• Keine Ergebnisse gefunden

Selbständige hegen weniger Vertrauen als Angestellte. Nach Gabriel (2002: 497) lässt sich eine mögliche Erklärung für die Skepsis von Selbstständigen gegenüber dem politischen System darin sehen, dass staatliche Institutionen als eine „ständige latente Bedrohung individueller Freiheitsrechte“ wahrgenommen werden.

Im zweiten Modell, in dem die Stadt- und Quartiersvariablen integriert sind, werden die Stadtunterschiede nochmals bestätigt. Berlin verfügt über das geringste Institutionenvertrauen.

Etwas mehr Vertrauen bringen die Kölner und noch mehr die Mannheimer den kommunalpolitischen Institutionen entgegen. Die Bewohner und Bewohnerinnen in Leipzig weisen das höchste Vertrauen auf. Die leichten Unterschiede zwischen den zwischen privilegierten und marginalisierten Quartieren (wie sie sich in der Häufigkeitsdarstellung Abbildung 4.1 und der Regression Tabelle 4.1 zeigen) ist im erweiterten Modell der Regression nicht mehr signifikant. Vermutlich geht der Effekt auf andere unabhängige Variablen (bspw. auf das kulturelle Kapital oder die Bindung an die Stadt) über und wird durch eben diese gemessen.

Dennoch ist die Bedeutung des Stadtteils auch in diesem Modell nicht zu unterschätzen, da die Stadtteilbindung eine Rolle spielt: Personen, die gern in ihrem Stadtteil leben, vertrauen den kommunalpolitischen Institutionen eher als Personen, die ungern in ihrem Stadtteil leben. Die Wahrnehmung des eigenen Quartiers und die Zufriedenheit mit dem Quartier wirkt sich auch auf das politische Institutionenvertrauen aus.

4.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Wider Erwartend zeigen sich starke Stadtunterschiede im lokalen politischen Vertrauen und nur geringfügige Unterschiede zwischen den privilegierten und benachteiligten Quartieren13. Der soziale Hintergrund und die Zugehörigkeit zu einem privilegierten oder benachteiligten Quartier spielen eine geringere Rolle als angenommen wurde. Die Hypothese bestätigte sich nicht in der erwarteten Weise.

13 Die lineare Regression im Modell 2 der Tabelle 4.2 zeigte, dass der Unterschied zwischen privilegierten und benachteiligten Quartieren keinen signifikanten Einfluss auf das politische Vertrauen hat.

Kapitel 4: Politisches Institutionenvertrauen

__________________________________________________________________________________________________________

Bei den niedrigen Vertrauenswerten in Köln und Berlin müssen die politischen Skandale14 der letzten Jahre als Erklärung in Betracht gezogen werden, die offenbar von privilegierten wie benachteiligten Bewohnern und Bewohnerinnen gleichermaßen verurteilt werden. Das politische Institutionenvertrauen fällt entsprechend gering aus.

Für die hohen Vertrauenswerte in Leipzig kann die starke und positive Identifikation der Bewohnerinnen und Bewohner mit dem damaligen Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee als Erklärung herangezogen werden15.

Die starken Stadtunterschiede, die sich in keiner anderen Untersuchungsdimension in diesem Ausmaß wiederfinden, sprechen dafür, dass politische Einstellungen nicht allein aus soziodemographischen Merkmalen der befragten Personen erklärt werden können.

Möglicherweise werden von den Befragten ein Grundgefühl und eine Stimmungslage zum Ausdruck gebracht, die mit der medienwirksamen Vermittlung von wirtschaftlichen Erfolgen (wie im Fall Leipzig) oder politischen Skandalen (wie im Fall Köln und Berlin) verknüpft sind.

Andererseits darf die Bedeutung des Stadtteils und die soziale Lage nicht unterschätzt werden.

Auch hinsichtlich des politischen Vertrauens werden subjektive Erfahrungen generalisiert. Wenn der Stadtteil negativ erlebt und wahrgenommen wird und die Bewohner nicht gern in ihrem Stadtteil leben, vertrauen sie der Kommunalpolitik signifikant in geringerem Maße als Bewohner, die sich mit ihrem Stadtteil positiv identifizieren. Dass soziale Ressourcen auch eine

14 Für das geringe politische Vertrauen in Köln werden der sprichwörtliche ‚Kölner Klüngel’ und die lokalen Parteispendenaffären von SPD und CDU als Erklärungen herangezogen, ohne einen Gesamtüberblick über den Verlauf des Geschehens oder der Verstrickungen diverser Personen insgesamt geben zu können. Vgl. hierzu grundsätzlich Rügemer 2002 (insbesondere S.: 11-29) sowie die außerordentlich lesenswerte Chronik der Kölner Parteispendenaffäre in Zusammenhang mit dem Bau der Müllverbrennungsanlage der beiden Lokal-Journalisten Berger/Spicker (2003). In Berlin dürften der ‚Bankenskandal‘ und die Spendenaffäre der CDU im Jahr 2001 für die geringen Vertauenswerte verantwortlich sein. Spekulative Immobiliengeschäfte der 1994 als Aktiengesellschaft gegründeten ‚BankGesellschaft Berlin‘ (BGB), mit deren Gewinn die Haushaltslöcher der Stadt gestopft und Berlin zur Finanzmetropole ausgebaut werden sollten, hinterlassen nach Aufdeckung der realen Verluste und personeller Verstrickungen einen Schuldenberg von 20 bis 30 Mrd. Euro (vgl. dazu Jahn/Opalka 2004, Rose 2004, 2003).

15 Wolfgang Tiefensee war von 1998 bis 2005 Oberbürgermeister der Stadt Leipzig. Für die gelungene Neuansiedlung mehrerer Großunternehmen, darunter BMW und DHL sowie die Olympia-Bewerbung der Messestadt erhielt Tiefensee vielfach hohe Anerkennung, die sich in dem Vertrauen der Bewohner von Leipzig widerspiegelt (vgl.

Heinker 2005).

Kapitel 4: Politisches Institutionenvertrauen

__________________________________________________________________________________________________________

Rolle spielen, zeigt vor allem der Einfluss der Bildungsvariablen auf das politische Vertrauen (in Tabelle 4.2). Personen mit einem Hauptschulabschluss stehen der Kommunalpolitik signifikant misstrauischer gegenüber als Personen mit Abitur. Denkbar wäre, dass Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen Politiker als ;die da oben‘ erleben und sich diese gefühlte Distanz zur Politik in den niedrigeren Vertrauenswerten widerspiegelt (vgl. Bourdieu 1987: 623).

Kapitel 5: Responsivitätswahrnehmung

__________________________________________________________________________________________________________

5 Responsivitätswahrnehmung

5.1 Problemaufriss

In diesem Kapitel geht es um die Frage, in wieweit Bewohner und Bewohnerinnen ihren Stadtteil von der Kommunalpolitik als repräsentiert ansehen oder nicht. In der politischen Kultur- und Demokratieforschung wird diese Frage mit dem Begriff der Responsivitätswahrnehmung bzw. der Externalen Effizienz gefasst. Unter dem Begriff der Responsivität wird die weitgehende Übereinstimmung der politischen Entscheidungen mit den Wünschen und Interessen der Wähler verstanden (vgl. Pennock 1952, Eulau/Wahlke 1959, Pitkin 1967, Walter 1997a, Brettschneider 1997) und gehört, wie der amerikanische Politikwissenschaftler Dahl schreibt, zu den Kernmerkmalen einer Demokratie: “I assume that a key characteristic of a democracy is the continuing responsiveness of the government to the preferences of its citizen, considered as political equals” Dahl (1971:1). Geht es bei der Responsivität um „the government in accordance with the people’s preferences“ (Lijphart 1984:1), fragt die Responsivitätswahrnehmung nach der Einschätzung der Bürger und Bürgerinnen, ob und inwieweit die Politik auf ihre Wünsche und Interessen eingeht.

Ähnlich wie das politische Vertrauen signalisiert eine positive Responsivitätswahrnehmung, also die Einschätzung, die Politik repräsentiere die Wünsche und Interessen der Bürger, eine Unterstützung des politischen Systems (Easton 1975). Die Responsivitätswahrnehmung steht dem politischen Vertrauen inhaltlich nah (Vetter 2002: 116), so dass auch hier der verstetigte Verlust von wahrgenommener Responsivität zu einer Gefährdung der politischen Stabilität führen kann, d.h. wenn selbst Regierungswechsel nach demokratischen Wahlen zu keiner positiveren Responsivitätswahrnehmung führen (Dalton 1996: 216ff., Lijphart 1984).

5.2 Theoretische Ansätze zur Responsivitätswahrnehmung In dieser Arbeit werden das politische Institutionenvertrauen und die Responsivitätswahrnehmung theoretisch als die zwei Ausprägungen der politischen Unterstützung gefasst. Wird unter dem politischen Vertrauen eine generelle bzw. diffuse Unterstützungsleistung gegenüber den politischen Institutionen und Entscheidungsprozessen verstanden, wird die Responsivitätswahrnehmung als spezifische Unterstützungsleistung gegenüber der Kommunalpolitik gewertet. Insofern gelten die theoretischen Überlegungen zum

Kapitel 5: Responsivitätswahrnehmung

__________________________________________________________________________________________________________

politischen Institutionenvertrauen auch für die Responsivitätswahrnehmung, die an dieser Stelle nicht noch einmal aufgegriffen werden (siehe Kapitel 4.2.).

Das Konzept der Responsivitätswahrnehmung bzw. der externalen Effektivität geht auf eine Untersuchung von Campbell, Gurin und Miller Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, die die Absicht verfolgten, die Ursachen für die Bereitschaft, sich an Wahlen zu beteiligen, aufzudecken (vgl. Vetter 2002: 116). Sie identifizierten die „political efficacy“ als eine psychologische Komponente, die die Wahlbeteiligung von Bürgern beeinflusst: „Sense of political efficacy may be defined as the feeling that individual political action does have, or can have, an impact upon the political process, i.e., that it is worthwhile to perform one’s civic duties. It is the feeling that political and social change is possible, and that the individual citizen can play a part in bringing about this change” (Campbell/Gurin/Miller 1954: 187). Weitere Untersuchungen führten zur Differenzierung der “political efficacy” (politische Effektivität) in zwei unterschiedliche Dimensionen: internal und external efficacy. Die „internal efficacy“

bezieht sich in der heutigen Forschung „auf die wahrgenommenen eigenen Fähigkeiten, politischen Einfluss ausüben zu können und stellt einen Aspekt der demokratischen Persönlichkeit dar“ (Vetter 2002: 116). Die external efficacy (externale Effektivität) steht „für den wahrgenommenen Grad an Responsivität von Seiten des politischen Systems, d.h. seine Offenheit für die Anliegen der Bürger“ (Vetter 2002: 116). Im Folgenden werden