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Vorbereitende Interpretation

Im Dokument Achtsamkeit in der Erwachsenenbildung (Seite 57-62)

4.2.1 Zur Auswahl des zu untersuchenden Kursangebots

Da vorab keine Kriterien zur Auswahl des untersuchten Kurses bestimmt worden wa-ren, erfolgte diese willkürlich. Sie soll jedoch nicht unbegründet bleiben:

Kurse der Vipassana-Tradition, welche zwar nicht vollständig aber zumindest weitge-hend säkular sind, zielen nicht nur auf gesundheitsfördernde Effekte ab, sondern dienen vornehmlich der Erlangung von Erkenntnis, und der Steigerung der eigenen Handlungs-fähigkeit im Sinne einer ethischen Selbstvervollkommnung (Metzinger, 2013, S. 7).

Kurse der Vipassana-Tradition könnten daher mit dem Erwachsenenbildungsverständnis von Ö-Cert vereinbar sein. Dies gilt es zu prüfen.

Konkret wird die Vipassana-Meditation nach S.N. Goenka untersucht. Es handelt sich dabei um den weltweit bekanntesten Ansatz innerhalb der Vipassana-Tradition (Gruber, 2006, S. 76). In Österreich veranstaltet der Verein für Vipassana Meditation Österreich jedes Jahr drei bis fünf Kurse in drei angemieteten Häusern, wobei ein Kurs pro Jahr im Bildungshaus der katholischen Kirche in St. Arbogast stattfindet, welches das Ö-Cert Qualitätssiegel trägt. Je nach Kursstätte können zwischen 100 und 150 Personen teil-nehmen. Damit ist der Verein für Vipassana Meditation Österreich hierzulande der größte Anbieter mehrtägiger, im Schweigen abgehaltener Meditationskurse. Zurzeit wird am Aufbau eines permanenten Meditationszentrums im Mühlviertel gearbeitet (Verein für Vipassana Meditation Österreich, o.J. a).

Bevor mit der Analyse des Praxisbeispiels begonnen werden kann, muss zunächst be-stimmt werden, welches Material untersucht wird, wie es entstanden ist und in welcher Form es vorliegt (Lamnek, 2005, S. 518; Mayring, 2010, S. 52–54).

4.2.2 Bestimmung des Ausgangsmaterials

Um die Forschungsfrage zu beantworten, wird in dieser Arbeit das Buch Die Kunst des Lebens – Vipassana-Meditation nach S.N. Goenka von William Hart (2012) analysiert.

Bei Bedarf, d.h. wenn das Material nicht hinreichend ist, werden weitere Informationen – u.a. von den Websites des Kursanbieters – hinzugezogen.

Der Autor des Buches, William Hart, praktiziert Vipassana seit mehreren Jahrzehnten und leitet als Assistenzlehrer seit 1982 Kurse in S.N. Goenkas Tradition. Sein Buch ba-siert auf den Vorträgen Goenkas, die während des Kurses von den TeilnehmerInnen an-gehört bzw. angesehen werden. Zudem greift er auf Artikel Goenkas zurück und auf Transkripte von Gesprächen zwischen SchülerInnen und Goenka. Das Buch entstand unter der Supervision und mit Zustimmung Goenkas (ebd., S. 13). Hart schreibt: „In ei-nem tieferen Sinne ist S.N. Goenka der eigentliche Autor dieser Arbeit, denn meine Ab-sicht ist lediglich, seine Übermittlung der Lehre des Buddha vorzustellen. Das Verdienst an dieser Arbeit gebührt ihm.“ (ebd., S. 15)

Das Buch richtet sich sowohl an ehemalige KursteilnehmerInnen, die ihr Verständnis vertiefen wollen, als auch an Nicht-Meditierende, welche es ermutigen soll, die Technik auszuprobieren (ebd., S. 9). Es handelt sich nicht um eine Anleitung zur Meditations-praxis. Um die Technik zu erlernen wird empfohlen, an einem zehntägigen Kurs teilzu-nehmen. Dort vermitteln geschulte LehrerInnen diese unter geeigneten Rahmenbedin-gungen (ebd., S. 21 f.).

Nachdem das der Analyse zugrunde liegende Material bestimmt ist, soll eine Kurzbio-graphie des Lehrers zur Klärung der Entstehungsbedingungen des Kurses beitragen.

4.2.3 Biographische Notizen zu Goenka

Satya Narayan Goenka wurde 1924 in Britisch-Indien (heute Myanmar) geboren (passana Research Institute, o.J. a) und starb 2013 in Mumbai, Indien (Verein für Vi-passana Meditation Österreich, o.J. b). Er stammt aus einer Familie von Geschäftsleu-ten. Als Jugendlicher fing er an zu arbeiten und häufte schnell viel Geld und gesell-schaftliches Prestige an. Er meinte, dass er diese Erfahrung nicht missen wolle, da sie ihm vor Augen führte, dass hierin kein wahres Glück liege. Seine damalige Lebensfüh-rung, so meint Goenka, resultierte in einer psychosomatisch bedingten schweren Migrä-ne. In Myanmar behandelte man ihn mit Morphium. Auf der Suche nach einem ande-ren, nicht suchterzeugenden Schmerzmittel bereiste er die Schweiz, Deutschland,

Eng-land, Amerika und Japan. Die Ärztinnen und Ärzte konnten ihm nicht helfen. Ein Freund riet ihm, einen zehntägigen Kurs in Vipassana-Meditation zu besuchen, um sein Leiden zu heilen, woraufhin Goenka mit seinem späteren Lehrer U Ba Khin sprach.

Dieser machte Goenka darauf aufmerksam, dass Vipassana-Meditation ihm zwar bei seinen Migräneanfällen helfen werde, er aber nicht wegen körperlicher Heilung kom-men sollte, sondern um geistige Befreiung zu erlangen (Hart, 2012, S. 171–176).

Aufgewachsen in einer konservativen Hindu-Familie, hielt sich Goenka an alle religiö-sen Pflichten, spendete für wohltätige Zwecke und war Vorsitzender vieler religiöser Organisationen. Deshalb zögerte er, sich einer buddhistische Praxis zu widmen.

Schließlich nahm er aber an einem zehntägigen Kurs teil. In der Folge lernte er vier-zehn Jahre lang als Laie unter enger persönlicher Anleitung seines Lehrers (ebd.).

Als 1962 in Myanmar die neu installierte Militärregierung die Industrie im Land ver-staatlichte, zog er sich als Geschäftsmann zurück. 1969 erhielt er eine Reiseerlaubnis, obwohl eine solche zu dieser Zeit unüblich war, um in Indien seine Eltern zu besuchen.

Sie waren einige Jahre zuvor dorthin gezogen. Ein Grund für den Besuch war die Ner-venkrankheit seiner Mutter. Goenka war überzeugt, dass sie nur durch die Praxis von Vipassana geheilt werden konnte. Im Juli 1969 hielt er den ersten Kurs in Mumbai ab.

Danach wollte er wieder nach Myanmar zurückreisen, doch man drängte ihn, weitere Kurse anzubieten. 1971 starb sein Lehrer. Dieser erzählte ihm oft von dem überlieferten Glauben, dass 25 Jahrhunderte nach Buddhas Tod dessen Lehre in das Ursprungsland Indien zurückkehren und sich von dort aus auf der ganzen Welt verbreiten werde. Der Ansturm auf seine Kurse überzeugte ihn vom Wahrheitsgehalt der Prophezeiung (ebd.).

Das erste Zentrum, in dem bis dato zehntägige aber auch längere Kurse abgehalten wer-den, entstand 1974 in Mumbai. Ab 1979 hielt Goenka Kurse in Ländern auf der ganzen Welt ab. Er lehrte die Meditationstechnik Vipassana zehntausenden TeilnehmerInnen in über 300 zehntägigen Kursen. Aufgrund der hohen Nachfrage ernannte er über 800 As-sistenzlehrerInnen, welche die Kurse zusammen mit HelferInnen ehrenamtlich organi-sieren und durchführen (Vipassana Research Institute, o.J. a).

Bevor in der Folge das Ausgangsmaterial analysiert wird, soll die nun folgende Kurzbe-schreibung eines Zehn-Tages-Kurses LeserInnen einen Über- bzw. Einblick in das An-gebot bieten.

4.2.4 Beschreibung des Ablaufs eines Zehn-Tages-Kurses

Die Anmeldung zu einem Kurs erfolgt online. Man wird aufgefordert, sich die Teilnah-mebedingungen durchzulesen und ihnen zuzustimmen. Zudem muss man einige Fragen zum persönlichen Gesundheitszustand und zur Einnahme von Medikamenten und Rauschmitteln beantworten. Sofern man die Bedingungen erfüllt, erhält man eine E-Mail mit näheren Informationen (Verein für Vipassana Meditation Österreich, o.J. c).

Der Kurs beginnt abends, nachdem die Zimmer bezogen wurden. Die folgenden zehn Tage beginnen um 04:30 mit der ersten Meditationseinheit. Insgesamt wird etwa zehn Stunden pro Tag meditiert. Während der ersten neun Tage müssen die TeilnehmerInnen schweigen. Jedoch besteht mittags sowie nach der letzten Meditationseinheit des Tages die Möglichkeit mit der/dem AssistenzlehrerIn zu sprechen. Abends wird ein aufge-zeichneter Vortrag Goenkas im englischen Original angesehen bzw. als Übersetzung an-gehört, indem Theorie und Praxis näher erläutert werden (ebd.).

Die ersten drei Tage wird Anapana-Meditation geübt: eine konzentrative Meditations-methode bei der die Aufmerksamkeit auf die körperlichen Empfindungen im Bereich der Nasenlöcher gerichtet wird. Dadurch soll der Geist zur Ruhe kommen. Am vierten Tag folgt die Einführung und Ausübung der Vipassana-Meditation im Stile Goenkas, welche eine Form der Achtsamkeits- und Einsichtsmeditation ist. Mit Gleichmut sollen die körperlichen Empfindungen in systematischer Weise vom Kopf bis zu den Füßen beobachtet werden. Dies soll zur Einsicht in die vergängliche Natur der geistigen Phä-nomene verhelfen. Am vorletzten Tag lernt man eine neue Art der Meditation. Sie wird Metta genannt und dient der Kultivierung einer Haltung der liebenden Güte sich selbst und anderen gegenüber (Vipassana Research Institute, o.J. b).

Die Kurse werden durch Spenden finanziert. Spenden dürfen nur jene, die bereits an ei-nem Kurs teilgenommen haben. Die Kosten für Essen und Unterkunft werden genau aufgelistet. Die AssistenzlehrerInnen vor Ort und die HelferInnen in der Küche und

Un-terkunft bekommen keine Vergütung ihrer Dienste (Verein für Vipassana Meditation Ös-terreich, o.J. c).

Es folgt die Darstellung der Ergebnisse der textimmanenten Interpretation des Aus-gangsmaterials. Die bei der Analyse extrahierten Textpassagen wurden dahingehend se-lektiert, dass alle relevanten Informationen enthalten, Redundanzen jedoch möglichst vermieden werden.

Im Dokument Achtsamkeit in der Erwachsenenbildung (Seite 57-62)