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Der Wachstumsprozess der ausgefällten Partikel kann diffusionslimitiert oder reaktions-limitiert sein. Nach experimentellen Untersuchungen scheinen die meisten Fällungsreaktionen diffusionslimitiert zu sein [53].

Nach dem Modell von Reiss hängt die Wachstumsgeschwindigkeit (dr/dt) sphärischer Partikel ausschließlich vom Fluss oder der Diffusion der Monomere zu den Partikeln ab, also ein Massentransport-Phänomen [52]. Konzentrationsgradienten und Temperatur sind wesentliche Einflussfaktoren.

dr/dt = DΩ(1/δ + 1/r) (Cb – Ci) (28)

r: Kristallradius t: Zeit D: Diffusionskoeffizient Ω: molares Volumen δi: Dicke der Lage, über der die Konzentration von Cb in Ci wechselt Ci: Konzentration des gelösten Stoffes an der Kristalloberfläche Cb: Konzentration des gelösten Stoffes im Volumen

Demnach ist die Wachstumsgeschwindigkeit eines Partikels umgekehrt proportional zu dessen Radius. Bei zunehmendem Radius sinkt die Wachstumsgeschwindigkeit. Bzw.

wachsen Partikel mit einem Radius R leicht größer als dem kritischen Radius R*

schneller als große (R >> R*) aufgrund ihrer höheren Oberflächenenergie, welches sich wie ein sog. Fokussieren in der Größenverteilung auswirkt. Wie bereits in Abschnitt Nukleation erläutert, gilt aber bei R<R* ebenfalls der gegenläufige Zusammenhang: „Je kleiner der Radius, desto schwerer wachsen die Partikel und desto leichter lösen sie sich auf, da ihr chemisches Potential höher ist“ [52].

Wenn K gegeben ist als das Verhältnis der Geschwindigkeiten für Diffusion und Abscheidungsreaktion gilt für sehr kleine K-Werte [52]: Die Wachstumsgeschwindigkeit ist durch Diffusion bestimmt, somit durch die Geschwindigkeit des Massetransfers (diffusionskontrolliertes Wachstum), entsprechend dem Modell nach Reiss mit resultierender engerer Größenverteilung.

Für große K-Werte gilt, dass die Wachstumsgeschwindigkeit hauptsächlich von der Reaktionsgeschwindigkeit der Abscheidung abhängig ist (reaktionskontrolliertes Wachstum) mit abgeschwächtem Fokussiereffekt.

Der Zusammenhang zwischen Monomer-Konzentration und Kristallgröße ist über die Gibbs-Thomson Gleichung gegeben mit [53, 56]:

Ce(R) ≅ C ((1+2Ωγ)/(RGT R)) (29) γ : Oberflächenspannung RG : universelle Gaskonstante T: Temperatur C: Konstante, Löslichkeit des Volumens Ce(R): Löslichkeit des Partikels mit Radius R Ω: molares Volumen des Festkörpers

Die Beziehung zwischen Wachstumsgeschwindigkeit G und Übersättigung S kann beschrieben werden mit:

G = dL/dt = kGSg (30)

kG: Wachstumsgeschwindigkeitskonstante g: Wachstumsordnung

Die Ostwald-Reifung ist der Wachstumsmechanismus, bei dem sich kleine Partikel auflösen und die dabei freigesetzten Monomere beim Wachstum größerer Partikel verbraucht werden. Lifhitz, Sloyzov und Wagner haben eine asymptotische Näherung für das Wachstum eines Partikel-Ensembles während der Ostwald-Reifung entwickelt, wobei kooperative Effekte unberücksichtigt bleiben [56]. Diese sog. LSW-Theorie bildet aber den Ausgangspunkt für alle weiteren mathematischen Darstellungen der Ostwald-Reifung.

3.2 SYNTHESE METALLISCHER NANOPARTIKEL

Die Synthese kolloidaler Nanopartikel aus homogener Lösung umfasst zum einen die Nukleation mit Keimen größer als dem kritischen Radius gefolgt vom Wachstum dieser Keime. Zusammenfassend kann dieses Wachstum über den Verbrauch molekularer Precursoren erfolgen, über Ostwald-Reifung oder durch Aggregation [2].

Metallische Nanopartikel wachsen generell über den Verbrauch gelöster Monomere.

Ostwald-Reifung oder orientierte Anlagerung werden nicht beobachtet. Das hängt damit zusammen, dass Ostwald-Reifung nur bei reversibler Addition von Monomer an den Nanokristall auftreten kann. Darüber wird bei Halbleiter-Nanopartikeln die mittlere Partikelgröße gezielt eingestellt. Im Gegensatz dazu ist die Umwandlung molekularer Precursoren/von Monomeren zu metallischen Partikeln entweder irreversibel oder das Gleichgewicht ist stark zur Seite des Partikels hin verschoben. Letzteres kann mit der großen freiwerdenden Gitterenergie bei Bildung eines metallischen Kristalls zusammenhängen.

Bei Abwesenheit der Ostwald-Reifung können demnach die Partikel nur bis zum vollständigen Verbrauch der Monomere wachsen. Damit beeinflusst das Verhältnis zwischen Keimbildungs- und Wachstumsgeschwindigkeit die resultierende Partikelgröße. Dies ist in Abbildung 3.3 gezeigt.

Abbildung 3.3: Nanokristall-Synthese in Abwesenheit der Ostwald-Reifung nach [2]

Dabei führt eine schnelle Keimbildung zu einer hohen Partikel-Konzentration und insgesamt zu kleinen Partikeln. Eine langsame Keimbildung führt zu einer geringen Konzentration an Keimen, wobei gleich viel Monomer verbraucht wird und damit letztendlich größere Partikel resultieren. Ein Einfluss auf die Keimbildungs-geschwindigkeit ermöglicht in diesem Fall eine Größenkontrolle.

Entsprechende Einflüsse können über die Temperatur gesteuert werden. Generell hat eine Temperaturerhöhung stärkere Auswirkungen auf die Keimbildungsphase als auf die Wachstumsphase. Die Nukleationsgeschwindigkeit steigt mit höherer Temperatur und nach Abbildung 3.3 werden somit kleinere Partikel gebildet.

Eine Verzögerung oder Beschleunigung des Wachstums kann des weiteren über die Konzentrationen des Stabilisators induziert werden. Eine Passivierung der Oberfläche

durch Stabilisatoren kann zu verringerter Wachstumsgeschwindigkeit und damit kleineren Partikeln führen. Umgekehrt kann allerdings die Ausbildung stabiler Metall-Stabilisator-Komplexe der Keimbildung vorausgehen, so dass die Nukleations-geschwindigkeit abnimmt und entsprechend größere Partikel hervorgebracht werden.

Es zeigt sich also, dass es zwar möglich ist die Größe der Partikel zu manipulieren, dies aber mehreren Gesetzmäßigkeiten zuzuschreiben ist und somit systemspezifisch angewendet werden muss.

3.3STABILISIERUNG UND LIGANDENKONZEPT

Die Synthesen zur Darstellung von Nanopartikeln in Lösung erfolgen meist über das Prinzip der gestoppten Fällung [57]. Wie bereits ausführlich beschrieben, werden dabei die Komponenten vermischt und Keime gebildet, welche zu makroskopischen Kristalliten wachsen. Da die Oberfläche energiereicher ist als die Volumenphase, ist die Triebkraft des Wachstums gegeben über die Minimierung des Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnisses. Die Agglomeration oder Aggregation der Partikel ist daher unausweichlich ohne geeignete Stabilisierung der Keime oder Partikel. Eine allgemeine Übersicht der verschiedenen Möglichkeiten zur Entstehung als auch Zerstörung der kolloidalen Lösungen ist in Abbildung 3.4 gezeigt.

Abbildung 3.4: Schema zu Stabilisierungs-/Destabilisierungs-Prozessen kolloidaler Systeme nach [5]

Die Stabilisierung kann erreicht werden, indem die Oberfläche derart belegt wird, dass ein Stoffaustausch zwischen den Teilchen verhindert wird. Die verschiedenen Arten der Stabilisierung sind in Abbildung 3.5 gezeigt.

Abbildung 3.5: Unterschiedliche Formen der Stabilisierung nach [57]

Generell werden zunächst zwei Ansätze zur Nanopartikel-Stabilisierung diskutiert (Abbildung 3.5a), b)). Zum einen können elektrostatische Wechselwirkungen eine Rolle spielen, welche durch chemisorbierte geladene Spezies an der Oberfläche hervorgerufen werden (z.B. van der Waals WW). Diese können beispielsweise durch adsorbierte Ionen an der Oberfläche der Partikel und der damit verbundenen elektrischen Aufladung erreicht werden. Durch die elektrostatische Stabilisierung stoßen sich die Partikel ab und eine Konglomeration wird verhindert.

Zum anderen ist es die sterische Abstoßung zwischen Partikeln und damit Stabilisierung, welche über Tenside, Polymere oder andere organische Spezies an der Oberfläche der Nanopartikel realisiert wird (vgl. Abbildung 3.5b)). Die langkettigen Verbindungen binden mit dem einen Ende des Moleküls an der Oberfläche an, wobei der weitere voluminöse Teil in die Lösung ragt. Dabei wird ein Geflecht gebildet, wodurch die Partikel auf Distanz gehalten werden. Die Schutzhülle kann dabei durch einen osmotischen Effekt aufgebaut sein, wobei die Liganden in die gegenseitigen Räume eindringen mit lokal hoher Konzentration zwischen den Partikeln. Der entropische Effekt beschreibt eine strukturbedingte Einschränkung der Ligandenausdehnung bzw. Distanzierung.

Neben den bereits erwähnten elektrostatischen und sterischen/entropischen Stabilisierungen gilt es noch die thermodynamische Stabilisierung zu erwähnen (vgl.

Abbildung 3.5c)).

Starke Liganden, welche fest an die Oberfläche anbinden, können Komplex-verbindungen mit den Nanopartikeln bilden. Generell ist die Tendenz zur Bildung größerer Partikel gegeben aufgrund des Gewinns an Gitterenergie. Thermodynamisch kann aber die Stabilisierung getrieben sein von dem Verbrauch der Energie zur Ausbildung der Ligand-Oberflächen Bindung. Im Falle größerer Partikel würde mehr Oberfläche zur Verfügung stehen und damit die freiwerdende Gitterenergie stärker verbraucht werden zur Ausbildung der Bindungen. Bei starken Ligandbindungen kann dieser Effekt somit zu einer Stabilisierung kleinerer Partikel führen.

In der Praxis sind diese Stabilisierungsmechanismen nur schwer zu trennen und eine empirische Herangehensweise ist unabdingbar. So ist es beispielsweise auch bei metallischen Kolloiden in relativ nicht-polaren Flüssigkeiten nicht auszuschließen, dass elektrostatische Stabilisierung vorliegt [57].

Es existieren somit Übergangsbereiche bei der sterischen und elektrostatischen Stabilisierung, wobei generell zwischen den Partikeln anziehende und abstoßende Kräfte vorliegen [5]. Bei einer stabilen Lösung müssen die abstoßenden Kräfte überwiegen.

Anhand von Energie-Abstands-Funktionen wird der Zusammenhang zwischen Abstoßungsenergien ER und kurzreichenden Anziehungsenergien EA beschrieben, wie in Abbildung 3.6 gegeben mit der Gesamtenergie Et und dem Abstand der Partikel dA, mit:

Et = EA(dA) + ER(dA) (31)

Abbildung 3.6: Energie-Abstands-Funktionen nach DLVO-Theorie nach [5]

Diese grundlegenden Beschreibungen zur Stabilität kolloidaler Lösungen basieren auf der DLVO-Theorie (Derjaguin, Landau, Verway, Overbeek-Theorie). Dabei werden die attraktiven und repulsiven Wechselwirkungen zwischen den dispergierten Teilchen anhand des Modells der elektrochemischen Doppelschicht betrachtet [5], vgl. Abbildung 3.6.

3.4 LIGANDENAUSTAUSCH

Die Stabilisierung der kolloidalen Metall-Nanopartikel mittels Liganden führt gleichzeitig zu einer chemisch modifizierte Oberfläche im Vergleich zu reinen Metall-Partikeln. Bei ursprünglich relativ schwach gebundenen Liganden eröffnet dies einen breiten Zugang zu verschieden stabilisierten Nanopartikeln über einen nach der Synthese ablaufenden Ligandenaustausch.

Bei den Ligandenaustausch-Reaktionen muss die ursprüngliche Art der Stabilisierung eines Partikels mit einbezogen werden. Tenside wie DDAB (Didodecyl-dimethylammoniumbromid), TOAB (Tetraoctylammoniumbromid) gehören zur Substanzklasse der quartären Ammonium-Halogenide [53], wobei die Halogenid-Anionen die Nanopartikeloberfläche umgeben und der voluminöse kationische Teil die externe Schutzhülle bilden. „Capping“ Liganden sind organische Moleküle, welche eine Donor-Gruppe (N, S, O, C) besitzen mit unterschiedlich sterisch beanspruchendem Rest.

Der Hauptunterschied zwischen Tensiden und „Capping“-Liganden liegt in der unterschiedlich starken Anbindung an die Partikeloberfläche. Diese ist bei „Capping“-Liganden größer und erhöht damit die Stabilität der kolloidalen Lösung. Die Abgrenzung zwischen „Capping“-Liganden und Tensiden ist aber nicht eindeutig definierbar.

Eine Abschätzung zu den unterschiedlichen Nanopartikel-Ligand Bindungsstärken und Stabilitäten liefert das HSAB-Konzept. Das HSAB-Konzept ist gegeben als „The Principle of Hard and Soft Acids and Bases“ [73,74]. Dem liegt zugrunde, dass Lewis-Basen Elektronendonatoren mit freiem Elektronenpaar sind bzw. Lewis-Säuren ein Elektronenpaar aufnehmen können. Metall-Ionen sind Lewis-Säuren, wobei sich der Term „Ligand“ als Bezeichnung der dazugehörigen Base etabliert hat. Die weitere Einteilung der Lewis-Säuren und Lewis-Basen in „class a“ und „class b“ Spezies führt zu der Bezeichnung hart und weich. Dabei sind class b Lewis-Säuren weich und besitzen ein großes Akzeptor-Atom mit niedriger positiver Ladung und enthalten ungepaarte Elektronenpaare in ihrer Valenz-Schale (p- oder d-Elektronen). Sie besitzen hohe Polarisierbarkeit und niedrige Elektronegativität und sind damit als weich eingestuft. Im Vergleich dazu können die Donoratome der gängigsten Basen nach ihrer Elektronegativität und steigender „Härte“ angeordnet werden mit As, P < C, Se, S, I <

Br < N, Cl < O < F. Die stabilsten Komplexe sind gegeben über die Regel: „Harte Säuren verbinden sich bevorzugt mit harten Basen und weiche Säuren verbinden sich bevorzugt mit weichen Basen“ [73,74]. Dabei sind Basen mit RNH2 eher als hart eingestuft und RSH als weich. Der Austausch zwischen Amin- und Thiol-Ligand ist damit in Richtung der Thiol-Liganden bevorzugt bei weichen Säuren wie z.B. Pt2+ oder Pt4+. Die Art der Seitengruppe R muss zudem betrachtet werden, wobei längere Alkylketten oder aromatische Systeme die Weichheit erhöhen.

Des Weiteren können Ligand-Ligand Wechselwirkungen den Austausch beeinflussen und zu einer Stabilisierung oder Destabilisierung führen. Langkettige Alkylreste werden u.a. durch van der Waals Kräfte stabilisiert, wohingegen endständige Carboxylgruppen

eher eine Abstoßung verursachen. Zudem ist die Polarität des Lösemittels und des Liganden zu berücksichtigen, wobei in unpolaren Lösungsmitteln bevorzugt unpolare Liganden stabilisiert werden. Weniger voluminöse Liganden führen zu einer stärkeren Bedeckung der Partikeloberfläche als sterisch beanspruchende Liganden, welches sich ebenfalls auf die Stabilisierung untereinander auswirkt. Die Abstände der Partikel können somit ebenfalls über die Art des Liganden modifiziert werden.

3.5 IONISCHE FLÜSSIGKEITEN

Eine weitere Möglichkeit zur nachträglichen Modifikation von ligandenstabilisierten Kolloiden ist die temperaturgesteuerte Form- und Größenkontrolle.

Die bereits existierenden stabilisierten Nanopartikel können dabei Temperatur-behandlungen in flüssiger oder fester Phase unterworfen werden.

Dabei zeigte sich, dass durch das Heizen der Kolloidlösung in Gegenwart der schützenden Liganden die Monodispersität der Nanopartikel verbessert werden konnte [46,67]. Dabei spielen Prozesse infolge des Heizens wie Liganden-Desorption, Kern- oder Partikelverschmelzung und erneute Ausbildung einer Liganden-Schutzhülle eine wesentliche Rolle.

Derartige thermisch-aktivierte core-shell Reaktivitäten wurden v.a. anhand von thiol-stabilisierten Au-Nanopartikeln untersucht. Eine typische Abfolge zur Bildung größerer Partikel ist in Abbildung 3.7 gezeigt.

Abbildung 3.7: schematische Darstellung des thermisch aktivierten

core-shell Reaktionsverhaltens nach [46]; [NR4]+ Br-: hydrophobes, niedrigschmelzendes Salz

Dabei wachsen ursprünglich kleinere Partikel durch sequentielle Desorption, Verschmelzung und erneute Ausbildung oder Regeneration einer Schutzhülle zu größeren Partikeln. Der thermisch getriebenen Desorption der Ligandenhülle folgt das Zusammenfließen der Nanopartikelkerne. Letztere beinhaltet die erneute Ausbildung von Form und Größe unter Minimierung des chemischen Potentials, analog dem thermischen Ausheilen bei Festkörpern. Die folgende erneute Stabilisierung durch eine Ligandenhülle stellt eine Art Konkurrenzprozess dar. Als treibende Kraft dient die Ausbildung des energetisch günstigsten Zustandes. Durch Beimengung eines anderen Liganden oder einer anderen metallischen Komponente kann die Struktur der Partikel verändert werden. Dabei werden die verschiedenen Bindungsenergien zwischen Ligand und Partikel ausgenutzt und des Weiteren spielen Ligand-Ligand Wechselwirkungen eine Rolle. Die infolge derartiger Modifikationen resultierende Evolutionstemperatur (s.u.), bei der das oben beschriebene Reaktionsverhalten einsetzt, orientiert sich daher zum einen an den Ligandeneigenschaften selbst (Stichwort: Kettenlänge). Zum anderen besteht ein materialspezifischer Einfluss bzw. eine Abhängigkeit zur Zusammensetzung des metallischen Kerns.

Die Evolutionstemperatur ist ein entscheidender Faktor bei den dargestellten Untersuchungen. Diese liegt im Falle der nach Brust synthetisierten dodecanthiol-stabilisierten Au-Partikel oberhalb der Siedetemperatur des Lösemittels. Gleichung (32)

beschreibt den Zusammenhang zwischen Siedetemperatur der gesamten Lösung in Abhängigkeit des gelösten Stoffes xA wie folgt [77]:

1/Tb = - R/∆H [ln xA – (∆H/R) (1/T*)] (32)

Tb: Siedepunkt der Lösung T*: Siedepunkt des reinen Lösungsmittels xA: Molenbruch des Lösungsmittels

∆H: Enthalpieänderung

Das bedeutet, dass durch Aufkonzentrierung der kolloidalen Lösung eine Erhöhung des Siedepunktes erreicht werden kann und damit das Erreichen der Evolutionstemperatur gewährleistet ist (vgl. Abbildung 3.8b)).

Da die Vergrößerung der Partikel von dem Anschmelzen der Partikeloberfläche abhängt, ist die Betrachtung der Schmelzkurven in Abhängigkeit des Partikeldurchmessers ebenfalls von Bedeutung. Nach dem thermodynamischen Modell von Buffat [75] ist die Beziehung zwischen dem mittleren Durchmesser reiner Metallpartikel und der Schmelztemperaturen gegeben als:

(Td - T)/ T = -4/(ρSLd) [γS - γLSL)2/3] (33)

d: Durchmesser der Partikels Td: Schmelztemperatur des Partikels T: Schmelztemperatur der Volumenphase

ρS: Dichte Festkörperphase ρL: Dichte flüssigen Phase γS: Oberflächenenergie Festkörperphase γL: Oberflächenenergie flüssige Phase

Diese theoretische Betrachtung sagt den generellen Trend voraus, dass mit abnehmender Partikelgröße der Schmelzpunkt ebenfalls abnimmt, wie in Abbildung 3.8a) anhand des Beispiels von Au-Nanopartikeln gezeigt [77].

Dieser Effekt ist auf die große Anzahl an niedrig-koordinierten Atomen bei Feststoffen mit hohem Oberfläche-zu-Volumen Verhältnis zurückzuführen [76].

Abbildung 3.8: theoretisch berechneter Verlauf für a) Schmelztemperatur von Au-Nanopartikel mit Td=f(rPartikel);

b) Siedetemperatur Tb=f(xA) nach [77]

Auch für Partikel ist dieser Effekt beobachtet worden [78]. Bei 8 nm großen Pt-Partikeln wurde eine Schmelztemperatur zwischen 600-660°C beobachtet anstelle von 1769°C im Volumen. Bereits bei 500°C scheint eine Diffusion an der Oberfläche und zwischen den Nanopartikeln vorzuliegen, oder eine Art Sublimation oder Vorschmelzprozess, verbunden mit einer Formumwandlung. Zusätzlicher Einfluss kann von den Liganden ausgehen bzw. der Hülle.

Um Effekten wie lösungsmittelbegrenzte Temperatur, Unlöslichkeit oder geringe Ausbeuten zu umgehen haben Teranishi et al. Heizverfahren im festen Zustand entwickelt. Wie bereits im Falle des Heizens in Lösung kommt den Tetraalkylammoniumsalzen ([NR4]+ Br) eine besondere Rolle zu. Es handelt sich dabei um niedrigschmelzende Salze mit stark hydrophoben Charakter (ionische Flüssigkeiten).

Dabei werden die Zwischenstufen der Nanopartikel während des Evolutionsprozesses stabilisiert, wobei längerkettige Alkyleinheiten besser geeignet sind als kürzere [77].

Auch hier wird als initialer Prozess das Anschmelzen der ligandenstabilisierten Partikeloberfläche infolge des Heizens postuliert. Danach koagulieren die Partikel einheitlich bis zum Erreichen eines thermodynamisch stabilen Zustandes unter Vergrößerung der Partikel.

3.6 BIMETALLISCHE NANOPARTIKEL

Bimetallische Systeme sind ebenfalls für katalytische Anwendungen von großem Interesse. Nanopartikel welche auf kolloidalem Wege hergestellt wurden, werden dabei unterschieden zwischen Legierungs- und Core-Shell-(Kern-Schale-) Strukturen [79].

Kinetische Einflüsse bei Reduktions- und Wachstumsprozessen und intermetallischen Elektronentransferreaktionen spielen eine entscheidende Rolle bei der Synthese derartiger Kristalle. Segregationseffekte oder die Legierungsbildung der Metalle werden über die Reduktionsgeschwindigkeit kontrolliert. Eine schnelle Reduktion beider Metallion-Arten verhindert das über Elektronentransfer gebildete Redox-Gleichgewicht.

Ein perfekt geordneter Kristall kann demnach nur über bereits bei der frühen Reduktion und Aggregation gebildeten engen Verbindungen von Metallatomen entstehen.

Bei der Bildung von core-shell Partikeln mit dem edleren Metall M im Kern und dem unedleren M’ als Hülle sind niedrige Reduktionsraten zur Ausbildung des Gleichgewichts zum Austausch von M’ und M+ entscheidend. Im folgenden sind die entsprechenden Reaktionsgleichungen gegeben:

e + M+ → M e + M’+ → M’

M’ + M+ → (MM’)+ → M + M’+

(Mm Mn’)x+ + M+ → (Mm+1 Mn’)(x+1)+ → (Mm+1 Mn-1’)x+ + M’+

Diese core-shell Strukturen können ebenfalls über einen Zwei-Stufen Prozess gebildet werden. Dabei werden zunächst Mn Kerne gebildet und danach M’+-Ionen reduziert.

Dies entspricht einer Layer-by-Layer- (Lage-für-Lage-) Synthese. Dabei müssen gewisse Bedingungen an die bereits existierenden Kerne eingehalten werden [1]. Die Kerne müssen gegenüber den Reaktionsbedingungen zur Ablagerung der zweiten Phase stabil sein. Die Oberflächenenergien (chemische Potentiale) der beiden Phasen sollten ähnlich sein, um eine weitere heterogene Keimbildung der zweiten Phase zu verhindern bzw.

homogene Nukleation zu ermöglichen. Zudem darf keine Interdiffusion zwischen den beiden Materialien während des Ablagerungsprozesses vorliegen. Meist wird die erste Phase synthetisiert und erneut gelöst zur Ablagerung der zweiten Phase. Die Geschwindigkeit der Precursor-Addition darf die Ablagerungsgeschwindigkeit nicht überschreiten, da ansonsten Nukleation der zweiten Phase eintritt.

Ein langsamer Elektronentransfer bzw. eine schnelle Reduktion ermöglicht die gleichzeitige Reduktion beider Metalle unter der Bildung von Legierungspartikeln. Die initiale Reduktion erfolgt nach obigen Reaktionsgleichungen, gefolgt von der analogen Anlagerung der Atome:

M’ + M+ → (MM’)+ → M + M’+

Eine alternierende Anlagerung und abwechselnde Reduktionsreaktionen führen zur Ausbildung bimetallischer Kerne, wie es in folgenden Reaktionsgleichungen gezeigt ist:

(Mm Mn’)x+ + M+ → (Mm+1 Mn’)(x+1)+

(Mm+1 Mn’)(x+1)+ + e → (Mm+1 Mn’)x+

Ist bereits der Elektronentransfer schnell, bedarf es einer schlagartigen Reduktion zur Bildung derartiger Legierungspartikel. Dabei entspräche das Metall-Verhältnis der gebildeten Legierung gleichzeitig dem der eingesetzten Precursoren, da eine totale Umsetzung der Ionen vorausgesetzt ist.

Diese Modellvorstellungen können bei der tatsächlichen Synthese häufig nicht scharf abgegrenzt werden. So ist es beispielsweise materialabhängig bzw. abhängig von bestimmten Metallpaaren und der chemischen Umgebung inwieweit Elektronen-Transfer Reaktionen vollständig ablaufen oder total unterdrückt werden können zur Ausbildung segregationsresistenter Legierungen.

In Abbildung 3.9 sind zusammen-fassend charakteristische Bauarten von prinzipiell zu unterscheidenden Bime-tallnanopartikeln gezeigt.

Abbildung 3.9: Bauarten bimetallischer Nanopartikel aus [9]

3.7 ALLGEMEINE PARAMETER ZUR FORMKONTROLLE

Die Größenkontrolle und Zusammensetzung nanoskaliger Partikel sind zwei entscheidende Aspekte zur Beeinflussung der physikalischen und chemischen Eigenschaften von Nanomaterialien. Ein weiterer ausschlaggebender Faktor stellt die Formkontrolle von Nanokristallen dar, wobei prinzipiell zwischen drei verschiedenen geometrischen Grundmotiven unterschieden wird. In Abbildung 3.10 sind diese Geometrien dargestellt mit nulldimensionalen Sphäroiden, Würfeln und Polyedern, eindimensionalen Stäbchen und Drähten und zweidimensionalen Scheiben, Prismen und Plättchen [82].

Abbildung 3.10: Unterschiedliche Nanokristall-Geometrien nach [82]

Bisher wurden in der Literatur viele Möglichkeiten zur Darstellung von eindimensionalen Strukturen wie Nanodrähten diskutiert. Allgemeingültige Synthesekontrollen existieren dabei kaum. So gibt es eine Vielzahl an Wachstumsmethoden mit unterschiedlichen Wachstumsmechanismen. Wie das eindimensionale Wachstum eintritt, unter welchen kinetischen und thermodynamischen Grundprinzipien und inwieweit dies vorauszusagen und anzuwenden ist auf verschiedenste Systeme, ist Gegenstand der aktuellen Forschung [76,82]. Prinzipiell können eindimensionale Strukturen über begünstigte Kristallisation entlang einer Richtung hergestellt werden. Die bisher bekannten Mechanismen zum Kristallwachstum erfolgen entweder über das Wachstum an intrinsisch anisotropen kristallographischen Strukuren, über templatgesteuerte, direkte Bildung eindimensionaler Strukturen [84,85], über flüssig/fest Grenzflächen und verringerter Oberflächen-Symmetrien, über geeignete Schutzreagenzien um eine kinetische Kontrolle der Wachstums-geschwindigkeit an verschiedenen Oberflächenfacettierungen zu erreichen, oder über Selbstanordnung von nulldimensionalen Nanopartikeln. Generell werden Gasphasen-synthesen wie thermische Verdampfung, Chemical-Vapour-Deposition-Technik (CVD) oder Dampf-Flüssig-Fest Methoden (VLS) angewendet sowie Flüssigphasen-Kolloid-Synthesen.

Letztere gehen zurück auf das Nanokristallwachstum in der Flüssigphase, welches ein breites Spektrum an Modifikationsmöglichkeiten bietet und bereits ausführlich erläutert wurde (vgl. vorherige Kapitel). In Abbildung 3.11 sind die in Bezug auf die Formkontrolle hervorzuhebenden Parameter ergänzt.

Abbildung 3.11: Momomerkonzentration als Funktion der Zeit: Entscheidende Parameter während der Keimbildungs- und Wachstumsphase für resultierende Form und Größe nach [82]

Die formkontrollierte Synthese von Nanopartikeln geht meist auf Mechanismen zurück mit deutlicher Unterscheidung zwischen Keimbildungs- und Wachstumsschritten [82,86]. Das anisotrope Wachstum mit kontrollierter Form in Lösung kann dabei über verschiedene Modi verlaufen.

3.7.1 MECHANISMUS DER ORIENTIEREN ANLAGERUNG

Am Beispiel der Synthese von ZnO-Nanostäbchen wird der Mechanismus der orientierten Anlagerung deutlich [87].

Dabei wurden einkristalline ZnO-Nanostäbchen gebildet durch Aufkonzentrierung bereits gebildeter quasisphärischer Partikel über Abdampfen des Lösemittels und anschließendem Erhitzen.

In Abbildung 3.12 sind hochauflösende TEM-Aufnahmen dieser orientierten Anlagerung von sphärischen Partikeln gezeigt.

Die Glättung der anfänglich zu beo-bachtenden Einschnürungen zwischen den Partikeln erfolgt nach [87] über eine anschließende Ostwald-Reifung.

Abbildung 3.12: hochauflösende TEM-Aufnahmen von Dimeren und Oligomeren

durch orientierte Anlagerung aus [87]

Eine gerichtete Selbstorganisation anorganischer Spezies erfolgt demnach aufgrund der Oberflächenenergie und dem hohen Oberfläche-Volumen-Verhältnis bzw. der Verkleinerung der spezifischen Oberfläche durch Anlagerungsprozesse [82].

Ein weiteres Beispiel dafür zeigt das Wachstum von CdTe-Nanodrähten [88]. Durch kontrolliertes Entfernen der schützenden Hülle aus organischen Stabilisatoren konnten CdTe Nanodrähte hergestellt werden. Dabei rekristallisieren die Nanopartikel zu linearen Aggregaten und bilden zunächst eine perlenkettenartige Struktur, wie in Abbildung 3.13, links gezeigt.

Abbildung 3.13: links (A-C): TEM-Bilder der CdTe-Perlenketten-Zwischenstrukutr zur Nanodraht-Umwandlung aus [33], rechts (D-G): 2D-Simulationsergebnissse für 600 NP (Ladung: 1Elektron, Dipolmoment: 0 od. 100D) und resultierende Form mit Dipolmoment

(D-F) und G: ohne Dipolmoment aus [89]

Die Selbst-Organisation erfolgt über intrinsische Anisotropie interpartikulärer Wechselwirkungen. Das kollektive Verhalten von Nanopartikeln und starke intermolekulare Kräfte wie Dipol-Dipol Anziehung kommen hierbei zum Tragen und machen die Stabilität dieser Nanodrähte aus [89,90]. Theoretische Berechnungen auf Basis von kanonischen NVT Monte Carlo Methoden belegen den Einfluss des Dipolmomentes auf die Ausbildung linearer Strukturen. Generell können nach [89] nur elektrostatische, Ladungs-Dipol- oder Dipol-Dipol-Wechselwirkungen lineare Sym-metrien gewährleisten.

In Abbildung 3.13, rechts sind die 2D-Simulationsergebnisse eines Nanopartikel-Ensembles gezeigt. Bei angelegtem Dipolmoment agglomerieren die Nanopartikel in Ketten (Abbildung 3.13 D-F). Ohne Dipolmoment entwickeln sich Agglomerate mit zufällig gebildeten Geometrien, vgl. Abbildung 3.13 G. Weitere Rechnungen zeigten, dass die Ladung der Nanopartikel nicht zu hoch sein darf, um thermodynamisch stabile Aggregate zu bilden, bzw. dürfen die abstoßenden Kräfte nicht gegenüber den Dipol-Dipol Anziehungen überwiegen. Dies untermauert die Annahme, dass die partielle Entfernung der Stabilisatorhülle zu einer Ladungsverringerung führt und somit erst die Bildung linearer Aggregate energetisch bevorzugt ist. Weitere Kräfte und Wechselwirkungen können aber ebenfalls eine Rolle spielen wie induzierte Dipole,

hydrophobe und andere kurzreichende Kräfte wie van-der-Waals Wechselwirkungen [89,91].

3.7.2 KINETISCH INDUZIERTES ANISOTROPES WACHSTUM

Bei der Betrachtung des kinetisch induzierten anisotropen Wachstums müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Zum einen kann die Oberflächenenergie der Nanopartikel durch adsorbierte Tensidmoleküle verändert werden. Dabei können bestimmte Oberflächen durch selektive Adhäsion stabilisiert werden und somit den Wachstumsprozess steuern [82].

Die Bildung von Pt-Nanodrähten aus stabilen, vor Aggregation geschützten Pt(0)-Kernen und gleichzeitiges richtungsabhängiges Wachstum an spezifischen Facetten konnte mittels geeigneter Lösungsmittelpolarität und Schutzliganden erreicht werden [92].

Abbildung 3.14: A: Schematischer Mechanismus der Pt-Nanodrahtbildung über Stabilisierung und Destabilisierung von Pt(0) Kernen und facettenabhängiger Adsorption von DMF

und B: HR-TEM Aufnahme der Drähte aus [92]

Wie in Abbildung 3.14A gezeigt, konnten die Pt(0)-Kerne durch einen Überschuss an NaBH4 stabilisiert und vor Aggregation geschützt werden. Das NaBH4 dient als temporärer Ligand, wobei in Gegenwart von TEA (Triethylamin) eine weitere Stabilisierung stattfindet. Durch die nachfolgende Oxidation des NaBH4 zu NaBO2

werden die Pt(0)-Kerne freigesetzt und wachsen zu einkristallinen Nanodrähten unter Adsorption von DMF an spezifischen Facetten.

Des Weiteren konnten Ag-Nanodrähte synthetisiert werden durch die Verwendung verschiedener sog. Kontrollreagenzien [93]. Letztere wurden unterteilt in anorganische Anionen, Metallkationen und Moleküle. Über den Einfluss auf die Reduktions- und Keimbildungsgeschwindigkeit konnte die Morphologie und Größe der resultierenden Strukturen modifiziert werden.

Auch bei der in [94] beschriebenen Darstellung von Pt-Nanodrähten wird der Zusammenhang zwischen Reduktiongeschwindigkeit und Formkontrolle diskutiert, sowie der Einfluss konkurrierender Adsorptionsprozesse von Precursor und Stabilisator auf verschiedenen Pt-Facettierungen (Pt{111} und Pt{100}). Es wird ein modifizierter diffusions-limitierter Aggregationsmechansimus der Oxalat-stabilisierten Pt-Partikel vorgeschlagen. Durch Wasserstoff-Behandlung während des Umwandlungsprozesses zu