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Vertrauen als politische Unterstützung (Almond/Verba, David Easton)

4.2 T HEORETISCHE A NSÄTZE ZUM POLITISCHEN V ERTRAUEN

4.2.1 Vertrauen als politische Unterstützung (Almond/Verba, David Easton)

Der in der Politikwissenschaft gewählte theoretische Rahmen für empirische Untersuchungen zum politischen Vertrauen steht in der Tradition der politischen Kulturforschung nach Almond und Verba und David Easton. Darauf soll im Folgenden näher eingegangen werden.

Kern der Forschungen zur politischen Kultur ist die Behauptung, dass subjektive politische Orientierungen einen wesentlichen Einfluss auf Gestalt und Funktion des jeweiligen politischen Systems ausüben. Die Gründungsväter dieser Forschungsrichtung, Almond und Verba, behaupten, dass demokratische politische Systeme nur funktionstüchtig und stabil sind, wenn die formalen Strukturen und Institutionen in einen entsprechenden Einstellungs- und Vertrauenshintergrund eingelagert sind. Die Autoren stellten damit aus einer empirisch vergleichenden politikwissenschaftlichen Perspektive die Frage nach den Bedingungen der Demokratie.

Im Anschluss an Almond und Verba entwickelte David Easton das Konzept der politischen Unterstützung. Seiner Ansicht nach besteht die zentrale Aufgabe des politischen Systems darin, gesellschaftliche Forderungen in bindende Entscheidungen umzuwandeln. Easton setzt dafür ein gewisses Maß an Unterstützung seitens der Bürger voraus, „an attitude by which a person orients himself to an object either favorably or unfavorably, positively or negatively“ (ders.

Kapitel 4: Politisches Institutionenvertrauen

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1975: 436). Easton sieht verschiedene Objekte, die der Unterstützung bedürfen: die politische Gemeinschaft insgesamt, die politische Ordnung (Normen, Werte, Institutionen) und - last not least - die politischen Herrschaftsträger selbst. Unterstützung wird zunächst spezifisch, als direkte Belohnung der Leistungen von Autoritäten gewährt. Das allein genügt jedoch nicht, um ein demokratisches System auch in Krisenzeiten stabil zu halten. Dazu bedarf es zusätzlich der diffusen Unterstützung „a kind of support that a system does not have to buy with more or less direct benefits for the obligations and responsibilities the member incurs“ (Easton 1965: 273).

Eastons Unterscheidung zwischen spezifischer und diffuser Unterstützung ermöglicht die analytische Trennung eines auf längere Zeit hin gewährleisteten Kredits gegenüber dem demokratischen System und dessen Institutionen von einer augenblicksabhängigen Unterstützung einzelner Vertreter und deren Entscheidungen;11 sie wurde wegweisend für die empirische Forschung zum politischen Vertrauen (vgl. Walz 1996, Krüger 1995, Fuchs 1989, Gabriel 1999; Gabriel/Zmerli 2006).

Nach Auffassung einiger Autoren (Gabriel 1999; Offe 2005; Westle 1998) ist dem diffusen Vertrauen nach Easton ein Korrektiv qua der demokratischen Institutionen und der ihnen eingeschriebenen Mechanismen und Sanktionen vorgeschaltet. Nach Offe können „Institutionen der liberalen Demokratie – die mediale Öffentlichkeit, die periodischen Wahlen, die Parteienkonkurrenz, die Regierungsverantwortlichkeit, die Unabhängigkeit der Gerichte“ als

„Vorkehrungen eines institutionalisierten Misstrauens gelesen werden“ (Offe 2005: 236). Eine solche Vorkehrung stellt auch für Westle (1989: 224) der „in Demokratien vorgesehene Mechanismus des Regierungswechsels durch Wahlen“ dar. Politische Unzufriedenheit mit den jeweils amtierenden Herrschaftsträgern kann zum Ausdruck gebracht und so „ein Übergreifen negativer Bewertungen auf das System“ vermieden werden (Westle 1989: 224). Als eine weitere Maßnahme zur Vorbeugung von Misstrauen kann das Aufdecken politischer Skandale durch die mediale Öffentlichkeit gesehen werden. Zunächst wird das politische Vertrauen durch den Skandal zwar erschüttert, zugleich jedoch Vertrauen in die Verfahren demokratischer Demokratien wieder aufgebaut (Markovits/Silverstein 1989: 164f.), da die mediale Skandalisierung zur institutionellen Bewältigung und zu Korrekturen zwingt.

11 Die diffuse Unterstützung entspricht nach Westle (1989: 224) „de(m) in Demokratien institutionell vorgesehene(n) Mechanismus des Regierungswechsels durch Wahlen als möglicher Ausdruck politischer Unzufriedenheit mit den

Kapitel 4: Politisches Institutionenvertrauen

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Von einem fundamentalen (diffusen) Misstrauen, das eine Gefahr für die Demokratie darstellen könnte, wäre nach Gabriel demnach erst dann zu sprechen, „wenn die Öffentlichkeit sämtlicher Einrichtungen des politischen Lebens dauerhaft misstraut und diese Einstellung auf die politische Ordnung projiziert“ oder anders gesagt: „Eine Gesellschaft befindet sich dann im Zustand der Desintegration, wenn keine ihrer politischen Institutionen in der Öffentlichkeit Vertrauen findet oder wenn soziale Konflikte die Bevölkerung dauerhaft in vertrauensvolle und misstrauische Segmente spalten“ (Gabriel 1999: 207). Nur wenn allen Institutionen auf Dauer misstraut werden, tritt nach Gabriel eine kritische Situation des demokratischen Selbstverständnisses einer Gesellschaft ein. Selbst Unterschiede zwischen größerem oder geringerem Vertrauen gegenüber Institutionen sieht Gabriel als „Scheinproblem“. Er konstatiert:

„Die Erwartung, dass alle Bevölkerungsgruppen allen Institutionen zu jeder Zeit das gleiche Maß an Vertrauen entgegenbringen, ist unrealistisch. Vielmehr sprechen intertemporale, gruppen- und objektspezifische Unterschiede im Institutionenvertrauen den Funktionsprinzipien pluralistischer Demokratien“ (Gabriel 1999: 207). Das heißt, dass Institutionen, die im politischen Tagesgeschäft und damit in kontroverse Meinungsverschiedenheiten involviert sind, eher misstraut wird. „Da zu nahezu jeder politischen Entscheidung mehrere Alternativen existieren, die jeweils Befürworter und Gegner finden, dürfte das Vertrauen zu parteienstaatlichen Institutionen schwächer ausgeprägt und instabiler sein als das zu Einrichtungen, die mit der Ausführung bereits getroffener Entscheidungen befasst sind. (z.B.

Verwaltung, Polizei) oder deren Aufgabe darin besteht, die Einhaltung allgemein akzeptierter Spielregeln sicher zu stellen bzw. Streitfälle zu schlichten (Gerichte, Polizei)“ (ders. 1999: 206).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das politische Vertrauen in der empirischen Forschung in Anlehnung an die politische Kulturforschung nach Almond und Verba und an das Konzept von David Easton als diffuses Vertrauen bzw. Institutionenvertrauen operationalisiert wird. Den demokratischen Institutionen wird ein Mechanismus zugeschrieben, der fundamentales Misstrauen vorbeugt bzw. auffängt, so dass ein demokratisches politisches System erst dann in Gefahr scheint, wenn das politische Misstrauen sich auf alle Institutionen gleich stark verteilt. Unterschiede im politischen Vertrauen nach sozialen Gruppen müssen

jeweils amtierenden Herrschaftsträgern, der ein Übergreifen negativer Bewertungen auf das System vermeiden soll.“

Kapitel 4: Politisches Institutionenvertrauen

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daher nicht zwangsweise eine Gefahr für die politische Repräsentation und die demokratische Verfasstheit bedeuten. Die Begriffe politisches Vertrauen und Institutionenvertrauen werden im weiteren Verlauf synonym verwendet.

Direktes politisches Vertrauen, das in erster Linie mit den konkreten Leistungen der Politiker und dem Umsetzen des Bürgerwillens verknüpft ist, wird unter dem Begriff der Responsivitätswahrnehmung gefasst und in Kapitel 5 untersucht.