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Die Bedeutung der Unterscheidung von Logos ensarkos und asarkos

Im Dokument Sieben Positionen zum Logos (Seite 26-29)

3. Logos ensarkos und asarkos gemäß dem Johannesprolog

3.4 Die Bedeutung der Unterscheidung von Logos ensarkos und asarkos

Die Bedeutung der Unterscheidung von Logos ensarkos und Logos asarkos lässt sich in einem kurzen Text wie diesem nicht ausloten. Ich möchte mich deshalb auf einen einzigen Aspekt beschränken, der aber m. E. von großem Gewicht ist. Denn diese Unterscheidung erlaubt es, zwei Dinge gedanklich und real miteinander zu verbinden, die in der Regel auseinanderzudriften oder gar einen Gegensatz zu bilden scheinen: Die christliche Glaubensüberzeugung, dass Jesus Christus nicht ein Weg zu Gott neben vielen anderen ist, sondern „der Weg, die Wahrheit und das

28 Luthers Unterscheidung zwischen theologia crucis und theologia gloriae in den Thesen 19–24 seiner Heidelberger Disputation von 1518 (LDStA 1,52–57) ist eine präzise Analyse dieser beiden Möglichkeiten der Suche nach und/oder der Begegnung mit Gott. Dabei verdient es Beachtung, dass Luther die theologia gloriae, die sich (mit Kant gesagt: am be-stirnten Himmel über mir und am moralischen Gesetz in mir orientiert) nicht etwa ablehnt, wohl aber der theologia crucis programmatisch nachordnet. Nur wer im Mensch gewor-denen und gekreuzigten Jesus Christus dem Logos ensarkos begegnet ist, wird auch den Logos asarkos in der Welt von Natur, Kultur und Geschichte finden.

Leben“, durch die alleine der Zugang zu Gott gefunden werden kann (Johannes 14,6), und die Überzeugung, dass Menschen auch in anderen Religionen dem-selben Gott begegnen können, an den Christen glauben, weil und wie er ihnen in Jesus Christus durch seinen Heiligen Geist begegnet. Beides scheint miteinander unvereinbar zu sein und ist es auch, solange man die untrennbare Beziehung, ja Einheit zwischen dem in Jesus Christus Mensch gewordenen Logos und dem Logos asarkos nicht bedenkt. Wenn aber beide ihrem Wesen nach identisch und nur ihrer Gegebenheitsweise nach verschieden sind, und wenn die Gegenwart und die Wirkweise des Logos asarkos nicht beschränkt ist auf den (jüdisch-)christ-lichen Überlieferungszusammenhang, sondern in der ganzen geschaffenen und geschichtlichen Welt wirksam wird (so Johannes 1,3f. und 9f. sowie Römer 1,19f.), dann ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der mit Gott und seinem Logos ensarkos wesensgleiche Logos asarkos auch anderswo gefunden und erfahren werden kann als in der Person Jesu Christi und in der biblischen Überlieferung von ihm. Aber nichtsdestoweniger ist es dann er, der da als der Weg, die Wahrheit und das Leben, gefunden wird.

Verliert damit die Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus als dem Logos ensarkos nicht ihre zentrale und maßgebende Bedeutung? Keineswegs: Sie ist und bleibt aus christlicher Sicht die „letztgültige“ (so Paul Tillich29) bzw. „endgül-tige“ (so Karl Barth30) Offenbarung Gottes, an der andere Offenbarungsansprüche und -behauptungen zu messen sind. Wenn sich dabei inhaltliche Übereinstim-mungen zeigen, dann kann das aus christlicher Sicht nur ein Anlass zur Freude und Dankbarkeit sein.

Ohne die Unterscheidung zwischen dem inkarnierten und dem (noch) nicht inkarnierten Logos Gottes, zwischen dem Mensch gewordenen Sohn Gottes und dem ewigen Sohn Gottes, würde das Reden von Gottes Offenbarung entweder konturlos oder verengt. Konturlos würde es, wenn es die konkrete Bestimmung verlöre oder preisgäbe, die durch den logos ensarkos gegeben ist. Verengt würde es, wenn es die Weite des Offenbarungswirkens Gottes durch seinen logos asarkos in seiner Welt aus dem Blick verlöre. Und beides darf um der Wahrheit, um Gottes und um der Menschen willen nicht geschehen. Die Unterscheidung zwischen dem Logos ensarkos und dem Logos asarkos gibt jedoch der christlichen Gottes-erkenntnis eine eindeutige Mitte, aber von dieser Mitte aus auch eine große Weite. 

29 P. Tillich, Systematische Theologie, Bd. I (1951), Berlin/New York 19848, 158–164.

30 K. Barth, Kirchliche Dogmatik, Bd. IV/3, Zollikon-Zürich 1959, 182.

Die Bedeutung und die Wirkkraft des Logos aus der Perspektive des Johannesprologs

GÜNTHER BADER

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.

Im Anfang war es bei Gott.

Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.

Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater,

voll Gnade und Wahrheit.

Aus seiner Füller haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.

( Joh 1, 1–4.14.16)

„Im Anfang war der Logos.“ (Joh 1,1) Wie kann dieser Begriff Logos adäquat übersetzt werden? In seinem Faust verdeutlicht Johann Wolfgang Goethe in einer bekannten Szene die Schwierigkeiten einer stimmigen Übersetzung: „Wort“,

„Sinn“, „Kraft“; und schließlich: „Im Anfang war die Tat.“1 Welche Bedeutung trifft hier wirklich zu? Darüber lässt sich bis heute trefflich diskutieren. In der Einheits-übersetzung der Bibel heißt es schlicht: „Im Anfang war das Wort.“ Das Johan-nesevangelium verkündet uns Jesus als dieses WORT, das „Fleisch“ bzw. Mensch geworden ist. Jesus ist dieses „ewige WORT des Vaters“; er ist das Wort in Person.

In einem großartigen Hymnus umschreibt der Prolog das letztlich unsagbare und unfassbare Geheimnis der Menschwerdung Gottes.

Der Prolog des Johannesevangeliums gehört zu den herausragenden Beispielen der Weltliteratur. Manchen ist diese anspruchsvolle Textstelle noch aus der Zeit bekannt, als sie am Ende jeder Messfeier gelesen wurde. Nun sieht die Liturgie der katholischen Kirche vor, dass sie zu Weihnachten am Christtag als Evange-lium verkündet wird. In der syrischen Kirche konnte ich zweimal erleben, dass diese Stelle bezeichnender Weise am Ostermorgen als österliches Evangelium zitiert wurde. Beides hat wohl seine tiefe Berechtigung. Zu Weihnachten feiern Christen, dass Gott uns Menschen sein lebendiges WORT geschenkt hat und dass er in Jesus selbst Mensch geworden ist. Der Spannungsbogen reicht bis zum 1 Goethe, Johann Wolfgang: Faust I, V. 1224 ff.

Ostergeschehen, in dem sich durch den Tod und die Auferstehung Jesu zeigt, dass dieses Wort ein WORT DES HEILS ist, das neues und ewiges Leben schenkt.

Im folgenden Beitrag werden die Be-Deutung und der Anspruch des Logos als Schlüsselbotschaft der Menschwerdung Gottes erörtert. Nach einem kurzen Über-blick über die Entwicklung des Begriffsverständnisses von Logos (Kap. 1.) folgen Grundzüge und Kernanliegen des Johannesevangeliums und im Besonderen des Prologs (Kap. 2.). Vor diesem Hintergrund werden vier zentrale inhaltliche Aspekte (Kap. 3.) entfaltet: Der Logos als lebenschaffendes, schöpferisches Wort (3.1), als personifizierte Weisheit (3.2), als präexistentes Wort (3.3) und als lebensförder-liches Wort des Heils (3.4). Das mündet schließlich in weiteren Schritten in eine Reflexion über den Logos als Gabe und Aufgabe (Kap. 4.) und in abschließende Bemerkungen zum Logos im Heute (Kap. 5.).

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