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2.2 Kanzerogenese in vivo und in vitro

2.2.4 Wirkungsmechanismen genotoxischer Kanzerogene

Die Wirkungsmechanismen genotoxisch wirksamer, chemischer Kanzerogene fokussieren sich auf eine Interaktion dieser Substanzen mit der DNA. Sie sind in der Lage, die DNA direkt zu schädigen, also die Zelle zu initiieren (OECD 2007). Solche Substanzen wirken in Genotoxizitätstests mutagen (OECD 2007; STOPPER 2010). Sie können aber auch die DNA-Reparatur, die genetische Stabilität einer Zelle, die für die Wachstumsregulierung verantwortlichen Onko- und Tumorsuppressorgene oder die Telomerasefunktionen einer Zelle beeinträchtigen (HANAHAN u. WEINBERG 2000; MARQUARDT u. PFAU 2004, S. 181-184).

Die Interaktion mit der DNA resultiert in der Bildung von DNA-Addukten, die durch die Bindung elektrophiler reaktiver Intermediate an die exozyklischen Hydroxyl- oder Aminogruppen von Nukleobasen (C8- oder N7-Positionen der Purinbasen) der DNA entstehen (MISRA et al. 1983; MARQUARDT u. PFAU 2004, S. 181). Durch ihre große Anzahl nukleophiler Zentren, bedingt durch einen hohen Gehalt an Stickstoff- und Sauerstoffatomen, sind die Basen der DNA besonders leichte Ziele für solche kovalente, lang im Genom persistierende Bindungen (E. C. MILLER 1978). Dabei können Basenfehlpaarungen entstehen, die während der DNA-Replikation auftreten, und im weiteren Verlauf zu einer

Akkumulation von Mutationen beitragen (STEINBERG 2003b, S. 149). Ferner können sich instabile DNA-Addukte bilden, die spontan abgespalten (depuriniert) werden. Dies kann zu einer Schwächung der DNA an dieser Stelle führen, wodurch Strangbrüche auftreten können (MARQUARDT u. PFAU 2004, S. 181).

2.2.4.1 Aflatoxin B1

Ein bekanntes Beispiel für die Bildung von DNA-Addukten an der N7-Position von Guanin ist ein Metabolit des Mykotoxins Aflatoxin B1 (AFB1). AFB1 ist ein sehr potentes Leberkanzerogen und der für Mensch und Tier toxischste Vertreter der Gruppe der Aflatoxine.

Besonders belastet sind Getreide, Nüsse oder Reis. Die Giftung durch die Bildung verschiedener stark kanzerogener Stoffwechselprodukte findet erst durch eine metabolische Aktivierung im Rahmen der Biotransformation in der Leber statt (GARNER et al. 1972; LIN et al. 1977; MARTIN u. GARNER 1977). Beim Menschen spielen CYP1A2 und 3A4 eine dominierende Rolle bei der Aktivierung des aufgenommenen AFB1 zu seinem hochtoxischen und hochkanzerogenen Metaboliten, dem Aflatoxin B1-8,9-epoxid (SWENSON et al. 1977;

SHIMADA u. GUENGERICH 1989; FORRESTER et al. 1990). Zusätzlich dazu kann eine Aktivierung aber auch durch CYP2A1, CYP2A6 oder Isomere der CYP2C-Unterfamilie erfolgen (ESSIGMANN et al. 1982; FORRESTER et al. 1990; ARAND u. OESCH 2004, S. 95). Neben dem Hauptaktivierungsweg über die CYPs ist eine Kooxidation durch COX oder Lipoxygenasen (LOX) möglich (L. LIU u. MASSEY 1992; ROY u. KULKARNI 1997).

Das als ultimales Kanzerogen bezeichnete Aflatoxin B1-8,9-epoxid (Abbildung 1) entsteht durch die Epoxidierung der Doppelbindung zwischen den Positionen C8 und C9, ist stark elektrophil und bildet eine kovalente Bindung vorwiegend mit dem N7-Atom der Purinbase Guanin aus, was zu einem Basenaustausch führt (ESSIGMANN et al. 1977; LIN et al. 1977;

MARTIN u. GARNER 1977). Anstelle eines Cytosins, das sich normalerweise mit dem Guanin paaren würde, wird bei der Replikation nun ein Thymin in die DNA eingebaut (HELMBERG 2007). Diese Guanin- zu Thymin-Transversion im Codon 249 des Tumorsuppressorgens p53 führt dazu, dass anstelle von Arginin die Aminosäure Serin in das Protein eingebaut wird, und somit die Funktion des p53 als „Wächter des Genoms“ beeinträchtigt wird (FOSTER et al. 1983; HORN et al. 2003c, S. 265; HELMBERG 2007). Des Weiteren kommt es zur Schwächung der N-glykosidischen Bindungen durch

spontane Abspaltungen (Depurinierung) des modifizierten Guanin-Rests, welche zu sog.

Abbildung 1: Biotransformation von Aflatoxin B1: Toxifizierung und Detoxifizierung (vereinfachte Darstellung). GS: Glutathion, R: Desoxyribose.

Für die Detoxifizierung des Aflatoxin B1-8,9-epoxids ist bei den Säugetieren die zytosolische GST von entscheidender Bedeutung (Phase-II-Reaktionen), wobei es durchaus speziesspezifische Unterschiede in ihrer Expression gibt (EATON u. GALLAGHER 1994).

2.2.4.2 Benzo[a]pyren

PAKs sind seit langem als Ursache für die Entstehung von malignen Tumoren bekannt. Sie sind ubiquitär in der Umwelt vorhanden und entstehen bei der unvollständigen Verbrennung organischen Materials unter Sauerstoffmangel und bei niedrigen Temperaturen (STEINBERG

2003a). Ihre Distribution in der Umwelt erfolgt hauptsächlich über die Luft, wodurch sie schlussendlich in die Nahrungskette gelangen bzw. eingeatmet werden (KONTIR et al. 1986;

KOSS 2004, S. 592). Ein wichtiger Vertreter der PAKs und eine in dieser Arbeit verwendete Modellsubstanz ist das genotoxische Kanzerogen B[a]P. Die Substanz an sich ist chemisch inert und wird als Prokanzerogen bezeichnet, da erst ihre metabolische Aktivierung, z. B.

durch verschiedene Isoformen der CYP-Familie, zur Bildung reaktiver Metabolite führt (ARAND u. OESCH 2004).

CYP450

O

Benzo[a]pyren Benzo[a]pyren-7,8-epoxid

OH OH + H2O Epoxidhydrolase

Benzo[a]pyren-7,8-dihydrodiol OH

OH O

Benzo[a]pyren-7,8-dihydrodiol-9,10-epoxid CYP450

O

Benzo[a]pyren-Glutathion-Konjugat GS OH

Abbildung 2: Metabolismus von Benzo[a]pyren (auszugsweise). GS: Glutathion.

Der Metabolismus von B[a]P ist sehr komplex, so dass an dieser Stelle nur ein möglicher Metabolisierungsweg beschrieben werden soll. In einem ersten Schritt wird B[a]P zum Benzo[a]pyren-7,8-epoxid oxidiert, welches eine höhere Wasserlöslichkeit als das Ausgangsmolekül aufweist. Der kanzerogene Metabolit

Benzo[a]pyren-7,8-dihydrodiol-9,10-epoxid entsteht durch Hydrolyse und Epoxidierung unter Beteiligung verschiedener CYPs und der mikrosomalen Epoxidhydrolase (THAKKER et al. 1976; BUENING et al. 1978;

SHOU et al. 1994; STEINBERG 2003b). Diese sehr reaktive, elektrophile Verbindung ist in der Lage, an nukleophile Zentren der DNA zu binden, reagiert aber auch mit der RNA oder zellulären Proteinen (STEINBERG 2003a, S. 203). Dabei werden die Purinbasen Adenin oder Guanin für die Ausbildung kovalenter Bindungen zur DNA bevorzugt (STRAUB et al. 1977;

JERINA et al. 1991). Ferner ist die Bioaktivierung des B[a]P durch eine Epoxidierung verschiedener B[a]P-Metabolite, z. B. des 7,8-Dihydrodiols durch LOX, oder die Kooxidation durch COX bei der Prostaglandin-Synthese möglich (MARNETT et al. 1975;

BYCZKOWSKI u. KULKARNI 1989). Außerdem sind Lipidperoxylradikale in der Lage, direkt mit dem Substrat B[a]P oder AFB1 zu interagieren und Epoxide zu bilden (REED 1987).

In Abbildung 2 ist beispielhaft als eine Möglichkeit der Detoxifizierung der hochreaktiven B[a]P-Metabolite die Konjugation an Glutathion dargestellt. Weitere Optionen der Phase-II-Reaktionen zur Elimination der hochtoxischen Metabolite sind die Umwandlung zu Diolen oder Phenolen, die dann glucuronidiert oder sulfatiert und somit ausgeschieden werden können (KOSS 2004, S. 597).

Ein weiterer Vertreter der PAKs, der in dieser Arbeit Verwendung findet, ist das MCA. Diese stark genotoxische Substanz ist ein bekannter Tumorinitiator und wird in vielen In-vitro-Testsystemen als Positivkontrolle eingesetzt (REZNIKOFF et al. 1973a; IARC/NCI/EPA WORKING GROUP 1985).

2.2.4.3 Dimethylnitrosamin

Dimethylnitrosamin (DMN) gehört zur Stoffgruppe der N-Nitrosoverbindungen, die als Umweltkanzerogene von hoher Relevanz sind. N-Nitrosamine werden endogen aus Nitriten, die durch mikrobielle Reduktasen aus Nitraten entstehen, und nitrosierbaren Aminen gebildet.

Nitrate werden hauptsächlich mit der Nahrung aus pflanzlichen Produkten, Trinkwasser und gepökelten Lebensmitteln oder aber über die Haut sowie die Lunge (Zigarettenrauch) aufgenommen. Pökelware ist für die Bildung von N-Nitrosaminen von besonderer Relevanz, da sie sowohl Nitrit als auch sekundäre (nitrosierbare) Amine enthält. Die Folgen einer Vergiftung mit N-Nitrosaminen sind Leberschäden, deren Entstehungsmechanismus

allerdings bis heute nicht eindeutig geklärt ist (MAGEE u. BARNES 1967; KÖHL u.

EISENBRAND 2004, S. 757). N-Nitrosamine sind Prokanzerogene. Die Bioaktivierung des DMN ist in Abbildung 3 schematisch dargestellt. Über eine α-Hydroxylierung, die bei DMN vorwiegend CYP2E1-vermittelt ist, entsteht ein Zwischenprodukt, das in Formaldehyd und Methyldiazohydroxid zerfällt. Die Freisetzung von molekularem Stickstoff und die Abgabe der Hydroxylgruppe resultiert in der Bildung eines hochreaktiven Carbeniumions, ein Radikal, das zelluläre Makromoleküle wie die DNA, RNA oder Proteine methylieren kann (TU et al.

1984; YANG et al. 1990; YOO et al. 1990).

Das vorwiegend gebildete DNA-Addukt ist das N7-Methylguanin. DNA-Addukte entstehen aber auch an anderen Positionen des Guanins (z. B. an der O6-Position) sowie an verschiedenen Bindungsstellen der zweiten Purinbase Adenin (SOULIOTIS et al. 1995).