• Keine Ergebnisse gefunden

Berufsorientierung und -vorbereitung als gesellschaftlicher Bildungsauftrag

4. Das pädagogische Konzept berufsvorbereitender Maßnahmen

4.3 Berufsorientierung und -vorbereitung als gesellschaftlicher Bildungsauftrag

Bereich der beruflichen Integrationsförderung und den daraus resultierenden strukturellen Anforderungen an das pädagogische Konzept der Bildungsträger berücksichtigt die Bundesagentur für Arbeit bei der Vergabe von Bildungsmaßnahmen nur Bildungsträger, die eine entsprechende Zertifizierung nach der europäischen DIN-Norm für Qualitätssicherung vorweisen können.

Daten belegen zudem, dass die weitere schulische Laufbahn ausländischer Jugendlicher direkt im Anschluss an die Schulzeit viel häufiger in Maßnahmen zur Berufsvorbereitung mündet als vergleichsweise bei deutschen: So waren 2006 von 86.841 ausländischen Schulabsolventen oder -abgängern 12.636 (14,6 %) in berufsvorbereitenden Maßnahmen gemeldet.106 Ihre Quote betrug damit mehr als das Doppelte der Quote deutscher Jugendlicher, da lediglich 6,7 % der 882.028 deutschen Absolventen und Abgänger diesen Bildungsweg einschlugen.

Generell ist der Anteil der Jugendlichen, die nach Verlassen der allgemeinbildenden Schulen in die Berufsvorbereitung eintreten, in den letzten Jahren deutlich gestiegen: Waren 1993 noch 33.474 Jugendliche in einem Berufsvorbereitungsjahr gemeldet, stieg ihre Zahl bis 2006 – wie bereits bekannt – auf über das Doppelte an. Die Gründe hierfür sind vielseitig. Nicht immer war die Teilnahme an solchen Maßnahmen den „Warteschleifen"107 bei der Berufswegplanung zu verdanken, vielmehr beruhte die Entscheidung oftmals auf freiwilliger Basis, weil die Betroffenen noch nicht bereit für eine Ausbildung waren. Das Berufsvorbereitungsjahr sollte der Verbesserung der Grundqualifikationen sowie dem zusätzlichen Erwerb sozialer und beruflicher Kompetenzen dienen, was bei vielen angesichts ihrer mangelhaften Schulabschlüsse oder aber Deutschkenntnisse auch dringend notwendig war. Auch wenn die Tatsache zutrifft, dass Maßnahmen dieser Art – nicht nur für die Übergangsprozesse junger Menschen mit Migrationshintergrund – lediglich eine berufliche Grundbildung, aber keinen voll qualifizierenden Berufsabschluss vermitteln (vgl. Ulrich 2005; Eberhard/Krewerth/Ulrich 2005), kommt der Berufsvorbereitung und -orientierung aufgrund der mangelnden Ausbildungsreife vieler Schulabgänger eine bedeutende Rolle zu.

Berufsvorbereitende und qualifizierende Lehrgänge sind unentbehrliche bildungspolitische Maßnahmen, um jungen Menschen mit Leistungs- und Motivationsschwächen den Einstieg in Berufsausbildung oder Beschäftigung zu ermöglichen. Die Berufsvorbereitung kann hierbei vielfältige Formen annehmen und darf keinesfalls pauschal als überflüssige Warteschleife abgetan werden. Sie soll zielgruppenorientiert und zielgerichtet auf die dauerhafte Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vorbereiten, sich auf die wirklichen Problemgruppen konzentrieren und für den tatsächlichen Bedarf qualifizieren. Besonders erfolgreich sind wirtschaftsnahe Maßnahmen von Trägern in Kooperation mit Betrieben und Berufsschulen vor Ort. Daher engagieren sich zahlreiche Unternehmen und Arbeitgeberverbände in

106 Vgl. Statistisches Bundesamt: Allgemeinbildende Schulen, Fachserie 11, Reihe 1, Wiesbaden 2007.

107 Konsortium Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland. Im Auftrag der Kultusminister-konferenz (KMK). Bielefeld 2006, S. 194.

Projekten zur Berufsvorbereitung von Jugendlichen. Das im Ausbildungspakt verankerte Instrument der Einstiegsqualifizierung bietet gute Möglichkeiten auch für leistungsschwächere Jugendliche, einen Einstieg in die berufliche Ausbildung zu erreichen.

Trotz der orientierenden Funktion der Berufsvorbereitung dürfen Jugendliche ohne betriebliche Ausbildung nicht pauschal in solche Maßnahmen vermittelt werden. Die Gefahr liegt vor allem darin, dass Jugendliche ohne wirklich eingehende Prüfung ihrer vorhandenen Kompetenzen durch die Vermittlung der Berufsberater in der Berufsvorbereitung landen, obwohl sie aufgrund ihrer schulischen Leistungen oder berufsspezifischen Vorerfahrungen über die erforderliche Eignung zur Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung verfügen. Zwar werden entsprechende Testverfahren zur Kompetenzfeststellung in den Agenturen für Arbeit durchgeführt, jedoch erfolgt hier die Auswertung der Testergebnisse nur nach einem linearen Bewertungsschema. Viele wichtige Faktoren wie beispielsweise der soziale Hintergrund, die persönlichen Befindlichkeiten oder auch die kulturellen Bedingungen der Jugendlichen finden hierbei keine Berücksichtigung. Angesichts der stetig wachsenden Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland müssen die Länder das neue Fachkonzept der Berufsvorbereitung mit weiteren Angeboten der Bundesagentur für Arbeit so ergänzen, dass die Zielgruppe der sozial Benachteiligten und auch Leistungsschwächeren adäquat gefördert wird. Dies impliziert in erster Linie die Verbesserung der didaktischen Methoden zur Kompetenzfeststellung (Ist-Stand), die Berufsfelderprobung mit Qualifizierungsbausteinen sowie die Lernfeldkooperation zwischen Bildungsstätten, beruflichen Schulen und Partnerbetrieben in der freien Wirtschaft.

All diesen Akteuren kommt entsprechend ihren jeweiligen Funktionen eine bedeutende Mitverantwortung im bildungspolitischen Auftrag der Berufsvorbereitung zu.

5. Empirische Befunde

Wie in Kapitel 3 dargestellt wird die fachliche Debatte über den Grad des Einflusses institutioneller und soziokultureller Faktoren auf die Bildungsleistungen von Kindern und Jugendlichen aus Migrationsfamilien kontrovers geführt. Folgt man jedoch Diefenbachs (2007, S. 153) Argumentation, so gibt es trotz der Fülle von Studien keine ausreichenden empirischen Befunde darüber, dass die Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf eine vergleichsweise schlechte sozioökonomische Lage ihrer Familien zurückzuführen ist. Erforderlich sind ihrer Ansicht nach Längsschnittstudien, um aussagefähige Daten über Merkmale der Schüler, ihrer Eltern, der Lehrer sowie Kontextmerkmale zu erheben.

Ein großer Vorteil von Längsschnittstudien liegt zugegebenermaßen darin, dass sich im Gegensatz zu gelegentlichen Stichproben aufgrund der höheren internen Validität (Bortz/Döring 2006, S. 520) nur auf ihrer Basis Kausalhypothesen überprüfen lassen. Jedoch stellen Längsschnittuntersuchungen vielmehr ein Panel-Design her, auf dessen Basis Entwicklungsverläufe untersucht werden können; somit sind sie ebenso wenig wie Querschnittuntersuchungen in der Lage, konkrete Aussagen über die Situation der Jugendlichen eines bestimmten Zeitabschnitts zu formulieren. Zwar sind die in Kapitel 2 dargestellten Querschnittstudien keine Replikationsstudien, jedoch haben die Analysen in Bezug auf die sozioökonomischen und assimilatorischen Faktoren teilweise identische Ergebnisse erbracht. Dies spricht folglich dafür, dass wesentliche Merkmale beim Versuch, bestehende Bildungsunterschiede zwischen Schülern mit Migrationshintergrund und deutschen Mitschülern faktisch zu erklären, erfasst worden sind, auch wenn die Gewichtung der einzelnen Einflussfaktoren je nach Blickwinkel und untersuchter Fragestellung in den Ergebnissen der Bildungsforscher unterschiedlich ausfällt. Im Hinblick auf das Untersuchungsziel dieser Arbeit stellt sich daher die Frage, ob die dargelegte Faktorenpluralität zur Erklärung der unterschiedlichen Bildungsleistungen von Kindern ethnisch heterogener Migrantengruppen – und auch im Vergleich zu deutschen Jugendlichen – auch dann noch herangezogen werden kann, wenn die Mitglieder der Kontrollgruppe aus dem gleichen ethnischen Milieu stammen wie die Probanden der Untersuchungsgruppe. Im folgenden empirischen Teil der Arbeit soll dieser Fragestellung explizit nachgegangen werden.