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Hintergrund der Dissertation

Im Dokument Professoren mit Migrationshintergrund (Seite 31-40)

Die MOBIL-Studie wurde zwischen 2011 und 2014 an der Humboldt-Universität zu Berlin unter der Leitung von Andrä Wolter und Aylâ Neusel in Zusammen-arbeit mit Marianne Kriszio durchgeführt. Ich selbst war als wissenschaftlicher Mitarbeiter ebenso wie Doreen Weichert und Daniela Janke an dem vom Bun-desministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt beteiligt. Die MOBIL-Studie ist die erste quantitative Untersuchung in Deutschland, die syste-matisch die Zusammensetzung, die Karriereverläufe und die Karrierebedingungen von Professoren mit Migrationshintergrund erforscht.

Im Rahmen der Studie wurden ausschließlich Professoren befragt, die nach der Definition des Statistischen Bundesamtes im Mikrozensus2 von 2005–2016 einen Migrationshintergrund haben, das heißt Professoren, die„selbst oder min-destens ein Elternteil nicht als Deutsche geboren wurden oder die selbst oder mindestens ein Elternteil nach 1949 nach Deutschland zugewandert sind und somit nicht auf dem heutigen Gebiet Deutschlands geboren wurden“(Statistisches Bun-desamt 2012, S. 6). Demgemäß können Menschen mit Migrationshintergrund im Sinne der Studie die ausländische, die deutsche oder beide Staatsangehörigkei-ten besitzen und sie können entweder in Deutschland oder im Ausland geboren

2Zugrunde gelegt wurde die Definition im Mikrozensus von 2005–2016. Im Jahr 2016 wurde die Definition leicht abgewandelt (vgl. 7.2.1).

sein. Menschen, die in Deutschland geboren sind und darüber hinaus die deutsche Staatsangehörigkeit haben, können einen Migrationshintergrund aufweisen, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt erlangt haben (Eingebür-gerte) oder wenn mindestens ein Elternteil nicht durch Geburt in Deutschland die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hat (vgl. Abbildung1.1).

Bevölkerung insgesamt

1 Deutsche ohne Migrationshintergrund

2 Personen mit Migrationshintergrund im weiteren Sinn insgesamt 2.1 Migrationshintergrund nicht durchgehend bestimmbar 2.2 Personen mit Migrationshintergrund im engeren Sinn insgesamt

2.2.1 Personen mit eigener Migrationserfahrung (Zugewanderte) insgesamt 2.2.1.1 Ausländer

2.2.1.2 Deutsche

2.2.1.2.1 (Spät-)Aussiedler 2.2.1.2.2 Eingebürgerte

2.2.2 Personen ohne eigene Migrationserfahrung (nicht Zugewanderte) insgesamt 2.2.2.1 Ausländer

2.2.2.2 Deutsche

2.2.2.2.1 Eingebürgerte

2.2.2.2.2 Deutsche mit mindestens einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil

2.2.2.2.2.1 mit beidseitigem Migrationshintergrund 2.2.2.2.2.2 mit einseitigem Migrationshintergrund

Abbildung 1.1 Differenzierte Erfassung des Migrationshintergrundes (Mikrozensus 2011).

Quelle: Grafik aus dem Bericht des Statistischen Bundesamtes zum Mikrozensus 2011 (Statistisches Bundesamt 2012, S. 7).

Nach dem Mikrozensus 2017 machen Menschen mit Migrationshintergrund einen Anteil von 23,6 % an der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus. Davon ist knapp ein Drittel bereits in Deutschland geboren und etwas über die Hälfte dieser Menschen haben die deutsche Staatsangehörigkeit (vgl. Abbildung1.2).

Abbildung 1.2 Privathaushalte nach Migrationsstatus (Mikrozensus 2017). Quelle: Mikro-zensus 2017 (Statistisches Bundesamt 2018a)

1.2 Theoretischer Zugang, Forschungsstand und Forschungsproblem

Der Forschungsstand über Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland bildet noch weitgehend ein Desiderat. Während im Schulbereich bereits umfang-reiche Forschungsarbeiten durchgeführt wurden (Autorengruppe Bildungsbericht-erstattung 2018) und in den letzten Jahren auch die Gruppen der Studierenden mit Migrationshintergrund sowie der internationalen Studierenden etwas näher erforscht wurden (Morris-Lange 2017, Kerst und Wolter 2017), stellt die MOBIL-Studie die erste quantitative MOBIL-Studie über Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland dar.

In der Forschung über Professoren mit Migrationshintergrund ist es wich-tig, zwischen zwei Ebenen zu differenzieren. Zum einen lässt sich aus der Perspektive der sozialen Ungleichheitsforschung die Frage stellen, wie sich die Zugangschancen zu Professorenstellen für Menschen mit Migrationshintergrund gestalten. Zum anderen lässt sich stärker aus der Perspektive einer professions-bezogenen Hochschulforschung fragen, wie sich die Bildungs-/Berufsverläufe, die Arbeitssituation, internationale Aktivitäten, Zuwanderung und Bleibeabsicht

sowie die soziale Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund darstel-len, die eine Professur erhalten haben. Eine Überschneidung beider Ebenen findet bei der Analyse des soziodemographischen Profils der Professoren mit Migrationshintergrund statt. Erkenntnisse über die Verteilung nach migrationss-pezifischen Merkmalen, wie Herkunftsland oder Zuwanderungszeitpunkt, nach demographischen Merkmalen, wie Geschlecht oder soziale Herkunft, und nach berufsspezifischen Merkmalen, wie Hochschulart oder Fächergruppe, sind sowohl für eine differenzierte professionsbezogene Untersuchung als auch hinsichtlich der Frage der Zugangschancen relevant.

Im Hinblick auf die erste Ebene kann die vorliegende Arbeit lediglich Hinweise liefern. Theoretisch knüpft diese Ebene an den Diskurs über Chancen-gleichheit an. Es lassen sich jedoch auch Bezüge zumDiversity-Ansatz herstellen (vgl. Wolter 2017 und Abschnitt3.5). Die Perspektive der Chancengleichheit hat sich als Querschnittsthema zu Gruppen an Hochschulen fest in der Hochschul-forschung etabliert, wobei primär Unterschiede nach Geschlecht und sozialer Herkunft in den Fokus genommen werden (Hüther und Krücken 2016). Hin-sichtlich des Professorenberufs spielen Geschlechterdisparitäten seit Jahrzehnten eine große Rolle (Neusel et al. 1986) und dabei insbesondere die Frage, welche Ursachen dem geringen Frauenanteil unter Professoren zugrunde liegen. Demge-genüber sind Untersuchungen über die Chancengleichheit anhand des Kriteriums der sozialen Herkunft für die Gruppe der Professoren noch deutlich geringer ver-treten, wenngleich erste Forschungsarbeiten vorliegen (vgl. Möller 2015). Da der Migrationshintergrund neben dem Geschlecht und der sozialen Herkunft die dritte zentrale Ungleichheitsdimension in der Bildungsforschung darstellt, ist es überra-schend, dass bisher keine Erhebung zur Frage der Zugangschancen von Menschen mit Migrationshintergrund zu Professorenstellen durchgeführt wurde. Der For-schungsstand in Deutschland beschränkt sich weitgehend auf eine differenzierte Betrachtung der ausländischen Professorenschaft nach Bundesland, Fächergruppe und Herkunftsland (DAAD 2016).

Um Chancengleichheit und Diversität unterschiedlicher sozialer Gruppen im Professorenberuf zu erforschen, muss die Repräsentation der Gruppen genauer betrachtet werden. Allerdings ist die Frage, wann eine soziale Gruppe angemesse-nen repräsentiert bzw. unterrepräsentiert ist, keinesfalls eindeutig zu beantworten.

In der Geschlechterforschung wird als Zielmarke häufig ein Anteil von ca.

50 % anvisiert, da dieser Wert auch in etwa der Geschlechterverteilung in der Gesamtbevölkerung entspricht. Allerdings ist dabei zu beachten, dass eine beob-achtete Unterrepräsentation in bestimmten Berufsfeldern nicht einfach auf den Auswahlprozess beim Berufszugang zurückzuführen ist, sondern dass Selektions-prozesse an unterschiedlichen Stellen in Bildungs-/Berufsverläufen stattfinden.

Eine Möglichkeit, die Verläufe systematisch über den Zeitverlauf zu analysie-ren, besteht darin, die Übergänge, beispielsweise die Wechsel von Schule zum Studium oder vom Studium in die Berufstätigkeit, genauer zu betrachten (vgl.

Banscherus et al. 2014). Ein Beispiel hierfür bildet der sogenannte Bildungs-trichter im Hochschulbildungsreport, der die genannten Verläufe anhand von jeweils 100 Nichtakademiker- und Akademikerkindern veranschaulicht und in den 1990er Jahren erstmalig in der Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerkes veröffentlicht wurde (vgl. Middendorf et al. 2013, S. 22). Von 100 Nichtakade-mikerkindern nehmen 23 ein Studium auf, 15 erreichen einen Bachelorabschluss, acht absolvieren erfolgreich ein Masterstudium und ein Kind promoviert. Unter Akademikerkindern liegen die entsprechenden Zahlen bei 74 (Studienanfang), 63 (Bachelorabschluss), 45 (Masterabschluss), 10 (Promotion) (Stifterverband 2018, S. 16).

Bei der Untersuchung der Repräsentation von Menschen mit Migrations-hintergrund im Professorenberuf ergeben sich besondere Herausforderungen.

So lässt sich der genannte Forschungsansatz am Beispiel der Übergänge im Bildungsverlauf hierauf nicht einfach übertragen, da die Menschen, die den Untersuchungsgegenstand bilden, in unterschiedlichem Alter nach Deutschland zuwandern. Somit ist eine systematische Ungleichheitsforschung im Sinne des Bildungstrichters lediglich für Migranten3 der zweiten Generation oder Migran-ten, die bereits als Kinder nach Deutschland zugewandert sind, möglich. Zwar liefert der Vergleich zwischen dem Anteil der Menschen mit Migrationshin-tergrund in der Alterskohorte der Professoren zwischen 35–65 Jahren an der Gesamtbevölkerung von ca. 19,0 %4 und dem geschätzten Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Professorenschaft von 11,6 % bereits einen deut-lichen Hinweis auf eine geringere Repräsentation in diesem Bereich. Aufgrund der zuvor beschriebenen Vielzahl der Selektionsprozesse sollte allerdings hieraus nicht direkt der Rückschluss gezogen werden, dass die Institution Hochschule bzw. das spezifische Berufsfeld sich in besonderer Weise restriktiv für Menschen mit Migrationshintergrund auswirkt. Ein Vergleich mit dem Migrantenanteil in anderen hochqualifizierten Bereichen des öffentlichen Dienstes zeigt hingegen, dass der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an Hochschulen deutlich über dem Durchschnitt liegt (vgl. Abschnitt2.2.2). Des Weiteren ist ein Vergleich der Migrationsanteile, ohne sich die Gruppen differenziert anzuschauen, wenig

3Die Begriffe Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

4Eigene Berechnung zum Erhebungszeitpunkt nach dem Mikrozensus 2013 Statistisches Bundesamt (2017b: S. 36).

aussagekräftig. Selbst ein Migrantenanteil von 30 % unter Professoren müsste aus der Ungleichheitsperspektive kritisch hinterfragt werden, wenn es sich bei den Migranten ausschließlich um angeworbene Professoren aus den USA, Österreich und der Schweiz handelt. Um Unterrepräsentation systematisch zu erforschen, ist es daher von zentraler Bedeutung, das Herkunftsland und nach Möglichkeit auch den Zuwanderungszeitpunkt zu berücksichtigen.

Aufgrund der Komplexität und der begrenzten statistischen Datenlage kann die vorliegende Arbeit lediglich erste Forschungserkenntnisse hinsichtlich der Teilha-bechancen von Menschen mit Migrationshintergrund im Professorenberuf liefern.

Auf Grundlage der Auswertung in dieser Arbeit lassen sich die Zusammensetzung der Gruppe der Professoren mit Migrationshintergrund und damit erstmals auch entsprechende Erkenntnisse für deutsche Professoren mit Migrationshintergrund detailliert beschreiben. Auf der Grundlage werden sowohl die Zusammensetzung nach Herkunftsland und Zuwanderungszeitpunkt als auch die Verteilung nach Geschlecht, sozialer Herkunft und Alter detailliert beschrieben und die Zusam-menhänge analysiert. Auch die Teilhabechancen innerhalb unterschiedlicher Hochschularten, Besoldungs- und Fächergruppen werden systematisch untersucht (vgl. Abschnitt6.1). Darüber hinaus werden die Selbstwahrnehmung hinsichtlich des Einflusses der Herkunft auf die wissenschaftliche Karriere sowie Diskri-minierungserfahrungen näher unter die Lupe genommen (vgl. Abschnitt 6.9).

Auch die Frage, inwieweit sich die Herkunftsländer von berufstätigen Menschen mit Migrationshintergrund in Berlin und Hessen im Allgemeinen von denen der befragten Professoren mit Migrationshintergrund unterscheiden, wird auf-gegriffen. Eine ausführliche Analyse hierzu findet sich in meiner Publikation

„Migrationsbiographie und Internationalität von Professor/innen“ (Engel 2017).

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht hingegen stärker die zweite Ebene, die zum Gegenstand hat, auf Grundlage einer professionsbezogenen Hochschulforschung die Bildungs-/Berufsverläufe, die Arbeitssituation, interna-tionale Aktivitäten, Zuwanderung und Bleibeabsicht sowie die soziale Teilhabe von Professoren mit Migrationshintergrund zu untersuchen. Der theoretische Rahmen besteht dabei aus drei Bausteinen. Den ersten Baustein bilden Migra-tionstheorien sowohl über die Entstehung von Migrationsprozessen als auch hinsichtlich der Frage der Teilhabe und Integration. Neben klassischen Ansätzen der Hochschulforschung werden dabei insbesondere Bezüge zur transnationalen Migrationstheorie und zu hochschulspezifischen Migrationstheorien hergestellt.

Darüber hinaus wird auch die Erklärungskraft des kulturellen Kapitals für die Arbeitsmarktintegration von Migranten sowie von diskriminierungstheoretischen Ansätzen für die vorliegende Arbeit in den Blick genommen. Zweitens werden Ansätze zur Internationalisierung der Hochschulen systematisiert und der weiteren

Arbeit zugrunde gelegt. Den dritten Baustein bilden Theorien über die akademi-sche Profession im Kontext von Internationalisierung und Globalisierung. Dabei wird herausgestellt, wie die akademische Profession sowohl Prozesse der Interna-tionalisierung der Hochschulen gestaltet als auch wie sie sich durch Prozesse der Internationalisierung verändert. Zugleich werden unterschiedliche Theorien über die Potentiale von migrantischen und internationalen Wissenschaftlern erläutert, auf die in der späteren empirischen Analyse Bezug genommen wird.

Hinsichtlich des Forschungsstandes lässt sich festhalten, dass Hochschullehr-erbefragungen seit vielen Jahrzehnten in Deutschland durchgeführt werden. Es gibt bisher in Deutschland allerdings kaum Befragungen, die explizit Wissen-schaftler mit Migrationshintergrund in Deutschland in den Mittelpunkt stellen.

Lediglich eine Pilotstudie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über Wissenschaftler mit ausländischer Staatsangehörigkeit5 in Aachen, Köln und Bonn (Otto und Temme 2012) und die Studie „Motivationen Internationaler Nachwuchswissenschaftler in Deutschland“ (MIND) (Wegner 2016b) bilden Aus-nahmen. Allerdings werden in beiden Studien deutsche Wissenschaftler und Professoren mit Migrationshintergrund nicht berücksichtigt, beziehungsweise ver-wenden beide Untersuchungen das Staatsangehörigkeitskriterium und nicht das Konzept des Migrationshintergrundes. Zudem gibt es qualitative Studien über Wissenschaftler mit Migrationshintergrund in Deutschland (vgl. u. a. Bakshi-Hamm 2008; Bouffier und Wolffram 2012; Pichler und Prontera 2012b; Shinozaki 2017a). Diese Untersuchungen zeigen, dass unterschiedliche Erfahrungen sel-ten ausschließlich auf die Herkunft zurückzuführen sind, sondern dass häufig das Zusammenspiel von Geschlecht, sozialer Herkunft und Migrationshintergrund Karriereverläufe und Arbeitssituationen beeinflussen.

Zudem existieren allgemeine nationale und internationale Hochschullehrer-befragungen, im Rahmen derer zum Teil Sonder- und Sekundärauswertungen vorgenommen wurden, um Wissenschaftler mit Migrationshintergrund näher zu untersuchen (IDEA Consult 2013; Jacob und Teichler 2011; Löther 2012b; Scel-lato et al. 2015; Schomburg et al. 2012). Löther (2012b) führte auf der Grundlage der Studie „Balancierung von Wissenschaft und Elternschaft“ des Kompetenz-zentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) eine Sekundäranalyse durch und knüpft dabei an das Konzept des Migrationshintergrundes an. Im Mittelpunkt steht dabei ein Vergleich der beruflichen Integration von Wissen-schaftlern mit und ohne Migrationshintergrund. Zudem sind Publikationen im

5Wenn in der vorliegenden Arbeit von Personengruppen mit ausländischer Staatsangehö-rigkeit gesprochen wird, geht es ausschließlich um Personen, die zugleich keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Kontext der internationalen Erhebung „Changing Academic Profession“ (CAP) hervorzuheben, die ausführlich Migration und Mobilität von Hochschullehrern untersuchen. Dabei werden unterschiedliche Mobilitäts- und Migrationstypolo-gien der Hochschullehrer erstellt und Differenzierungen nach Status (Junior-vs. Senior-Researcher), Geschlecht, sozialer Herkunft und Fächergruppen vor-genommen (Goastellec und Pekari 2013b). Zudem wird untersucht, welche Faktoren internationale Mobilität im Bildungs-/Berufsverlauf beeinflussen und welche Auswirkungen internationale Mobilität auf die Karriere hat (IDEA Consult 2013; Rostan und Höhle 2014). Des Weiteren werden internationale Aktivitäten zwischen nichtmobilen und unterschiedlichen Migrations- und Mobilitätstypen verglichen. Die Ergebnisse verweisen auf Unterschiede je nach Zuwanderungs-zeitpunkt, kommen insgesamt aber zu dem Fazit, dass internationale Mobilität und Migration die berufliche internationale Aktivität erhöht (Goastellec und Pekari 2013b; IDEA Consult 2013; Rostan und Höhle 2014).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Forschungsstand sowohl über die Teilhabe als auch über die Bildungs-/Berufsverläufe sowie die aktuelle Situa-tion von Professoren mit MigraSitua-tionshintergrund in Deutschland bisher nur gering ausgeprägt ist. Etwas weiter fortgeschritten ist indessen die internationale For-schungslage, speziell in den angelsächsischen Ländern. Allerdings findet hier eine klare Differenzierung zwischen Studien über die„Faculty of Color“(Turner et al.

2008) einerseits und die „International Faculty“ (Yudkevich et al. 2017) ande-rerseits statt. Dabei geht es auf der einen Seite um Teilhabe und Diskriminierung von ethnischen Minderheiten, auf der anderen Seite um die Situation von hoch-qualifizierten zugewanderten Wissenschaftlern. Es stellt sich dementsprechend die Frage, ob der gewählte konzeptionelle Ansatz sinnvoll ist, Migranten der zweiten Generation auf der einen und aus dem Ausland angeworbene hochqualifizierte Zuwanderer auf der anderen Seite in einem gemeinsamen Forschungsdesign über das Konzept des Migrationshintergrundes zu untersuchen. Faist schreibt hierzu:

“Movement of persons is dichotomized in public debate into mobility and migration, with mobility connoting euphemistic expectations of gain for individuals and states, and migration calling for social integration, control and the maintenance of national identity” (Faist 2013, S. 1640).

Neusel und Wolter (2016) sprechen in diesem Zusammenhang von einer häu-figen Defizitperspektive auf Menschen mit Migrationshintergrund. Insbesondere im Bildungsbereich werde Migration häufig im Kontext von Benachteiligung und als vermeintliche Ursache von Scheitern und geringem Erfolg diskutiert. Die Hervorhebung von sozialer Ungleichheit und Benachteiligung und die geringe

Aufmerksamkeit für besondere Potentiale und Kompetenzen zeigt sich auch im Hochschulwesen. Dabei lässt sich die Defizitperspektive speziell bei Early Migrants und Flüchtlingen beobachten. Der Anteil aus dem Ausland zugewan-derter internationaler Studierender und Wissenschaftler wird hingegen häufig als Leistungsindikator zum Stand der Internationalisierung verwendet (vgl. Wolter 2019).

Mecheril fasst die Defizitperspektive auf Migration wie folgt zusammen:

„Bis heute konzentriert sich ein nicht unwesentlicher Teil der Migrationsforschung auf Mangellagen und Abweichungen von ‚Menschen mit Migrationshintergrund‘, auf Konflikte zwischen ‚Allochthonen‘ und ‚Autochthonen‘ bzw. ‚Einheimischen‘ und

‚Fremden‘, auf Probleme der ‚Anderen‘ wie z. B. ‚Schulversagen‘, auf die Deskription und die Explikation von ‚kulturellen Differenzen‘“ (Mecheril et al. 2013, S. 16).

Das Forschungsdesign der MOBIL-Studie und der vorliegenden Arbeit verfolgt in dieser Hinsicht einen Perspektivwechsel. Die Entscheidung, zunächst exklusiv Professoren mit Migrationshintergrund zu befragen und die Gruppe hinsicht-lich unterschiedhinsicht-licher Themenfelder differenziert zu betrachten, liegt auch in der Zielsetzung begründet, Unterschiede nicht über einfache Rückschlüsse aufgrund des Migrationshintergrundes oder des Herkunftslandes im Sinne des methodo-logischen Nationalismus zu erklären, sondern die Vielfalt und Heterogenität der Gruppe sichtbar zu machen.

Aus meiner Sicht ist der Ansatz eines Forschungsdesigns mit einem breiten Migrationsverständnis durch das Konzept des Migrationshintergrundes vielver-sprechend, da ein solches Vorgehen sowohl eine differenzierte Betrachtung ermöglicht als auch die häufig eingenommene dichotome Sichtweise in Frage stellt. So entsteht durch das Konzept des Migrationshintergrundes eine große heterogene Gruppe, die zunächst nur darin eine Gemeinsamkeit hat, dass alle Personen dieser Gruppe einen biographischen Migrationsbezug aufweisen, wenn-gleich zum Teil auch lediglich über die Migrationsbiografie der Eltern. Interessant wird das Konzept allerdings, wenn die Gruppe differenziert betrachtet wird und systematisch Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden.

Vor diesem Hintergrund wird ein Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf den Binnenvergleich der Professoren mit Migrationshintergrund liegen.

1.3 Forschungsdesign der Dissertation in Abgrenzung

Im Dokument Professoren mit Migrationshintergrund (Seite 31-40)

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