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5. Befunde und ihre Interpretation im Ort X

5.3 Fallbeispiel Klaus

5.4.9 Lern – und Veränderungsprozesse

Marga betrachtet das Engagement als positiv für ihre Allgemeinbildung, aber auch für ihre Persönlichkeitsentwicklung, denn sie ist selbstbewusster geworden und bezieht heute öfter Stellung zu verschiedenen Themen oder wenn sie etwas nicht richtig findet. Dies war ihr zwar auch früher schon wichtig, doch da fehlte ihr der Mut dazu.

5.4.10 Positive und negative Konsequenzen

Marga findet vor allem ihr gestiegenes Selbstbewusstsein sowie die geschlossenen Freund-schaften positiv. Negative Konsequenzen vermag sie nicht zu nennen.

5.4.11 Partei versus außerparlamentarische Gruppe

Eine Partei kommt für Marga nicht in Frage, da sie einen ganz konkreten Anlass braucht, für oder gegen den sie sich engagieren kann und sie nicht allgemeine Positionen vertreten möch-te. Zudem hat sie das Gefühl für Parteiarbeit nicht genügend rethorische Kompetenzen zu haben und glaubt sich in einer Partei nicht zu Hause zu fühlen.

Als Vorteil von Gruppen jenseits von Parteistrukturen betrachtet sie das fehlende Profilierge-habe, was ihrer Meinung nach oft eine sachorientierte Diskussion verhindert.

5.5 Fallbeispiel Nele

5.5.1 Charakteristisches Eingangszitat

„Und mir tut das gut, wenn ich mich also aufgerafft hab, hab da draußen sagen wir jetzt mal Flugblätter verteilt Samstags morgens dann bin ich zufrieden ne, dann denke ich okay du hast wieder einmal was getan, nicht viel aber immerhin hast du’s getan“. (Seite 8)

5.5.2 Herkunft und Sozialisation

Nele kommt aus einem kleinbürgerlichen Elternhaus und hat gelernt sich so zu verhalten, wie ihre Eltern glaubten, dass es die Umwelt möchte. Wichtigstes Prinzip war es, den Schein einer intakten, wohlerzogenen und ordentlichen Familie aufrecht zu erhalten.

Es wurde zwar mal über den einen oder anderen Politiker geredet, aber eher personenbezogen und ohne Hintergrundwissen. Neles Eltern waren zwar unpolitisch, haben ihr aber vermittelt, in dem Gegenüber immer den Menschen zu sehen und sein Wohlbefinden. Insgesamt ist Nele zur Unselbstständigkeit erzogen worden.

Mit ca. 27 Jahren hat Nele auf Grund einer persönlichen Krise und dem anschließenden Be-such von Selbsthilfegruppen gelernt die Dinge auch anders zu sehen als es ihr im Elternhaus vermittelt wurde. Ihr ist bewusst geworden, dass es auch noch andere Dinge im Leben gibt als die wohlmeinende Meinung der Nachbarn. Dass sie diesen Ballast abwerfen konnte hat es ihr ermöglicht die Welt mit anderen Augen zu sehen.

„Und ich denke dieses, dass ich das abwerfen konnte, hat dann dazu beigetragen, dass ich das mal, was in der Welt geschieht einfach mal mit anderen Augen sehen konnte. Ich war diesen Ballast, mich abzustrampeln in einer gesellschaftlichen Ordnung, in die ich eigentlich gar nicht rein passte, den war ich los und konnte dadurch vielleicht in die andere Richtung gucken.“ (Seite 7)

5.5.3 Politischer Karriereweg

Begonnen hat Neles Engagement mit der Teilnahme an den Ostermärschen und den großen Friedensdemonstrationen in Bonn.

Da ihr dieses auf wenige Termine im Jahr beschränkte Engagement auf Dauer zu wenig war, hat sie sich einer Friedensinitiative in ihrem Stadtteil angeschlossen.

Als sich die ausländerfeindlichen Übergriffe verstärkten, ist die Gruppe fast ausnahmslos in einer Antifaschistischen Gruppe aufgegangen und auch Nele hat ihren Arbeitsschwerpunkt auf die Arbeit gegen Rechtsextremismus verlegt.

Nach dem Umzug in einen anderen Stadtteil hat sie sich der dort ansässigen Gruppe gegen Rechts angeschlossen.

5.5.4 Auslösender Moment

Nele selbst spricht von einem schleichenden Prozess, der zum Engagement geführt hat, bei dem verschiedene Aspekte eine Rolle gespielt haben. Hier ist zum einen ihre Tochter zu nen-nen, die auf Grund der Berichterstattung über die Raketenstationierung und die Demonstrati-onen Fragen stellte, die Nele gerne beantworten können wollte; zum anderen ein schlechtes Gewissen den DemonstrantInnen gegenüber, die Mühen auf sich nahmen und damit im Grun-de für das eintraten, was Nele auch wollte. Ein weiterer wichtiger Aspekt, und meines Erach-tens auch der auslösende Moment für das Engagement, ist die Angst die damals vor der Rake-tenstationierung und damit vor einem atomaren Krieg geschürt wurde. Denn diese Angst hat Nele dazu gebracht, sich näher mit der Thematik auseinander zu setzen und die Berichterstat-tung in den Medien bewusster und kritischer wahrzunehmen.

5.5.5 Motive und subjektive Begründungen

Klares Motiv für das Engagement gegen die Raketenstationierung war die Angst und damit direkte Betroffenheit. Nele hatte das Gefühl etwas tun zu müssen, damit es irgendwie weiter-geht, ohne dass man nur in Angst lebt. Hinzu kommt aber auch, dass sie ein schlechtes Ge-wissen den Menschen gegenüber hatte, die bei Wind und Wetter gegen die Raketen demonst-rierten und damit ja auch für ihr Ziel eintraten.

Neles Grundmotiv für das Engagement war und ist es, nicht alles einfach so hinzunehmen wie es ist, sondern sich zur Wehr zu setzen, wenn man glaubt dass etwas nicht richtig ist. Sowohl die Raketenstationierung als auch die rechtsextreme Gewalt widersprechen Neles Streben, das Wohlergehen des Gegenübers zu sehen. Eng hiermit verbunden ist, dass Nele das Gefühl hat, vor sich selber nicht bestehen zu können, wenn sie sich gegen Missstände nicht zur Wehr setzt, so dass das Engagement zur Aufrechterhaltung von Neles Integrität beiträgt.

5.5.6 Dauerhaftigkeit

Die Dauerhaftigkeit von Neles Engagement liegt darin begründet, dass immer wieder Dinge geschehen, die sie nicht gutheißt und sie wie bereits erwähnt den Wunsch, beziehungsweise das Bedürfnis hat, sich gegen solche Dinge zu wehren. Hinzu kommt, dass sie ein schlechtes Gewissen sich selbst gegenüber hat, wenn sie mal ein paar Termine ausfallen lässt.

„... und dann find ich mich nicht mehr gut.“ (Seite 8)

Aber auch die Hoffnung, dass mehrere Menschen aufhorchen, wenn man sie darauf hinweist, was in unserer Gesellschaft geschieht und nicht immer alles so hinnehmen, lässt sie ihr Enga-gement fortsetzen. Sowie die Verantwortung der Gruppe gegenüber, die nur recht klein ist und wo es auf jede Person ankommt.

Zwar steht es für Nele außer Frage mit dem Engagement aufzuhören, dennoch ist es in den letzten Jahren weniger geworden, was ihr auch persönlich Probleme bereitet.

„ Ein Punkt an dem ich immer knabbere, dass ich denk Nele du bist ein bisschen faul gewor-den das, was du machst ist verdammt wenig, gewor-denn ich hab zu Zeiten als ich eigentlich weniger Zeit hatte ... mehr getan als ich es heute tue.“ (Seite 16)

Obwohl sie das Engagement nicht grundsätzlich für sinnlos hält, begründet sie den Rückgang ihres Engagements unter anderem auch mit Resignation, da sich so wenige Menschen für das Thema Rechtsextremismus interessieren. Es macht sie mutlos, dass nicht mehr Menschen hinter ihrer Einstellung und Arbeit stehen.

Des Weiteren führt sie den Rückgang des Engagements auf ihren Umzug zurück, da sie jetzt nicht mehr in einem sozialen Brennpunkt wohnt. Die Tatsache, dass sie nicht mehr so oft auf Missstände trifft, wirkt auf sie einschläfernd. Hier zeigt sich, wie wichtig die direkte Betrof-fenheit beziehungsweise die direkte Konfrontation mit Missständen für Neles Engagement ist.