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Theorien über Diversity und Heterogenität im Hochschulwesen

Im Dokument Professoren mit Migrationshintergrund (Seite 125-133)

Begrifflicher und theoretischer Rahmen

3.5 Theorien über Diversity und Heterogenität im Hochschulwesen

Das Konzept derDiversityhat in den letzten Jahren eine enorme Aufmerksamkeit in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft erhalten. Dabei stehen zumeist die Chancen gesellschaftlicher Vielfalt innerhalb von Organisationen im Mittelpunkt (Bundes-institut für Bevölkerungsforschung 2016, S. 13). DasDiversity-Konzept geht auf zwei sehr unterschiedliche Diskurse zurück: erstens den Diskurs über Menschen-rechte, Minderheiten und soziale Gerechtigkeit und zweitens als strategischer Ansatz desHuman-Resource-Managements(Wolter 2015b).

Oswick und Noon (2014) zeigen, dass der Diskurs über Diversität seit Ende der 1980er-Jahre den Diskurs über soziale Gerechtigkeit und Affirmative Action

in weiten Teilen ersetzt hat und seither einem Großteil der wissenschaftlichen Publikationen zugrunde liegt. Dabei wird kontrovers diskutiert, inwieweit durch denDiversity-Ansatz tatsächlich ein substantieller Wandel auf semantischer Ebene stattgefunden hat oder ob es sich lediglich um begriffliche Veränderungen handelt.

Es zeigt sich dabei zunehmend ein Trend, dass zwar ein gewisser substantieller Wandel anerkannt wird, der sich insbesondere darin zeigt, dass Diversitätsmaß-nahmen häufiger durch Unternehmensvorteile legitimiert werden und seltener der Bezug zum Menschenrechtsdiskurs hergestellt wird. Zugleich zeigt sich bei einer Vielzahl von Publikationen zum Diversity-Konzept aber auch, dass der Unter-schied zum Ansatz der Chancengleichheit sich weitgehend auf die veränderte Namensgebung beschränkt.

Dennoch ist zu betonen, dass die Perspektive desDiversity-Ansatzes ein deut-lich größeres Feld in den Fokus rückt, wie anhand des nachfolgenden Zitats von Wolter ersichtlich wird:

„Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Diversity-Konzept und dem Konzept der Chancengleichheit liegt darin, dass sich Chancengleichheit primär auf Personen oder Gruppen bezieht. Demgegenüber nimmt das Diversity-Konzept darüber hin-aus auch kulturelle Strukturen – z. B. Wissens- und Wissenschaftskulturen, fachliche Anerkennungs- und Relevanzkriterien oder subjektive Lebens- und Identitätsentwürfe – und institutionelle Prozesse in den Blick. So wird als ‚Response‘ auf die deutlich angewachsene Beteiligung an Hochschulbildung in vielen Ländern eine Debatte über eine stärkere institutionelle Differenzierung des Hochschulsystems, oft auch als Diver-sifizierung bezeichnet, geführt. Insofern ist der semantische Horizont von Diversity wesentlich breiter und umfasst neben der individuellen Mikroebene auch die Meso-ebene (z. B. Fächer und Studiengänge) und die MakroMeso-ebene des Hochschulsystems“

(Wolter 2017, S. 10).

Zugleich hat der Diversity-Ansatz das Potential, durch eine zielgruppenübergrei-fende, ressourcenorientierte Perspektive neue Impulse zu setzen und sich damit von der häufig defizitorientierten Ungleichheitsforschung abzugrenzen. Demnach ist Vielfalt als Normalität und nicht als Abweichung zu verstehen (Karaka¸so˘glu 2014; Tepecik 2011). Dabei birgt das Konzept der Diversity jedoch auch die Gefahr des „Rosinenpickens“, was bedeutet, dass ausschließlich solche Diversi-tätsmerkmale nach außen getragen werden, die einem positiven Image von Vielfalt entsprechen. Eine kritische Betrachtungsweise bezüglich der Frage, wie Diver-sität konkret gemessen und gestaltet wird, ist daher unumgänglich, damit über Diversityauch in systematischer Form Diskriminierungs- und Exklusionsprozesse sichtbar gemacht werden können (Heitzmann und Klein 2012b).

Zweitens wird derDiversity-Ansatz auch als Managementkonzept betrachtet, dem die Zielsetzung zugrunde liegt, Vielfalt als Ressource für die Organisati-onsentwicklung und -optimierung zu nutzen. Bestehende Differenzen zwischen Menschen und die Berücksichtigung entsprechender Unterschiede spielen eine entscheidende Rolle für Personalstrategien und Organisationsentwicklung. Die effizientere Nutzung menschlicher Ressourcen durch den Wandel von mono-kulturellen zu multimono-kulturellen Organisationen ist ein Ansatz, der sich in den letzten Jahren auch zunehmend im Hochschulwesen etabliert hat. Im Zuge des demographischen Wandels in vielen westlichen Ländern wird die Suche nach neuen Zielgruppen zumeist mit demDiversity-Management-Ansatz in Verbindung gebracht (Leicht-Scholten 2011; Wolter 2015b). Auch im Leitbild vieler Hoch-schulen findet sich ein Bekenntnis zur Förderung von Diversität. Während Diver-sity als eine Art Mission-Statement zur Förderung von Chancengleichheit und Vielfalt zu verstehen ist, sind die Begriffe Heterogenität und Homogenität stär-ker analytische Konzepte, die die Verteilung bestimmter Merkmalsausprägungen beschreiben (Wolter 2015b).

Die Forschung über Diversity konzentrierte sich lange Zeit ausschließlich auf Ethnizität als ein Heterogenitätsmerkmal, das zumeist über das Herkunfts-land operationalisiert wurde. In den vergangenen Jahren hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass einer isolierten Betrachtung der ethnischen Her-kunft als Diversitätsmerkmal wenig Aussagekraft zukommt. Stattdessen gilt es als anerkannt, dass die Frage, welchen Einfluss Diversity auf unterschiedliche gesellschaftliche Aspekte hat, letztendlich nur darüber zu lösen sein kann, den Zusammenhang und die Interaktion unterschiedlicher Heterogenitätsmerkmale zu untersuchen (Allemann-Ghionda 2014; Vertovec 2007). Diewald und Faist (2011) betonen, dass unterschiedliche Heterogenitätsmerkmale zumeist erst im Zuge der Merkmalskombination in unterschiedlichen sozialen Kontexten sowie Akteurs-und Interessenkonstellationen ihre spezifische Relevanz entfalten.

Einen wichtigen Forschungszweig bildet hier der Ansatz der Intersektiona-lität. Nach dem multiplikativen Ansatz der Intersektionalitätsforschung besitzen Geschlecht, soziale Herkunft und Migrationshintergrund für sich genommen oft wenig Aussagekraft, sondern der Interaktion zwischen den einzelnen Kategorien kommt häufig eine zentrale Bedeutung zu (Hancock 2007). Die Frage, inwie-weit der intersektionale Ansatz noch zusätzliche Differenzlinien berücksichtigen sollte, wird kontrovers diskutiert. Heitzmann und Klein (2012a) betrachten in ihrer Forschung über die Diversität des Hochschulwesens in Deutschland als weitere Kategorien Religion, sexuelle Orientierung, Behinderung und Alter. Gene-rell ist festzuhalten, dass bisher für die Studierenden und insbesondere für das

wissenschaftliche Personal über die Frage der Kombination zentraler Hetero-genitätsmerkmale wenig bekannt ist. Die Frage, ob es gelingt ein nachhaltiges Diversity-Konzept an Hochschulen zu etablieren, das nicht nur ökonomischen Management-Prinzipien folgt, sondern explizit auch zielgruppenübergreifende Chancengerechtigkeit begünstigt, hängt sehr stark von den verantwortlichen Hochschulakteuren ab. Langholz gibt diesbezüglich die Zielsetzung aus, „to etablish a critical mass of diverse faculty“(Langholz 2014, S. 222).

Im Rahmen der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit wird um den Einfluss von Diversität auf die Arbeitssituation, internationale Aktivi-täten oder Transnationalität und gesellschaftliche Teilhabe der Professoren zu untersuchen, kein monokausaler Zusammenhang hinsichtlich unterschiedlicher Herkunftsländer angenommen, sondern es wird explizit das Konzept der Multi-dimensionalität zugrunde gelegt. Vertovec spricht in diesem Zusammenhang von superdiversity. Der Begriff dersuperdiversity, den er anhand der Migration nach Großbritannien in den letzten Jahrzehnten veranschaulicht, unterscheidet sich vom Begriff derdiversityzum einen darin, dass die Pluralität der Herkunftsländer der Zuwanderer in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Zum anderen betont er mittels der besonderen Terminologie, dass sich Diversitynicht allein auf die Herkunft beziehe, sondern vielmehr in der oben beschriebenen Form als multi-dimensionales Konstrukt untersucht werden sollte. Die Relevanz dieses breiteren Verständnisses präzisiert er wie folgt:

“In the last decade the proliferation and mutually conditioning effects of additional variables shows that it is not enough to see diversity only in terms of ethnicity, as is regularly the case both in social science and the wider public sphere. Such additional variables include differential immigration statuses and their concomitant entitlements and restrictions of rights, divergent labour market experiences, discrete gender and age profiles, patterns of spatial distribution, and mixed local area responses by service providers and residents. Rarely are these factors described side by side. The interplay of these factors is what is meant here, in summary fashion, by the notion of ‘super-diversity” (Vertovec 2007, S. 1025).

Dieses Verständnis bildet einen wichtigen theoretischen Grundstein des For-schungsdesigns. Generell ist das Design der vorliegenden Arbeit in der Form gestaltet, dass nicht ein binärer Vergleich zwischen Professoren mit und ohne Migrationshintergrund im Mittelpunkt steht, sondern eine differenzierte Betrach-tung der Professoren mit Migrationshintergrund sowohl nach migrationsspezifi-schen Merkmalen wie Zuwanderungszeitpunkt oder Herkunftsland als auch nach demographischen Variablen wie Geschlecht, soziale Herkunft oder beruflichen

Merkmalen wie Fächergruppe und Hochschulart vorgenommen wird. Unter-schiede sowie das Zusammenspiel der genannten Faktoren werden hinsichtlich der unterschiedlichen Themenfelder der vorliegenden Arbeit durchgehend analy-siert. Es geht dabei also in Anlehnung an die These von Diewald und Faist (2011) darum, herauszuarbeiten, welche unterschiedlichen Heterogenitätsmerkmale bei Professoren mit Migrationshintergrund in welchen sozialen Kontexten eine wich-tige Bedeutung zukommt. Gruppenunterschiede werden systematisch im Kontext der verschiedenen Themenstellungen im Ergebnissteil (Kapitel 6) untersucht.

Eine systematische Einordnung, Interpretation und Diskussion der Gruppenun-terschiede findet im Abschnitt 7.1 statt. Zugleich wird bei der Untersuchung der Diskriminierung der Professoren mit Migrationshintergrund ebenfalls der Diversity-Ansatz aufgegriffen, indem Gruppenunterschiede sowohl für positive als auch für negative Erlebnisse nach Herkunft, Geschlecht, Alter und Religion differenziert untersucht werden (vgl. Abschnitt6.9).

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Forschungsstand

Hinsichtlich des Forschungstandes ist zunächst festzuhalten, dass die Definition des Migrationshintergrundes nach dem Mikrozensus, die dieser Arbeit zugrunde liegt, in der Hochschulstatistik nicht erfasst wird und bisher – mit Ausnahme einer Sekundäranalyse – noch nicht im Rahmen von Hochschullehrerbefragun-gen verwendet wurde. Dementsprechend kann der Anteil von Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland, der nach gegenwärtigem Stand etwa 12 % betragen soll (vgl. ausführlich Abschnitt 5.1), bisher nur näherungsweise über Schätzungen ermittelt werden. Im Rahmen aktueller Forschungsarbeiten finden bisher nur einzelne Indikatoren wie die Staatsangehörigkeit, das Geburtsland sowie das Geburtsland der Eltern Berücksichtigung.

Die Relevanz von Internationalität, insbesondere im Hinblick auf physische Mobilität und Forschung, hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Die Schaffung und Stärkung eines europäischen Hochschulraums, u. a. durch För-derprogramme wie Horizon 2020, hat ebenso dazu beigetragen wie die enorme Öffentlichkeitswirkung internationaler Forschungsrankings, die – trotz aller Kri-tik – jedenfalls positiv zur Stärkung einer nationenübergreifenden Perspektive beitragen. In diesem Zusammenhang bildet Internationalität selbst ein Beurtei-lungskriterium, beispielsweise im Ranking der Times Higher Education oder dem U-Multirank des CHE. Dabei dienen insbesondere der Anteil internationaler Studierender und internationale Fördergelder als Indikatoren für Internationalität (Teichler 2017b; Ziegele und van Vaught 2013).

Trotz der hohen Relevanz der zugrunde liegenden Thematik ist der For-schungsstand über Migration und Mobilität von Wissenschaftlern an Hochschulen bisher sowohl in Deutschland als auch international kaum systematisch erschlos-sen. Zum einen gibt es für Migration ebenso wie für internationale Mobilität eine Vielzahl unterschiedlicher Formen und Definitionen und damit verbundener Indikatoren. Auf dieser Grundlage lassen sich Entwicklungen und vergleichende

© Der/die Autor(en) 2021

O. Engel,Professoren mit Migrationshintergrund, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32411-7_4

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Darstellungen nur schwer abbilden. Zugleich konzentriert sich ein Großteil der Forschung über internationale Mobilität an Hochschulen auf die Gruppe der Stu-dierenden, während Untersuchungen über Wissenschaftler bisher deutlich seltener zu finden sind. Die geringere Aufmerksamkeit lässt sich sowohl auf die deut-lich kleinere Zahl an Wissenschaftlern zurückführen als auch darauf, dass die Mobilität von Wissenschaftlern zum Teil negativ konnotiert ist, da der Gefahr des Brain Drains, also eines langfristigen Verlustes hochqualifizierter Arbeitskräfte, bei Wissenschaftlern eine größere Relevanz zukommt als bei Studierenden. Dem-gegenüber wird internationale Studierendenmobilität in der Forschung zumeist ausschließlich positiv bewertet (vgl. Engel, Sebald et al. 2014; Teichler 2015).

Hinsichtlich der Datenlage ist kritisch anzumerken, dass internationale Statisti-ken Mobilitätsströme über das Kriterium der „ausländischen“ Staatsangehörigkeit zu erfassen versuchen. Allerdings zeigt sich anhand der Einführung der Kategorie des Bildungsinländers auf europäischer Ebene, dass etwa ein Viertel der ausländi-schen Studierenden nicht während des Studiums international mobil ist, sondern bereits seit Studienbeginn und z. T. auch schon seit der Geburt im jeweiligen Land lebt. Eine entsprechende Differenzierung wurde für die Gruppe der Wissenschaft-ler bisher nicht vorgenommen. Daher lassen sich keine gesicherten Aussagen mit unmittelbarem Bezug zur Wissenschaftlermobilität treffen. Darüber hinaus fällt auch die internationale Datenlage über Wissenschaftler mit ausländischer Staatsangehörigkeit bisher unbefriedigend aus (Teichler 2017b). Während sich die Datenlage über internationale Studierende in den letzten Jahren deutlich ver-bessert hat, gibt es bisher keine internationale Datenbank über die internationale Mobilität von Wissenschaftlern (Altbach und Yudkevich 2017).

Vor diesem Hintergrund basiert Forschung über Migration und internatio-nale Mobilität von Wissenschaftlern primär auf den folgenden drei empirischen Datengrundlagen (DAAD 2016, S. 102):

1. Publikationsdatenbanken (bibliometrische Datenanalyse) 2. Amtliche Statistiken

3. Hochschullehrerbefragungen

Im Folgenden wird im ersten Schritt kurz der Forschungsstand über biblio-metrische Datenanalysen angeführt und dann im zweiten Schritt ausführlicher zentrale Befunde auf der Grundlage eigener Auswertungen der Hochschulperso-nalstatistik über Professoren mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutsch-land beschrieben. Im Anschluss stehen dann Hochschullehrerbefragungen zu Migration und internationaler Mobilität im Mittelpunkt. Es werden auf dieser

Grundlage Erkenntnisse über Anteile migrantischer Hochschullehrer, über interna-tionale Mobilität, über Mobilitäts- und Migrationstypologien, über die berufliche Integration, über Motive der Zuwanderung, über Bleibeabsichten, über soziale Integration und Kontakte sowie über Diskriminierung bei Migranten im Hoch-schulwesen dargelegt. Im letzten Teil stehen Forschungserkenntnisse qualitativer Erhebungen im Mittelpunkt, die speziell Fragen nach Arbeitssituation und Dis-kriminierung der Wissenschaftler mit Migrationshintergrund thematisieren sowie den Zusammenhang mit Geschlecht und sozialer Herkunft näher betrachten. Alle genannten Aspekte werden im Rahmen des Auswertungsteils über Professoren mit Migrationshintergrund (vgl. Kapitel6) aufgegriffen.

4.1 Bibliometrische Analysen über internationale Wissenschaftler

Bibliometrische Analysen basieren zumeist auf einer der beiden weltweit domi-nierenden Datenbanken „Scopus“ (Elsevier) oder „Web of Science“ (Thomson Reuters). Die beiden Datenbanken umfassen einen Großteil der international renommierten Peer-Review-Zeitschriften. Für jede Veröffentlichung wird dabei das Sitzland der gegenwärtigen Hochschule oder Forschungseinrichtung des Autors vermerkt, sodass ein geographischer Abgleich der Institutionen eines Autors im Verlauf seiner Publikationstätigkeit gleichsam Aufschluss über des-sen Mobilitätsverlauf geben kann. Einschränkend ist dabei anzumerken, dass nicht-englischsprachige Publikationen sowie Veröffentlichungen aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften in den Datenbanken nur unzureichend abgebildet werden (DAAD 2016).

Appelt, van Beuzekom, Galindo-Rueda und de Pinho (2015) untersuchten anhand von bibliometrischen Analysen wissenschaftlicher Publikationen zwischen 1996 und 2011 die Frage, wie sich internationale Wissenschaftsnetzwerke gestal-ten und welche Faktoren internationale Mobilität beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen, dass internationale Wissenschaftlermobilität auf einem hochkomplexen System basiert, dem weniger einseitige Entwicklungen in Form vonBrain Drain oderBrain Gainals vielmehr unterschiedliche Austauschprozesse im Sinne einer Brain Circulation zugrunde liegen. Einen wichtigen Einfluss auf internationale Mobilitätsströme haben sowohl politische Rahmenbedingungen wie etwa die Gel-tung bestimmter Visa-Vereinbarungen als auch die ökonomische Lage sowie die Forschungsbedingungen einzelner Länder.

Bibliometrische Analysen können zudem Erkenntnisse über weltweite Mobi-litätsunterschiede in ausgewählten Fachgebieten liefern. Während Volkswirt-schaft, Physik/Astronomie (jeweils 9 %), Mathematik, Geisteswissenschaften und Betriebswirtschaft (jeweils 8 %) überdurchschnittlich hohe Zahlen international mobiler Wissenschaftler aufweisen, fällt der Anteil in den Ingenieurwissenschaf-ten, der Humanmedizin (jeweils 6 %) und der Psychologie (5 %) eher moderat aus (DAAD 2016).

Diese Ausführungen zeigen beispielhaft, welche Möglichkeiten bibliometri-sche Analysen im Rahmen von Untersuchungen über die internationale Mobilität von Wissenschaftlern eröffnen. Neben den genannten Einschränkungen ist eine lückenlose Erhebung des Mobilitätsverlaufs nicht möglich, da Auslandsstationen, während denen keine Publikation in einem internationalen Journal verfasst wurde, nicht berücksichtigt werden können. Darüber hinaus ist ein weiterer Kritikpunkt an der Methode, dass häufig das Land, das der ersten Publikation zugeordnet wird, als Herkunftsland deklariert wird. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die erste Publikation in einem internationalen Journal bereits im Ausland stattgefun-den hat (DAAD 2016). Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die Darstellung des bibliometrischen Ansatzes auf die dargestellten kurzen Ausführungen.

4.2 Datenlage über Professoren mit ausländischer

Im Dokument Professoren mit Migrationshintergrund (Seite 125-133)

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