• Keine Ergebnisse gefunden

Im Gegensatz zu di Meana wurde den nachfolgenden Interims-Umweltkommissaren ein ruhiger, vorsichtiger Politikstil nachgesagt, unter deren Führung sich die programmati-sche Ausrichtung der GD Umwelt wenig änderte (vgl. Weale et al.: 2000). Dennoch unternahmen Verantwortliche in der GD Umwelt Anstrengungen, die Integration von Umweltpolitik in andere Sektoren während dieser Zeit voranzutreiben. So etablierte die Generaldirektion im Jahr 1993 eine Abteilung für Politische Koordination und Integra-tion (vgl. Sbragia: 2000: 299) und jede der anderen GeneraldirekIntegra-tionen ernannte einen

‚Integration Correspondent’ (vgl. ebd.) Da die meisten der Generaldirektionen jedoch bereits ihre eigenen Abteilungen für Umweltpolitik geschaffen hatten, nutzten sie diese Möglichkeit, Einfluss auf die GD Umwelt zu nehmen (vgl. ebd., siehe auch Kapitel 5).

Daraus entstand wiederum ein Druck auf die GD Umwelt, Industrie- und Wirtschaftsin-teressen einzubeziehen und diese Stakeholdergruppen stärker zu konsultieren (vgl. Ma-zey/Richardson: 2005: 117). Zudem spiegelte sich der Ansatz der Integration von Um-weltbelangen in andere Sektoren nicht zuletzt in dem Weißbuch der Kommission zu

‚Growth, Competitiveness and Employment’ im Jahr 1993 wider. Die Einführung eines konsultativen Forums für Umweltthemen (Environmental Consultative Forum) im Jahr 1994 kann daher auch als Wunsch der GD Umwelt gewertet werden, einen größeren Einfluss auf die Agenda innerhalb des Netzwerks zu nehmen, in dem Umweltpolitik

110 Das Weltbild der ‚internationalen Führung im Umweltschutz’ kann dem Weltbild des ‚Verwalters der Umwelt’ (stewardship) zugeordnet werden, wonach Menschen die Rolle von moralischen Agenten über-nehmen und eine ethische Verantwortung besitzen, das Gleichgewicht und den Fortbestand von Ökosys-temen nachhaltig zu sichern (vgl. Young: 2001: 171ff).

│140 betrieben wurde. Andererseits spiegelt die Etablierung eines solchen Forums auch den generellen Wunsch der Kommission nach Transparenz wider (vgl. Peterson: 1995: 483).

Ferner sah die Kommission in dieser Einrichtung die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit Industrievertretern zu verbessern (Barnes/Barnes: 1999: 177).

Der Versuch, die Verwaltungskultur der GD Umwelt gegenüber Stakeholdern offener und transparenter zu gestalten, fiel Anfang bis Mitte der 1990er Jahre mit einer generel-len Strategie innerhalb der Kommission zusammen, die Kommission nach außen hin transparenter zu gestalten (u.a. Peterson: 1995: 479). Aufgrund der Ablehnung des Maastrichtvertrags durch das dänische Referendum sah die Kommission die Notwen-digkeit gegeben, die europäischen Entscheidungsprozesse offener zu gestalten (vgl.

ebd.). So wurde im Arbeitsprogramm der Kommission von 1994 das Ziel festgesetzt, die Konsultationsprozesse mit Stakeholdern zu systematisieren und offener gegenüber verschiedenen Stakeholdergruppen zu gestalten (vgl. ebd.). Zudem wurde festgesetzt, dass alle Dokumente der Kommission veröffentlicht werden sollten, mit Ausnahme von internen Sitzungsprotokollen und persönlichen Stellungnahmen (vgl. Peterson: 1995:

480f).

1995 übernahm Ritt Bjerregaard aus Dänemark das Amt der Umweltkommissarin. Un-ter dem neuen Kommissionspräsidenten Jacques SanUn-ter änderte sich auch der Führungs-stil innerhalb der Kommission, so dass die Umweltkommissarin ihre eigenen Prioritäten setzen konnte (vgl. Barnes/Barnes: 1999: 81). Die Umweltkommissarin Bjerregaard hatte jedoch von Beginn an einen schweren Stand, da ihr das Parlament bereits bei ihrer Anhörung vorwarf, nicht kooperationswillig zu sein (vgl. Zito: 1997: 20f). Im Jahr 1996 entwickelte sich ein heftiger Disput zwischen der Kommissarin und dem Umweltkomi-tee des Europäischen Parlaments über das weitere Programm der Kommission für eine nachhaltige Umweltentwicklung, währenddessen sie sogar zum Rücktritt aufgefordert wurde (vgl. Zito: 1997: 20f). Zudem veröffentlichte sie 1995 in einer dänischen Zeitung ein Tagebuch über die Arbeit als Kommissarin, in dem sie ein unschmeichelhaftes Bild des damaligen Kommissionspräsidenten Santer (Peterson: 1999: 51) zeichnete und so die internen ‚rules of procedures’ der Kommission verletzte. Insgesamt galt sie als

│141 durchaus streitbare Persönlichkeit, die sich für radikale Lösungen einsetzte, sofern sie darin Vorteile für die europäische Umweltpolitik sah (vgl. Brockmann: 2003: 110).

Jacques Santer hatte vor allem interne Reformen in der Kommission auf seine Agenda gesetzt. So sollte die Verantwortung über das Finanzbudget der einzelnen Generaldirek-tionen dezentralisiert werden (vgl. Cini: 2007: 30). In einem zweiten Schritt ab Anfang 1999 sollten interne Entscheidungsstrukturen flexibler gestaltet werden und die Mög-lichkeit ‚kurzer’ Arbeitswege geschaffen werden (Cini: ebd.). Problematisch für die Amtsführung von Jacques Santer war jedoch, dass er nur zweite Wahl nach dem belgi-schen Premierminister Jean-Luc Dehaene war, der von den Briten angeblich aufgrund einer zu ‚federalistischen’ Position abgelehnt worden war (vgl. Cini: 2007: 28). Daher stieß er in der Kommission bereits zu Beginn bei den Kommissionsmitarbeitern mit seinen Reformproblemen auf Widerstände (vgl. ebd.: 31). Viele Mitarbeiter besaßen das Gefühl, das Programm der Modernisation of Administration and Personnel 2000 (MAP) sei von der Führungsebene auferlegt worden und erwarteten mehr Mitspracherecht bei dem Inhalt des Programms (vgl. ebd.: 32). Sowohl die Position des Kommissionspräsi-denten als auch die Position der Umweltkommissarin galten daher als schwierig inner-halb der Kommission.

Der Führungsstil der Umweltkommissarin Bjerregaard innerhalb ihres Kabinetts und der GD Umwelt galt aufgrund ihres skandinavischen Hintergrunds als relativ offen und heterarchisch (vgl. Brockmann: 2003: 75f). So hielt sie während ihrer Amtszeit regel-mäßig sogenannte ‚head staff meetings’ ab, bei denen die für den Themenbereich zu-ständigen Kabinettsmitglieder, der Generaldirektor, sowie die zuzu-ständigen Beamten der Generaldirektion teilnahmen, um gemeinsam strategische Entscheidungen zu treffen (vgl. Brockmann: 2003: 102). Laut Brockmann lag dies unter anderem an der Besetzung des Kabinetts der Umweltkommissarin, das fast ausschließlich aus Dänen bestand (vgl.

ebd.: 103). Jedoch wurden laut Beobachtern zu dieser Zeit Konsultationen innerhalb der Kommission sowie mit externen Stakeholdern innerhalb einzelner Generaldirektionen sehr unterschiedlich gehandhabt, so dass die Ausgestaltung der Konsultationsprozesse sehr stark von einzelnen Kommissionsbeamten abhing (vgl. Brockmann: 2003: 75). Es gab offensichtlich keine allgemeine Vorgehensweise der GD Umwelt bei der

Entwick-│142 lung neuer Vorhaben unter der Amtszeit von Umweltkommissarin Bjerregaard, sondern Entscheidungen über Konsultationen und interne Entscheidungsprozesse wurden von Fall zu Fall getroffen (vgl. auch Brockmann 2003). Die Ausführungen zeigen, dass unter der Umweltkommissarin jedoch zumindest das Prinzip der Dezentralisation in den Arbeitsstrukturen der Generaldirektion in Vergleich zu früheren Umweltkommissaren verankert wurde.

Laut Beobachtern unternahmen einige Abteilungen der GD Umwelt den Versuch, die Begründung für Umweltpolitik auf neuen Prinzipien aufzubauen (vgl. Cini: 1997: 82, 85). So stellt Cini einen graduellen Wandel zu einem marktorientierten Ansatz unter einigen Eliten der GD Umwelt fest (vgl. ebd.: 86). Laut Weale et al. (2000: 121) war die GD Umwelt jedoch für eine effektive Koordination auf vertikaler Ebene in ihren Struk-turen zu differenziert. Es bleibt daher unklar, inwieweit die neue Haltung von obersten Verantwortlichen in der GD Umwelt auch von anderen Mitarbeitern übernommen wur-de. Dieser Versuch, die Verwaltungsstrukturen der GD Umwelt zu verändern, wird in der Literatur jedoch als nicht ausreichend genug angesehen, da die GD Umwelt unter Brinkhorst in der Wahrnehmung anderer GDs und ihrer Stakeholder den gleichen Status behielt (ebd.: 89; vgl. auch Cini: 1997: 85). So gab es laut Rittberger und Richardson (2003: 597) in den 1990er Jahren nur vereinzelte Initiativen, neue Umweltschutzinstru-mente aus dem Bereich der ökonomischen InstruUmweltschutzinstru-mente einzusetzen und eine grundle-gende Veränderung bei der Auswahl von Instrumenten schien nicht stattgefunden zu haben (ebd.: 603).

Diese Diskrepanz zwischen angedachten Veränderungen und tatsächlichen Initiativen in der GD Umwelt zeigt sich auch in dem Umgang mit dem ‚Molitor Report’. Der im Jahr 1995 von der Kommission finanzierte ‚Molitor-Report’ betonte insbesondere die Ver-bindung zwischen administrativen Vereinfachungen und der Erhöhung von Wettbe-werbsfähigkeit in der EU und forderte die Berücksichtigung marktbasierter Instrumente, um effiziente und effektive Maßnahmen zu schaffen (vgl. COM: 1995). Dieser Bericht war von der Kommission unter anderem aufgrund der andauernden wirtschaftlichen Rezession Mitte der 1990er Jahre initiiert worden und sollte im Umweltbereich eine

│143 fundamentale Reflektion der europäischen Umweltgesetzgebung anstoßen (vgl. Delbe-ke/Bergman: 1998: 243).

Die Kommentare der Kommission auf diesen Bericht zeigten jedoch, dass die Kommis-sion erst von einem ‚command-and-control’ Ansatz abrücken wollte, wenn die neuen Instrumente sich als mindestens so effektiv im Umweltschutz zeigten, wie die alten

‚command-and-control’Ansätze (vgl. Rittberger/Richardson: 2003: 579). Hier zeigt sich, dass der von unabhängigen Experten geforderte Umschwung bei der Instrumen-tenauswahl von der Kommission im allgemeinen und der GD Umwelt im besonderen in den 1990er Jahren in Bezug auf den Einsatz von marktbasierten Instrumenten im Um-weltschutz nicht vorbehaltlos aufgenommen wurde. Die Widerstände hinsichtlich der Einführung neuer marktbasierter Instrumente im Umweltschutz innerhalb der GD Um-welt hatten demnach offensichtlich mit der Angst vor ineffektiven Maßnahmen im Umweltschutz zu tun. Hier lag bei Mitarbeitern der Generaldirektion offensichtlich ein Missverständnis sowie mangelndes Wissen über marktbasierte Instrumente vor. Die Aktivitäten von Verantwortlichen in der GD Umwelt, um die Verwaltungskultur zu verändern, konnten demnach weder in den ideationellen noch in den prozeduralen Strukturen der Generaldirektion verankert werden, da sich die Mitarbeiter der General-direktion mit den neuen Weltbildern nicht identifizieren konnten, wie die Verhandlun-gen um die CO2-Steuer sowie die Aktivitäten Mitte der 1990er Jahren zeigen. Zudem konnte die Generaldirektion die angestrebten Vorstellungen von Offenheit nicht umset-zen, weshalb die von der Führung vorgenommene Vorstellung einer Verbesserung der ideationellen und prozeduralen Strukturen von den Mitarbeitern der Kommission offen-sichtlich nicht generell angenommen wurde (geringe ‚Fairness’).

Die Ausführungen zeigen, dass es Mitte der 1990er Jahre innerhalb der GD Umwelt Mitarbeiter gab, die sich gegen einen Wandel bei den Steuerungsinstrumenten in der Umweltpolitik stellten. Bis Mitte der 1990er Jahre war es nicht gelungen, die von eini-gen Eliten der GD Umwelt angestrengten Veränderuneini-gen, wie die Etablierung neuer Weltbilder, durch geeignete Reformulierungen und ‚Rahmungen’ so zu verankern, dass die Mitarbeiter sie akzeptiert und verinnerlicht hatten.

│144 Abb. 20: Grad der Offenheit und Flexibilität der Verwaltungskultur Mitte der 1990er Jahre

Mitte der 1990er Jahre wird die Verwaltungskultur der GD Umwelt daher weiterhin als intransparente und wenig offene Verwaltungskultur eingestuft (siehe Abb. 20), da sich NPM-Prinzipien wie Transparenz, Partizipation und Effektivität trotz Rahmungsversu-chen nicht explizit in den Strukturen der Verwaltungskultur wiederfinden ließen.