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Zugang zur Gruppe und die Rolle der politisch Gleichgesinnten

5. Befunde und ihre Interpretation im Ort X

5.3 Fallbeispiel Klaus

5.3.7 Zugang zur Gruppe und die Rolle der politisch Gleichgesinnten

An seinen ersten politischen Demonstrationen hat Klaus gemeinsam mit seinen Eltern oder mit Freunden teilgenommen. Dass er sich der SPD angeschlossen hat nennt er eher einen Zu-fall. Auf die SPD aufmerksam geworden ist er, da er am gleichen Tag wie Willi Brandt gebo-ren ist. Hinzu kommt, dass es an seinem Wohnort keine andere Gruppierung gab, die in Frage gekommen wäre.

Nach seinem Umzug hat er sich gemeinsam mit einem Freund dem dort ansässigen Ortsverein angeschlossen.

Während sich Klaus bisher immer gemeinsam mit einem Freund einer Gruppe angeschlossen hat, schließt er sich nach einem erneuten Umzug eigenständig einer neuen Gruppe an. Förder-lich mag hier seine zu diesem Zeitpunkt bereits gefestigte politische Überzeugung gewirkt haben, denn er lässt sich auch von anfänglichen Differenzen in der Gruppe nicht abhalten. Im Gegenteil, er verschafft sich im Laufe der Zeit eine Position in der Gruppe, in der er maßgeb-lichen Einfluss auf die Themenwahl und die Überzeugung in der Gruppe hat.

Wie bereits mehrfach angeklungen, ist es für Klaus wichtig, sich unter politisch interessierten Menschen zu bewegen. Dennoch hat er auch Freunde, die sich nicht für Politik interessieren, hier meidet er jedoch auch den politischen Diskurs. Klaus weist jedoch auch darauf hin, dass die Gefahr besteht seine eigenen Positionen zu wenig zu hinterfragen, wenn man sich immer nur unter Gleichgesinnten bewegt.

5.3.8 Subjektive Bewertung des Handelns

Wie bereits erwähnt, sieht Klaus den Erfolg seines Engagements vor allem im Kleinen, wenn es beispielsweise gelingt, eine neue Debatte anzustoßen oder eine Veranstaltung gut besucht ist und sich neue Menschen der Gruppe anschließen. Den Erfolg auf Bundes- und Landesebe-ne betrachtet er differenziert. Er Landesebe-nennt es zwar eiLandesebe-nen Erfolg, wenn es gelingt eiLandesebe-nen Beschluss gegen die Parteispitze durchzusetzen, er weiß jedoch auch, dass solche Beschlüsse in der Rea-lität meist ohne Auswirkungen bleiben. Dass er den Erfolg auf höheren Ebenen als so gering betrachtet hängt sicher auch damit zusammen, dass er sich mit seinen Positionen im Wider-spruch zur Parteispitze befindet und er wenig Bereitschaft zu innerparteilichen Diskussionen sieht.

Wichtiger als objektive Erfolge scheint es für Klaus zu sein, seinem Bedürfnis etwas tun zu müssen nachzukommen und somit im Einklang mit seinem Persönlichkeitsbild und seinen persönlichen Grundsätzen/Werten zu leben.

5.3.9 Lern- und Veränderungsprozesse

Klaus hat durch sein Engagement vor allem im Bereich so genannter sozialer Kompetenzen hinzugelernt, die für ihn auch im späteren Berufsleben von Nutzen sind, wie beispielsweise Teamfähigkeit und die Organisation von Arbeitsabläufen. Auf der persönlichen Ebene hat das Engagement zu mehr Selbstbewusstsein und Sicherheit geführt.

Aber auch Klaus politisches Bewusstsein hat sich im Laufe der Zeit, vor allem durch zuneh-mendes Wissen, verändert. Während er zu Beginn seines Engagements noch auf einer morali-schen Ebene, er selbst spricht hier von der „Gutmensch-Schiene“ argumentiert hat, sieht er heute nicht nur ein konkretes Problem, sondern auch die Hintergründe und Zusammenhänge.

„Wenn ich überlege in welcher einfachen Welt ich vor drei vier Jahren noch gelebt habe, also irgendwie als Bei-spiel Faulenzerdebatte das hat man überhaupt nicht hinterfragt, sondern bis man dann irgendwann mal auf den Trichter kommt, dass das vielleicht auch was mit dieser Verwertbarkeitsideologie zu tun hat und irgendwann kommt dann, dass das vielleicht systemimmanent ist, ne das sind ja alles so Sachen, da kommt man erst nach und nach drauf“.( Seite 15)

Darüber hinaus hat sich auch sein Freundeskreis verändert. Während es in seinem früheren Freundeskreis meist um Sport und ähnliche Themen ging, bewegt er sich heute zum größten Teil unter Menschen, die ebenfalls politisch interessiert sind.

5.3.10 Positive und negative Konsequenzen

Abgesehen davon, dass das Engagement wenig Raum für andere Aktivitäten, wie beispiels-weise Hobbys lässt, bewertet Klaus das Engagement überwiegend positiv. Neben den bereits erwähnten Fähigkeiten, die er sich hierdurch aneignen konnte, nennt er vor allem die Mög-lichkeit des Reisens und den Kontakt zu anderen interessanten Menschen, die er ohne seine Tätigkeit nicht kennen gelernt hätte.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass Klaus glaubt ohne sein Engagement nicht glücklich und zufrieden sein zu können.

5.3.11 Partei versus außerparlamentarische Gruppierung

Obwohl Klaus mit seiner Partei hadert und auch immer wieder überlegt, ob er nicht austreten soll, sind Parteistrukturen oder zumindest parteiähnliche Strukturen das Medium, in dem Klaus’ Engagement stattfindet und wohl auch in Zukunft stattfinden wird. Dies liegt vor al-lem an seiner Art politisch zu arbeiten.

Er findet es schwer, beziehungsweise ungenügend, ein Thema losgelöst von seinem Hinter-grund zu betrachten und dies ist genau das, was er an so genannten Ein-Punkt-Bewegungen bemängelt. So ist er beispielsweise der Überzeugung, dass man Bildungspolitik nicht losge-löst von der Frage neoliberaler Tendenzen in den sozialen Systemen betrachten kann. Eine Partei oder auch eine relativ durchstrukturierte Bewegung wie ATTAC bietet in seinen Augen den Vorteil, dass es immer Menschen gibt, die sich bereits mit anderen Aspekten des Themas beschäftigt haben und auf deren Wissen man zurückgreifen kann, was eine Diskussion auf einer breiteren Basis ermöglicht. Einen weiteren Vorteil sieht er in der Möglichkeit der bun-desweiten Vernetzung und des Austausches durch den Kontakt zu anderen Hochschulgrup-pen. Inwieweit er die Vernetzung anderer Gruppierungen hier unterschätzt sei dahingestellt, denn es gibt seit jeher auch hier die Tendenz beispielsweise bundesweite Konferenzen durch-zuführen.

5.4 Fallbeispiel Marga

5.4.1 Charakteristisches Eingangszitat

„ ... und dann hab ich gedacht, das ist ja jetzt quasi ein konkreter Anlass, weil ich bin auch so ein eh, sehr konkreter Mensch und wenn ich so’nen konkreten Anlass habe eh, dann, dann kann ich mich besser engagieren und so vor der Haustüre und ich find das auch immer gut, wenn man in seinem eigenen nahen Bereich etwas macht und ja eh“. (Seite 1)

5.4.2 Herkunft und Sozialisation

Obwohl Marga nicht mit ihrem Vater aufgewachsen ist, hat es sie beschäftigt, dass er aktiver Nationalsozialist war, so dass sie sich während der Schulzeit viel mit dem Nationalsozialis-mus auseinandergesetzt hat.

Ihr Stiefvater war während des Krieges in Kriegsgefangenschaft und hatte später Albträume, von denen Marga oft wach geworden ist, so dass sie bereits als Kind eine Vorstellung davon hatte, wie schlimm Krieg ist. Zudem wurden ihr von ihrer Mutter, die als Krankenschwester arbeitete, ein humanistisches Weltbild und humanistische Werte vermittelt.

Politische Gespräche wurden in der Familie bewusst vermieden, da auch der Stiefvater sehr konservativ war und zum Nationalsozialismus tendierte. Hauptgrund für diese Vermeidung waren jedoch nicht nur die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Vater und Mutter, son-dern die Tatsache, dass er in solchen Diskussionen, sofern sie doch mal stattfanden, immer sehr ausfallend wurde.

Mit dem Thema Politik wurde Marga im Grunde erst in der Schule konfrontiert, wo es nicht nur Unterrichtsfach war, sondern es auch einige sehr interessierte und informierte Klassenka-meradinnen gab. Doch abgesehen von ihrer klaren Überzeugung bezüglich des Nationalsozia-lismus war Marga auch hier eher unpolitisch.

5.4.3 Politischer Karriereweg

Abgesehen von einer kurzen Mitarbeit bei amnesty international während des Studiums und einer kurzen Mitgliedschaft in der FDP, motiviert durch ihren Ex-Mann, ist Marga erst mit dem Eintritt in die Antifa-Gruppe aktiv geworden.

5.4.4 Auslösender Moment

Auslösender Moment war für Marga ganz eindeutig ein Informationstisch, an dem ihr ein Flugblatt übergeben wurde.

Obwohl sie schon längere Zeit das Gefühl hatte, etwas tun zu müssen, bedurfte es dieser Be-gegnung, sowie eines konkreten Anlasses, damit dieses Gefühl auch in Handeln umgesetzt wurde. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass sich die Gruppe mit der Problematik vor Ort auseinander setzt, denn dies hat Marga besonders angesprochen.

5.4.5 Motive und subjektive Begründungen

Margas Motivlage ist vielschichtig. Zum einen hatte sie schon längere Zeit das Bedürfnis, dem zunehmenden Rechtsextremismus etwas entgegenzusetzen und wie sie es nennt, Flagge zu zeigen. Zum anderen wollte sie in ihrem Stadtteil neue Kontakte knüpfen.

Wichtiges Motiv ist für Marga aber auch, dass sich die Gruppe mit konkreten Problemen vor Ort auseinandersetzt. Denn zum einen braucht sie einen ganz konkreten Anlass, um sich über-haupt engagieren zu können, zum anderen ist ihr gerade diese Arbeit im nahen Umfeld wich-tig.

Insgesamt bietet ihr das Engagement in dieser stadtteilbezogenen Gruppe die Möglichkeit, sowohl ihrem Wunsch nach neuen Kontakten als auch dem Bedürfnis nicht alles, was ge-schieht hinzunehmen, wenn es den eigenen Wertvorstellungen widerspricht, zu entsprechen.

„und hab gemerkt D. ist schön, da möchte ich auch wohnen bleiben und da möchte ich eigentlich auch noch mehr Kontakte haben und dann fand ich das halt einen prima Anlass und Zusammentreffen“. (Seite 3)

5.4.6 Dauerhaftigkeit

Dass Marga auch über den konkreten Anlass, eine rechtsextreme Pfadfindergruppe im Stadt-teil, hinaus aktiv geblieben ist, hängt damit zusammen, dass es ihr sehr wichtig ist, ihren per-sönlichen Beitrag zur Bewahrung der Umwelt zu leisten und politisches Engagement hier ei-nen Ansatzpunkt bietet.

Wichtiger scheinen mir in diesem Zusammenhang zwei Faktoren: zum einen der Zusammen-halt in der Gruppe, wo sich im Laufe der Zeit, über die politische Arbeit hinaus, Freundschaf-ten entwickelt haben, zum anderen der Wunsch, die Gruppe, die sehr klein und von daher auf jede/n angewiesen ist, zu unterstützen.

Insgesamt scheinen gruppendynamische Prozesse, sowie Freundschaften, die wichtigsten Mo-tive für Marga zu sein. Unterstützt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass ihr die Gruppentreffen sehr wichtig sind, sie sich bei anderen Aktionen der Gruppe jedoch sehr zu-rückhält und dies, obwohl sie den Wunsch hegt, die Gruppe zu unterstützen.

5.4.7 Zugang zur Gruppe und die Rolle der Gleichgesinnten

Wie bereits erwähnt ist Marga über ein Flugblatt auf die Gruppe aufmerksam geworden und hat sich sehr spontan noch an Ort und Stelle nach dem nächsten Gruppentreffen erkundigt.

Dieses hat sie dann trotz anfänglicher Bedenken, nicht genug über die Thematik zu wissen und sich mit der Arbeit gegen Rechtsextremisten vielleicht in Gefahr zu bringen, auch be-sucht.

Während ihr die Zugehörigkeit zu der konkreten Gruppe auf Grund des Zusammengehörig-keitsgefühls und der Freundschaften sehr wichtig ist und meines Erachtens maßgeblich zur Dauerhaftigkeit ihres Engagements beiträgt, distanziert sie sich von Gleichgesinnten im Sinne von anderen Angehörigen der antifaschistischen Bewegung, da sie diese für größtenteils chao-tisch und ihre Arbeit für kontraproduktiv hält. Hier scheint es keine Bereitschaft zur Zusam-menarbeit zum Wohl der Sache zu geben. Meines Erachtens zeigt sich hier, dass die sozialen Kontakte für Marga wichtiger sind als die Thematik. Denn sie ist nicht bereit Kompromisse der Sache wegen einzugehen.

„...aber mir ist das schon wichtig bei D. gegen Rechts dabei zu sein. Also da möchte ich, da hab ich ein Zusam-mengehörigkeitsgefühl und das möchte ich auch behalten aber ansonsten, wenn ich jetzt sagen würde mir ist das wichtig in der Kölner Antifa-Bewegung zu sein oder so, das ist mir überhaupt nicht wichtig, im Gegenteil, da sind so Chaoten drin, die nicht bereit sind sich mal so’n paar Grundsätze für Öffentlichkeitsarbeit anzueignen und wenn ich dann diese Schreibe sehe eh dann kann ich mich nur ärgern, weil es wirkt ja es wirkt kontraproduk-tiv. Also dieses große politische Umfeld das muss jetzt nicht sein ne aber ehm D. gegen Rechts ist mir schon wichtig“. (Seite10)

5.4.8 Subjektive Bewertung des Handelns

Wenn es der Gruppe gelingt mit einer Veranstaltung ein paar Menschen zum Nachdenken anzuregen ist dies für Marga mit einem Erfolgsgefühl verbunden. Es stört sie aber auch nicht,

wenn beispielsweise eine Veranstaltung nur sehr wenig besucht ist, denn für sie steht das Ge-meinschaftserlebnis, gemeinsam mit der Gruppe etwas gemacht zu haben, im Vordergrund.

Bundesweit sieht sie ihre Arbeit als einen Tropfen auf den heißen Stein, stadtteilbezogen sieht sie jedoch durchaus eine Wirkung.