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Zufriedenheit mit der Lebenssituation in Deutschland

4. Das pädagogische Konzept berufsvorbereitender Maßnahmen

5.2 Stichprobe

5.2.2 Induktive Datenanalyse der Elternfragebogen

5.2.2.14 Zufriedenheit mit der Lebenssituation in Deutschland

In vielen Studien wurden bereits Aussagen über die Zufriedenheit von türkischstämmigen Bürgern mit ihrer Lebenssituation in Deutschland getroffen (vgl. u. a. von Wilamowitz-Moellendorf 2002; TASD-Studie 2008). Hierbei stellt die im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen vom Zentrum für Türkeistudien durchgeführte empirische Langzeitstudie (vgl.

Goldberg/Sauer 1999-2007) wohl die umfangreichste Untersuchung dieser Art dar, aus der als Fazit die allgemeine Lebenszufriedenheit in Deutschland bei der Mehrheit der Befragten hervorgeht. Da sich in der Darstellung der Lebenssituation in Deutschland wahrgenommene Lebensverhältnisse niederschlagen, ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Zufriedenheit mit den gegebenen Lebensbedingungen auch die Identifikation mit dem Aufnahmeland steigt. Im Hinblick auf die Tatsache, dass RS-Eltern deutlich häufiger als BvB-Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen und damit eine stärkere Verbundenheit mit Deutschland aufzeigten, liegt die Vermutung nahe, dass RS-Eltern im Allgemeinen zufriedener mit ihrer Lebenssituation in Deutschland sind.

Die Signifikanzprüfung ergibt nur für zwei Bereiche statistisch bedeutsame Zusammenhänge:

Mit 36,6 % (N=64) sahen die meisten Befragten nur teilweise ihre persönlichen Erwartungen mit der Einreise nach Deutschland erfüllt, wobei auch hier der Anteil der RS-Eltern deutlich höher ist (s. Abbildung 23).

Abbildung 23: Ansichten der BvB- und RS-Eltern in Bezug auf das Erreichen ihrer persönlichen Ziele mit der Einwanderung nach Deutschland, nach Häufigkeiten

0 5 10 15 20 25 30 35 40

trifft völlig zu trifft überwiegend

zu

trifft teilweise zu

trifft weniger zu

trifft nicht zu

BVB RS

Eigene Berechnung und Darstellung.

Auch innerhalb der Gruppen lässt sich eine allgemein positivere Einschätzung bei den RS-Eltern feststellen: Nahezu drei Viertel (74,7 %) waren mindestens teilweise davon überzeugt, mit ihrer Einreise nach Deutschland das erreicht zu haben, was sie für sich selbst erhofft hatten; diese Beurteilung erfolgte lediglich von 54,5 % der BvB-Eltern.152 Somit konnte fast die Hälfte aller BvB-Eltern nach eigenen Angaben die persönlichen Ziele im Verlauf ihres Aufenthaltes in Deutschland nicht realisieren. Die Divergenzen im Antwortverhalten zwischen RS- und BvB-Eltern deuten auf einen signifikanten Unterschied hin, welcher sich auch im Wert der Signifikanzprüfung (Chi-Quadrat=11,862/p=0,037) bestätigt.

In der Auswertung zeigt sich zudem, dass mit 18,2% (N=16) doppelt so viele BvB- wie RS-Eltern angaben, weniger oder nicht mit ihrer Wohnsituation zufrieden zu sein Besonders auffällig ist hierbei, dass für etwas mehr als ein Zehntel aller Befragten aus der Gruppe der BvB-Eltern die letzte Ausprägung zutraf, sie also mit ihrer Wohnungssituation nicht zufrieden waren; hierauf entfiel bei den RS-Eltern dagegen keine Antwort (s. Abbildung 24).

Entsprechend ist hier ein signifikanter Zusammenhang (Chi-Quadrat=12,336/p=0,015) zwischen der Gruppenzugehörigkeit und der Zufriedenheit mit der Wohnsituation nachgewiesen

Abbildung 24: Zufriedenheit mit Wohnsituation bei BvB- und RS- Eltern, nach Häufigkeiten

0 5 10 15 20 25 30 35 40

trifft völlig zu trifft überwiegend

zu

trifft teilweise zu

trifft weniger zu

trifft nicht zu

BVB RS

Eigene Berechnung und Darstellung.

Als ähnlich unerfüllt – aber nicht in signifikantem Maße – beurteilten die befragten BvB-Eltern ihre Erwartungen, die sie mit der Einwanderung nach Deutschland für ihre Familie hatten. Insgesamt 40,3 % bewerteten diesen Aspekt als wenig oder nicht zutreffend, das heißt,

152 Zusammenlegung der Ausprägungen trifft völlig zu bis trifft teilweise zu.

sie hatten diese Ziele nach eigenen Angaben nicht realisieren können. Bei den RS-Eltern war lediglich ein Viertel aller Personen (25,6 %) dieser Meinung. Da sich bei der Frage nach der Zufriedenheit mit der Familiensituation mit 8,2 %153 achtmal mehr BvB- als RS-Eltern negativ äußerten, ist auch ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen zu vermuten: Vor dem Hintergrund unerfüllter Perspektiven für ihre Familien waren BvB-Eltern im Vergleich zu RS-Eltern auch deutlich unzufriedener mit ihrer allgemeinen Familiensituation. Obwohl die seitens der Eltern getroffenen Äußerungen bezüglich ihrer Zielvorstellungen im Fragebogen nicht detaillierter hinterfragt wurden, lassen die Ergebnisse erahnen, welch unterschiedlichen Verlauf die soziokulturelle und auch sozialgesellschaftliche Entwicklung der Eltern aus beiden Gruppen nahm.

Für die übrigen Kategorien154 stellt sich ein sehr differentes Bild dar: Sowohl für das Geborgenheitsempfinden als auch für die generelle Beurteilung des Aufenthaltes in Deutschland fielen die Bewertungen bei den BvB-Eltern deutlich positiver aus als bei den RS- Eltern. Jedoch äußerten im gruppenspezifischen Vergleich deutlich häufiger BvB-Eltern ihre Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Angaben der Eltern bei der Frage zur Erwerbstätigkeit (vgl. Abschnitt 5.2.2.4), so dass der Grund für die hier dargelegte höhere berufsbezogene Unzufriedenheit bei den BvB-Eltern in der häufiger unter ihnen verbreiteten Arbeitslosigkeit zu vermuten ist.

Wie bereits angedeutet, wird die Lebenssituation von Familien in hohem Maße auch durch ihre ökonomische Lage geprägt. Diese hängt in erster Linie von den Erwerbseinkommen der Familienmitglieder ab. Angesicht der begrenzten finanziellen Möglichkeiten durch die Erwerbslosigkeit stellt sich die Frage, wie sehr dadurch die subjektive Zufriedenheit der Familien beeinflusst wird. In diesem Kontext gilt es zu prüfen, ob zwischen den einzelnen Merkmalen der Variablen Zufriedenheit mit Lebenssituation in Abhängigkeit vom Einflussfaktor Bezug staatlicher Leistungen zum Lebensunterhalt signifikante Zusammenhänge nachweisbar sind. Als Prüfverfahren dient hierbei der nichtparametrische Mann-Whitney-U-Test155, da die Variable Zufriedenheit mit Lebenssituation in Deutschland ordinal skaliert ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Ergebnisse dieses Testes auch bei

153 Zusammenlegung der Ausprägungen trifft weniger zu und trifft nicht zu.

154 Geborgenheitsempfinden („fühle mich hier wohl und sicher“); Beurteilung des Aufenthaltes in Deutschland („wohne gerne und bereitwillig hier“); Zufriedenheit mit Arbeitssituation; Zufriedenheit mit sozialem Umfeld;

Zufriedenheit mit Familiensituation.

155 Der Mann-Whitney-U-Test ist ein Homogenitätstest, der dazu dient, den Zusammenhang zwischen einer nominalskalierten Variablen und einer ordinal skalierten Variablen zu überprüfen.

geringerem Datenmaterial trotzdem eine relativ hohe Aussagekraft haben (Tiede 1982, S. 93), wird er in diesem Rahmen herangezogen.

Die dargestellten Ergebnisse (s. Tabelle 3) lassen deutlich erkennen, dass Eltern, die keine staatlichen Hilfeleistungen erhielten und somit aus eigener (Arbeits-)„Kraft“ ihren Lebensunterhalt finanzierten – erwartungsgemäß – zufriedener mit ihrer Lebenssituation waren.

Tabelle 3: Testergebnisse für die einzelnen Aspekte der Variablen „Zufriedenheit mit der Lebenssituation in Deutschland“ in Abhängigkeit von der Gruppenvariablen „Bezug staatlicher Leistungen“

Gruppenvariable Bezug staatlicher Leistungen

N Zufriedenheits-

aspekte Mittelwert1

Asymp.

Signifikanz (2-seitig)

MWU- Test

Nein 117 2,14

Ja 56 2,71

Gesamt 173

Fühle mich wohl und sicher in

Deutschland .004

2424,000

Nein 110 2,46

Ja 54 3,80

Gesamt 164

Bin mit meiner Arbeitssituation

zufrieden .000 1484,000

Nein 117 1,85

Ja 56 2,63

Gesamt 173

Bin mit meiner Wohnsituation

zufrieden

.000

2102,000

Nein 118 1,53

Ja 56 1,77

Gesamt 174

Verstehe mich gut mit allen Menschen in meinem Umfeld

.040 2751,500

Nein 118 2,89

Ja 56 3,88

Gesamt 174

Mit Einwanderung das erreicht, was

ich für mich erhoffte

.000 1941,000

Nein 117 2,77

Ja 55 3,80

Gesamt 172

Mit Einwanderung das erreicht, was

ich für meine Familie erhoffte

.000 1863,000

Nein 117 1,48

Ja 55 1,85

Gesamt 172

Bin mit meiner Familiensituation

zufrieden .004 2460,500

1) Mittelwert der Zufriedenheitsaspekte für die Ausprägungen 1=trifft völlig zu bis 5=trifft nicht zu.

Eigene Berechnung und Darstellung.

Die durchweg höheren Mittelwerte der Leistungsbezieher bei allen Aspekten der getesteten Variablen verdeutlichen den negativen Einfluss der Gruppenvariablen Bezug staatlicher Leistungen auf die allgemeine Lebenszufriedenheit. Dies geht auch aus den Werten der

Signifikanzprüfung hervor, da diese auf einen mehrheitlich deterministischen Zusammenhang zwischen den einzelnen Zufriedenheitsaspekten und der Frage nach dem Leistungsbezug hinweisen. Beim Aspekt der Zufriedenheit mit der Arbeitssituation ist der Unterschied zwischen den Mittelwerten am größten, da sich Leistungsbezieher deutlich häufiger durch Nennung der letzten beiden Ausprägungen negativ zu ihrer Arbeitssituation äußerten. Mit anderen Worten zeigten sich Eltern, die nicht auf staatliche Leistungen angewiesen waren, signifikant häufiger mit ihrer Arbeitssituation zufrieden. Aber auch die Divergenz der Mittelwerte zwischen Leistungsbeziehern und Nicht-Leistungsbeziehern für die Aspekte Zufriedenheit mit Wohnsituation und Habe mit Einwanderung für mich/für meine Familie das Erhoffte erreicht sind hier hervorzuheben. Sicherlich lässt sich die größere Unzufriedenheit von Leistungsbeziehern auch dadurch begründen, dass ihren individuellen Entfaltungsmöglichkeiten aufgrund des geringeren ökonomischen Kapitals Grenzen gesetzt sind und alltägliche soziale, kulturelle und auch materielle Bedürfnisse auf der Strecke bleiben. Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in der Datenerhebung bei RS- und BvB-Eltern wider: Demnach waren RS-Eltern mit ihrer Arbeitssituation und mit den durch die Einwanderung nach Deutschland für sich und ihre Familie erfüllten persönlichen Erwartungen zufriedener als BvB-Eltern.