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Inkrafttreten, Außerkrafttreten

A. Allgemeiner Teil

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

II.1 Weiterentwicklung SGB IX, Teil 1

Das SGB IX, Teil 1 ist das Ergebnis einer fast drei Jahrzehnte währenden Diskussion über ein einheitliches Rehabilitationsrecht für Menschen mit Behinderungen. Im Fokus stand da-bei immer die Frage, ob für Rehabilitationsleistungen ein neuer und eigenständiger Sozial-leistungszweig mit einem eigenständigen Leistungsträger geschaffen oder das bestehende, über alle Sozialleistungsgebiete ausstrahlende Behindertenrecht, besser koordiniert und übersichtlicher ausgestaltet werden sollte. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, an dem gegliederten System festzuhalten. Er hat aber Vorkehrungen und Instrumente ge-schaffen, die Nachteile des gegliederten Systems zu reduzieren bzw. zu beseitigen. Koor-dination und Kooperation der Rehabilitationsträger und Konvergenz der Teilhabe- und Re-habilitationsleistungen sind Kernziele und Kernelemente des SGB IX. Das SGB IX verpflich-tet die Rehabilitationsträger auf gemeinsame Ziele und Instrumente.

Die vergangenen 15 Jahre seit Inkrafttreten des SGB IX haben aber gezeigt, dass Koordi-nation, Kooperation und Konvergenz nicht im ursprünglich gewünschten und erwarteten Umfang vollzogen werden. Die Folge sind Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Trä-gern, unnötige Mehrfachbegutachtungen und zu lange Bearbeitungszeiten der Anträge, die regelmäßig zu Lasten der Betroffenen gehen. Der „Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Behinderung“ vom 31. Juli 2013 (BT-Drs. 17/14476, S. 52 f.) beschreibt in der Praxis ein „kompliziertes System von unterschied-lichen Trägerschaften und Zuständigkeiten“ und ein „Kompetenzgerangel unterschiedlicher Zuständigkeiten“.

Mit diesem Gesetz soll das SGB IX, Teil 1 gestärkt und verbindlicher ausgestaltet werden, ohne dabei das gegliederte System in Frage zu stellen. Im Einzelnen ist vorgesehen:

– Im SGB IX, Teil 1 werden die allgemeinen, für alle Rehabilitationsträger geltenden Grundsätze normiert, während die jeweiligen Leistungsgesetze ergänzende Verfah-rensspezifika regeln.

– Die Regelungen zur Zuständigkeitsklärung, Bedarfsermittlung, zum Teilhabeplanver-fahren und zu den ErstattungsverTeilhabeplanver-fahren der Rehabilitationsträger untereinander wer-den geschärft und gelten künftig für alle Rehabilitationsträger verbindlich.

– Die Leistungskataloge zur Medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe werden präzisiert und erweitert. Sie gelten künftig für alle

Rehabilitationsträger, soweit sie für die jeweilige Leistungsgruppe zuständig sind. So-weit die Rehabilitationsträger über diese Leistungskataloge abweichende Leistungen erbringen, werden diese in den jeweiligen Leistungsgesetzen geregelt.

Die Rolle der Pflegeversicherung wird unter Beachtung des bewährten Grundsatzes „Re-habilitation vor Pflege“ im Verfahren gestärkt.

Im SGB IX, Teil 1 sind die folgenden wesentlichen Änderungen vorgesehen:

II.1.1 Neudefinition des Behinderungsbegriffs

Der Behinderungsbegriff wird sprachlich an die Artikel 1 Satz 2 und die Präambel Buch-stabe e) der UN-BRK angepasst. Zwar lehnt sich der Behinderungsbegriff nach § 2 Ab-satz 1 SGB IX und § 3 BGG schon eng an die „Internationale Klassifikation der Funktions-fähigkeit und Behinderung“ (ICIDH-2) an, die das Ziel der Teilhabe an den verschiedenen Lebensbereichen (Partizipation) in den Vordergrund gerückt hat; allerdings kann der Behin-derungsbegriff im Hinblick auf die UN-BRK noch weiter konkretisiert werden. Mit der Neu-definition kommt vielmehr zum Ausdruck, dass sich die Behinderung erst durch gestörte oder nicht entwickelte Interaktion zwischen dem Individuum und seiner materiellen und so-zialen Umwelt manifestiert. Die Regelung korrespondiert dabei mit dem angestrebten no-vellierten Behinderungsbegriff im Behinderungsgleichstellungsgesetz und gründet sich in ihrem Verständnis wesentlich auf das bio-psychosoziale Modell der Weltgesundheitsorga-nisation (englisch World Health Organization, WHO) das der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) zugrundliegt.

Der Behinderungsbegriff hat eine klärende und maßstabsbildende Funktion für die Rehabi-litationsträger. Die persönlichen Leistungsvoraussetzungen richten sich unverändert nach den geltenden Leistungsgesetzen.

II.1.2 Leistungen wie aus einer Hand gewähren - Teilhabeplanverfahren weiterentwickeln Um „Leistungen wie aus einer Hand“ gewähren zu können und Nachteile des gegliederten Systems der Rehabilitation für die Menschen mit Behinderungen abzubauen, wird künftig für alle Rehabilitationsträger ein verbindliches, partizipatives Teilhabeplanverfahren vorge-schrieben.

Ausgangspunkt des neuen Teilhabeplanverfahrens ist die Zuständigkeitsnorm des § 14 SGB IX - alt als Kern des heutigen Teilhaberechts. Aufgrund von § 14 SGB IX - alt kann für einen Antrag auf träger- oder leistungsgruppenübergreifende Teilhabeleistungen nur ein Träger zuständig sein. Dieser Träger ist auch zuständig für die Einleitung und Durchführung des Teilhabeplanverfahrens und die Begutachtung. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass über den Antrag auf Teilhabeleistungen rechtzeitig und umfassend entschieden wird, auch wenn Einzelfragen der Zuständigkeit noch offen sind. Hierdurch kann das Prinzip der

„Leistungen wie aus einer Hand“ bei trägerübergreifenden Fallkonstellationen verwirklicht werden.

Als Ausgleich zu der strengen Zuständigkeitszuweisung werden stringente Möglichkeiten der Kostenerstattung im Innenverhältnis zwischen den Rehabilitationsträgern geschaffen.

Die Kostenerstattung umfasst die Aufwendungen für die Leistungen, die für die anderen beteiligten Rehabilitationsträger erbracht wurden und eine Verwaltungskostenpauschale.

Zur Verhinderung von „Verschiebebahnhöfen“ zu Lasten der Eingliederungshilfe erhalten die Träger der Eingliederungshilfe gegenüber den anderen Rehabilitationsträgern einen zu-sätzlichen Zinsanspruch.

Das neue Teilhabeplanverfahren stellt die Verwaltungen der Rehabilitationsträger und die Leistungsberechtigten vor große fachliche Herausforderungen. In den Verwaltungen wer-den zur Umsetzung des Verfahrens Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen des Personals erforderlich sein. Damit korrespondiert die Einführung einer flächendeckenden unabhängigen Teilhabeberatung. Menschen mit Behinderungen erhalten dadurch die Mög-lichkeit, sich ergänzend zur Beratung durch die Rehabilitationsträger bereits im Vorfeld der Beantragung konkreter Leistungen unabhängig von Leistungsträgern und Leistungserbrin-gern beraten zu lassen (s. II.1.3.).

Andere öffentliche Stellen wie z.B. die Pflegeversicherung, die Träger der öffentlichen Ju-gendhilfe (mit Ausnahme der Leistungen nach § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII)), die nicht Rehabilitationsträger sind, deren Einbin-dung zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfes aber erforderlich ist, werden einbezo-gen. Das neue Verfahren bildet hinsichtlich der Zuständigkeitsklärung die langjährige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum § 14 SGB IX in der bisherigen Fassung ab.

II.1.3 Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung

Zur Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und zur Verbesse-rung ihrer Teilhabemöglichkeiten werden mit diesem Gesetz - neben der gesetzlichen Ver-pflichtung der Sozialleistungsträger - ergänzende Angebote einer von Leistungsträgern und Leistungserbringern unabhängigen - ausschließlich dem Leistungsberechtigen verpflichte-ten - Teilhabeberatung gefördert. Die Beratung soll frühzeitig, bereits vor Entstehen eines Anspruchs auf Rehabilitations- und Teilhabeleistungen ansetzen. Bestehende Strukturen, insbesondere der Länder, sollen dabei genutzt und ggf. ausgebaut werden. In der Umset-zung soll auf Basis einer Förderrichtlinie die Etablierung und Weiterentwicklung flächende-ckender Teilhabeberatungsstrukturen zuwendungsrechtlich unterstützt werden. Besonde-res Augenmerk liegt hierbei auf der Beratung von Menschen mit Behinderungen durch Men-schen mit Behinderungen, dem sogenannten „Peer Counseling“, das in Artikel 26 Absatz 1 auch von der UN-BRK gefordert wird. Die Förderentscheidung trifft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Benehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde.

II.1.4 Teilhabe am Arbeitsleben verbessern

Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden personenzentriert weiterentwickelt.

Vorrangiges Ziel ist eine Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es entspricht dem Verständnis der UN-BRK, für Menschen mit Behinderungen „Beschäftigungsmöglichkeiten und beruflichen Aufstieg auf dem (allge-meinen) Arbeitsmarkt […] zu fördern“ (Artikel 27). Im Übrigen wird hier die in den „Abschlie-ßenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands“ formulierte Empfeh-lung aufgegriffen, die Voraussetzungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt zu schaffen. Jeder Mensch mit Behinderung soll entsprechend seinem individuellen Leistungsvermögen durch passgenaue Leistungen und Förderung die für ihn größtmögliche Teilhabe am Arbeitsleben erreichen. Im Interesse der Menschen mit Behinderungen soll eine Beschäftigung weder eine Über- noch eine Unterforderung gemessen an seinem Leistungsvermögen bedeuten.

Bei der Teilhabe am Arbeitsleben geht es darum, Menschen mit Behinderungen mehr Mög-lichkeiten insbesondere auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verschaffen. Die beabsich-tigten Regelungen gehören zu einem Gesamtprogramm, das in den letzten Jahren Schritt für Schritt umgesetzt wird: Die Unterstützte Beschäftigung bietet seit 2009 auf dem allge-meinen Arbeitsmarkt neue Chancen für Menschen mit Behinderungen im Grenzbereich zur WfbM. Über die Initiative Inklusion (Handlungsfeld 1) wird die berufliche Orientierung aus dem Ausgleichsfonds gefördert. Ziel ist es, mittelfristig alle Schülerinnen und Schüler mit Behinderung in Förder- und Regelschulen über ihre individuellen Möglichkeiten für den wei-teren beruflichen Werdegang zu orientieren (gemeinsam mit den Eltern, Lehrkräften, po-tenziellen Dienstleistern und Leistungsträgern).

Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Anschluss an eine berufliche Orientierung gibt es nur, wenn die entsprechenden Ausbildungs- und Arbeitsplätze auch bereit stehen:

Die Handlungsfelder 2 und 3 der Initiative Inklusion stellen deshalb Mittel für zusätzliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zur Verfügung. Im Rah-men des Förderprogramms der Bundesregierung zur intensivierten Eingliederung und Be-ratung von schwerbehinderten Menschen entwickeln Agenturen für Arbeit, gemeinsame Einrichtungen und zugelassene kommunale Träger fortschrittliche Konzepte, um schwer-behinderte Menschen zusätzlich zum Regelgeschäft in Ausbildung und Beschäftigung zu integrieren. Darüber hinaus wirbt die deutsche Wirtschaft mit der Kampagne „Inklusion ge-lingt“ und dem Projekt „Wirtschaft Inklusiv“ bei ihren Mitgliedsunternehmen dafür, mehr Ar-beits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit Behinderung bereitzustellen. Dieses Ziel

verfolgt auch die Förderung der Inklusionskompetenz bei Handwerks-, Industrie- und Han-delskammern sowie Landwirtschaftskammern im Handlungsfeld 4 der Initiative Inklusion.

Weitere Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werden entstehen, wenn entspre-chend dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 24. September 2015 Integrations-projekte stärker gefördert werden.

Mit diesem Gesetz sollen vor allem den Menschen mit Behinderungen, die heute einen Anspruch auf Leistungen in einer WfbM haben, Chancen außerhalb der Werkstatt eröffnet werden. Das Gesamtprogramm wird damit abgerundet.

Für Menschen mit Behinderungen, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, wird die Mög-lichkeit eröffnet, entweder in einer WfbM oder bei einem anderen Leistungsanbieter zu ar-beiten oder eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen. Die Zu-lassung anderer Leistungsanbieter erfolgt mit Maßgaben unter den strengen ZuZu-lassungs- Zulassungs-kriterien für WfbM. So sollen ein hoher Qualitätsstandard gesichert und Verdrängungsef-fekte regulär Beschäftigter vermieden werden.

Künftig sollen Arbeitgeber, die bereit sind, dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen, die Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM haben, zu beschäftigen, durch ein

„Budget für Arbeit“ unterstützt werden, mit dem ein unbefristeter Lohnkostenzuschuss zum Ausgleich der dauerhaften Minderleistung des behinderten Beschäftigten und eine im Ein-zelfall notwendige Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz finanziert werden können.

Menschen mit Behinderungen, die sich für eine Förderung durch das Budget für Arbeit ent-scheiden, haben ein Rückkehrrecht in die WfbM. Soweit die Betroffenen Leistungen der Eingliederungshilfe beziehen, wird das Budget für Arbeit vom Träger der Eingliederungs-hilfe erbracht.

Mit dem Budget für Arbeit greift dieses Gesetz erfolgreiche Projekte aus den Bundesländern auf: Unter anderem Rheinland-Pfalz, Hamburg, Niedersachsen und die Landschaftsver-bände Rheinland und Westfalen-Lippe haben das Budget für Arbeit auf regionaler Ebene erprobt und dabei nachhaltige Erfolge bei der Integration von dauerhaft voll erwerbsgemin-derten Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt erzielt.

II.1.5 Soziale Teilhabe stärken

Das SGB IX enthält einen offenen Katalog mit Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, der für alle Rehabilitationsträger gilt, die die entsprechenden Leistungen er-bringen. Mit der personenzentrierten Neuausrichtung der Eingliederungshilfe gewinnen die bisherigen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft besondere Bedeutung für die Eingliederungshilfe. An der bisherigen Systematik wird festgehalten. Entsprechend werden daher im SGB IX, Teil 1 zur Rechtssicherheit und Rechtsklarheit übergreifend die-jenigen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, die von allen maßgebli-chen Rehabilitationsträgern erbracht werden, neu strukturiert, um bisher unbenannte Leis-tungstatbestände ergänzt, teilweise konkretisiert und als Leistungen der „Soziale Teilhabe“

definiert. Klarstellend wird ein neuer Leistungstatbestand für Assistenzleistungen einge-führt. Zu den Assistenzleistungen gehören auch entsprechende Leistungen, die Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrags benötigen, oftmals als

„Elternassistenz“ oder „begleitete Elternschaft“ bezeichnet.

In der Eingliederungshilfe werden die Möglichkeiten einer individuellen und den persönli-chen Wünspersönli-chen entsprepersönli-chenden Lebensplanung und -gestaltung weiter gestärkt. Dem wird mit klarstellenden Regelungen zur Sozialen Teilhabe im SGB IX, Teil 2 Rechnung getragen.

Im Teil 2 wird zudem eine Grundlage geschaffen, einfache wiederkehrende Leistungen mit Zustimmung der leistungsberechtigten Personen als pauschale Geldleistung zu erbringen.

Leistungsausweitungen sind damit grundsätzlich nicht verbunden.

Darüber hinaus wird es in der Eingliederungshilfe möglich sein, bestimmte Leistungen zu

„poolen“, wenn diese von mehreren Leistungsberechtigten gemeinsam in Anspruch genom-men werden, z.B. Leistungen zur Beförderung. Das „Poolen“ soll jedoch nur möglich sein, soweit dem im Einzelfall keine besonderen Gründe entgegenstehen.

II.1.6 Leistungen zur Teilhabe an Bildung als neue Leistungsgruppe

Das Benachteiligungsverbot nach Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 GG „Niemand darf wegen sei-ner Behinderung benachteiligt werden.“ ist im Jahr 1994 in Kraft getreten. Das Recht auf Bildung ist in Artikel 24 der UN-BRK verankert. Danach erkennen die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung an. Neben einer allgemeinen Ver-pflichtung zu einem inklusiven Bildungssystem enthält die UN-BRK spezielle Vorgaben, un-ter anderem

– dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu einem inklusiven und hochwertigen Un-terricht an Grund- und weiterführenden Schulen haben,

– angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden und – Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwen-dige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern (Artikel 24 Absatz 2 Buchstabe b bis d der UN-BRK).

Die UN-BRK gibt den Vertragsstaaten ferner vor, sicherzustellen, dass Menschen mit Be-hinderungen diskriminierungsfrei und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschul- und Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben und zu diesem Zweck sicherstellen, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden (Artikel 24 Absatz 5 der UN-BRK). Ein diskriminierungs-freier Zugang setzt voraus, dass Menschen mit Behinderungen auf die zu ihrer Teilhabe an Bildung erforderlichen behinderungsspezifischen Unterstützungsleistungen wie persönli-che Assistenz oder technispersönli-che Hilfsmittel zugreifen können. Der Anspruch auf Teilhabeleis-tungen muss sich dabei entsprechend der UN-BRK an den Möglichkeiten nichtbehinderter Menschen orientieren und darf sich insoweit nicht nur auf die Unterstützung ausgewählter Bildungsangebote beschränken. Vor diesem Hintergrund fordern etwa die Deutsche Hoch-schulrektorenkonferenz und das Deutsche Studentenwerk, an den derzeitigen Leistungen der Eingliederungshilfe zur Unterstützung der schulischen Bildung von Menschen mit Be-hinderungen nicht nur festzuhalten, sondern die Leistungspflichten der Eingliederungshilfe darüber hinaus auf weitere, bislang von ihr nicht unterstützte schulische Bildungsmaßnah-men auszudehnen und die Leistungen im Übrigen generell bedürftigkeitsunabhängig aus-zugestalten. Artikel 24 Absatz 2 Buchstabe b bis d der UN-BRK adressiert in erster Linie die für das allgemeine Bildungssystem verantwortlichen Stellen. Soweit sich Ansprüche bei den Hilfen zur Hochschulbildung gegen Rehabilitationsträger richten, liegt der Schwerpunkt der Förderung auf Leistungsfälle mit berufsbezogenen Inhalten.

Daher wird im SGB IX, Teil 1 eine neue Leistungsgruppe „Leistungen zur Teilhabe an Bil-dung eingeführt“.

In den weit überwiegenden Fällen richten sich Ansprüche gegen den Träger der Eingliede-rungshilfe. Menschen mit Behinderungen können bereits nach geltendem Recht - bedürf-tigkeitsabhängig - Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf ein-schließlich des Besuchs einer Hochschule aus Mitteln der Eingliederungshilfe erhalten, wenn kein anderer Leistungsträger für den behinderungsbedingten Mehrbedarf aufkommt.

Nach geltendem Recht umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe lediglich die indi-viduellen Hilfen für ein grundständiges Studium, also bis zu einem ersten berufsqualifizie-renden Abschluss (Bachelor- und Staatsexamensstudiengänge). Die Bundesarbeitsge-meinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS), unterstützt unter bestimmten Voraussetzungen auch den Zugang zu Masterstudiengängen.

Künftig sollen die Leistungen der Eingliederungshilfe insoweit maßvoll erweitert werden und auch die Unterstützung von Masterstudiengängen umfassen. Der Nachrang der Eingliede-rungshilfe gegenüber anderen Leistungssystemen und die Bedürftigkeitsunabhängigkeit der Leistungen bleiben unberührt.

Neben den Trägern der Eingliederungshilfe sind auch die öffentlichen Unfallkassen, die Träger der Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge sowie die Träger der öffentli-chen Jugendhilfe für die neue Leistungsgruppe zuständig.

II.1.7 Stärkung der BAR

Die Bildung einer Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation, als einer Arbeitsgemeinschaft i.S.v. § 94 SGB X, wird als Aufgabe der Rehabilitationsträger ins Gesetz aufgenommen. In der gesetzlichen Neuregelung werden zentrale von der bestehenden „Bundesarbeitsge-meinschaft für Rehabilitation“ wahrgenommene Aufgaben, gesetzlich festgeschrieben. Mit dieser Klarstellung soll die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation in ihrer wesentli-chen Aufgabe - darauf hinwirken, dass die Leistungen der Rehabilitation nach gleiwesentli-chen Grundsätzen im Interesse der Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten erbracht werden - gestärkt werden.

Kernaufgabe der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation ist die Erarbeitung Gemein-samer Empfehlungen und Zusammenführung von Daten der Rehabilitationsträger nach § 6 über das Rehabilitations-Geschehen und die trägerübergreifende Zusammenarbeit, die in einem trägerübergreifenden Teilhabeverfahrensbericht mündet.

II.1.8 Präzisierung der gesetzlichen Regelungen zur Komplexleistung Frühförderung Durch Änderungen im SGB IX, Teil 1 und in der Frühförderungsverordnung werden die Inhalte der Komplexleistung klargestellt. Damit soll den Ländern ermöglicht werden, ver-bindliche Landesrahmenvereinbarungen mit spezifischen Regelungen unter Beibehaltung der bereits geschaffenen und dem Grunde nach funktionierenden Strukturen zu schaffen.

Auf der Grundlage des gemeinsamen Rundschreibens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom Juni 2009 wird die Frühförderungsverordnung um die Definition der Komplexleistung, sowie verbind-licher Regelungen über deren Inhalte und die Ausgestaltung der Leistungen sowie deren Finanzierung ergänzt.

II.1.9 Streichung der Gemeinsamen Servicestellen

Die vergangenen Jahre seit Inkrafttreten des SGB IX haben auch gezeigt, dass sich die in Kapitel 3 des SGB IX in der geltenden Fassung normierten Gemeinsamen Servicestellen flächendeckend nicht bewährt haben. Fehlende Verbindlichkeit und Finanzierungsstruktu-ren haben dazu geführt, dass die Gemeinsamen Servicestellen nicht die gewünschten Ziele erreicht und Aufgaben erfüllt haben. Mit diesem Gesetz entfallen daher die Vorschriften zu den Gemeinsamen Servicestellen. Der Gedanke, zu einer besseren Koordination und Ko-operation der Rehabilitationsträger im Sinne der Betroffenen zu kommen wird mit diesem Gesetz jedoch konsequent weiter verfolgt. Insbesondere das trägerübergreifende und par-tizipative Teilhabeplanverfahren sowie die Einführung eines ergänzenden von Leistungs-trägern und Leistungserbringern unabhängigen Teilhabeberatungsangebotes, das auch dem Peer-Prinzip Rechnung trägt, soll für die Menschen mit Behinderungen künftig deutlich bessere Beratung und Unterstützung bieten.

II.2 Reform der Eingliederungshilfe - Integration der Eingliederungshilfe ins SGB IX,