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Zugang zur Zielgruppe

Im Dokument Professoren mit Migrationshintergrund (Seite 164-167)

MOBIL-Studie, methodisches Vorgehen und Forschungsfrage

5.2 MOBIL-Studie, Zugang zur Zielgruppe und DatenerhebungDatenerhebung

5.2.1 Zugang zur Zielgruppe

Eine Herausforderung, mit der die MOBIL-Studie konfrontiert war, liegt darin, dass der amtlichen Statistik keine verlässlichen Zahlen über Anteil und Zusam-mensetzung von Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland zu ent-nehmen ist. Lediglich die Zahl der ausländischen Professoren wird seit Mitte der 2000er-Jahre erfasst. Deutschlandweit hat sich die Zahl ausländischer Professo-ren von 2.033 (5,3 %) im Jahr 2007 auf 3.182 (6,8 %) im Jahr 2016 erhöht. Für diese Gruppe lassen sich auch weiterführende Differenzierungen nach Geschlecht, Hochschulart, Besoldungsgruppen, Fächergruppen und Herkunftsland vornehmen (vgl. Abschnitt 4.2). Demgegenüber gab es bis zur MOBIL-Studie keine For-schungserkenntnisse über Zahl und Zusammensetzung von deutschen Professoren mit Migrationshintergrund.

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum die MOBIL-Studie nicht einfach die Gruppe der ausländischen Professoren befragt hat, da hier die sta-tistische Datenlage eine deutlich bessere Grundlage bietet. Die Migrations- und Bildungsforschung basierte bis Ende des 20. Jahrhunderts primär auf der dichoto-men Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wird die Kritik am Staats-angehörigkeitskriterium allerdings zunehmend lauter. Das Problem am Kriterium der Staatsangehörigkeit liegt darin, dass Menschen, die die deutsche Staatsange-hörigkeit erwerben, in der Statistik nicht mehr berücksichtigt werden. Folglich lassen sich über das Staatsangehörigkeitskriterium Erkenntnisse über Bildungs-und Berufsverläufe oder Angaben über die Repräsentation in spezifischen Bil-dungseinrichtungen und Berufsfeldern nicht adäquat erfassen. Beispielsweise ist denkbar, dass eine Hochschule eine Vielzahl von ausländischen Professoren enga-giert, die auch aufgrund des gesicherten Beschäftigungsverhältnisses in kurzer Zeit die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Hier könnte eine Untersuchung der Repräsentation auf der Grundlage des Ausländeranteils demzufolge zu der unzulässigen Schlussfolgerung führen, dass „Migranten“ an dieser Hochschule kaum vertreten sind. Neben der Gruppe der Eingebürgerten wird auch die Gruppe der (Spät-)Aussiedler nicht über das Staatsangehörigkeitskriterium erfasst. Zudem hat die politische und juristische Ausgestaltung des Einbürgerungsrechts unmit-telbare Folge auf den statistisch erfassten Ausländeranteil. Ein deutlicher Wandel hat mit der Einführung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts nach dem Geburts-ortprinzip (ius soli) im Jahr 2000 stattgefunden, auf dessen Grundlage Menschen, die in Deutschland als Kinder ausländischer Eltern geboren wurden, deutlich ein-facher die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben können1. Infolge der genannten Umstände hat sich in der Wissenschaft zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die alleinige Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit kein adäquates Konzept zur Messung von Migration darstellt (vgl. Engel, Neusel et al. 2014;

Neusel 2017). Auch vor diesem Hintergrund wurde das Konzept des Migrations-hintergrundes 2005 in die amtliche Statistik aufgenommen. Die Frage, ob ein Mensch einen Migrationshintergrund aufweist, entscheidet sich – wie aus der oben genannten Definition ersichtlich wird – zum Zeitpunkt der Geburt und dieser Status ist somit unveränderlich.

Zielsetzung der MOBIL-Studie war es, eine möglichst repräsentative Befra-gung von Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland durchzuführen.

Eine zentrale Herausforderung bei der Konzeption des Untersuchungsdesigns lag

1Voraussetzung ist eine Mindestaufenthaltsdauer in Deutschland von sieben Jahren von mindestens einem Elternteil.

darin, dass wie beschrieben die Größe der Grundgesamtheit (target population) kaum verlässlich benannt werden kann. Nach groben Schätzungen auf der Grund-lage einer Sonderauswertung des Mikrozensus 2011 gibt es ca. 5.000 Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland, was einem Anteil von knapp 12 % entspricht (Statistisches Bundesamt 2013). Da es sich bei diesen Zahlen um Hoch-rechnungen anhand von kleinen Fallzahlen handelt, dürfen sie nur unter Vorbehalt verwendet werden und lediglich einer näherungsweisen Bestimmung der Grund-gesamtheit dienen. Aufgrund dessen sind auch weitere Differenzierungen nach demographischen oder beruflichen Merkmalsausprägungen nicht zulässig. Zudem lässt sich der Migrationshintergrund möglicher Untersuchungsteilnehmer nicht vorab bestimmen. Dies bedeutet, dass Professoren mit Migrationshintergrund nicht gezielt kontaktiert werden können, sondern dass lediglich die Möglichkeit besteht, an alle Professoren heranzutreten, um anschließend über eine Filterfrage (Selbstauskunft) zu ermitteln, welche Personen einen Migrationshintergrund besit-zen. Um festzustellen, ob eine Person einen Migrationshintergrund hat, sind deren Staatsangehörigkeit und Zuwanderungseigenschaft zu berücksichtigen.2Nach der Definition, die das Statistische Bundesamt im Mikrozensus in den Jahren 2005 bis 2016 zugrunde gelegt hat, haben Personen einen Migrationshintergrund:

• die selbst oder mindestens ein Elternteil nicht als Deutsche geboren wurden oder

• die selbst oder mindestens ein Elternteil nach 1949 nach Deutschland zuge-wandert sind und somit nicht auf dem heutigen Gebiet Deutschlands geboren wurden.

Die beschriebenen Schwierigkeiten, dass der Migrationshintergrund möglicher Untersuchungsteilnehmer und die Größe sowie die Zusammensetzung der Ziel-gruppe nicht vorab bestimmt werden können, führen dazu, dass die Durchführung von probabilistischen Stichprobenerhebungen nicht zulässig ist. Der Grund dafür liegt darin, dass diese Stichproben nach dem Zufallsprinzip aus der Grundgesamt-heit gebildet werden und nur bei Vorliegen einer vollständigen Populationsliste vorgenommen werden können (Döring und Bortz 2016).

Als einzige Alternative verbleiben somit nicht-probabilistische Stichproben-verfahren. Zum einen können Gelegenheitsstichproben gezogen werden, bei-spielsweise über die Auswahl von Professoren mit „migrantischen“ Namen im

2Vielen Dank an dieser Stelle an Herrn Gunter Brückner vom Statistischen Bundesamt für die Auskünfte zur Operationalisierung des Migrationshintergrundes nach dem Statistischen Bundesamt für den Mikrozensus 2010.

Wege sogenannter onomastischer Ziehungsverfahren (El-Menouar 2014). Zum anderen besteht die Möglichkeit sogenannter Schneeballverfahren, im Rahmen derer migrantische Professoren auf ihnen bekannte andere migrantische Profes-soren hinweisen. Während auf derartige Verfahren möglicherweise im Rahmen explorativ-qualitativer Studien zurückgegriffen werden könnte, erweisen sie sich im Hinblick auf die Zielsetzung der MOBIL-Studie, eine möglichst repräsenta-tive quantitarepräsenta-tive Befragung durchzuführen, als methodisch ungeeignet (Döring und Bortz 2016).

Aufgrund dessen verblieb als einzige Option, anstelle einer Stichprobenzie-hung eine Vollerhebung aller Professoren durchzuführen, um anschließend anhand der Filterfrage Zugang zur Zielgruppe der Professoren mit Migrationshinter-grund zu erhalten. Zum Zeitpunkt der Befragung lag die Zahl der Professoren in Deutschland bei ca. 43.000. Aus forschungsökonomischen Gründen (Zeit-und Kostenaufwand) ließ sich eine b(Zeit-undesweite Vollerhebung nicht realisieren.

Daher wurde die Entscheidung getroffen, die MOBIL-Studie zunächst regional begrenzt in Berlin und Hessen durchzuführen. Der Vorteil dieser beiden Länder lag darin, dass die Netzwerkstrukturen des Forscherteams in den beiden Ländern am stärksten ausgeprägt sind, was den Kontakt zu den beteiligten Hochschulen erleichterte.

Im Dokument Professoren mit Migrationshintergrund (Seite 164-167)

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