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In die Amtszeit der Umweltkommissarin Bjerregaard fiel auch die entscheidende Phase des ‚Auto-Oil Programmes’, das etabliert worden war, um die Integration von Umwelt-belangen in andere Politikbereiche anzustreben. Ziel des Programms war außerdem die Entwicklung von effektiven Maßnahmen zur Reduzierung von Pkw-Schadstoffemissionen. Im Jahr 1993 verfolgte die GD Umwelt mit dem Auto-Oil I Pro-gramme das Ziel, von ihrem eigentlichen Klientel der Umweltschutzorganisationen abzurücken, und verstärkt mit Stakeholdern wie Industrieverbänden zusammenzuarbei-ten. Anfang der 1990er Jahre hatte die GD Umwelt die Führungsposition im Bereich der Reduzierung von Schadstoffemissionen durch Pkws von der GD Industrie übernommen (vgl. Friedrich et al.: 2000: 598). Dieses Programm gilt als eine der wichtigsten Initiati-ven, die von der Kommission in den 1990er Jahren auf dem Gebiet der Umweltpolitik

│145 lanciert wurden (vgl. Friedrich et al.: 2000: 593). Es sollten vor allem kosteneffektive Instrumente entwickelt werden, um CO2-Emissionen bei Pkws zu reduzieren (vgl. Pe-terson/Bomberg: 1999: 178). Dabei sollte mit dem Auto-Oil Programme insbesondere ein Ansatz forciert werden, der das Weltbild der ‚geteilten Verantwortung’111 beinhalte-te (ebd.). Hier spiegelbeinhalte-te sich die Strabeinhalte-tegie von Verantwortlichen der GD Umwelt wider, durch die Involvierung von vielen Akteuren und neuen Instrumenten eine höhere Effek-tivität von Umweltschutzinstrumenten im Bereich der Luftreinhaltepolitik zu erreichen (vgl. auch Collier: 1998: 13): „The Auto/Oil Programme and the Commission’s future strategy on the control of vehicle emissions is based on the concept of shared responsi-bility and burden sharing between the Community, national and local governments, Industry and the individual citizen: such an approach is entirely consistent with the principle of sustainable development which requires that all stake-holders have a role to play in the protection of the environment“ (COM: 1996: 7).

Ziel der Kommission war die Schaffung von freiwilligen Vereinbarungen zwischen verschiedenen Industriezweigen und den Mitgliedstaaten (vgl. Barnes/Barnes: 1999:

181). Der Ausschluss von Umweltschutzorganisationen, Mitgliedstaaten und der Zulie-fererindustrie führte jedoch ihrerseits zu scharfen Protesten und zu unterschiedlichen Konflikten zwischen den beteiligten Stakeholdern (Peterson/Bomberg: 1999: 178). So wurde die ad hoc Motor Vehicle Emissions Group (MVEG) unter Vorsitz der GD In-dustrie, in der diese Stakeholdergruppen vertreten waren, nur sporadisch konsultiert (zit.

nach Ehret 1998 in Friedrich et al.: 2000: 598). Zudem blieb die GD Industrie bis zum Schluss skeptisch gegenüber den Vorschlägen, die aus GD Umwelt kamen und zeigte zum Teil offenen Widerstand (vgl. Friedrich et al.: 2000: 597). Insbesondere zwischen der Automobilindustrie und der Ölindustrie entstanden heftige Konflikte, die laut Peter-son und Bomberg auch zu Problemen mit der GD Umwelt führten und die Verbindung von Ökologie und Ökonomie in einem neuen Politikansatz zu diesem Zeitpunkt gefähr-deten (vgl. ebd.). Beobachtern zufolge überschätzte die GD Umwelt ihr Wissen im Bereich der Reduzierung von Schadstoffemissionen durch Pkws und ihre Möglichkeit,

111 Das Weltbild der ‚gemeinsamen, aber geteilten Verantwortung’ besagt, dass alle Länder gleicherma-ßen von globalen Umweltproblemen betroffen sind, aber dass sich die Umstände und Auswirkungen in jedem Land individuell anders darstellen (z.B. Industrieländer vs. Schwellen- oder Drittländer) (vgl.

Young: 2001: 168ff).

│146 gegenüber der Öl- und Automobilindustrie als Politikunternehmer zu agieren (vgl.

Friedrich et al.: 2000: 598). 1996 legte sie entgegen ihres Vorhabens, die Idee des ‚kos-teneffektiven Umweltschutzes’ voranzutreiben, laut Teilnehmern sehr ‚uninspirierte’

und kostenineffektive Politikvorschläge vor (vgl. Friedrich et al.: 2000: 598; Delbe-ke/Bergman: 1998: 245).

Der GD Umwelt gelang es demnach nicht, durch die Einbeziehung aller entscheidenden Akteure und einer effektiven Steuerung des Politikformulierungsprozesses ihre Glaub-würdigkeit und Überzeugungskraft für neue Regelungen zur Verringerung von Abgas-emissionen zu steigern, da sie sowohl durch den Ausschluss bestimmter Stakeholder-gruppen und der Unterschätzung ihrer eigenen Fähigkeit als Politikunternehmer ent-scheidende Fehler beging. Dies führte dazu, dass Mitgliedstaaten und NRO das Konzept der Kommission ablehnten, obwohl die Kommission ihren Ansatz an das Weltbild des kosteneffektiven Umweltschutzes angeknüpft hatte und ihre Vorschläge dementspre-chend formuliert hatte (vgl. Friedrich: 2000: 605). Im Auto-Oil II Programme, das die Kommission Anfang 1997 als Nachfolge-Programm lancierte, öffnete sich die Arbeits-gruppe der GD Umwelt für einen offeneren und transparenteren Konsultationsprozess mit mehr Stakeholdern (vgl. ebd.: 609).

Dennoch wird das Auto-Oil Programme von verschiedenen Beobachtern als Versuch gewertet, einen neuen umweltpolitischen Ansatz in der GD Umwelt zu verankern, der vor allem von dem Weltbild des ‚kosteneffektiven Umweltschutzes’ geprägt ist. So wurde in der Mitteilung der Kommission mehrfach das Weltbild des kosteneffektiven Umweltschutzes erwähnt: „The rationale of the Auto/Oil Programme was to quantify both the cost and the emission reduction potential of a variety of different measures which could contribute to reducing vehicle emissions and the attainment of air quality targets” (COM: 1996: 5). Friedrich et al. (2000) sehen in dem Auto-Oil Programme zudem die Bestrebung, das bis dahin vorherrschende Weltbild der ‚ökologischen Mo-dernisierung’ abzulösen, demzufolge die Kontrolle von Umweltverschmutzung in sich selbst ein Anstoß für wirtschaftliches Wachstum sein kann (vgl. Weale: 1993: 79). Die-sem Weltbild zufolge kann durch die Einführung neuer Technologien ein neuer Markt für Umwelttechnologien entstehen und dadurch wirtschaftliches Wachstum anregen

│147 (vgl. Friedrich et al.: 2000: 607). Die Kommission vertrat dagegen den Ansatz, dass Umweltschutzregulation selbst eine kosteneffektive Lösung für die Wirtschaft sein sollte (vgl. Friedrich et al.: ebd.). Bei der Entwicklung des Auto-Oil I Programmes brachten sowohl die GD Umwelt als auch die GD Energie Vorschläge zur Verringerung von CO2-Emissionen (Friedrich et al.: 2000: 597) voran. Dennoch gelang es der GD Umwelt sowohl im Fall der CO2-Steuer als auch im Fall des Auto-Oil Programmes nicht, die GD Industrie von diesen Vorhaben zu überzeugen.

Das Beispiel des Auto Oil I Programmes zeigt, dass es trotz verstärkter Aktivitäten von Verantwortlichen der GD Umwelt, wie Veränderungen von prozeduralen Strukturen (Ausweitung der Konsultation auf neue Stakeholder) und der Etablierung neuer Welt-bilder (z.B. Kosteneffektivität im Umweltschutz) nicht gelungen worden ist, entschei-dende Generaldirektionen wie die GD Industrie und ihre Industriestakeholder (z.B.

Zuliefererindustrie) von dem Vorhaben zu überzeugen. Dies lag unter anderem an der unzureichenden Konsultation aller betroffenen Akteure, sowie einer Selbstüberschät-zung der GD Umwelt und einer schlechten Steuerung des Entscheidungsprozesses von ihrer Seite. Zudem schaffte es die GD Umwelt unter Bjerregaard nicht, eine Gesamtstra-tegie für eine offenere und flexiblere Verwaltungskultur zu entwickeln. So fanden je nach Zuständigkeit einzelner Referate sehr unterschiedliche Konsultationsprozesse statt, durch die es jedoch nicht gelang, das Image einer weltfremden, idealistisch denkenden Generaldirektion zu verändern. Obwohl Weltbilder wie ‚Effektivität im Umweltschutz’

in die Verhandlungen einflossen, konnten sie nicht in die Praxis umgesetzt werden. Sie führten aus der Sicht anderer Beteiligter nicht zu effektiveren Politikvorschlägen, son-dern im Gegenteil zu wenig kosteneffektiv orientierten Richtlinienvorschlägen im Auto Oil I Programme. Andere NPM-Prinzipien wie ‚Transparenz’, ‚Dezentralisierung’ und

‚Partizipation’ haben sich demnach weder in den ideationellen, noch in den prozedura-len Verwaltungsstrukturen niedergeschlagen, so dass kaum flexiblere und offenere Kon-sultationsstrukturen entstehen konnten.

6.5 Zusammenarbeit mit anderen Generaldirektionen in den 1990ern