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Die FLUXUS-Demonstration MANRESA als christologischer Impuls

Im Dokument Sieben Positionen zum Logos (Seite 137-140)

Spätestens seit seiner Auseinandersetzung mit den Exerzitien des Ignatius von Loyola überwindet Beuys das manchmal Formelhafte und Ontologische seines Christus-Denkens. Dabei bleiben seine gedankliche Nähe zu Rudolf Steiner ebenso wie seine künstlerische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit erhalten. Das ist die geistige Weite bei Beuys, auf die er einen großen Wert legt: sich nicht auf eine 98 Gerhard Ludwig Müller, Katholische Dogmatik. Für Studium und Praxis der Theologie, Freiburg

(Herder) 1995, S. 379.

99 Hans Kessler, Christologie, in: Theodor Schneider (Hg.), Handbuch der Dogmatik, Düsseldorf (Patmos) 1992, S. 241–442, S. 439.

100 Ibid., S. 440.

philosophische Schule, ein konfessionelles Bekenntnis oder irgendeine Art von Parteilichkeit einzuengen, sondern sich mit aller Kreativität dem Ganzen der Welt und des Menschen verpflichtet zu fühlen.

Für Beuys war Ignatius von Loyola aus verschiedenen Gründen eine interessante Persönlichkeit, für dessen Auffassungen und Lebenserfahrungen er sich beson-ders interessierte. „Ignatius ist sehr wichtig, wenn man in der Lage ist, in seinem militanten Disziplinmodell etwas zu erfahren, das weitergeht, als es sozusagen durch ihn selbst ausgesprochen ist. <…> Das ganze Militante muß auf den Men-schen selbst hin sich vollziehen.“101 Der Mensch müsse in ethischer Stringenz sein

‚Ich‘ im Rahmen eines Innenkrieges disziplinieren, in Disziplin, in Militanz, in der äußersten Zuspitzung des Bewußtseins auf das DENKEN102, dem inneren Zielpunkt von Gedächtnis, Verstand, Wille. Unter dieser Voraussetzung ereigne sich dann das Mysterium im Menschen, nämlich die Inkarnation des Christuswesens in seine ‚Physis‘:

der Kraftfluß von absoluter Realität, das Hereinbrechen immaterieller Substanz103. In der FLUXUS-Demonstration MANRESA findet diese lebendige Auseinanderset-zung nach intensiven Vorbereitungen am 15. Dezember 1966 in der Düsseldorfer Galerie Schmela ihre künstlerische Gestaltung. Im Zentrum steht die Frage nach den Bedingungen für die Erneuerung des Menschen und die Umgestaltung des sozialen Ganzen. Im Zeichen des Kreises und des Kreuzes werden dem Halbkreuz als Form des Kristallinen in Element 1 durch die kreative Erweckung des Menschen in Element 3 die vergessenen, verlorenen und verdrängten Kräfte des Lebendigen und Fließenden als Formen von Element 2 wieder hinzugefügt. So wird nicht nur der eigene Weg der Heilung aus Krankheit und Krise betrachtet, sondern in der FLUXUS-Aktion eine Bewegungs- und Initiationshandlung für andere gestaltet, eben „Geistliche Übungen dazu hin, sich selbst zu überwinden und sein Leben zu ordnen, ohne sich durch irgendeine Neigung, die ungeordnet wäre, bestimmen zu lassen.“104

Auf ein ähnliches Ziel wirkt der Logos, die Christus-Substanz hin. Diesen versteht Beuys als einen Prozess, der sich nicht ein für allemal verwirklicht. Er realisiert sich vielmehr in einer immer neu ansetzenden Bewegung. Dazu gehört mit Steiner jenes „dauernde Erstreiten für die Erringung dieses Bewußtseins“ ebenso wie mit den Exerzitien des Ignatius eine regelmäßige Betrachtung des lebendigen Jesus.

Ein Manuskript im Nachlass Beuys belegt das intensive Studium der Geistlichen

101 Int. Autor, S. 24.

102 Ibid., S. 24.26.

103 So auf einem Manuskriptzettel zur Lektüre seiner Ignatiusbiographie, zit. in MANRESA, S. 46.

104 Ignatius, Geistliche Übungen, Nr. 21.

Übungen. Nach diesen Notizen hebt Beuys handschriftlich hervor, wie dieser Chri-stus die Sinne reinigt und erneuert; er ‚vergeistigt‘ sie sozusagen und befähigt sie

„zur Abbildung geistiger Vorgänge“105. Indem der Mensch „Christus beim <E>ssen hören, sehen u. fühlen“ kann, „wie Jesus u. seine Mutter hörten, sahen, fühlten“, gehen die Sinne der Vorstellungskraft in die eigentlichen geistigen Sinne über, um schließlich jene höhere Wesenseigenschaft zu erreichen, das Geistselbst i.S. von Steiner106, in dem sich das Ich dem Geist öffnet. „Hier berühren wir eine Grenze,“

– heißt es in der von Beuys angestrichenen Stelle seiner Ignatius-Lektüre – „wo alles menschliche Bemühen zurückbleibt und die Seele, die rein und mit Gott eins geworden ist, nur noch auf das Kommen ihres Gottes wartet.“107

Sowohl mit Steiner wie mit Ignatius ist festzuhalten, dass dieses „Auftauchen der neuen Kraft im Geistselbst des Menschen“108 ebenso wie die ignatianischen

„gereinigten neuen Sinne“109 nicht der mystischen Ergötzung oder der kosmolo-gischen Erkenntnis dienen, sondern dem Bedenken des ‚concursus divinus‘: die geheimnisvolle Einstiftung des Göttlichen im menschlichen Tun, dem es wie eine ermöglichende Substanz zugrundeliegt. Es sind gerade die „natürlichen Kräfte“, die bei Ignatius mit Gott verbunden werden. In ihnen erscheint diese göttliche Kraft. In der Sicht dieses Heiligen sind ja die eigenen Kräfte des Menschen aus Gottes Liebe herausfließende, geschenkte Kräfte.110 Doch ist diese Einwirkung nur dann garantiert, „wenn das menschliche Handeln bei aller Aktivität zugleich von einer inneren Empfangsbereitschaft geprägt ist“111.

105 Manuskriptzettel, ibid., S. 45. In seinem Exemplar der Biographie streicht er übrigens eine Passage an, welche den Entwicklungscharakter betont: „Es handelt sich also um ein subtiles Verfahren, bei dem man sich selbst wieder in die Hand bekommen, der Geist die Herrschaft über den Körper zurückgewinnen und schließlich der ganze Mensch zu Gott geführt und mit ihm verbunden werden soll.“ Zit. ibid., S. 41.

106 Aus der Fülle von Belegstellen: Rudolf Steiner, Esoterische Betrachtungen karmischer Zusam-menhänge, 2 Bde., hier Bd. II, GA 236, Dornach (Rudolf Steiner) 1973, S. 248ff.

107 Zit. in Manresa, S. 42.

108 Rudolf Steiner, Vortrag vom 20.5.1912, in: Ders., Der irdische und der kosmische Mensch, GA 133, Dornach (Rudolf Steiner) 1989.

109 Zit. in Manresa, S. 45.

110 Vgl. dazu: Erhard Kunz, „Bewegt von Gottes Liebe. Theologische Aspekte der ignatianischen Exerzitien und Merkmale jesuitischer Vorgehensweise, in: Sievernich und Switek Ignatianisch, S. 75–95, S. 79.

111 Ibid., S. 80.

Im Dokument Sieben Positionen zum Logos (Seite 137-140)