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4. Das pädagogische Konzept berufsvorbereitender Maßnahmen

4.2 Problemebenen der Förderstruktur

Die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Qualifizierungsmaßnahme stellt nicht zwangsläufig die Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit in Aussicht; die Chancen auf einen Übergang in die Berufswelt werden vielmehr von unterschiedlichen strukturellen und auch sozialen Faktoren bestimmt. In erster Linie jedoch hängt der Erfolg der Maßnahme für die Teilnehmer davon ab, wie sehr sie die Notwendigkeit der Berufsvorbereitung als Sprungbrett für ihre berufliche Zukunft sehen und dies durch regelmäßige und aktive Teilnahme am Lehrgang unter Beweis stellen. Bei mangelhafter Einstellung bleibt den in Ausbildung oder Arbeit unvermittelbaren Jugendlichen nach Maßnahmeende – bedingt durch Kündigung oder

regulären Austritt – kaum eine Perspektive mehr.97 Die meisten landen in der Arbeitslosigkeit, andere wenige erhalten eine zweite Chance durch die Vermittlung in weitere berufsvorbereitende oder berufsqualifizierende Maßnahmen (vgl. Gaupp et al. 2008). Die dadurch entstehende „Maßnahmekarriere“ ist jedoch für die Jugendlichen kaum förderlich.

Einerseits führen die sich häufig wiederholenden berufspraktischen Lehrgangsinhalte zum psychischen „Verschleiß“ und infolgedessen zum Maßnahmeabbruch, andererseits schwinden aufgrund zunehmenden Alters die Chancen der Jugendlichen auf dem Ausbildungsmarkt.

Die vorgenannten Aspekte galten bereits in den unterschiedlichen berufsvorbereitenden und – qualifizierenden Bildungsmaßnahmen vor der Umstrukturierung des Fachkonzeptes. Jedoch haben die Veränderungen der Förderbedingungen – kürzere Förderzeit des Einzelnen, stringente Ausrichtung an Vermittlung in den Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt sowie Reduzierung der Möglichkeiten für Jugendliche, Beschäftigung und Qualifizierung z. B.

durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) zu kombinieren, – diesen Prozess verstärkt und sich entgegen den eigentlichen Zielen nachteilig auf die weitere berufliche Orientierung der Jugendlichen ausgewirkt.98 Ein weiteres Problem besteht darin, dass die als Maßnahmeziel angestrebte Ausbildungsreife häufig aus dem Spannungsfeld zwischen der objektiven Einschätzung schulischer und betriebspraktischer Leistungen der Jugendlichen und dem Zwang zur Auswahl von geeigneten Bewerbern ohne ausreichende systematische Kompetenzfeststellungsverfahren beurteilt wird. Aufgrund dieser unzureichenden Eignungsfeststellung, die keinen biographischen Zusammenhang herstellt, nicht mit Kompetenzentwicklung verknüpft ist und diese daher nicht als Prozess begreift, werden nicht wenige Jugendliche unter ihrem tatsächlichen Leistungsvermögen eingeschätzt, wodurch vorhandenes Potenzial ungenutzt bleibt. Dies betrifft in erster Linie Jugendliche nichtdeutscher Herkunft mit geringen Deutschkenntnissen, die als ausschließliches Beurteilungskriterium das Berufsspektrum bereits im Vorfeld auf charakteristische Berufsbilder reduziert und die Vermittlungschancen einschränkt. Vor allem in diesem Bereich der Benachteiligtenförderung steht im Auswahlverfahren der Bildungsträger noch zu häufig nicht die Person selbst, also die Kompetenzen der Jugendlichen, sondern die reine Selektion von Kandidaten, die den trägerspezifischen und maßnahmetypischen Interessen entsprechen, im Vordergrund

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97Vgl. bag Arbeit e.V.: Berufsvorbereitende Maßnahmen: vernünftiges Konzept – bedenkliche Umsetzung. Positionspapier BvB, Berlin 2004. URL:http://www.bagarbeit.de/site/data/bagarbeit_PositionspapierBVB.pdf (letzter Zugriff am 06.11.2008).

98 Vgl. Heisler, Dietmar: Maßnahmeabbrüche in der beruflichen Integrationsförderung. Universität Erfurt, 2007. URL:

http://www.uni-erfurt.de (letzter Zugriff am 12.02.2009).

99Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Kompetenzfeststellung als Integrationschance? Band III – BQF-Programm. Bonn/Berlin 2006, S. 43.

Für den pädagogischen Erfolg der Fördermaßnahmen kommt es wesentlich auf die Kompetenz und Erfahrung des Fachpersonals an, welches zielgerichtet in die Bildungsarbeit des Trägers eingebunden werden muss. Dies ist jedoch nur unter adäquaten Arbeitsbedingungen möglich, über welche die Identifikation der Sozialpädagogen, Ausbilder und Lehrkräfte mit den Inhalten und Zielen der Förder- und Betreuungstätigkeit erreicht werden soll – insbesondere dann, wenn man in der täglichen Auseinandersetzung mit den Problemen benachteiligter Jugendlicher, teilweise schwierigste Klientel, Konfliktpunkte in allen Lebenslagen lösen muss. Angesichts der immer dürftigeren Vergütung sowie maßnahmegebundener Arbeitsverträge – langfristig angelegte Arbeitsverhältnisse sind in der heutigen Trägerlandschaft kaum noch vorzufinden – sinkt jedoch die Bereitschaft beim Fachpersonal, dieser sozialen Verantwortung gebührend engagiert nachzukommen. So führen schlechte Vertragskonditionen und hoher Leistungsdruck aufgrund der seitens der Bundesagentur für Arbeit (BA) erwarteten Vermittlungsquoten in Bezug auf die Eingliederung der Jugendlichen in Ausbildung oder Arbeit zu einem zunehmenden Qualitätsverlust im Förderprozess. Getragen wird diese Entwicklung zusätzlich durch eine preisdominierte Ausschreibungspraxis der BA, welche zu einem „ruinösen Wettbewerb“100 der Träger untereinander führt. Durch Dumpingpreise101 für die Kosten solcher Maßnahmen wird es beispielsweise für die kleineren, regional vernetzten Träger immer schwieriger, sich auf dem Bildungsmarkt zu behaupten. Aber auch vielen größeren Bildungsträgern gelingt es kaum, sich gegen billigere Konkurrenten durchzusetzen, obwohl sie als Konsequenz aus der kostenorientierten Vergabepraxis durch die BA Preise unterhalb der eigenen Kosten anbieten.102 Zwar sind die in der 2005 von den Vorständen der BA, Gewerkschaften GEW und ver.di sowie vom Bundesverband der Träger beruflicher Bildung e.V. (BBB) gegründeten Arbeitsgruppe103 ausgearbeiteten Richtlinien zur Qualitätssicherung in der Branche der beruflichen Aus- und Weiterbildung erste Schritte zur Umstrukturierung der Vergabepraxis von Arbeitsmarktdienstleistungen, jedoch haben diese noch keinen verbindlichen Stellenwert und sind daher weit von einer bundeseinheitlichen Umsetzung entfernt.

100 Beitrag von Friederike Bamberg in der Dokumentation der Kundgebung „Bildung darf keine Ware werden“

vom 31.05.2007 vor der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Veröffentlichung des ver.di Landesbezirks NRW, Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung. URL:

http://essen.verdi.de/branchen_berufe/fb_5_bildung_wissenschaft_u._forschung/aufruf_zur_demonstration (letzter Zugriff am 24.02.2008).

101 Weiterbildung – aktuell Nr. 01/2005. Hrsg.: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di).

102 Stellungnahme der bag Arbeit e.V. zur Ausschreibungspraxis der BA insbesondere für Maßnahmen der Berufsvorbereitung und Erstausbildung. URL: http://www.bagarbeit.de/site/data/080206Stellungnahme_

Ausschreibungspraxis.pdf (letzter Zugriff am 27.12.2008).

103 Siehe hierzu: URL: http://www.gib.nrw.de/service/downloads/AG_Vergabemodalitaeten.pdf (letzter Zugriff am 16.04.2008).

In der Realität diktiert weiterhin der Preis den Wettbewerb zwischen den Trägern bei der Vergabe von Bildungsmaßnahmen. Die Folge dieser sich stetig abwärts drehenden Preisspirale sind mindere Qualitätsstandards in den beruflichen Bildungsmaßnahmen,104 da kostengünstige, oftmals ortsfremde Bildungsträger den Zuschlag erhalten, die häufig weder die regionalen Markt- und Vernetzungsstrukturen kennen noch über das technische und fachliche Equipment verfügen, um den didaktisch-strukturellen Ansprüchen der geförderten Aus- und Weiterbildung für benachteiligte Jugendliche gerecht zu werden.

Was also ist zu tun, um diesen qualitativen Leistungsabbau aufzuhalten? Es bleibt außer Frage, dass die Umsetzung dieses Bildungsauftrages mit einer intensiven Betreuungsarbeit verbunden ist. Voraussetzung ist jedoch ein qualifiziertes Personal, das die Vielfältigkeit der sozialen Hemmnisse und Unwegsamkeiten insbesondere bei Jugendlichen mit Migrations-hintergrund frühzeitig zu erkennen und opportune Handlungskonzepte im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe aufzuzeigen vermag. Jedoch dürfen diese Fachkräfte nicht aufgrund einer sozial verantwortungslosen Preispolitik – sowohl der BA als auch der Träger – ihrer Identifikation mit den Inhalten und Zielen ihrer täglichen Arbeit beraubt werden. Neben der Einführung eines Flächentarifvertrages, den die BA als verbindliches Vergabekriterium einfordern muss, ist daher eine transparente und nach Qualitätsmerkmalen orientierte interne Trägerstruktur unerlässlich, da für die Optimierung der beruflichen Förderung von Teilnehmern der BvB-Maßnahmen die spezifischen Funktionen des Fachpersonals klar nach Aufgabenfeldern aufgegliedert und ihre Arbeit regelmäßig reflektiert werden muss. Dabei gewinnt der Begriff der Qualitätssicherung eine immer größere Bedeutung. Die im Juli 2004 in Kraft getretene Anerkennungs-, Zulassungs- und Weiterbildungsverordnung (AZWV) des früheren Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft soll eine den strukturellen Anforderungen des neuen Fachkonzeptes hinreichende Prozessqualität bei Bildungsträgern gewährleisten. Gemäß der Verordnung benötigen Bildungsträger, die im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit Maßnahmen nach dem 3. Sozialgesetzbuch (§§ 77 ff. SGB III) durchführen wollen, die Zulassung einer anerkannten fachkundigen Stelle (§ 84 SGB III), die im Rahmen der Auditierung und Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen in Bildungs- und Dienstleistungsorganisationen die internen Trägerstrukturen überprüft. Aufgrund der hohen sozialen Verantwortung bei der praxis- und theorieorientierten Arbeit mit Jugendlichen im

104 Es bewegt sich etwas bei der BA-Vergabepraxis von Arbeitsmarktdienstleistungen. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 10.05.2006. URL: http://www.bildungsspiegel.de/aktuelles/dgb-es-bewegt-sich-etwas-bei-der-ba-vergabepraxis-von-arbeitsmarktdienstleistungen.html?Itemid=262 (letzter Zugriff am 19.04.2008).

Bereich der beruflichen Integrationsförderung und den daraus resultierenden strukturellen Anforderungen an das pädagogische Konzept der Bildungsträger berücksichtigt die Bundesagentur für Arbeit bei der Vergabe von Bildungsmaßnahmen nur Bildungsträger, die eine entsprechende Zertifizierung nach der europäischen DIN-Norm für Qualitätssicherung vorweisen können.