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Textimmanente Interpretation

Im Dokument Achtsamkeit in der Erwachsenenbildung (Seite 62-73)

4.3.1 Das Verhältnis zur Esoterik

Höheres bzw. absolutes Wissen

Buddha soll gesagt haben: „Es gibt ein Nichtgeborenes, Nichtgewordenes, Nichtge-schaffenes, Nichtkonditioniertes. Gäbe es kein Nichtgeborenes […], so würde man kei-ne Erlösung vom Geborekei-nen, Gewordekei-nen, Geschaffekei-nen, Konditionierten kenkei-nen.

Aber da es ein Nichtgeborenes […] gibt, deshalb kennt man auch eine Erlösung vom Geborenen […].“ (Hart, 2012, S. 150) Es könne nur in negativen Begriffen umschrie-ben werden, sei aber keine negative Erfahrung. Jedoch verwirre die Beschreibung von Nibbana nur (ebd., S. 151 f.). Keine verstandesmäßige Erklärung könne den Suchenden zufriedenstellen (ebd., S. 139). Man könne die Beschreibung der letztendlichen Wahr-heit in Frage stellen (ebd., S. 159), aber Diskussionen seien nutzlos. Denn sie sei in Worten nicht vermittelbar. Die Wahrheit müsse unmittelbar selbst erfahren werden, dann würden alle Argumente und Erklärungen bedeutungslos. Die/der Erleuchtete habe alle Theorien beiseitegelegt, denn sie/er habe die Wirklichkeit erfahren (ebd., S. 150–

152).

Nicht rationaler Erkenntnismodus

Die höchste Wahrheit bleibt zwar mehr oder weniger unbestimmt, den Weg zu ihr habe Buddha aber dargelegt. Um die Lehre zu prüfen, müsse man den Praxisanweisungen folgen (ebd., S. 159). Der vorgestellte Pfad wird als „Königsweg“ (ebd., S. 9) bezeich-net. Es bestehe kein Zweifel, dass dieser zur Erleuchtung führe (ebd.). Er stehe allen Menschen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht, Kaste oder Religion offen. Auch die Herkunft und das Geschlecht spielten keine Rolle (ebd., S.

11). Es sei jedoch nötig, einen Zehn-Tages-Kurs zu besuchen, um die Technik zu erler-nen (ebd., S. 21).

Vertrauen in die Lehre und intellektuelles Verstehen seien hilfreich, aber nicht ausrei-chend (ebd., S. 30). Zweifel an der Lehre seien angebracht. Die höchste Autorität sei die eigene Erfahrung (ebd., S. 26). Vipassana4 sei nicht der einzige Weg zur Erleuch-tung. Es habe auch Menschen gegeben, welche nie von Vipassana gehört hatten und dennoch Erleuchtung erfuhren. Sie könnten den Weg jedoch nicht erläutern, da sie ihn selbst nicht Schritt für Schritt gegangen seien, sondern der Prozess spontan in ihnen entstanden sei (ebd., S. 159).

Der achtfache Pfad ist in drei Hauptkategorien unterteilt:

 Sila (Moral oder ethisches Verhalten),

 Samadhi (Versenkung oder Konzentration) und

 Panna (Weisheit oder Einsicht, die den Geist vollständig reinigt) (ebd., S. 198 f.).

Ethisches Verhalten schaffe die Voraussetzungen für einen ruhigen Geist und zur Medi-tation, in der Versenkungszustände unterschiedlicher Grade erreicht werden könnten und in denen Einsicht in immer subtilere Wahrheiten erlangt werde. Diese Erkenntnisse förderten wiederum das ethische Verhalten einer Person (ebd., S. 28).

Vipassana als Meditationsmethode zur Entwicklung von Einsicht in die eigene Natur stehe im Mittelpunkt. „Sila und Samadhi, ein Leben unter Einhaltung der ethischen Grundregeln und eine gut entwickelte Konzentration, sind schon in sich wertvolle Ei-genschaften, aber ihr eigentlicher Zweck ist es, uns zur Weisheit zu führen.“ (ebd., S.

109) Die zwei Teile des edlen achtfachen Pfades, welche zur Schulung der Weisheit ge-hören sind: rechte Gedanken und rechtes Verstehen (ebd., S. 199).

Die Gedankenaktivität soll durch Einübung moralischen Verhaltens und der konzentrati-ven Meditationsform Anapana beruhigt werden. Es sei aber nicht nötig, keine Gedanken mehr zu haben, um Vipassana zu praktizieren. Wichtig sei, nicht das Denken

abzuschal-4 Hier meint Vipassana Dhamma bzw. den achtfachen Pfad. Die Begriffe werden teils synonym verwen-det. Trennscharf verwendet meint Vipassana eine Meditationsmethode, die auf Einsicht abzielt. Sie ist Teil des achtfachen Pfades, der zur Befreiung führen soll. Dieser ist wiederum Teil Dhammas, der ge -samten Lehre Buddhas. Dhamma bezeichnet jedoch auch das hierin beschriebene „Naturgesetz“ (ebd.,

ten, sondern den Charakter des Denkens zu ändern. Ein ruhiger Geist – und sei die Stil-le auch nur oberflächlich – fange von selbst an über Dhamma nachzudenken und Ein-sicht zu erlangen (ebd., S. 110).

Das rechte Verstehen wird in drei Arten unterteilt: „empfangene, von anderen übernom-mene Weisheit (Suta-Maya-Panna), verstandesmäßige, intellektuelle Weisheit (Cinta-Maya Panna) und auf Erfahrung beruhende Weisheit (Bhavana-(Cinta-Maya Panna).“ (ebd., S. 110 f.)

Vertrauen in die gehörte Lehre sei förderlich, ebenso wie die rationale Überprüfung der Lehre. Letztlich ginge es aber darum, die Realität im eigenen Inneren direkt wahrzu-nehmen. Diese Form der Erkenntnis führe auch zu einer veränderten Lebensführung.

Vipassana als Methode zur unmittelbaren Einsicht sei der neue und einzigartige Beitrag Buddhas. Sie sei die höchste Form des Verstehens (ebd., 110 ff.).

Unsere Wahrnehmung der äußeren und inneren Realität sei durch alte Konditionierun-gen, Vorlieben und Vorurteile verzerrt (ebd., S. 131). „[M]it der gleichen Unvoreinge-nommenheit und Distanz wie ein Wissenschaftler ein Experiment im Labor beobachtet“

(ebd., S. 117), solle man auch sich selbst beobachten, d.h. die Empfindungen im Körper untersuchen, ohne ihnen durch intellektuelle Verarbeitung eine Ursache zuzuschreiben (ebd., S. 138).

(Selbst-)Verständnis der Lehrenden in der Traditionslinie

Die Traditionslinie Goenkas könne nur bis ins 19. Jahrhundert zurückgeführt werden.

Aber jene, die Vipassana praktizieren würden, hätten keine Zweifel, dass die Methode über Generationen hinweg – seit die Lehre des Buddhas nach Myanmar kam – in ihrer ursprünglichen Form überliefert wurde (ebd. S. 21). „Ohne Zweifel stimmt die Technik mit den Anweisungen des Buddhas überein, mit der einfachsten, wörtlichsten (und di-rektesten) Bedeutung seiner Worte.“ (ebd., S. 21) Goenka und seine AssistenzlehrerIn-nen erheben also die Ansprüche in der direkten Nachfolge Buddhas zu stehen und seine ursprüngliche Lehre und Praxis zu verbreiten (ebd., S. 171).

Goenka fühle sich seinem Lehrer und all jener in der Traditionslinie verpflichtet (ebd., S. 9). Er verehre sie ebenso, wie seine SchülerInnen – laut Hart – Goenka verehren

würden (ebd., S. 17 ff.). Andere hätten Buddha zur Legende gemacht. Er selbst habe sich jedoch niemals als Gott und auch nicht als Mittelsmann Gottes betrachtet. Seine besonderen Qualitäten seien vor allem menschliche Eigenschaften gewesen, welche er bis zur Vollkommenheit hin entwickelt habe (ebd., S. 25). Er habe keine blinde Gefolg-schaft gefordert, sondern den Weg zur Befreiung dargelegt. Die Lehre stehe im Mittel-punkt. Die Person des Lehrenden sei laut Buddha von untergeordneter Bedeutung (ebd., S. 28).

Während für Goenka kein Zweifel besteht, dass Siddharta Gautama Erleuchtung erfuhr und somit ein Buddha wurde, nimmt er für sich selbst nicht in Anspruch, das letztendli-che Ziel erreicht zu haben (ebd., S. 9). Goenka habe auch nicht das geringste Interesse, ein Guru zu sein, der seine SchülerInnen in Abhängige verwandle. Er lehre Selbstver-antwortlichkeit und lehne jede Form der Verehrung seiner Person ab. Die Hingabe an die Technik sei ihm jedoch wichtig (ebd., S. 12). Er selbst bezeichnet seinen Lehrer als heiligen Menschen. Seine Dankbarkeit ihm gegenüber bringe er durch die Praxis seiner Lehre zum Ausdruck (ebd., S. 175).

Wissenschaft

Die Vipassana-Meditation habe einen wissenschaftlichen und praktischen Charakter, der im Osten wie im Westen von großer Relevanz sei (ebd., S. 10). „Unsere Aufgabe ist al-lein die Selbstbeobachtung, und zwar mit der gleichen Unvoreingenommenheit und Di-stanz wie ein Wissenschaftler ein Experiment im Labor beobachtet.“ (ebd., S. 117) Bud-dha „[…] legte alle alten Anschauungen und vorgefaßten Meinungen beiseite und be-gann, die Realität in sich selbst zu erforschen.“ (ebd., S. 38) Indem er sich selbst er-forschte, erkannte er die materielle und geistige Konstitution der Realität (ebd.) Buddha habe nie eine Religion, Philosophie oder ein Glaubenssystem gelehrt. „Er nannte seine Lehre Dhamma, das ››Gesetz‹‹ oder das Gesetz der Natur.“ (ebd., S. 26)

Buddha wird als Wissenschaftler dargestellt. Er habe erkannt, dass jeder scheinbar feste Körper aus subatomaren Teilchen und leerem Raum bestehe. Erstere entstünden und vergingen in weniger als einer billionstel Sekunde (ebd., S. 39). Es heißt: „Moderne Wissenschaftler haben durch Untersuchungen diese letztliche Realität des materiellen

Universums erkannt und akzeptiert.“ (ebd., S. 39) Zudem habe Buddha 2500 Jahre vor der modernen Psychologie die Existenz des unbewussten Geistes erkannt (ebd., S. 106).

Goenka habe nichts gegen die moderne Wissenschaft. Es reiche jedoch nicht aus, die äußere Welt zu erforschen. Vielmehr müsse man auch das Innere erforschen, denn nur so könne man die Wahrheit direkt erfahren. Diese Erkenntnis verändere den Menschen so, dass er im Einklang mit der Wahrheit leben könne. Die objektive Erkenntnis des na-mentlich nicht genannten Wissenschaftlers und Nobelpreisträgers, welcher Buddhas An-nahmen zur materiellen Realität vorgeblich bestätigte, habe diesen nicht von seinen Lei-den befreit. Im Hinblick auf die Gesellschaft führe intellektuelles Verstehen ohne innere Erfahrung dazu, dass die Wissenschaft für zerstörerische Ziele missbraucht werde (ebd., S. 46 f.).

In einer der Geschichten im Buch lautet die Moral, dass man mit theoretischem Wissen zwar angeben könne, es aber nicht dazu verhelfe, die Widrigkeiten des Lebens zu meis-tern (ebd., S. 22 f.).

Zur Beschreibung der Vipassana-Meditation werden naturwissenschaftliche Termini verwendet. So werden die Empfindungen im Körper, die Praktizierende in der Vipassa-na-Meditation untersuchen sollen, als elektromagnetische und biochemische Reaktionen bezeichnet (ebd., S. 117).

4.3.2 Das Verhältnis zu therapeutischen und Gesundheitsangeboten Leidensbegriff

Buddha soll gesagt haben, er lehre stets und ausschließlich über das Leiden und die Auflösung des Leidens (ebd., S. 26). „Wir können der Wahrheit nicht aus dem Wege ge-hen, daß das Leben unvollkommen, unzureichend und unbefriedigend ist – der Wahrheit von der Existenz des Leidens.“ (ebd., S. 48) Leiden wird als Grundproblem der menschlichen Verfassung angesehen (ebd.). Der Krankheit, dem Alter und dem Tod könne niemand entgehen. In diesem Sinne bezeichnet Leiden nicht ausschließlich kli-nisch relevante körperliche oder psychischen Erkrankungen und Störungen, sondern ist sehr viel weiter gefasst.

Obgleich Dukkha, das Leiden, als das Grundproblem jeder Existenz gilt, wird es in Ge-schichten und Metaphern oft als etwas Krankhaftes dargestellt. Beispielsweise wird der Vergleich angestellt, dass man für die körperliche Gesundheit in das Krankenhaus gin-ge, für die geistige Gesundheit zu einem Meditationskurs (ebd. S. 32 f.). An anderer Stelle wird der Kurs mit einer chirurgischen Operation verglichen. Das Öffnen einer ei-tergefüllten Wunde mag schmerzhaft sein, aber letztlich befreie es von Leiden. „In glei-cher Weise befreit der Meditierende beim Durchlaufen eines Zehn-Tage-Kurses den Geist von einigen seiner Verspannungen und kann sich einer größeren geistigen Ge-sundheit erfreuen.“ (ebd., S. 21) Eine weitere Geschichte im Buch stellt erleuchtete Menschen als ÄrztInnen und Vipassana-Praktizierende als PatientInnen dar. Letztere müssten sich jedoch selbst befreien, indem sie das von der ÄrztIn oder dem Arzt ver-schriebene Medikament einnehmen, d.h. den edlen achtfachen Pfad beschreiten (ebd., S. 87).

Heilung von Krankheiten und Linderung von Symptomen

Goenka litt unter heftigen Migräneanfällen, welche nur mit Morphium behandelt wer-den konnten. Auf der Suche nach einem anderen, nicht sucht-erzeugenwer-den Schmerzmit-tel reiste er nach Deutschland, England, Amerika, Japan und in die Schweiz. Keine Ärz-tInnen konnten ihm helfen, so habe er auf den Rat eines Freundes gehört, an einem Zehn-Tage-Kurs in Vipassana-Meditation teilzunehmen (ebd., S. 173). Als Goenka sei-ne Hoffnung äußerte, seisei-ne Migräsei-neanfälle durch die Teilnahme zu heilen, habe ihm sein späterer Lehrer U Ba Khin entgegnet

Dhamma hat nicht den Zweck körperliche Krankheiten zu heilen. Wenn es das ist, was sie suchen, sollten sie besser in ein Krankenhaus gehen. Es ist der Zweck Dhammas, alles Leiden und Elend im Leben zu heilen. Diese Krankheit, die sie haben, ist in Wirklichkeit nur ein sehr unbedeutender Teil ihres Leidens.

Sie wird vergehen, aber nur als Nebenprodukt im Prozeß der geistigen Reini-gung. Wenn Sie das Nebenprodukt zum Hauptziel machen, werten sie Dhamma ab. Kommen Sie nicht um körperliche Heilung zu erlangen, sondern um den Geist zu befreien. (ebd., S. 173)

Diese Einstellung der TeilnehmerInnen fordert Goenka auch von den KursteilnehmerIn-nen ein (ebd.).

Zur Abhaltung seines ersten Kurses, zu dem er seine Eltern einlud, motivierten ihn die Nervenkrankheit seiner Mutter und seine Überzeugung, nur Vipassana könne diese hei-len (ebd., 174 f.).

4.3.3 Das Verhältnis zu Freizeitangeboten

Wissensvermittlung und Übung

Der auf eigener Erfahrung beruhenden Weisheit wird ein höherer Stellenwert zugespro-chen als dem Wissen, das durch verstandesmäßige Überprüfung angeeignet werden kann. Buddha habe keine Philosophie, Religion oder Glaubenssätze gelehrt und die Wissensvermittlung bzw. das Studium der Schriften seien zwar förderlich, aber nicht hinreichend um zu wahrer Erkenntnis zu gelangen (ebd., S. 69). Philosophische Diskus-sionen könnten gar verwirren (ebd., S. 150–152). Daher werden Fragen solcher Art, die von TeilnehmerInnen gestellt werden, oftmals gar nicht beantwortet (ebd., S. 69). Die Wahrheit sollte nicht aus müßiger intellektueller Neugier untersucht werden, sondern in der Absicht sich zu reinigen. Damit ist gemeint, sich von unheilsamen, leiderzeugenden Konditionierungen zu befreien, um die Realität vorurteilslos wahrzunehmen (ebd., S.

29 f.). Weder Rituale noch intellektuelle Übungen wären dazu im Stande (ebd., S. 73).

Deshalb steht die Meditation im Mittelpunkt des Kurses. Während täglich rund zehn Stunden meditiert wird, beschränkt sich die Wissensvermittlung auf die allabendlichen Vorträge von etwa eineinhalb Stunden. In diesen wird die Lehre Buddhas anhand alter Schriften und der persönlichen Erfahrungen Goenkas und seiner SchülerInnen darge-legt. Die Vorträge sollen dazu dienen, die in der Meditation gemachten Erfahrungen in einen größeren Zusammenhang zu stellen (ebd., S. 194).

Erholungs- und Unterhaltungszwecke

Meditation könne, sollte aber nicht, dem Rückzug aus der Welt und der Flucht vor dem Alltag dienen. In Vipassana-Kursen ginge es darum, „der Welt zu begegnen und sich mit ihr auseinanderzusetzen, um sie und sich selbst verstehen zu lernen.“ (ebd., S. 17) Es sei nicht das Ziel, durch Erlangung außergewöhnlicher Bewusstseinszustände, der

Realität zu entkommen, sondern sie unverzerrt wahrzunehmen (ebd., S. 98). „Schon mit den Anmeldeformalitäten wird […] deutlich gemacht, daß es sich bei Vipassana um eine sehr ernsthafte Methode handelt, die harte Arbeit bedeutet und nichts mit einem auf Lustgewinn und Hochgefühle ausgerichteten ›Meditationstrip‹ zu tun hat.“ (ebd., S.

196) Die Kursteilnahme erfordert den Verzicht auf Geselligkeit, sexuelle Handlungen und sinnliches Vergnügungen (ebd., S. 77 f.). Trotz oder gerade weil der Kurs große Anstrengungen verlange, könne sich eine geistige und körperliche Regeneration einstel-len (ebd., S. 196). „Für viele [TeilnehmerInnen] gehört der Besuch eines Zehn-Tages-Kurses daher zum regelmäßigen jährlichen ›Urlaub‹.“ (ebd., S. 196)

4.3.4 Das Verhältnis zu den Zielen der Erwachsenenbildung

Persönliche Identität

Als eines der drei grundlegenden Daseinsmerkmale aller Phänomene gilt Annata. Der Begriff wird im Glossar folgendermaßen beschrieben: „nicht-selbst, ego-los, ohne ein

››ich‹‹, ohne Essenz, ohne wirklichen Inhalt oder Substanz“ (ebd., S. 198). Die Annah-me eines fortdauernden „Ichs“ sei eine tiefverwurzelte Überzeugung aller Menschen.

Buddha habe jedoch nichts Spekulatives gelehrt, welches andere Theorien bekämpfen sollte (ebd., S. 42). Er stellte die Annahme nur in Frage, ohne eine alternative Antwort zu geben. „Keine verstandesmäßige Antwort wird sie zufriedenstellen können. Sie müs-sen das selbst untersuchen.“ (ebd., S. 139) Da alles vergänglich sei, könne es auch keine überdauernde oder fixierte Identität geben. Dies sei keine Meinung, sondern eine Wahr-heit, die jedeR für sich selbst machen könne (ebd., S. 42 f.). „Es gibt keine wirkliche

››Person‹‹, nichts, was beständig ››ist‹‹, sondern lediglich ein fortlaufendes Fließen, ei-nen kontinuierlichen Prozess des Werdens.“ (ebd., S. 43) Alle weisen Menschen hätten den Rat gegeben, sich selbst zu erkennen (ebd., S. 38). Man sollte sich weder selbst ver-leugnen, noch sich selbst unterdrücken, sondern die Vorstellung eines „Ichs“ als äußert kurzlebiges Phänomen erkennen (ebd., S. 162 ff.).

Obwohl es sich letztlich um eine Illusion handle, sei die Annahme einer Identität nötig, um zu (über-)leben (ebd., S. 43). Zwar gebe es kein Selbst, aber menschliche

Eigen-schaften gebe es sehr wohl. Diese müssten kultiviert werden. Eine bewusste, objektive Wahrnehmung des Leidens führe zu einem charakterlichen Wachstum (ebd., S. 53).

Buddha habe keine göttlichen, sondern menschliche Qualitäten zur Vervollkommnung gebracht (ebd., S. 26). Die Praktizierenden sollen selbst zu edlen, heiligen, vom Leiden befreite Menschen werden (ebd., S. 28). Auch der freie Wille wird – zumindest auf ei-ner gewissen Ebene der Unterweisung – nicht bestritten (ebd., S. 54). Die geforderte Zentrierung auf die Gegenwart in der Meditation bedeute nicht, die Vergangenheit zu vergessen und sich nicht mehr um die Zukunft zu kümmern, sondern ermögliche erst, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und angemessene Vorbereitungen für die Zu-kunft zu treffen (ebd., S. 100). Man müsse lernen zu beobachten, um negative Reaktio-nen zu unterlassen und in Richtung eines aktiven, positiven, kreativen Handelns hin zu verändern. Die Veränderung der Welt beginne in einem selbst (ebd., S. 45). Zwar könne wahre Freude nur in einem ich-losen Zustand erfahren werden (ebd., S. 44), man solle aber nicht versuchen, nichts mehr zu sein (ebd., S. 103).

Berufliche Leistungsfähigkeit

Die Steigerung der beruflichen Leistungsfähigkeit wird im Buch nicht direkt bespro-chen. Es wird jedoch behauptet, das Praktizieren von Vipassana mache produktiver (ebd., S. 155). Probleme würden gelöst und ungenutztes Potential werde entfaltet (ebd., S. 18). Vipassana sei „[…] kein Pessimismus, sondern statt dessen Optimismus, Realis-mus und ››AktivisRealis-mus‹‹, d.h. Fleiß und Engagement!“ (ebd., S. 160)

Hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit wird ein rechter Lebenserwerb gefordert. Sie soll weder im Widerspruch zu den fünf ethischen Regeln stehen, noch der eigenen Bereiche-rung dienen. Explizit werden der Verkauf von Teilen geschlachteter Tiere, von Alkohol und Drogen sowie von Giftstoffen und Waffen genannt. Man solle auch niemandem vormachen, man hätte bestimmte Fähigkeiten, die man gar nicht besitzt. Rechter Le-benserwerb zeige sich in der Absicht, eine nützliche Rolle in der Gesellschaft einzuneh-men (ebd., S. 78 f.).

Gesellschaftliches Zusammenleben

Die Vorstellung, bei der Meditation handle es sich um eine narzisstische Nabelschau und um einen Rückzug aus der Welt, wird schon in der Einleitung thematisiert. Im Buch heißt es, manche Techniken zielten darauf ab. Vipassana-Meditation nach Goenka sei jedoch ein Mittel um „der Welt zu begegnen und sich mit ihr auseinanderzusetzen, um sie und sich selbst verstehen zu lernen.“ (ebd., S. 17) Nach seiner Erleuchtung habe der Buddha den Rest seines Lebens seinen Mitmenschen gewidmet (ebd., S. 25). Vipassana diene sowohl dem eigenen Wohl als auch dem Wohl anderer.

Die Atmosphäre um einen unglücklichen Menschen wird aufgeladen mit Unruhe und Anspannung, so daß alle, die in diesen Umkreis geraten, ebenfalls ruhelos, bedrückt und unglücklich werden. Auf diese Weise verbinden sich individuelle Spannungen miteinander und erzeugen die Spannungen innerhalb der Gesell-schaft. (ebd., S. 25)

Gesellschaftliche Spannungen seien nicht mehr als eine Ansammlung der Leiden der Einzelnen. Es komme zum Krieg, wenn sich eine Mehrheit dafür ausspreche (ebd., S.

54).

Auf die Frage, warum man inneren Frieden suchen solle, wenn es keinen Frieden in der Welt gibt, wird geantwortet:

Die Welt wird nur friedvoll sein, wenn die Menschen in der Welt friedvoll und glücklich sind. Die Veränderung muß in jedem einzelnen beginnen. […] Wenn Sie den Weltfrieden wollen, sollten Sie lernen, wie Sie selbst friedvoll sein kön-nen. Nur dann können Sie der Welt Frieden bringen. (ebd., S. 45)

Der Ursprung des Leidens liege im Inneren jeder/jedes Einzelnen (ebd., S. 38). Ge-wöhnlich mache man die jeweilige äußere Situation bzw. eine andere Person für Unan-nehmlichkeiten verantwortlich. Anstatt die ganze Energie für die Veränderung der äuße-ren Situation aufzuwenden, solle man durch Selbstbeobachtung die Gewohnheit des blinden Reagierens aufgeben. Die Praxis von Vipassana führe zur Erkenntnis, dass nie-mand anderes außer man selbst für das eigene Glück oder Unglück verantwortlich sei (ebd., S. 165). Vipassana lehre Eigenverantwortung zu übernehmen. Den eigenen Le-bensunterhalt solle man selbst mit einer ethisch vertretbaren Tätigkeit verdienen. Zu-dem solle man Menschen versorgen, die von einem abhängig sind. Überschüsse sollten

anderen Menschen zu Gute kommen. Man solle eine nützliche Rolle in der Gesellschaft einnehmen (ebd. S. 78 f.).

Die Befolgung der ethischen Regeln, d.h. nicht zu töten, nicht zu stehlen, nicht zu lü-gen, keine sexuellen Verfehlungen zu begehen und sich nicht zu berauschen, diene nicht nur den Praktizierenden sondern der ganzen Gesellschaft (ebd., S. 75). Diese Vorschrif-ten sind negativ formuliert. Sie regeln lediglich, was nicht gemacht werden soll. An an-derer Stelle wird jedoch aufgefordert, im Angesicht von Unrecht einzuschreiten (ebd., S. 86). Nicht Hass sondern Mitgefühl solle das eigene Handeln motivieren. Das Opfer müsse geschützt und TäterInnen vor unheilsamen Taten bewahrt werden (ebd., S. 168).

Die Einübung von Gleichmut solle nicht mit mangelnder Empathie oder Gleichgültig-keit verwechselt werden. Einen ausgeglichenen Geist zu kultivieren sei kein Selbst-zweck und daher nicht als egoistisch zu betrachten. Dieser ermögliche es erst, im

Die Einübung von Gleichmut solle nicht mit mangelnder Empathie oder Gleichgültig-keit verwechselt werden. Einen ausgeglichenen Geist zu kultivieren sei kein Selbst-zweck und daher nicht als egoistisch zu betrachten. Dieser ermögliche es erst, im

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