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Wirkmächtige Dimensionen des Logos aus der Perspektive des Johannesprologs

Im Dokument Sieben Positionen zum Logos (Seite 34-38)

3.1 Der schöpferische Logos als „erstes Wort Gottes“

Die spannenden Fragen nach dem Ursprung, nach dem eigentlichen Beginn der Welt und des Lebens beschäftigen die Menschen seit alters her. Wie ist alles entstanden? War es Zufall oder Planung? Naturwissenschaftler liefern stets neue Erklärungsversuche. Die Schöpfungstheologie gibt keine Antwort darauf, wie die Welt entstanden ist, wohl aber geht sie davon aus, dass ein Schöpfer hinter allem steht. Im ersten Satz der Bibel bzw. des Buches Genesis heißt es: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Am Anfang stehen also der Wille und das lebenschaffende Wort eines Schöpfers. Als Gott „sprach“ – wie es in der biblischen Schöpfungs-erzählung heißt -, brachte sein „Wort“ Leben hervor. Für gläubige Menschen entstand die Welt demnach nicht als ein Zufallsprodukt, sondern gründet im schöpferischen Wort, durch das Gott alles geschaffen und in das Dasein gerufen hat. In der Schöpfung „drückt sich Gott für uns aus, zeigt er uns seine Herrlichkeit.

Die Schöpfung ist das erste Wort Gottes. In ihr drückt sich der Logos aus, der in Jesus Mensch geworden ist. Wir können auf Jesus nicht schauen, ohne die Schöpfung mit in den Blick zu nehmen.“11 In diesem Sinn kann der erste Satz am Beginn des Johannesevangeliums dazu in Relation gesetzt werden: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ (Joh 1,1) Die johanneische Tradition identifiziert dieses Wort mit Jesus, dem Sohn Gottes, der eins mit dem Vater ist. Gottes „ewiges Wort“ hat „Fleisch“ angenommen, ist in Jesus Mensch geworden. „In ihm ist der Logos, der schöpferische Sinn aller Dinge, in die Welt hereingetreten.“12 In ihm hat er sich mit der gesamten Schöpfung und mit dem Menschen als Geschöpf Gottes zutiefst solidarisiert.

11 Grün, Anselm: Jesus – Wege zum Leben. Die Evangelien des Matthäus., Markus, Lukas und Johannes. Stuttgart (Kreuz Verlag) 2005, bes. 461–468, hier: 463.

12 Ratzinger Joseph – Benedikt XVI., 2012 (Anm. 9), 74.

Analog dazu bezeugt der Kolosserbrief, dass in Christus „alles erschaffen“ wurde (Kol 1,16): Christus ist „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15) und

„der Erstgeborene der Toten“ (Kol 1,18). „Der Begriff der Erstgeburt erhält eine kosmische Dimension. Christus, der menschgewordene Sohn, ist sozusagen die erste Idee Gottes und geht aller Schöpfung voraus, die auf ihn hin und von ihm her bestimmt ist. Er ist damit auch Anfang und Ziel der neuen Schöpfung, die mit der Auferstehung begonnen hat.“13 Unter dieser kosmischen Perspektive dürfen die Christen mit dem Anbruch der „neuen Schöpfung“ auf eine end-gültige Vollendung und auf ein ewiges Heil hoffen.

Die Schöpfungstheologie sieht in der Schöpfung nicht etwas Abgeschlossenes, sondern vielmehr einen dynamischen Prozess, der auf Zukunft hin offen ist und in den auch der Mensch eingebunden und zur Mitwirkung aufgefordert ist.

„Im Glauben an die uns von Gott geschenkte Freiheit dürfen wir uns als Mitwir-kende an der Schöpfung verstehen und diese Verantwortung auf uns nehmen.

Schöpfungsglaube macht schöpferisch durch Dankbarkeit.“ 14 Er fördert unsere Kreativität – im eigentlichen Sinn des Wortes.

3.2 Der Logos als personifizierte Weisheit

Der Weisheitsmythos spielt bereits im frühen Judentum eine bedeutende Rolle.

Der Logos, der aus der jüdischen Weisheitstheologie bekannt ist, hat als erstes Geschöpf Gottes eine besondere Nähe zu ihm. In der Weisheitsliteratur Israels finden sich bemerkenswerte Parallelen zum Logos des Johannesevangeliums.

Im Buch Jesus Sirach heißt es: „Alle Weisheit stammt vom Herrn (vom Ewigen) und ewig ist sie bei ihm. Den Sand des Meeres, die Tropfen des Regens und die Tage der Vorzeit, wer hat sie gezählt? Die Höhe des Himmels, die Breite der Erde und die Tiefe des Meeres, wer hat sie gemessen? Früher als sie alle ist die Weisheit erschaffen, von Ewigkeit her die verständige Einsicht.“ (Jesus Sirach 1,1–4)

Weisheit und Einsicht prägen so sehr das Leben, dass sie personifiziert werden.

„Im Buch der Weisheit wird die Weisheit wie eine eigene Person geschildert, die unter uns wohnt. Genauso will das Wort unter uns wohnen, sein Zelt unter uns aufschlagen. Wort und Weisheit wollen zeigen, wie Gott sich uns offenbart. Sie 13 Ratzinger Joseph – Benedikt XVI., 2012 (Anm. 9), 80.

14 Steindl-Rast, David: Credo. Ein Glaube, der alle verbindet, Freiburg i.Br. (Herder) 2010, 57.

werden gleichsam als eigene Personen gesehen, durch die sich der ferne Gott uns mitteilt, Mittler zwischen Gott und den Menschen. Der Hintergrund dieses wunderbaren Hymnus ist vielleicht auch die Gnosis, für die der Logos ein wich-tiger Mittler zwischen Gott und Mensch war.“ 15 Im Logos – der personifizierten Gestalt der Weisheit – gibt sich Gott dem Menschen zu erkennen und offenbart sich ihm in unüberbietbarer Weise.

3.3 Der präexistente Logos

Die Präexistenz meint „die transzendente, ´ewige´ Existenz eines ´Wesens´ vor seinem geschichtlichen Erscheinen bzw. Erkanntwerden“ 16 in dieser Welt. Im Pro-log wird nun diese Präexistenz vom „Wort“ bzw. von Jesus ausgesagt, der als „der Präexistente“ schon im Uranfang bei Gott ist. Von dieser Präexistenz des Wortes ist ausdrücklich nur in Joh 1,14 die Rede. Dies ist auch die entscheidende Stelle für das Verständnis der Inkarnation, der Menschwerdung Gottes. „Jesus Christus verkörpert in seiner Person ´das Wort´, das von Gott her kommt und schon ´im Anfang´ bei Gott war (Joh 1,1.17) Mit Fleisch ist nach biblischer Vorstellung der ganze Mensch aus Fleisch und Blut gemeint, und zwar insofern er irdisch begrenzt, vergänglich und sterblich ist (vgl. Jesaja 40,5–7). Die Aussage von Joh 1,14 bildet einen Kontrast zu jener in Joh 1,1: ´Und das Wort war Gott (theos)´. Die ohne Artikel verwendete Bezeichnung Gott kann hier als Prädikatsnomen verstanden werden, das die Beschaffenheit und Natur des Wortes bezeichnet. Joh 1,1, lässt sich auch so umschreiben: ´Und das Wort war von göttlicher Natur.´ Im Sinne von Joh 1,14 nimmt dieses Wort durch die Fleischwerdung menschliche Natur an. Die beiden Stellen Joh 1,1 und 1,14 hatten Einfluss auf die spätere Entwicklung der Zwei-Naturen-Lehre in der Christologie. … Der Kontrast zwischen Joh 1,1 und 1,14 kann verglichen werden mit der Gegenüberstellung im Philipperbriefhymnus (Phil 2,6–11): Jesus, der als Präexistenter in der Wesensgestalt (morphé) Gottes ist (Phil 2,6), entäußert sich selbst (kenoó) und nimmt die Wesensgestalt (morphé) eines Sklaven an (Phil 2,7). Am Beginn des Römerbriefes zitiert Paulus ein Chri-stusbekenntnis, in dem Jesus ´dem Fleisch (sarx) nach´ als Nachkomme Davids

15 Grün, Anselm, 2005 (Anm. 11), 462.

16 Die Bibel – erschlossen und kommentiert von Hubertus Halbfas, Ostfildern (Patmos) 6. Aufl.

2010, 500.

gesehen wird (Röm 1,3). ´Fleisch´ bedeutet hier wie in Joh 1,14 die menschliche, irdische Existenz.“17

Im menschgewordenen Logos macht sich Gott gleichsam klein, um dem Menschen „auf Augenhöhe“ begegnen zu können. Er wird Mensch wie wir – mit allem, was dazu gehört, mit Erfahrungen des Scheiterns und Erfahrungen des Gelingens. Das gehört zur Kernbotschaft des Christentums, dass sich in ihm Gottes unbedingte Liebe zeigt und Gottes unbedingte Zuwendung zum Menschen. „Wer AN JESUS CHRISTUS glaubt, setzt sein gläubiges Vertrauen darauf, dass Gottes liebende Gegenwart in uns Wirklichkeit werden will, und durch uns in der Welt.

Sich dazu zu bekennen ist schon der erste Schritt zu der neuen Weltordnung, die Jesus ´das Reich Gottes´ nannte.“18 Dieses Reich Gottes bleibt für den Menschen in einer „eschatologischen Spannung“: Einerseits ist es mit dem menschgewor-denen Logos unwiderruflich angebrochen; andererseits steht seine Vollendung noch aus. Alles nimmt in Christus, dem präexistenten Logos, seinen Anfang und wird durch ihn vollendet: Er ist das Alpha und das Omega.

3.4 Der Logos als Wort des Heils und als wahres Leben

Im Alten (Ersten) Testament wie im Neuen Bund hat sich Gott dem Menschen geoffenbart und ihm sein bleibendes WORT geschenkt, das ein Wort des Heils ist. Gott hat sich uns durch Jesus, den Logos in Person, mit-geteilt und durch ihn sind wir in die Gemeinschaft der Kinder Gottes aufgenommen. „Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden.“ (Joh 1,12a)

Der Logos schenkt uns unsere Gotteskindschaft und damit unser Heil.

Die alten Kirchenväter haben immer wieder betont, dass Gott selbst Mensch geworden ist, damit der Mensch „vergöttlicht“ werde. Gott ist zum Menschen

„herabgestiegen“, damit dem Menschen gleichsam der Aufstieg gelingt. „Die Väter haben … den Gedanken der Gottesgeburt in uns durch Glaube und Taufe entwickelt, durch die immer neu der Logos zu uns kommt und uns zu Kindern Gottes macht.“19 Im menschgewordenen Wort spricht Gott zu uns, ja nimmt er

17 Hasitschka, Martin: Art.: Inkarnation, in: Herders Neues Bibellexikon, hg. von Franz Kogler, Freiburg i.Br. (Herder) 2008, 333.

18 Steindl-Rast, David, 2010 (Anm. 14), 64.

19 Ratzinger Joseph – Benedikt XVI., 2012 (Anm. 9), 47.

in uns und durch uns Gestalt an. Er nimmt uns als seine Töchter und Söhne an, die von ihm her ihre unverlierbare Würde erhalten.

Gott und sein Wort fordern zu einem menschenwürdigen Leben heraus.

„Johannes zeigt uns, dass wir nur von Gott her wirklich Mensch werden können.

Und er identifiziert den Logos mit dem Leben. Gott ist wesentlich der, der Leben schenkt, ja in dem das Leben selber ist. Gotteserfahrung ist immer schon Erfah-rung der eigenen Lebendigkeit. Leben ist für Johannes ein Strömen. Leben hat immer mit einer Quelle zu tun, aus der es heraussprudelt und von der es seine immerwährende Frische erhält. Letztlich ist es die Quelle Gottes selber, aus der unser menschliches Leben herausfließt und uns und die Welt befruchtet.“20 Wer für diese lebensspendende Kraft Gottes offen ist, bekämpft lebensfeindliche Strukturen und fördert eine grundlegende Aufmerksamkeit für das Leben und Achtsamkeit gegenüber allem Lebendigen.

Im Dokument Sieben Positionen zum Logos (Seite 34-38)