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1. Einleitung

2.4 Berufsausbildung

Die Zahl der ausländischen Auszubildenden ist weiterhin rückläufig und ging im Zeitraum zwischen 1993 und 2006 um mehr als 50 % zurück. Dagegen erreichte aber die Zahl der ausländischen Absolventen und Abgänger aus allgemeinbildenden Schulen mit 86.841 einen

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neuen Höchststand.20 Die ehemalige bildungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN, Grietje Bettin, konstatierte in diesem Zusammenhang das

„Aussterben der betrieblichen Ausbildung“21. Diese Fakten sind in der Tat alarmierend. Seit 1993 ist ein sukzessiver Rückgang des Lehrstellenangebotes in Deutschland festzustellen, was sich in erster Linie auf die Ausbildungsquote von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auswirkt. Weniger als ein Viertel (23,7 %) aller Jugendlichen in dieser Bevölkerungsgruppe zwischen 15 und 21 Jahren war 2006 in einer dualen Ausbildung, während die Ausbildungsbeteiligungsquote bei deutschen Jugendlichen mit ca. 57 % mehr als das Doppelte betrug.22 Insbesondere türkische Jugendliche sind vom generellen Rückgang der Ausbildungszahlen bei Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft betroffen (s. Tabelle 1).

Tabelle 1: Auszubildende insgesamt, ausländische und türkische Auszubildende von 1993-2006

Jahr Auszubildende Ausländische Anteil an allen Türkische Anteil an allen Anteil an allen ausländischen insgesamt Auszubildende Auszubildenden in % Auszubildende Auszubildenden in % Auszubildenden in %

1993 1.629.300 126.283 7,8 56.101 3,4 44,4

1995 1.579.300 121.312 7,7 51.385 3,3 42,4

1997 1.622.200 110.061 6,8 44.662 2,8 40,6

1999 1.698.300 100.899 5,9 42.013 2,5 41,6

2001 1.684.700 92.300 5,5 37.165 2,2 40,3

*2003 1.581.629 79.205 5,0 30.033 1,9 37,9

2005 1.553.437 67.602 4,4 25.092 1,6 37,1

2006 1.570.615 65.701 4,2 24.831 1,6 37,8

Die Quoten wurden berechnet für die alten Länder mit Berlin (West), da es in den neuen Bundesländern kaum ausländische Auszubildende gibt (2006 lag die Quote bei 0,3 %23). Die absoluten Zahlen beziehen sich jedoch auf Deutschland. Datenquellen: Statistisches Bundesamt: Berufliche Bildung, Fachserie 11, Reihe 3, Wiesbaden 2003. Erhebungen zum 31.Dezember 2002/ *Ab 2003: Statistisches Bundesamt: Berufliche Bildung, Fachserie 11, Reihe 3, Wiesbaden 2007. Eigene Darstellung.

Aus der Tabelle geht der drastische Rückgang der Zahlen türkischer Auszubildender deutlich hervor: Während im gesamten Bundesgebiet 1993 noch 56.101 türkische Auszubildende registriert waren, sank die Zahl im Jahr 2000 auf nur 39.866 und ging bis 2006 sogar auf 24.831 Auszubildende zurück. In nur 13 Jahren hat sich die Zahl der türkischen

20 Vgl. Statistisches Bundesamt: Allgemeinbildende Schulen, Fachserie 11, Reihe 1, Wiesbaden 2007.

21 Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Nr. 971 vom 12.10.2005.

URL: http://www.g-staffelt.de/cms/default/dok/88/88756.trotz_pakt_betriebliche_ausbildung_stirb.html (letzter Zugriff am 30.11.2007).

22 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Berufsbildungsbericht 2008.

23 Quelle: Vgl. Fn. 22, S. 316 (Übersicht 32).

Auszubildenden in Deutschland um mehr als die Hälfte reduziert. Zudem betrug ihre Ausbildungsbeteiligungsquote, also der Anteil der türkischen Auszubildenden an allen türkischen Jugendlichen (der 15- bis 21-jährigen Wohnbevölkerung), mit ca. 24 % im Jahr 2006 weniger als die Hälfte im Vergleich zu derjenigen der deutschen Gleichaltrigen; damit sank sie im Vergleich zu 1993 um mehr als ein Viertel (vgl. Uhly/Granato 2006). Kongruent dazu sind die Ausbildungszahlen aller ausländischen (einschließlich türkischen) Jugendlichen:

Erhielten im Jahr 1993 noch 126.283 einen Ausbildungsplatz, waren es 2006 nur noch 65.701 Personen. Ausgehend von 1.570.615 Auszubildenden insgesamt fiel ihr Anteil an allen Auszubildenden im Bundesgebiet demzufolge auf 4,2 %. Über die Entwicklung der prozentualen Fluktuationen zwischen den einzelnen Ausbildungsjahren bei deutschen, ausländischen sowie türkischen Auszubildenden gibt die folgende Abbildung Aufschluss:

Abbildung 7: Entwicklung der absoluten Ausbildungszahlen bei deutschen, ausländischen und türkischen Jugendlichen nach ausgewählten Jahren, in Prozent

-20 % -15 % -10 % -5 % 0 % 5 %

1995 1997 1999 2001 2003 2005 2006

Deutsche Auszubildende Ausländische Auszubildende Türkische Auszubildende

Datenquellen: Grund- und Strukturdaten 2003/2004; Bonn, Berlin 2004/ *In Ergänzung ab 2003: Statistisches Bundesamt: Berufliche Bildung, Fachserie 11, Reihe 3, Wiesbaden 2007. Eigene Darstellung.

Die Ausgangswerte für alle drei Gruppen sind die statistischen Daten von 1993 mit 1.503.100 deutschen, 126.283 ausländischen und – darunter – 56.101 türkischen Jugendlichen in betrieblicher Ausbildung. Auch wenn die Ausbildungsquoten bei allen drei Gruppen (mit Ausnahme der deutschen Jugendlichen 1997 und 2006) ab 1993 rückläufig waren, fiel der Rückgang für türkische Jugendliche und Jugendliche anderer Nationalitäten durchgehend höher aus. So nahm die Quote der ausländischen und speziell der türkischen Auszubildenden im Jahr 2003 im Vergleich zu 2001 um fast sieben Prozentpunkte ab.

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Obwohl 2006 – auch begünstigt durch den Ausbildungspakt24 zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft – nach mehreren Jahren des kontinuierlichen Rückgangs wieder mehr Auszubildende als im Vorjahr gemeldet werden konnten, profitierten lediglich deutsche Jugendliche von dieser Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt. Die Zahlen ausländischer und insbesondere türkischer Jugendlicher dagegen waren weiterhin rückläufig. In Anbetracht dieser Situation lässt sich konstatieren, dass der Konkurrenzkampf um qualifizierte Ausbildungsplätze oft zugunsten deutscher Jugendlicher entschieden wird. Somit verbleiben ausländischen Mitbewerbern zumeist die weniger attraktiven Ausbildungsplätze mit geringem sozialen Status oder geringen Aufstiegsmöglichkeiten (vgl. Granato 2000). Mit ein Beleg dafür war der im Jahr 2006 mit 2,2 % sehr geringe Anteil ausländischer Jugendlicher in den neuen, qualifizierten Ausbildungsberufen im Bereich der Informations- und Kommunikationsmedien. Der nähere Blick auf die Ausbildungssituation türkischer Jugendlicher zeigt, dass sie sich auf wenige Berufe konzentrierten: Rund 84 % übten ihre Ausbildung in Berufen im Industrie- und Handelsbereich sowie in Fertigungsberufen des Handwerks aus (s. Abbildung 8).25

Abbildung 8: Deutsche (D) und türkische (T) Auszubildende nach ausgewählten Berufsbereichen und Ausbildungsjahren, in Prozent

0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 %

1994 2006 1994 2006

Industrie und Handel Handwerk

Öffentlicher Dienst Freie Berufe

Datenquellen: Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BIBB), Abbildung 2.1 Berufsbildungsangebot und -nachfrage/Bildungsbeteiligung 2005; Statistisches Bundesamt: Berufliche Bildung, Fachserie 11 Reihe 3, Wiesbaden 2007. Eigene Darstellung.

24 Aufgrund der angespannten Lage auf dem Ausbildungsmarkt haben die Spitzenverbände der Wirtschaft und die damalige Bundesregierung am 16. Juni 2004 den „Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland“ geschlossen, um in enger Zusammenarbeit mit den Ländern allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen ein Angebot auf Ausbildung zu unterbreiten.

25 Vgl. Statistisches Bundesamt: Berufliche Bildung, Fachserie 11, Reihe 3, Wiesbaden 2007.

D T

Die zehn am häufigsten von türkischen Jugendlichen gewählten Berufe umfassten in allen Ausbildungsjahren mehr als drei Viertel aller türkischen Auszubildenden. Dazu gehören nach wie vor folgende Berufe: Kfz-Mechatroniker/-in (ehemals Kfz-Mechaniker/Kfz-Elektroniker), Friseur/-in, Verkäufer/-in, Arzthelfer/-in, Bürokaufmann/-frau sowie Kaufmann/-frau im Einzelhandel.26 Obwohl diese Angaben in den statistischen Ämtern nicht nach Staatsangehörigkeit und Einzelberufen erfasst werden, lassen sich aus Sammeldaten über die zehn am stärksten von ausländischen Jugendlichen besetzten Ausbildungsberufe – aufgrund ihres prozentual höchsten Anteils an allen ausländischen Auszubildenden – Rückschlüsse in Bezug auf die berufliche Orientierung türkischer Auszubildender ziehen.27 Entsprechend den kulturellen Vorstellungen über die Verteilung der Geschlechterrollen sind Türken dabei überwiegend in technisch-gewerblichen und Türkinnen eher in kosmetisch-medizinischen Ausbildungsberufen anzutreffen (vgl. Azizefendioglu 2000). In kaufmännischen Berufen dagegen sind die Unterschiede in der geschlechtsspezifischen Verteilung geringfügig. Wie aus der Abbildung 8 ersichtlich ist stieg der Anteil an Ausbildungsplätzen in Industrie und Handel bei deutschen Jugendlichen von 1994 bis 2006 an. Bei türkischen Jugendlichen nahm die Quote der Ausbildungsplätze für diesen Sektor zwar ebenfalls zu, jedoch war dies in den allgemein sinkenden Ausbildungszahlen in diesem Berufsbereich begründet. Im Handwerk konnte bei beiden Gruppen ein Rückgang an Ausbildungsplätzen verzeichnet werden, jedoch fiel dieser für türkische Jugendliche im Vergleich zu deutschen Auszubildenden leicht höher aus. Ähnliches galt auch für die Berufe im öffentlichen Dienst, in denen türkische Jugendliche 2006 mit unter 1 % nur selten ausgebildet wurden.28 Der Zuwachs an Ausbildungsplätzen türkischer Jugendlicher war lediglich in den Freien Berufen höher als bei Auszubildenden deutscher Herkunft.

Die bisher dargestellten Daten und Fakten zeigen, dass insbesondere türkische Jugendliche von der rückläufigen Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt betroffen sind. Eines der grundlegenden Ziele staatlicher Bildungspolitik sollte darin bestehen, die bisherigen Bildungsoffensiven in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft noch enger miteinander zu vernetzen und verstärkt regionale und überregionale Bildungskooperationen zu initiieren, um Jugendlichen mit Migrationshintergrund und insbesondere türkischer Herkunft positive Berufsperspektiven in Deutschland zu bieten. Dies kann aber nur durch die Schaffung rechtlicher Grundlagen erfolgen, in deren Rahmen die Unternehmen durch flexiblere

26 Vgl. auch Burkert/Seibert: Labour Market Outcomes after Vocational Training in Germany; 2007, S. 11.

27 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Berufsbildungsbericht 2006, S. 116.

28 Vgl. Statistisches Bundesamt: Berufliche Bildung, Fachserie 11, Reihe 3, Wiesbaden 2007.

Handlungsstrukturen sowie finanzielle Anreize dazu motiviert werden, ihr Angebot an Ausbildungsplätzen vor allem für Jugendliche mit Migrationshintergrund zu erweitern.