hinsichtlich der Wünsche und Werte, die mit einem Ergebnis zusammenhängen (siehe Zangl/Zürn: 1996) lässt sich mit der ‚dichten’ Sozialisation nach Lewis in Verbindung bringen, wonach eine so tiefe Internalisierung neuer Werte und Wünsche stattfindet, dass alle Prozesse, die mit diesen Werten und Wünschen in Verbindung stehen, selbstverständlich und automatisch geschehen. Es soll daher unter-sucht werden, inwieweit und unter welchen Bedingungen ein Präferenzwandel über Ergebnisse im Sinne einer partiellen Internationalisierung nach Lewis stattgefunden hat.

Ein solcher Typ von Präferenzwandel lässt sich anhand von Theorien testen und ist nicht daran gebunden, auch implizite Motivationen von Akteuren zu untersuchen.

Die Messung eines Präferenzwandels lässt sich anhand der Indikatoren zur Normenfor-schung (u.a. Finnemore/Sikkink; Deitelhoff: 2006) durchführen, bei der die Einigung von Akteuren zu neuen Normen im Fokus steht. Überträgt man diese Indikatoren auf die Messung von Präferenzwandel in supranationalen, komplexen Organisation, dann gilt der Ansatz eines Präferenzwandels über Ergebnisse, wenn die einfache Mehrheit der beteiligten Abteilungen den Reformprozess hinsichtlich eines bestimmten Politikfeldes (zum Beispiel Einführung eines neuen Politikinstruments) befürwortet. Der Indikator dafür ist der sogenannte Umschlagspunkt (tipping point) (vgl. auch Finnemore: Sikkink:

1998), der gilt, wenn eine kritische Masse (nach Finnemore und Sikkink etwa ein Drittel der beteiligten Akteure) das neue Politikergebnis explizit befürwortet. Eine einfache Mehrheit reicht jedoch nicht aus, um einen vollständig erfolgten Präferenzwandel dar-zustellen, insbesondere dann, wenn sich gegen Reformen von Politikvorhaben zunächst Widerstände aufgebaut haben. Der Präferenzwandel gilt dann als vollzogen, wenn eine Zweidrittel-Mehrheit der Abteilungen in einer Organisation innovative Politikvorhaben befürworten oder ihnen zumindest nicht widersprechen. Daher wird hier anders als bei der Normenforschung ein zweiter Umschlagspunkt eingeführt, der eine Zweidrittel-Mehrheit von Befürwortern innerhalb einer Organisation misst.49 Für Verhandlungen

49 Für einen Präferenzwandel über Ergebnisse ist nicht nur die Akzeptanz einer neuen Erkenntnis ent-scheidend (wie bei der Normenforschung die Einigung über eine neue Norm, vgl. Finnemore/Sikkink:

1998), sondern ein konkreter Handlungsauftrag um die Erreichung des Ergebnisses zu gewährleisten, ist gefordert. Daher führt die Autorin an dieser Stelle einen zweiten Umschlagspunkt mit einer Zweidrittel-mehrheit ein, anhand dessen gemessen werden kann, ob die Erreichung des neuen Ergebnisses (zum Beispiel die Implementierung neuer Politikvorhaben) von genügend Unterabteilungen der Organisation gewünscht wird.

│52 wird der Umschlagspunkt bei der expliziten Zustimmung in der Schlussabstimmung gesetzt (Deitelhoff: 2006: 149). Sobald eine Zweidrittelmehrheit an Abteilungen einer Organisation einem Vorschlag zugestimmt hat, ist der Präferenzwandel einer Organisa-tion vollzogen.

Abb. 3: Varianz in der abhängigen Variable

Kein Präferenzwandel

mehr als ein Drittel aller betei-ligten Abteilungen befürwortet neuen Politikansatz

tipping point überschritten

(eigene Darstellung )

Auf die empirische Fallstudie bezogen, gilt die Schlussabstimmung in der zu untersu-chenden Organisation (die Kommission) über das entsprechende Politikergebnis (die Emissionshandelsrichtlinie) als Schlüsselpunkt, an dem der Präferenzwandel vollzogen sein müsste. Darüber hinaus soll als Indikator gelten, wenn die Organisation gegenüber anderen Akteuren deutlich macht, dass sie ein anderes Ergebnis bevorzugt als vorher anvisiert (ähnlich auch Deitelhoff: 2006). Für die Analyse muss allerdings auch berück-sichtigt werden, dass ein Präferenzwandel in einer graduellen Verlagerung der ur-sprünglichen Präferenz A hin zur neuen Präferenz B stattfindet und über einen gewissen Zeitraum verläuft (vgl. Landwehr: 2005; Druckman/Lupia: 2000: 6).50

3.4 Die unabhängige Variable: die Aktivitäten der Politikunternehmer